Leitsatz (amtlich)
Ein Wirtschaftsgut ist jedenfalls in dem Zeitpunkt "bestellt" i. S. des § 4 b InvZulG 1975, in dem ein rechtswirksamer Kauf- oder Werklieferungsvertrag abgeschlossen worden ist. Dies gilt auch dann, wenn der Vertrag unter einer Bedingung abgeschlossen worden ist, auf deren Eintritt der Steuerpflichtige keinen Einfluß hat.
Normenkette
InvZulG 1975 § 4b
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) stand seit Ende 1973 mit der Firma A in Verhandlungen wegen des Baus eines Tankers. Diese Verhandlungen führten zum Abschluß des Bauvertrages vom 15. Juni 1974 über den Bau und die Lieferung eines solchen Tankers. Der Kaufpreis für das Schiff betrug ... Mio DM. Hiervon zahlte die Klägerin im Jahr 1974 ... DM an A.
In § 21 des Bauvertrages wurde folgendes vereinbart:
"Finanzierungsvorbehalt
Voraussetzung für die Gültigkeit dieses Vertrages ist die bankbestätigte Finanzierung sowie die Zusage für den Neubau-Zuschuß, der aus Bundesmitteln gezahlt wird, ferner die bankbestätigte Zusage der während der Bauzeit durchzuführenden Zwischenfinanzierung."
Im August 1974 beantragte die Klägerin beim Bundesminister für Verkehr einen Neubauzuschuß nach Maßgabe der Grundsätze für die Förderung der deutschen Seeschiffahrt von 17. Mai 1965 (Bundesanzeiger - BAnz - Nr. 94 vom 20. Mai 1965 - Förderungsgrundsätze -). Mit Schreiben vom 27. November 1974 teilte der Bundesminister für Verkehr der Klägerin mit, daß der Schiffsneubau nicht in das Schiffahrtsförderungsprogramm 1974/1975 aufgenommen werden könne. Mit einem weiteren Schreiben vom 20. Dezember 1974 unterrichtete er die Klägerin darüber, daß deren Neubau unter die Neubauten aufgenommen werde, die im Rahmen des Schiffahrtsförderungsprogramms gefördert werden könnten. Dabei wies er darauf hin, daß durch diese Einplanung noch kein Rechtsanspruch auf Gewährung des beantragten Schiffsbauzuschusses entstehe.
Mit Schreiben vom 23. Dezember 1974 setzte die Klägerin A über den Inhalt des Schreibens des Bundesminister für Verkehr vom 20. Dezember 1974 in Kenntnis. Dabei führte sie u. a. folgendes aus:
"Obwohl dieser Einplanungsbescheid für uns keinen Rechtsanspruch darstellt, gehen wir davon aus, daß eine grundsätzliche Zusage gegeben worden ist.
Der Finanzierungsvorbehalt in unserem Bauvertrag § 21 hat damit seine Erledigung gefunden, und der Bauvertrag erlangt damit jetzt seine Rechtskraft."
Im März 1975 beantragte die Klägerin beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) die Gewährung einer Investitionszulage gemäß § 4 b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1975 in Höhe von 7,5 v. H. der im Jahre 1974 geleisteten Anzahlungen. Das FA lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, das Schiff sei vor dem 1. Dezember 1974 bestellt worden.
