Entscheidungsstichwort (Thema)
Verluste bei beschränkter Haftung: zur Anwendung von § 15a Abs.3 Satz 1 EStG auf Einlageerhöhungen - Auslegung eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung gem. § 131 Abs.1 Satz 2 FGO beim BFH
Leitsatz (amtlich)
Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, daß § 15a Abs.3 Satz 1 i.V.m. § 21 Abs.1 Satz 2 EStG (Einlageminderung) nicht entsprechend anwendbar ist, wenn eine KG mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ein Grundstück veräußert und den Veräußerungsgewinn den Kapitalkonten der Gesellschafter gutschreibt.
Orientierungssatz
1. Wird nach Ablehnung eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung eines Feststellungsbescheids durch das FG beim BFH die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen FG-Beschlusses gem.§ 131 Abs.1 Satz 2 FGO beantragt, ist dieser Antrag dahin auszulegen, daß der Antragsteller unter Aufhebung der Vorentscheidung die Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheids begehrt.
2. Bei einer Einlageminderung i.S. des § 15a Abs.3 Satz 1 EStG werden im Ergebnis ausgleichsfähige Verluste des Vorjahres in nur verrechenbare Verluste umgewandelt. Eine entsprechende Anwendung auf die vom Gesetzgeber bewußt ungeregelt gelassene Einlageerhöhung kann jedenfalls nur dann in Betracht kommen, wenn der Kommanditist oder sonst nur beschränkt haftende Gesellschafter selber Einlagen vornimmt, d.h., der Gesellschaft aus seinem Privatvermögen Mittel zuführt.
Normenkette
EStG 1985 § 15a Abs. 3 S. 1, § 21 Abs. 1 S. 2; FGO §§ 69, 131 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist eine Kommanditgesellschaft, deren Gesellschaftszweck der Erwerb und die Vermietung und Verwaltung von bebauten und unbebauten Grundstücken sowie die Durchführung von Bauvorhaben aller Art ist. An ihr beteiligten sich über einen Treuhand-Kommanditisten Geldgeber (sog. Treugeber-Kommanditisten) mit einer Einlage von je 6 000 DM. Die Antragstellerin erzielte, wie schon in den Vorjahren, im Streitjahr 1985 negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hatte die negativen Einkünfte, soweit sie die Einlage der Treugeber überstiegen, in den Vorjahren als nur verrechenbare Werbungskostenüberschüsse festgestellt. Den Werbungskostenüberschuß des Streitjahres beurteilte er in dem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung als ausgleichsfähig.
Die Antragstellerin veräußerte im Streitjahr unbebaute Grundstücke; den Veräußerungsgewinn schrieb sie in ihrer Handelsbilanz den Kapitalkonten der Treugeber als Gewinnanteil gut. Sie ist der Ansicht, daß diese Gutschriften als Einlage zu behandeln seien, die in entsprechender Anwendung des § 15a Abs.3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu einer Umwandlung der nur verrechenbaren Werbungskostenüberschüsse aus den Vorjahren in ausgleichsfähige Werbungskostenüberschüsse des Streitjahres führen müsse. Über den Einspruch gegen den Feststellungsbescheid ist bisher nicht entschieden. Den Antrag, die Vollziehung des Feststellungsbescheides für das Streitjahr entsprechend auszusetzen, wiesen das FA und anschließend das Finanzgericht (FG) zurück.
Mit ihrer vom FG zugelassenen Beschwerde beantragt die Antragstellerin, die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses gemäß § 131 Abs.1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) einstweilen auszusetzen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Soweit die Antragstellerin beantragt, die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses des FG gemäß § 131 Abs.1 Satz 2 FGO auszusetzen, ist der Senat für eine Entscheidung nicht zuständig. Wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt, kann nur das FG eine solche Aussetzung aussprechen. Der Antrag ist indes dahin auszulegen, daß die Antragstellerin nicht die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Beschlusses des FG begehrt, sondern unter Aufhebung der Vorentscheidung die Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheides für das Streitjahr, soweit darin verrechenbare Werbungskostenüberschüsse festgestellt sind.
