Entscheidungsstichwort (Thema)
Selbständigkeit oder Unselbständigkeit eines Beraters
Leitsatz (NV)
1. Die Grundsätze, nach denen zu entscheiden ist, ob jemand selbständig oder unselbständig tätig ist, sind geklärt. Der sozialrechtlichen und arbeitsrechtlichen Einordnung der Tätigkeit kann zwar indizielle Bedeutung für ihre steuerrechtliche Beurteilung als selbständig oder unselbständig zukommen; eine Bindung besteht jedoch nicht. Die zutreffende Anwendung der Grundsätze auf den Einzelfall ist einer Verallgemeinerung nicht fähig.
2. Mit der Begründung, die Würdigung des FG sei fehlerhaft, weil es nicht alle für die Abgrenzung denkbaren Kriterien (d.h. ohne Rücksicht auf die Art der im Streitfall zu beurteilenden, konkreten Tätigkeit) in Erwägung gezogen hat, ist kein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO dargelegt.
Normenkette
UStG § 2 Abs. 12 Nr. 1; FGO § 96 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 05.07.2005; Aktenzeichen 5 K 6024/02 U) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) --ein Rechtsanwalt-- war in den Streitjahren 1996 bis 1998 für das Landesamt … tätig. Sein Aufgabenbereich war die anwaltliche Beratung des Landkreises in allen Fragen bei fachlichen Entscheidungen gemäß § 28 des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen sowie bei gutachterlichen Stellungnahmen. Der Auftraggeber stellte ihm zur Erfüllung seiner Aufgaben geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung. Der Kläger erhielt für seine Tätigkeit nach § 2 des Beratungsvertrages ein pauschales Honorar "monatlich einschließlich der gesetzlichen Umsatzsteuer"; er erhielt eine monatliche "Verdienstabrechnung", in der die Umsatzsteuer nicht gesondert ausgewiesen war. Der Auftraggeber war berechtigt, das Honorar entsprechend der nicht erbrachten Beratertätigkeit angemessen zu mindern, wenn der Auftragnehmer seine Aufgaben nicht oder nicht in vollem Umfang wahrnahm.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) teilte nicht die Auffassung des Klägers, er sei nichtselbständig tätig gewesen; es beurteilte vielmehr die Zahlungen als Entgelt für umsatzsteuerpflichtige Leistungen des Klägers an den Landkreis und erließ entsprechende Umsatzsteuerbescheide.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) bestätigte die Auffassung des FA, der Kläger unterliege als Unternehmer i.S. des § 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) mit seinen Leistungen an den Landkreis der Umsatzsteuer; es ließ die Revision gegen das Urteil nicht zu.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Beschwerde, die er auf sämtliche Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) stützt.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann durch Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO hat eine Rechtssache, wenn eine für die Beurteilung des Streitfalles erhebliche und im Streitfall klärbare Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Das ist in der Regel nicht der Fall, wenn die Rechtsfrage schon durch den BFH geklärt ist und von einer erneuten Entscheidung eine weitere Klärung nicht zu erwarten ist oder aber auch, wenn es lediglich um die Anwendung fester Rechtsgrundsätze auf einen bestimmten Sachverhalt geht (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 17. September 1974 VII B 112/73, BFHE 113, 409, BStBl II 1975, 196; vom 14. Februar 2002 I B 29/01, BFH/NV 2002, 1033). Das ist hier der Fall.
Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, soweit natürliche Personen einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind.
Die vom Kläger als klärungsbedürftig angesehenen Rechtsfragen sind beantwortet. Durch die Rechtsprechung ist bereits geklärt, dass die Frage, ob jemand eine Tätigkeit selbständig oder nichtselbständig ausübt, anhand einer Vielzahl in Betracht kommender Kriterien nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beantworten ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 10. März 2005 V R 29/03, BFHE 209, 162, BStBl II 2005, 730; vom 2. Dezember 1998 X R 83/96, BFHE 188, 101, BStBl II 1999, 534, m.w.N., und Beschlüsse vom 9. Januar 2004 V B 140/03, BFH/NV 2004, 543; vom 28. Februar 2002 V B 31/01, BFH/NV 2002, 957). Dies bedeutet u.a., dass die für und gegen die Selbständigkeit sprechenden Merkmale, die im Einzelfall unterschiedlich gewichtet werden können, gegeneinander abzuwägen sind (vgl. ausführlich z.B. BFH-Urteile vom 17. Oktober 2003 V B 80/03, BFH/NV 2004, 379, und vom 29. Juni 2000 V R 28/99, BFHE 191, 468, BStBl II 2000, 597). Insbesondere ist auch geklärt, dass die sozial- und arbeitsrechtliche Einordnung der Tätigkeit als selbständig oder unselbständig zwar ein Indiz, aber --entgegen der Auffassung des Klägers-- nicht in erster Linie ausschlaggebend sein kann (z.B. BFH-Urteile in BFHE 209, 162, BStBl II 2005, 730, und in BFHE 188, 101, BStBl II 1999, 534, m.w.N.; zuletzt Bundessozialgericht, Urteil vom 24. November 2005 B 12 RA 1/04 R, Der Betrieb 2006, 616, Deutsches Steuerrecht 2006, 434; zur Eigenständigkeit des Begriffs "Arbeitnehmer" auf den verschiedenen Rechtsgebieten vgl. auch Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 15. Dezember 1986 StbSt (R) 2/86, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1987, 2751). Die zutreffende Anwendung dieser Grundsätze im Einzelfall, die der Kläger lediglich in Frage stellt, ist einer Verallgemeinerung nicht zugänglich. Ein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist somit nicht gegeben. Der Kläger hat insoweit auch nicht dargelegt, weshalb weiterer Klärungsbedarf bestehen könnte. Allein der Umstand, dass --wie der Kläger vorträgt-- weitere ähnliche Beraterverträge existieren "dürften", rechtfertigt keine Zulassung der Revision.
