Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, wann die Unterhaltung einer Baustelle die Voraussetzungen einer Betriebstätte im Sinne des § 16 Abs. 2 Ziff. 2 StAnpG erfüllt.
Normenkette
StAnpG § 16
Tatbestand
Es handelt sich um das Verfahren der Zerlegung der Gewerbesteuer der Firma ...AG in ... (Steuerpflichtige) für den Zeitraum I/1948. Die Stadt ... (Beschwerdeführerin - Bfin. -) nimmt einen Anteil an der Gewerbesteuer in Anspruch, weil sie die Auffassung vertritt, daß die Steuerpflichtige in ihrem Stadtbereich eine Betriebstätte im Sinne des § 16 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) unterhalten habe. Das Finanzamt hat die in § 16 normierten Voraussetzungen nicht als erfüllt angesehen und eine Beteiligung der Bfin. an der Gewerbesteuer abgelehnt. Es hat sich auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs aus den Jahren 1940 - 1942 berufen, nach der die von der Steuerpflichtigen in ... durchgeführten Aufgaben nicht als Bauausführungen im Sinne des § 16 Abs. 2 Ziff. 3 angesehen werden könnten. Da es an Bauausführungen fehle, seien auch die von der Steuerpflichtigen benutzten Baracken keine Anlagen oder Einrichtungen im Sinne von § 16 Abs. 1. Die Unterhaltung von "Baubuden" könne eine Betriebstätte nicht begründen. Dies folge auch aus den Richtlinien zur Gewerbesteuer 1951 Abschn. 24 Abs. 3.
Entscheidungsgründe
Die Oberfinanzdirektion hat auf Beschwerde diese Auffassung bestätigt. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde. Sie ist begründet.
Die Bfin. beschreibt die von der Steuerpflichtigen in ... durchgeführten Aufgaben folgendermaßen:
"Bei den Gas- und Wasserwerken hat die Firma ... AG Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten an Gasbehältern, Gastiefkühlanlagen, Turmreinigern und Rohrleitungen vorgenommen. Ferner hat sie dort eine neue Betriebsgasrohrleitung und zwei Gastrockenanlagen mit den erforderlichen Eisenkonstruktionen und Apparaten errichtet. Die dafür nötigen Fundamente wurden durch Bautrupps der Auftraggeberin erstellt. Bei der ... Hütte wurden Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten an einem Gasbehälter durchgeführt."
Hierzu hat sie im Bezirk der Stadt eine Baustelle von Ende April 1946 bis Ende September 1950 bei den Gas- und Wasserwerken und eine weitere vom 18. Juli 1947 bis 28. August 1948 bei der ... Hütte unterhalten.
Hierüber ist, wie sich aus dem Schriftsatz der Bfin. vom 10. Januar 1951 und dem Bericht des Finanzamts an die Oberfinanzdirektion vom 16. April 1951 ergibt, kein Streit. Dagegen bestehen über die technische Art gewisser Arbeiten zwischen den Parteien Meinungsverschiedenheiten. Das Finanzamt bezeichnet wesentliche Teile von ihnen als Instandsetzungsarbeiten, während die Bfin. von Montage spricht. Der Unterschied liegt darin, daß es sich bei den ersteren um Arbeiten an bestehenden Anlagen zwecks Inbetriebnahme, bei den letzteren um die Fertigstellung der von der Steuerpflichtigen in Teilen gelieferten Anlage zu einer Gesamtgroßanlage an Ort und Stelle handelt. Das Finanzamt ist sich der bestehenden Unklarheit bewußt. Es hat die Steuerpflichtige um Aufklärung gebeten, diese hat sich jedoch auf die Darlegung ihrer eigenen Auffassung beschränkt und ausreichende Erklärungen hinsichtlich des Sachverhalts unterlassen. Auf die Entscheidung des Streitfalles ist die Unklarheit jedoch ohne Bedeutung.
§ 16 StAnpG bestimmt in Abs. 1 allgemein: "Betriebstätte im Sinne der Steuergesetze ist jede feste örtliche Anlage oder Einrichtung, die der Ausübung des Betriebes eines stehenden Gewerbes dient."
und bringt dann in Abs. 2 eine Aufzählung von Beispielen, die jedoch nicht als erschöpfend aufzufassen ist.
