Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde, Darlegungserfordernisse bei Verfahrensfehlern, Wiederaufnahmegründe
Leitsatz (NV)
- Zur Darlegung der Voraussetzungen von Verfahrensfehlern (hier: mangelnde Sachaufklärung, Verletzung rechtlichen Gehörs, Ablehnung eines Vertagungsantrags, Recht zur Nachreichung von Schriftsätzen).
- Der Senat lässt offen, ob das Vorliegen von Wiederaufnahmegründen die Zulassung der Revision rechtfertigt.
Normenkette
GG Art. 101; FGO §§ 76, 115 Abs. 2 Nr. 3, §§ 134, 155, 116 Abs. 3 S. 3; ZPO §§ 227, 283, 580
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist zu verwerfen.
I.
Die Beschwerde der Beigeladenen zu 3 (Beschwerdeführerin zu 2) ―Rechtsnachfolgerin der früheren Komplementärin der X-KG― ist unzulässig, da das angefochtene Urteil ihre (steuer-)rechtlichen Interessen nicht berührt (vgl. hierzu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., Vor § 115 Rz. 3, § 116 Rz. 18)
II.
1. Soweit der Beigeladene zu 1 (Beschwerdeführer zu 1) rügt, das Finanzgericht (FG) habe gegen seine Pflicht zur Sachaufklärung (§ 76 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) verstoßen, weil es von Amts wegen verpflichtet gewesen sei, den Beigeladenen zu 1 ―der am Termin zur mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen hat― zu vernehmen, genügt dies nicht den Anforderungen an die Darlegung eines Verfahrensmangels nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Hierfür wären insbesondere genaue Angaben dazu erforderlich gewesen, aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit weiterer Sachaufklärung auch ohne einen entsprechenden Antrag des anwaltlich vertretenen Beigeladenen zu 1 hätte aufdrängen müssen (Urteil des Bundesfinanzhof ―BFH― vom 6. Juni 2000 VII R 72/99, BFHE 192, 390, BFH/NV 2000, 1435; Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz. 70, m.w.N.). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt.
a) Der Beigeladene zu 1 hat mit Kaufvertrag vom 10. März 1986 den KG-Anteil seines Bruders ―des Klägers― zum Preis von 1 Mio. DM erworben und diesem in den Jahren 1990 bis 1992 für den Verzicht auf dessen Recht zum Anteils-Rückerwerb eine Abfindung in Höhe von 2,5 Mio. DM geleistet. Entgegen der Auffassung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt ―FA―) hat die Vorinstanz einen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Kaufvertrag und der Einräumung des Rückerwerbsrechts verneint und demgemäß den Abfindungsbetrag nicht als Teil des vom Kläger erzielten Veräußerungspreises angesehen mit der Folge, dass es dem FA bei der Neuberechnung der festzustellenden Besteuerungsgrundlagen nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO zugleich aufgegeben hat, die auf der Grundlage der Abfindungssumme angesetzten Mehrabschreibungen des Beigeladenen zu 1 nicht mehr anzuerkennen.
b) Bestimmend für diese Beweiswürdigung waren zum einen der Inhalt des dem FG vorgelegten Kaufvertrags und des Schreibens vom 21. Oktober 1987, mit dem der Beigeladene zu 1 gegenüber dem Kläger das Bestehen eines Rückerwerbsrechts unter bestimmten Voraussetzungen (Ausscheiden eines weiteren Kommanditisten) bestätigte, zum anderen die Vernehmung der Bediensteten des FA, die im Jahre 1991 an der Betriebsprüfung der KG teilgenommen haben, sowie des Beraters der KG (Herrn Y).
