Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurechnung von Tätigkeiten im AStG - Person i.S. von Art. 24 Abs. 1 DBA-Schweiz - Muttergesellschaft i.S. von § 26 Abs. 2 Satz 1 KStG 1977
Leitsatz (amtlich)
1. Die Frage, welche Tätigkeiten einer ausländischen Gesellschaft zuzurechnen sind, ist auch für den Bereich des § 8 Abs.1 AStG nach den allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen zu beurteilen. Danach ist eine Tätigkeit demjenigen zuzurechnen, für dessen Rechnung sie ausgeübt wird.
2. Verdeckte Einlagen lösen keine Bruttoerträge aus Tätigkeiten i.S. des § 8 Abs.1 Nrn.1 bis 6 oder aus Beteiligungen i.S. des § 8 Abs.2 AStG aus.
3. Ist eine (erste) ausländische Gesellschaft in der Weise in die Ein- und Verkaufstätigkeit einer zweiten ausländischen Gesellschaft für eine dritte ausländische Gesellschaft eingeschaltet, daß die zweite und die dritte Gesellschaft lediglich Zahlungen und Schriftverkehr auf den Namen der ersten Gesellschaft laufen lassen, ohne daß diese über eigenes Personal oder Büroräume verfügt, so werden die Bruttoerträge nur von der (zweiten) ausländischen Gesellschaft erzielt, die die Ein- und Verkaufstätigkeit ausübt.
Orientierungssatz
1. Der in Art. 24 Abs. 1 DBA-Schweiz verwendete Begriff "Person" umfaßt sowohl natürliche Personen als auch Gesellschaften. Der Ausdruck "Gesellschaften" bedeutet juristische Personen oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden. Hat eine nach schweizerischem Recht gegründete AG (später) ihre Geschäftsleitung in die Bundesrepublik verlegt, ist die AG eine in der Bundesrepublik ansässige Person i.S. von Art. 4 Abs. 1 und 8 DBA-Schweiz. Steuerrechtlich kommt es auf den gesellschaftsrechtlichen Streit, ob in der Bundesrepublik die sog. Sitztheorie oder Gründungstheorie anzuwenden ist, nicht an, weil nach der Gründungstheorie die AG als eine im Inland rechtsfähige Kapitalgesellschaft schweizerischen Rechts anzuerkennen wäre und nach der Sitztheorie sie zumindest nach § 3 Abs. 1 KStG 1977 unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig wäre.
2. Unter den Begriff "Muttergesellschaft" i.S. des § 26 Abs. 2 Satz 1 KStG fallen unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen.
Normenkette
DBA CHE 1971 Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b; AStG § 8 Abs. 1 Nrn. 1-6, Abs. 2; KStG 1977 § 1 Abs. 1 Nrn. 1, 5, § 3 Abs. 1, § 26 Abs. 2
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Entscheidung vom 04.07.1991; Aktenzeichen VI 719/90) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine nach schweizerischem Recht gegründete AG, die ihre Geschäftsleitung schon vor dem 1.Januar 1981 ins Inland verlegte. Einziger Aktionär der Klägerin ist eine inländische Körperschaft des öffentlichen Rechts (KöR).
Die Klägerin war in den Streitjahren 1981 bis 1983 mit 25 v.H. am Grundkapital der A-AG, einer Kapitalgesellschaft schweizerischen Rechts mit Sitz und Geschäftsleitung in der Schweiz beteiligt. Die übrigen Anteile an der A-AG wurden in den Streitjahren von B und der J-AG in Zürich mit jeweils 37,5 v.H. gehalten.
Die A-AG war eine Domizilgesellschaft im Sinne des schweizerischen Steuerrechts mit einem entsprechenden Vermerk im Handelsregister. Ihr Zweck war der Import und Export von Waren, ohne daß sie über eigenes Personal und Räume zur Erledigung ihres Zwecks verfügte. Diesem kam sie dadurch nach, daß sie durch Vertrag vom 12.Juni 1979 (Zusammenarbeitsvertrag) die J-AG beauftragt hatte, die Vorbereitung und Abwicklung ihrer Importgeschäfte zu übernehmen. Dabei sollte die J-AG die durch den gemeinsamen Einkauf zu erwartenden günstigeren Bedingungen auch zugunsten der A-AG nutzen.
