Leitsatz (amtlich)
Die für ein Personenkraftfahrzeug gewährte Investitionszulage ist nicht zurückzuzahlen, wenn das Fahrzeug deshalb vor Ablauf von drei Jahren seit seiner Anschaffung veräußert wird, weil es bei einem Verkehrsunfall derart beschädigt wurde, daß die Kosten der Wiederherstellung den Zeitwert des Wagens voraussichtlich erreichen würden.
Normenkette
BerlinFG § 19
Tatbestand
Streitig ist die Rückforderung der für eine Kraftdroschke gewährten Investitionszulage wegen Veräußerung des Wagens nach einem Verkehrsunfall.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt ein Taxiunternehmen. Im Jahr 1969 schaffte er für betriebliche Zwecke einen PKW an, für den der Beklagte und Revisionskläger (FA) antragsgemäß eine Investitionszulage gewährte. Im Frühjahr 1971 erlitt der Kläger mit diesem Fahrzeug einen unverschuldeten Unfall, bei dem der Wagen beschädigt wurde. Er verkaufte daraufhin das Fahrzeug für 1 900 DM zuzüglich Umsatzsteuer an einen Kfz-Händler.
Das FA forderte sodann die gewährte Investitionszulage mit der Begründung zurück, das Fahrzeug sei vor Ablauf von drei Jahren nach der Anschaffung investitionszulageschädlich veräußert worden. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das FG gab der Klage statt. Es vertrat die Auffassung, daß ein Rückforderungsanspruch nicht gegeben sei, wenn das begünstigte Wirtschaftsgut aus dem Anlagevermögen unter Umständen ausscheide, die einen Mißbrauch der Vergünstigung ausgeschlossen erscheinen ließen.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der Verletzung des § 19 Abs. 2 BerlinFG (BGBl I 1970, 1482, BStBl I 1970, 1016) gerügt wird. Das FA ist der Ansicht, daß ein vorzeitiges Ausscheiden des begünstigten Wirtschaftsgutes aus dem Anlagevermögen eines Betriebes (einer Betriebstätte) in Berlin (West) nur dann unschädlich sei, wenn das Wirtschaftsgut auch anderweitig nicht mehr nutzbar sei. Es genüge nicht, daß das Wirtschaftsgut nur wirtschaftlich verbraucht sei. Das Unfallfahrzeug sei im übrigen weder objektiv noch für den Kläger wertlos gewesen. Der erzielte Verkaufspreis von 1 900 DM stelle noch rd. 25 v. H. des Zeitwerts des Wagens vor dem Unfall dar. Das Fahrzeug sei im übrigen wieder fahrbereit gemacht und erneut als Kraftdroschke polizeilich zugelassen worden.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zugelassene Revision ist unbegründet. Die Vorentscheidung geht zutreffend davon aus, daß der Kläger die gewährte Investitionszulage nicht deshalb zurückzuzahlen hat, weil er den Unfallwagen vor Ablauf der maßgeblichen Dreijahresfrist an einen Kfz-Händler veräußert hat.
Zwar ist nach § 19 Abs. 6 BerlinFG die Investitionszulage zurückzuzahlen, wenn die begünstigten Wirschaftsgüter nicht mindestens drei Jahre seit ihrer Anschaffung im Anlagevermögen eines Betriebes (einer Betriebstätte) in Berlin (West) verblieben sind. Nach der Rechtsprechung des BFH kann jedoch in bestimmten Ausnahmefällen von der Einhaltung dieser Dreijahresfrist abgesehen werden. So entsteht grundsätzlich keine Rückzahlungsverpflichtung, wenn Wirtschaftsgüter wegen ihrer schnellen technischen Abnutzung vorzeitig aus dem maßgeblichen Anlagevermögen ausscheiden (BFH-Urteil vom 9. März 1967 IV R 149/66, BFHE 87, 589, BStBl III 1967, 238). In seiner Entscheidung vom 15. Oktober 1976 III R 139/74 (BFHE 120, 317, BStBl II 1977, 59) hat der erkennende Senat darüber hinaus die Auffassung vertreten, daß der mit § 19 BerlinFG bezweckte Investitionserfolg auch dann erreicht werde, wenn die begünstigten Wirtschaftsgüter deshalb vorzeitig aus der Berliner Betriebstätte ausscheiden, weil sie wirtschaftlich verbraucht sind und aus diesem Grund verschrottet werden. Nach Auffassung des Senats sind diese Grundsätze auch in den Fällen anzuwenden, in denen ein Kraftfahrzeug vor Ablauf der maßgeblichen Dreijahresfrist durch einen Unfall derart beschädigt wird, daß die Kosten der Wiederherstellung den Zeitwert des Wagens voraussichtlich erreichen würden (Totalschaden) und das Fahrzeug deshalb vorzeitig aus dem maßgeblichen Anlagevermögen ausscheidet.
Dies gilt nicht nur, wenn der Investor das Unfallfahrzeug verschrottet oder zum Zwecke des Ausschlachtens veräußert, sondern auch dann, wenn das beschädigte Fahrzeug vom Erwerber wieder instandgesetzt wird. Zweck der dreijährigen Bindung ist es, Mißbräuche zu verhindern. Es sollte damit sichergestellt werden, daß die Investitionszulage nicht dazu mißbraucht wird, Wirtschaftsgüter unter Inanspruchnahme der Zulage in Berlin (West) anzuschaffen, um sie schon kurze Zeit später in einen Betrieb (eine Betriebstätte) in der Bundesrepublik oder ins Ausland zu verbringen (BFH-Urteil III R 139/74). Ein derartiger Mißbrauch liegt aber grundsätzlich dann nicht vor, wenn ein Fahrzeug mit Totalschaden, d. h. ein völlig funktionsunfähiges Wirtschaftsgut, aus dem Anlagevermögen ausscheidet. In einem solchen Fall dient der Betrieb (die Betriebstätte) in Berlin (West) nicht als bloße Durchgangsstation, deren man sich zur Erlangung der Investitionszulage bedient. Der mit § 19 BerlinFG bezweckte Investitionserfolg war erreicht. Darauf, ob er ohne das Schadensereignis hätte größer sein können, kommt es grundsätzlich ebensowenig an, wie auf den bei der Veräußerung erzielten Erlös.
Sinn und Zweck des § 19 BerlinFG erfordern nicht, daß der Investor einen funktionsunfähigen Personenkraftwagen lediglich zur Einhaltung der Dreijahresfrist mit Aufwendungen, die den Zeitwert des Wirtschaftsguts voraussichtlich erreichen würden, wieder voll funktionstüchtig macht. Darauf, ob der Erwerber des Unfallfahrzeugs tatsächlich Reparaturkosten in dieser Höhe aufwendet, kommt es nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob bei objektiver Betrachtungsweise ein sog. Totalschaden vorliegt.
2. Nach den unangefochtenen Feststellungen des FG hätten für eine Reparatur des Unfallwagens rd. 10 150 DM aufgewendet werden müssen, während der Zeitwert des Fahrzeugs einschließlich Nebenkosten nur 8 000 DM betragen hat. Selbst der Preis für ein vergleichbares Neufahrzeug hat nur um rd. 700 DM über den Reparaturkosten gelegen.
Das FG hat diesen Sachverhalt rechtlich zutreffend dahin gehend gewürdigt, daß entsprechend den unter 1. dargelegten Grundsätzen ein Rückforderungsanspruch des FA nicht besteht.
Die Revision war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
BStBl II 1977, 793 |
BFHE 1978, 109 |