c) Zu einer weiter gehenden Sachaufklärung war das FG nicht verpflichtet. Insbesondere hat es der Beigeladene zu 1 (bzw. dessen Prozessbevollmächtigter) unterlassen, während des finanzgerichtlichen Verfahrens den persönlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Hintergrund des Kaufvertrags darzulegen. Erst im Rahmen des Beschwerdeverfahrens hat er vorgetragen, dass die Veräußerung im Zusammenhang mit der "Bereinigung des Gesellschafterkreises" (d.h. dem Ausschluss des Beigeladenen zu 2) gestanden habe und der Beigeladene zu 1 deshalb dem Kläger ―aufgrund eines abgesprochenen, abgestimmten Vorgehens― noch am Tage des Kaufvertrags (10. März 1986) das Rückerwerbsrecht mündlich zugesagt habe. Anhaltspunkte dafür, dass das FG Anlass gehabt haben könnte, den Sachverhalt auch mit Rücksicht auf diese ―erstmals im Beschwerdeverfahren geschilderten― Umstände aufzuklären, sind den Ausführungen des Beigeladenen zu 1 nicht zu entnehmen. Vielmehr hat dessen Prozessvertreter in der mündlichen Verhandlung im Anschluss an die Einlassungen des Klägers sowie die Vernehmung des Betriebsprüfers (Herrn Z) erklärt, dass "ihm auch nach Rücksprache bei seinem Mandanten … die Existenz eines Vertrags neben dem Schreiben vom 27.10.1987 nicht bekannt sei". Die Sachaufklärungsrüge ist demnach unsubstantiiert (vgl. BFH-Urteil vom 30. Januar 1980 I R 194/77, BFHE 130, 265, BStBl II 1980, 449, a.E.; Gräber/ von Groll, a.a.O., § 76 Rz. 15, 17).
2. Gleiches gilt im Ergebnis für die Rüge, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung jeweils zwei Schreiben des Klägers sowie des Beigeladenen zu 1 (bzw. deren Anwälte) aus dem Jahre 1989 zur Ausübung und Abfindung des Rückerwerbsrechts vorgelegt und deshalb das FG unter Verstoß gegen § 227 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 155 FGO eine Vertagung der mündlichen Verhandlung in Verbindung mit einer informatorischen Befragung des Beigeladenen zu 1 abgelehnt habe.
Auch wenn man dieses Vorbringen dahin versteht, dass der Beigeladene zu 1 im Rahmen eines weiteren Termins zur mündlichen Verhandlung zu den genannten Schreiben im Sinne seines Vortrags in der Beschwerdeinstanz (s. oben) Stellung genommen hätte und demgemäß sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei (Art. 101 Abs. 1 des Grundgesetzes ―GG―), ist die Rüge unschlüssig. Zum einen deshalb, weil das FG seine Entscheidung nicht auf diese Schreiben gestützt hat (Gräber/Koch, a.a.O., § 91 Rz. 5). Zum anderen kommt hinzu, dass der Prozessvertreter des Beigeladenen zu 1 ―trotz Kenntnis des gegenteiligen und im finanzgerichtlichen Verfahren schriftsätzlich vertretenen Standpunkts des Klägers― nicht in der Lage war, in der mündlichen Verhandlung den nach Ansicht seines Mandanten bestehenden Zusammenhang zwischen der Veräußerung des KG-Anteils und der Einräumung des Rückerwerbsrechts darzulegen, und er es zudem unterlassen hat, in der Beschwerdeschrift substantiiert Gründe dafür anzuführen, die diese mangelnde Prozessvorbereitung hinreichend entschuldigen könnten (§ 227 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 155 FGO; vgl. BFH-Beschluss vom 26. November 1993 I B 63/93, BFH/NV 1994, 802; BFH-Urteil vom 5. November 1985 VIII R 103/80, BFH/NV 1987, 160).
3. Unsubstantiiert ist ferner der Vortrag, eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sei darin zu sehen, dass die Vorinstanz die Möglichkeit, dem Beigeladenen zu 1 nach § 283 ZPO i.V.m. § 155 FGO eine Frist zur Nachreichung eines Schriftsatzes zu gewähren, nicht erwogen habe. Der Vortrag ist nicht nur insoweit unzutreffend, als das FG die Einräumung einer Nachfrist im Zusammenhang mit seiner Entscheidung über den Antrag auf Vertagung und demnach gleichfalls mit der Begründung abgelehnt hat, dass den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Schriftstücken keine streitentscheidende Bedeutung zukomme (vgl. dazu Zöller, Zivilprozessordnung, Kommentar, 23. Aufl., § 283 Rn. 2 a). Der Vortrag lässt vor allem außer Acht, dass es auch mit Rücksicht auf die Nachfrist nach § 283 ZPO der Darlegung bedurft hätte, dass der Beigeladene zu 1 (bzw. dessen Prozessvertreter) aufgrund der (nicht rechtzeitigen) Vorlage der Urkunden in der mündlichen Verhandlung außerstande gewesen sei, seine Kenntnisse über die Absprachen mit dem Kläger dem Gericht zu unterbreiten (vgl. hierzu Entscheidung des Bundesverfassungsgericht ―BVerfG― vom 10. Februar 1992
1 BvR 784/91, Neue Juristische Wochenschrift ―NJW― 1992, 2144; Zöller, a.a.O., § 283 Rn. 2 c). Der Senat verweist insoweit auf die vorstehenden Ausführungen.