2. Auch die Voraussetzungen für eine Zulassung zur Rechtsfortbildung oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO liegen nicht vor.
a) Eine Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) ist erforderlich, wenn über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist, insbesondere wenn der Streitfall im allgemeinen Interesse Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 17. Oktober 2001 III B 65/01, BFH/NV 2002, 217; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl. 2006, § 115 Rz. 41). Ungeklärte Rechtsfragen im allgemeinen Interesse liegen, wie zuvor ausgeführt, nicht vor.
b) Eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO scheidet schon deswegen aus, weil die Begründung der Beschwerde insoweit nicht den Anforderungen nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entspricht. Zur schlüssigen Rüge einer Divergenz (Erfordernis einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung; § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) muss der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften oder des BFH andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen. Voraussetzung ist außerdem, dass das FG in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist, dass im Urteil des FG dieselbe Rechtsfrage wie in der Divergenzentscheidung entschieden wurde.
Insoweit fehlt es schon daran, dass der Kläger nicht die --seiner Meinung nach einander widersprechenden-- Rechtssätze einander gegenübergestellt hat. Im Übrigen fehlt es auch an der für eine Divergenzrüge erforderlichen Identität der Rechtsfrage, da zur Frage der Einordnung einer Tätigkeit als selbständig oder unselbständig, wie ausgeführt, keine Bindung zwischen Arbeits- und Sozialversicherungsrecht einerseits und Steuerrecht andererseits besteht und deshalb unterschiedliche Entscheidungen nicht dieselbe Rechtsfrage betreffen. Auch der Hinweis, in anderen Fällen habe die Rechtsprechung diesem oder jenem Umstand größeres Gewicht beigemessen, verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg, denn nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist das Gesamtbild der Verhältnisse maßgebend und können die für und gegen die Selbständigkeit sprechenden Merkmale im Einzelfall unterschiedlich gewichtet werden.
3. Auch eine Zulassung wegen Verfahrensmängeln kommt nicht in Betracht.
a) Wird --wie hier-- ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht mit der Begründung gerügt, das FG hätte auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, so ist vorzutragen, welche Tatsachen hätten aufgeklärt oder welche Beweise hätten erhoben werden müssen, aus welchen Gründen sich die Beweiserhebung auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei weiterer Aufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern sich daraus auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des Gerichts eine andere Entscheidung hätte ergeben können (z.B. BFH-Urteil vom 23. Mai 1990 V R 167/84, BFHE 161, 191, BStBl II 1990, 1095, unter II. 2. c; BFH-Beschluss vom 26. Juni 2003 IV B 195/01, BFH/NV 2003, 1437).
Der Kläger trägt hierzu lediglich Folgendes vor. Das FG hätte sich "problemlos an den Arbeitgeber … wenden und im Rahmen der Amtshilfe beliebige Auskünfte zu dem Arbeitsverhältnis einholen können. Überhaupt ist zu beanstanden, dass das Finanzgericht ohne Not gänzlich darauf verzichtet hat, sich dieser Erkenntnisquelle zu bedienen. Auch hätte der Beschwerdeführer hierzu persönlich angehört werden können." Das genügt nicht.
b) Auch die Rüge, das FG habe bei seiner Entscheidung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens berücksichtigt und damit gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen, greift nicht durch. Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, das FG habe rechtsirrig ein Unternehmerrisiko des Klägers bejaht und diese Annahme werde nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen gedeckt.
Auch insoweit wendet er sich letztlich nur gegen die Gesamtwürdigung des festgestellten Sachverhalts durch das FG, die er deswegen für fehlerhaft hält, weil das FG nicht alle für die Abgrenzung denkbaren Kriterien --d.h. ohne Rücksicht auf die Art der im Streitfall zu beurteilenden, konkreten Tätigkeit-- in Betracht gezogen hat. Damit macht er der Sache nach nur Einwände gegen die materiell-rechtliche Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend. Diese können im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht zum Erfolg führen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 13. Juni 2005 I B 239/04, BFH/NV 2005, 1840; vom 22. Juni 1999 X B 25/99, BFH/NV 1999, 1612). Soweit der Kläger rügt, das FG habe die angeblich vor der "Entscheidung des Gerichts" übersandten Abrechnungen nicht berücksichtigt, ist dies schon deshalb unbeachtlich, weil er dies nach Ablauf der Begründungsfrist vorgetragen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 1568761 |
BFH/NV 2006, 1892 |