Das Finanzgericht (FG) gab der Sprungklage statt und setzte die Investitionszulage für das Jahr 1974 auf ... DM fest. Nach Ansicht des FG setzt "bestellen" i. S. des § 4 b InvZulG 1975 voraus, daß die Erklärung des Bestellers nicht nur bindend, d. h. nicht frei widerruflich, sondern auch wirksam in dem Sinne sei, daß die gewollten Rechtsfolgen aus ihr hergeleitet werden können. Eine Bestellung, die unter einer aufschiebenden Bedingung abgegeben werde, erlange Wirksamkeit in diesem Sinne erst mit dem Eintritt der Bedingung. Für die Anwendbarkeit des § 4 b InvZulG 1975 komme es in einem solchen Fall darauf an, ob die Bedingung nach dem 30. November 1974 und vor dem 1. Juli 1975 eingetreten sei. Diese Abgrenzung rechtfertige sich aus dem Sinn der Zeitbestimmung in § 4 b Abs. 2 Satz 1 InvZulG 1975. Im Streitfall sei die am 15. Juni 1974 erteilte Bestellung der Klägerin nicht vor dem 1. Dezember 1974 wirksam geworden, da in § 21 des Bauvertrages eine aufschiebende Bedingung vereinbart worden sei, die erst durch das Schreiben der Klägerin vom 23. Dezember 1974 ihre Erledigung gefunden habe. Da es nach § 4 b Abs. 2 Satz 1 InvZulG 1975 auf den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Bestellung ankomme, sei es unerheblich, daß die Klägerin bereits vor dem Wirksamwerden des Vertrages Anzahlungen geleistet und A vor diesem Zeitpunkt Dispositionen getroffen habe, um den Bauvertrag fristgerecht erfüllen zu können.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der Verletzung des § 4 b InvZulG 1975 gerügt wird. Nach Ansicht des FA war das Schiff bereits mit Abschluß des Bauvertrages vom 15. Juni 1974 "bestellt" i. S. des § 4 b InvZulG 1975. Auf den Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung komme es nicht mehr an. Eine andere Auslegung des Begriffs "bestellen" sei weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift herzuleiten. Im Streitfall sei entscheidend, daß die Klägerin nach Abschluß des Bauvertrages keine Möglichkeit mehr gehabt habe, den Bauauftrag zu widerrufen. Zu berücksichtigen sei auch, daß A alsbald nach Abschluß des Vertrages mit dem Bau des Schiffes begonnen und ihrerseits Wirtschaftsgüter von etwa ... Mio. DM bei Dritten bestellt habe.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Nach § 4 b Abs. 1 InvZulG i. d. F. vom 24. Februar 1975 (BGBl I 1975, 529, BStBl I 1975, 206) wird Steuerpflichtigen i. S. des Einkommensteuergesetzes (EStG) für begünstigte Investitionen, die sie in einem Betrieb (einer Betriebstätte) im Inland vornehmen, auf Antrag eine Investitionszulage gewährt. Bei Gesellschaften i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG wird die Zulage der Gesellschaft gewährt. Zu den begünstigten Investitionen rechnet nach § 4 b Abs. 2 InvZulG 1975 u. a. die Anschaffung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die nicht zu den geringwertigen Wirtschaftsgütern gehören, sofern diese Wirtschaftsgüter nachweislich nach dem 30. November 1974 und vor dem 1. Juli 1975 bestellt worden sind.
a) Was unter dem Begriff "bestellen" zu verstehen ist, erläutert das Gesetz nicht. Die Entscheidung im Streitfall erfordert auch nicht, den Inhalt des Begriffs abschließend abzugrenzen. Bezogen auf den dem Streitfall zugrunde liegenden Sachverhalt läßt der Begriff jedenfalls die Auslegung zu, daß ein Wirtschaftsgut in dem Zeitpunkt "bestellt" i. S. des § 4 b InvZulG 1975 ist, in dem ein rechtswirksamer Kauf- oder Werklieferungsvertrag abgeschlossen worden ist. Dies gilt auch dann, wenn der Vertrag unter einer Bedingung abgeschlossen worden ist, auf deren Eintritt der Steuerpflichtige keinen Einfluß hat; denn allein durch den Vertragsabschluß hat der Steuerpflichtige alles von seiner Seite Erforderliche getan, damit die Rechtswirkungen eintreten können. In einem solchen Fall hat der Steuerpflichtige die Investition bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für sich bindend und unwiderruflich in Auftrag gegeben.
2. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Seine Entscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage war abzuweisen, da die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung einer Investitionszulage nach § 4 b InvZulG 1975 hat.
Die Klägerin hatte den Tanker vor dem 1. Dezember 1975, nämlich mit Abschluß des Bauvertrages vom 15. Juni 1974, bestellt. Die Wirkung dieses Anschaffungsgeschäftes war zwar nach § 21 des Bauvertrages von der Sicherung der Finanzierung abhängig, und zwar insbesondere von der Gewährung eines Zuschusses aus Bundesmitteln. Auf den Eintritt der genannten Vertragsbedingungen hatte die Klägerin aber keinen Einfluß mehr. Sie konnte nach Abschluß des Vertrages vom 15. Juni 1974 nicht mehr frei entscheiden, ob sie an der Bestellung des Schiffsneubaus festhalte. Der Umstand, daß der Finanzierungsvorbehalt erst nach dem 30. November 1974 weggefallen ist, bewirkt nicht, daß das Schiff nach diesem Zeitpunkt "bestellt" worden ist i. S. des § 4 b InvZulG 1975.
Fundstellen
BStBl II 1979, 580 |
BFHE 1979, 132 |