4. Die Beschwerde ist des Weiteren insoweit unzulässig, als der Beigeladene zu 1 geltend macht, die Revision sei deshalb zuzulassen, weil andernfalls das finanzgerichtliche Verfahren nach § 580 Nr. 7 b ZPO i.V.m. § 134 FGO wieder aufzunehmen sei.
a) Der Beigeladene zu 1 hat hierzu vorgetragen, er habe zwischenzeitlich Urkunden aufgefunden, bezüglich derer er erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfahren habe, dass sie noch existierten. Hierbei handele es sich zum einen um das an ihn gerichtete Schreiben des Rechtsanwalts A vom 5. März 1986 und den beigefügten Entwurf des Kaufvertrags sowie den Entwurf über die Zusicherung des Rückerwerbs, wobei Letzterer mit der Bestätigung des Rückerwerbsrechts vom 21. Oktober 1987 "praktisch identisch" sei. Zum anderen gehe es um einen Brief des Klägers vom 10. Mai 1987, in dem auf den Briefentwurf vom 10. März 1986 Bezug genommen werde. Hieraus sei zu folgern, dass der Kläger bei Abschluss des Kaufvertrags von dem Entwurf Kenntnis gehabt und die Gewährung des Rückerwerbsrechts als ausgemacht angesehen habe.
b) Das anhängige Verfahren gibt dem Senat keine Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen, ob das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes die Zulassung der Revision rechtfertigt (bejahend Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 11. Aufl., § 153 Rz. 2; offen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts ―BVerwG― vom 7. Juli 1999 8 B 66/99, NJW 2000, 1884, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht ―NVwZ― 1999, 1335). Hierauf ist deshalb nicht einzugehen, weil den Ausführungen des Beigeladenen zu 1 die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes nicht entnommen werden können. Dabei kann offen bleiben, ob die genannten Urkunden geeignet sind, ein für den Beigeladenen zu 1 günstigeres Prozessergebnis herbeizuführen (§ 580 Nr. 7 b; vgl. hierzu Zöller, a.a.O., § 580 Rn. 26 f.). Jedenfalls enthält die Beschwerdeschrift keinen schlüssigen Vortrag dazu, dass der Beigeladene zu 1 außerstande war, den Restitutionsgrund bereits im erstinstanzlichen Verfahren geltend zu machen (§ 582 ZPO; vgl. hierzu BFH-Entscheidung vom 11. April 1990 I K 1/90, BFH/NV 1990, 790; Offerhaus in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 134 FGO Rz. 23, 68; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 134 FGO Tz. 39; Zöller, a.a.O., § 582 Rn. 6, § 589 Rn. 2). Da die Beschwerde es unterlassen hat, die Umstände des Auffindens der genannten Schriftstücke konkret zu benennen, ist dem erkennenden Senat jegliche Überprüfung der Behauptung verwehrt, der Beigeladene zu 1 habe die Verfügung über die Urkunden, zu denen auch der mit der Zusicherung vom 21. Oktober 1987 inhaltlich weitgehend identische Entwurf des Rechtsanwalt A gehörte, erst nach Abschluss des finanzgerichtlichen Verfahrens erlangt.
c) Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb geboten, weil der Beigeladene zu 1 vorgetragen hat, dass angesichts der unwahren Behauptungen des Klägers ein (Straf-)Verfahren i.S. von § 580 Nr. 4 ZPO zu erwarten sei. Der Berücksichtigung dieses Vortrags stehen die Voraussetzungen des § 581 ZPO entgegen (vgl. hierzu Tipke/Kruse, a.a.O., § 134 FGO Tz. 36).
5. Soweit der Beigeladene zu 1 schließlich geltend macht, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2, Halbsatz 2 FGO), sind die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt worden.
Der Senat sieht auch insoweit von einer weiteren Begründung dieses Beschlusses ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
Fundstellen