Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassungsgründe für Revision gegen Urteil über die Zurechnung von Einkünften aus einem sog. Schneeballsystem
Leitsatz (NV)
- Die Frage, ob das Steuerrecht das bürgerliche Recht und das Strafrecht durchbreche und verdränge, ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung.
- Die Handelsregistereintragung gehört nicht zu den notwendigen Voraussetzungen der Scheinkaufmannschaft. Die Lehre vom Scheinkaufmann ist über die § 5 und § 15 HGB hinausgehend allgemein anerkannt. Danach kann aber auch ein sich als Kaufmann gerierender Geschäftsinhaber (Scheinkaufmann) Gesellschafter einer stillen Gesellschaft sein.
Normenkette
HGB §§ 5, 15; EStG § 15
Gründe
Von einer Darstellung des Tatbestands wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) abgesehen.
Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben. Im Streitfall greift keiner der von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) geltend gemachten Zulassungsgründe durch.
1. Die Kläger haben vorgetragen, von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob das Steuerrecht das bürgerliche Recht und das Strafrecht durchbreche und verdränge. Da der Vertragspartner (S) der Kläger wegen fortgesetzten Betrugs zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, sei strafgerichtlich bindend festgestellt, dass alle Rechtsbeziehungen zwischen dem Verurteilten und den Betrugsopfern unwirksam seien. Dann aber könnten auch keine steuerrechtlichen Folgerungen aus den Verträgen gezogen werden, die der Straftäter mit ihnen, den Klägern, abgeschlossen habe.
Selbst wenn der Senat zugunsten der Kläger davon ausgeht, dass sich aus ihrem Vorbringen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in einer den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entsprechenden Weise schlüssig ergibt (dazu etwa Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 15. Juli 1966 VI B 2/66, BFHE 86, 708, BStBl III 1966, 628, und vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479), ist die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig, weil sie sich ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 115 Anm. 9). Denn abgesehen davon, dass die Finanzgerichte (FG) an die Beurteilung der Strafgerichte nicht gebunden sind, sondern nach ihrer freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheiden (zuletzt Senatsurteil vom 8. September 1994 IV R 6/93, BFH/NV 1995, 573, m.w.N.), stützt sich die Vorentscheidung auf § 41 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977), der gerade die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts als unerheblich für die Besteuerung ansieht. Es kann daher auch nicht entscheidend darauf ankommen, ob S, der überführte Anlagebetrüger, als Kaufmann oder als Scheinkaufmann aufgetreten ist. Entgegen der Auffassung der Kläger gehört die Handelsregistereintragung jedenfalls nicht zu den notwendigen Voraussetzungen der Scheinkaufmannschaft (vgl. Röhricht in Röhricht/Graf von Westfalen, Handelsgesetzbuch, 1998 Anh. § 5 Rn. 1). Über die §§ 5 und 15 des Handelsgesetzbuchs (HGB) hinausgehend, die nur die dort umschriebenen Sachverhalte regeln, ist die Lehre vom Scheinkaufmann allgemein anerkannt (s. nur Karsten Schmidt, Handelsrecht, 5. Aufl. 1999, S. 5 f. und 323 ff., m.w.N.). Danach kann auch ein sich als Kaufmann gerierender Geschäftsinhaber (Scheinkaufmann) Gesellschafter einer stillen Gesellschaft sein (Röhricht, a.a.O., § 230 Rn. 22).