Darüber, daß Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten im eigentlichen Sinne nicht zu Bauausführungen (Abs. 2 Ziff. 3) zu rechnen sind, können Zweifel nicht bestehen. Anders liegt die Sache bei den Montagearbeiten. Hierzu hat der Reichsfinanzhof in dem Beschluß VI B 21/41 vom 21. Januar 1942, Reichssteuerblatt (RStBl.) 1942 S. 66, ausdrücklich Stellung genommen. Ihm schließt sich der Senat im wesentlichen an. Danach wären Montagearbeiten zur Fertigstellung einer Gesamtanlage, wie sie hinsichtlich der Gasbehälter, Turmreiniger und Tiefkühlanlagen - siehe die von der Steuerpflichtigen überreichten bildlichen Darstellungen -, ohne Rücksicht darauf, ob die Fundamentierungsarbeiten von der Steuerpflichtigen selbst oder im Auftrage ihrer Auftraggeberin durch eine dritte Firma ausgeführt werden, zu den Bauausführungen zu rechnen, während es hinsichtlich der Rohranlagen und der Gastrockenanlagen weiterer Ermittlungen bedürfte. Doch kann von diesen abgesehen werden.
Die Voraussetzungen einer Betriebstätte sind bereits in den von der Bfin. benutzten Baracken als erfüllt anzusehen. Hinsichtlich dieser kommt es nicht darauf an, ob sie zu Bauausführungen im engeren Sinne dienen. Es ist richtig, daß der Reichsfinanzhof in mehrfachen Beschlüssen "Baubuden" als Betriebstätten nur dort anerkannt hat, wo sie für die Durchführung der Bauausführung benötigt werden. Er hat dies damit begründet, daß der Gesetzgeber unmöglich Baubuden schlechthin als Betriebstätten habe ansehen wollen, wenn Bauausführungen nur unter der weiteren Voraussetzung der Zeitdauer als solche gälten.
Das StAnpG kennt den Begriff Baubuden nicht. Er erscheint in der erwähnten Rechtsprechung und ist in die Richtlinien 1951 Abschn. 24 Abs. 3 übernommen worden. Das Gesetz spricht in § 16 Abs. 1 lediglich von festen örtlichen Anlagen oder Einrichtungen, die der Ausübung des Betriebes eines stehenden Gewerbe dienen und führt in Abs. 2 Ziff. 2 unter den Beispielen "sonstige Geschäftseinrichtungen" an, die dem Unternehmer zur Ausübung seines Gewerbes dienen. Es müssen mithin zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Es muß sich um eine bestimmte für eine gewisse Zeitdauer vorgesehene Anlage handeln, und sie muß für die Durchführung der Aufgaben eines gewerblichen Unternehmens erforderlich sein. Beide Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Baracken - der Begriff "Baubuden" hat als irreführend auszuscheiden - haben der Steuerpflichtigen auf dem Gelände ihrer Auftraggeber zur Benutzung zur Verfügung gestanden. Sie sind tatsächlich eine ganze Reihe von Jahren hindurch benutzt worden. Von ihnen aus hat die Steuerpflichtige die ihr übertragenen vielfachen Aufgaben durchgeführt. Ob es sich im einzelnen hierbei um Arbeiten, die je nach Lage der Dinge als Bauausführungen angesehen werden können, oder um solche, die reine Reparaturen darstellen, handelt, ist nicht entscheidend. Entscheidend ist allein, daß die Steuerpflichtige an den von ihr in ihrem Betrieb hergestellten Großanlagen Arbeiten vorzunehmen hat, sich zur langwierigen Durchführung derselben an Ort und Stelle durch die Bereitstellung von Baracken die Arbeitsmöglichkeiten beschafft und einen längeren Zeitraum hindurch benutzt. Wenn etwa ein Unternehmen, das sich die überwachung von Kesselanlagen zur Aufgabe macht, zur Durchführung derselben in einer benachbarten Stadt auf dem Gelände der betreuten Firmen Jahre hindurch in Durchführung ihrer Aufgaben Räume unterhält, wird niemand in Zweifel ziehen können, daß diese Räume als feste örtliche Anlagen oder Einrichtungen der Ausübung ihres Gewerbes, der überwachung der fremden Kesselanlagen, dienen. Entscheidend kann nur das Gesamtbild sein, wie es sich nach den Erfordernissen des steuerpflichtigen Unternehmens auf eine gewisse Zeit darstellt. Wie lang der Zeitraum zu bemessen ist, ist von den Verhältnissen des Einzelfalles abhängig, wobei eine Benutzungsdauer, wie sie in § 16 Abs. 2 Ziff. 3 vorgesehen ist (früher 12, jetzt 6 Monate), einen Anhaltspunkt bietet.
Da die Erledigung der von der Steuerpflichtigen im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit übernommenen Aufgaben eine längere Zeit beansprucht und die Benutzung von Räumen auf dem Gelände der Auftraggeber mehrere Jahre hindurch erforderlich macht, sind die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1, Abs. 2 Ziff. 2 erfüllt, ohne daß es - die Aufzählung in Abs. 2 Ziff. 3 steht dem nicht entgegen - auf die Art der einzelnen Arbeiten ankommt.
Die Sache geht an das Finanzamt zurück, das die Bfin. an der Zerlegung der Gewerbesteuer zu beteiligen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 407919 |
BStBl III 1954, 179 |
BFHE 1954, 705 |
BFHE 58, 705 |