TEXT2. Die Beschwerde ist unbegründet. Nach § 69 Abs.2 und 3 FGO kann die Vollziehung eines Feststellungsbescheides ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Das ist der Fall, wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3.Aufl., § 69 Anm.77 m.w.N.). Solche Zweifel bestehen, wie das FG im Ergebnis zutreffend entschieden hat, im Streitfall nicht. Nach § 15a Abs.3 Satz 1 EStG, der nach § 21 Abs.1 Satz 2 EStG bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung entsprechend gilt, ist einem Kommanditisten der Betrag einer Einlageminderung als Gewinn zuzurechnen. Nach Satz 4 des § 15a Abs.3 EStG mindern die zuzurechnenden Beträge die Gewinne des Jahres der Zurechnung oder der Folgejahre. Bei einer Einlageminderung werden danach im Ergebnis ausgleichsfähige Verluste der Vorjahre in nur verrechenbare Verluste umgewandelt (vgl. dazu eingehend v. Beckerath, in: Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 15a Rdnr.D 1 ff.; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 12.Aufl., § 15a Anm.50 ff.). Der Gesetzgeber hat davon abgesehen, für den umgekehrten Fall der Einlageerhöhung eine entsprechende Regelung zu treffen, nämlich dahin, daß verrechenbare Verluste bzw. Werbungskostenüberschüsse aus den Vorjahren im Jahr der Einlage zu ausgleichsfähigen Verlusten bzw. Werbungskostenüberschüssen umgewandelt werden. Wie sich aus dem Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf des entsprechenden Einkommensteueränderungsgesetzes ergibt (BTDrucks 8/4157, S.3), ist der Gesetzgeber der Anregung des Wirtschaftsausschusses des Bundestages nicht gefolgt und hat Einlageerhöhungen ungeregelt gelassen. Anderenfalls würde --führt der Finanzausschuß aus-- bei beschränkt haftenden Unternehmern wieder "die Möglichkeit eröffnet, die durch das Gesetz verschlossen werden soll, nämlich Verluste, die über den Haftungsbetrag am Bilanzstichtag hinausgehen und die den Steuerpflichtigen im Jahr der Entstehung des Verlusts im Regelfall weder rechtlich noch wirtschaftlich belasten, steuermindernd geltend zu machen". Die Antragstellerin weist allerdings zutreffend darauf hin, daß trotz dieses eindeutigen und im Gesetz selbst zum Ausdruck gekommenen Willens des Gesetzgebers im Schrifttum vereinzelt die Ansicht vertreten wird, es bestehe insoweit eine Regelungslücke, die entweder durch verfassungskonforme Auslegung oder durch entsprechende Anwendung des § 15a Abs.3 EStG geschlossen werden müsse (insbesondere Sieker, Finanz-Rundschau --FR-- 1988, 453; Groh, Der Betrieb --DB-- 1990, 13, 16 unter Hinweis auf ein Urteil des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs zu § 23a des österreichischen Einkommensteuergesetzes, Entscheidung vom 11. Dezember 1985 G 139/85-11. u.a., DB 1986, 1704; vgl. auch v. Beckerath, a.a.O., Rdnr.A 301 ff. und Rdnr.D 200 ff. m.w.N.). Der Senat kann offenlassen, ob er sich dieser Ansicht anschließen könnte. Eine entsprechende Anwendung des § 15a Abs.3 EStG (Einlageminderung) oder eine verfassungskonforme Auslegung dieser Vorschrift dahin, daß bei Einlageerhöhungen verrechenbare Werbungskostenüberschüsse der Vorjahre in ausgleichsfähige Werbungskostenüberschüsse des Jahres der Einlage umgewandelt werden, kann jedenfalls nur dann in Betracht kommen, wenn der Kommanditist oder sonst nur beschränkt haftende Gesellschafter Einlagen vornimmt, d.h., der Gesellschaft aus seinem Privatvermögen Mittel zuführt. Im Streitfall haben die sog. Treugeber-Kommanditisten der Antragstellerin keine Mittel zugeführt, die Antragstellerin hat vielmehr ein ihr gehörendes Grundstück veräußert und den Veräußerungsgewinn --der zum laufenden Gewinn der Antragstellerin gehören würde, wenn sie Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen würde-- den Kapitalkonten der Treugeber gutgeschrieben. Die Erhöhung des Kapitalkontos der Gesellschafter infolge einer gewinnbringenden Veräußerung eines Wirtschaftsguts stellt bei einer Personengesellschaft mit Einkünften aus Gewerbebetrieb keine Einlage dar und könnte deshalb auch dann, wenn man grundsätzlich § 15a Abs.3 EStG auf den Fall der Einlageerhöhung anwenden wollte, nicht zu einer Umwandlung von bisher nur verrechenbaren negativen Einkünften in sofort ausgleichsfähige Einkünfte führen. Entsprechendes gilt, wenn es sich um eine Personengesellschaft handelt, die nicht Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Bei einer solchen Gesellschaft ist der Gewinn aus der Veräußerung eines Grundstücks zwar steuerfrei. Das ändert aber nichts daran, daß er nicht von den Gesellschaftern bzw. von den sog. Treugeber-Kommanditisten erzielt und in die Gesellschaft eingelegt, sondern von der Gesellschaft erwirtschaftet wird. Die Gesellschafter führen der Gesellschaft keine Einlagen aus ihrem Privatvermögen zu, es erhöht sich vielmehr lediglich in der Handelsbilanz ihr Kapitalkonto um den anteiligen Veräußerungsgewinn. Eine ausdehnende Anwendung des § 15a Abs.3 EStG auf einen solchen Fall wäre jedenfalls keine Rechtsfortbildung, sondern eine Abänderung des Gesetzes, die dem Gericht verwehrt ist.
Fundstellen
Haufe-Index 65167 |
BStBl II 1994, 793 |
BFHE 173, 574 |
BFHE 1994, 574 |
BB 1994, 1345 |
BB 1994, 1345 (L) |
DB 1994, 1332-1333 (LT) |
HFR 1994, 591 (KT) |
StE 1994, 367 (K) |