2. Die Divergenzrüge ist unzulässig.
Die Kläger haben das Urteil des BFH vom 22. Juli 1997 VIII R 57/95 (BFHE 183, 556, BStBl II 1997, 755) bezeichnet und vorgetragen, dort sei "mit besonderer Sorgfalt herausgestellt, daß es sich tatsächlich um einen Kaufmann im Sinne des Handelsgesetzes handeln" müsse. Nur in diesem Fall sei eine stille Gesellschaft zu bejahen und die Qualifikation der Einkünfte als solche aus Kapitalvermögen zulässig. Dem angefochtenen Urteil fehle es "an der Tatbestandsfeststellung, daß der Betrüger kein Kaufmann" sei. Damit haben die Kläger keinen abstrakten Rechtssatz bezeichnet, der zu der angeführten Entscheidung des BFH in BFHE 183, 556, BStBl II 1997, 755 in Widerspruch steht, so dass die Divergenzrüge schon deshalb unzulässig ist. Soweit sich die Kläger zur Begründung ihrer Divergenzrüge auch auf die Tatsachen bezogen haben, die ihrer Auffassung nach den ebenfalls gerügten Verfahrensmangel begründen, scheinen sie eine Divergenz darin zu sehen, dass der BFH nach ihrer Auffassung in BFHE 183, 556, BStBl II 1997, 755 die Kaufmannseigenschaft des Inhabers des Handelsgeschäfts für die Annahme einer stillen Gesellschaft voraussetzt, während nach der Vorentscheidung auch ein Scheinkaufmann tätiger Gesellschafter sein könne. Diese Rüge ist jedoch unzulässig. Denn eine Divergenz ist nur dann i.S. von § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO genügend "bezeichnet", wenn die einander gegenübergestellten Rechtssätze für die Entscheidung jeweils tragend waren (z.B. BFH-Beschluss vom 9. Dezember 1996 VIII B 15/96, BFH/NV 1997, 500). Hieran fehlt es im Streitfall. Das FG hat seine Entscheidung in erster Linie mit der Kaufmannseigenschaft des Anlagebetrügers als Wertpapierhändler begründet und die fehlende bankenaufsichtliche Erlaubnis als unbeachtlich angesehen. Für das FG war somit die Eigenschaft als Scheinkaufmann, mit der sich die Divergenzrüge befasst, nicht entscheidend. Vielmehr hat das FG diese Erwägungen als zusätzlichen Grund für die Abweisung der Klage angeführt.
3. Der gerügte Verfahrensmangel eines Verstoßes gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO greift nicht durch.
Die Kläger haben hierzu geltend gemacht, die Vorentscheidung gehe davon aus, dass ihr Vertragspartner S Scheinkaufmann gewesen sei. Dieser materiell-rechtliche Standpunkt decke sich aber nicht mit den festgestellten Tatsachen. Zu der von ihm angenommenen Eigenschaft eines Scheinkaufmanns hätte das FG nähere Feststellungen im Tatbestand treffen müssen. Insoweit lasse der Tatbestand des Urteils Mängel erkennen, auf denen die angefochtene Entscheidung beruhen könne. Der Scheinkaufmann sei in § 5 HGB definiert; im Streitfall fehle es aber an einer Eintragung in das Handelsregister.
Damit aber haben die Kläger keine schlüssige Rüge eines Verstoßes gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO erhoben. Ihr Einwand ―seine Richtigkeit unterstellt― ergibt keinen Verfahrensmangel, auf dem die Vorentscheidung beruhen kann, denn das FG hat seiner Überzeugungsbildung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) nicht allein die Frage zu Grunde gelegt, ob S als Scheinkaufmann gehandelt hatte; vielmehr hat es seine Entscheidung ―wie ausgeführt― in erster Linie mit der Kaufmannseigenschaft des S als Wertpapierhändler begründet und dessen Eigenschaft als Scheinkaufmann nur als zusätzlichen Grund für die Abweisung der Klage angeführt. Im Kern geht es den Klägern auch hier nur darum, die ihrer Ansicht nach unzutreffende Rechtsauffassung des FG offen zu legen, wonach die Eigenschaft als Scheinkaufmann auch ohne Eintragung in das Handelsregister bejaht werden könne. Damit rügen die Kläger einen materiellen Rechtsfehler, der als solcher nicht zur Zulassung der Revision führen kann. Für behauptete Unrichtigkeiten im Tatbestand des Urteils wäre zudem das Berichtigungsverfahren nach § 108 FGO einzuleiten gewesen. Dies haben die Kläger aber nicht getan.
Fundstellen
Haufe-Index 508884 |
BFH/NV 2000, 1459 |