Die von der A-AG bestellten Waren wurden an die Ö-GmbH, Wien, geliefert, an der die KöR zu 25 v.H. sowie B und die J-AG, Zürich, zu je 37,5 v.H. beteiligt waren. Die A-AG erzielte auf diese Weise Gewinne, die sie in 1981, in 1982 und in 1983 an ihre Gesellschafter ausschüttete. Entsprechend erhielt die Klägerin in 1981 eine Dividende in Höhe von 315 756 DM, in 1982 eine solche in Höhe von 276 788 DM und in 1983 eine solche von 437 605 DM. Für diese Dividenden nahm sie das Schachtelprivileg gemäß Art.24 Abs.1 Nr.1 Buchst.b des Abkommens vom 11.August 1971 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen --DBA-Schweiz-- (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) i.d.F. vor Inkrafttreten des Änderungsprotokolls vom 17.Oktober 1989 (BGBl II 1990, 766, BStBl I 1990, 409) in Anspruch.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ging demgegenüber davon aus, daß die A-AG ihre Bruttoerträge nicht fast ausschließlich aus aktiven Tätigkeiten i.S. des § 8 Abs.1 Nrn.1 bis 6 des Außensteuergesetzes (AStG) bzw. aus Beteiligungen i.S. des § 8 Abs.2 AStG erzielte. Er versagte deshalb der Klägerin das Schachtelprivileg gemäß Art.24 Abs.1 Nr.1 Buchst.b DBA-Schweiz.
Die Einsprüche blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Sein Urteil ist in Recht der Internationalen Wirtschaft/Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters (RIW/AWD) 1991, 1058 veröffentlicht.
Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verfahrensfehler und die Verletzung des Art.24 Abs.1 Nr.1 b DBA-Schweiz i.V.m. § 26 Abs.2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 und § 8 Abs.1 Nr.4 AStG und § 42 der Abgabenordnung (AO 1977).
Es beantragt, das Urteil des Niedersächsischen FG vom 4.Juli 1991 VI 719/90 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
A. Verfahrensfehler
Der vom FA gerügte Verfahrensfehler greift nicht durch. Insoweit sieht der Senat von einer Begründung ab (Art.1 Nr.8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs --BFHEntlG-- i.d.F. vom 20.Dezember 1991, BGBl I 1991, 2288, BStBl I 1992, 44).
B. Materielles Recht
1. Nach Art.24 Abs.1 Nr.1 Buchst.b DBA-Schweiz steht der Klägerin für die von der A-AG ausgeschütteten Dividenden das Schachtelprivileg nur dann zu, wenn sie in den Streitjahren eine i.S. von Art.4 Abs.1 und 8 DBA-Schweiz in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) ansässige Person war und nach deutschem Steuerrecht auf eine von der Dividende zu erhebende deutsche Körperschaftsteuer auch eine vom Gewinn der A-AG erhobene schweizerische Steuer anrechnen könnte. Zu diesen Voraussetzungen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht und den erkennenden Senat bindend festgestellt (§ 118 Abs.2 FGO), daß die Klägerin eine nach schweizerischem Recht gegründete AG war, die ursprünglich ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung in der Schweiz hatte und später ihre Geschäftsleitung in die Bundesrepublik verlegte. Das FG hat die Klägerin als eigenständiges Steuersubjekt behandelt, ohne auf die Frage einzugehen, ob im Steuerrecht die Sitz- oder die Gründungstheorie anzuwenden ist. Dieser Auffassung pflichtet der erkennende Senat im Ergebnis bei.
2. Abkommensrechtlich umfaßt der in Art.24 Abs.1 DBA-Schweiz verwendete Begriff "Person" sowohl natürliche Personen als auch Gesellschaften (Art.3 Abs.1 Buchst.d DBA-Schweiz). Der Ausdruck "Gesellschaft" bedeutet juristische Personen oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden. Gesellschaftsrechtlich ist die Frage umstritten, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn eine Kapitalgesellschaft ihren Verwaltungssitz in einen anderen Staat verlegt (vgl. MünchKomm/Ebenroth, nach Art.10 EGBGB, Anm.114 ff.; Staudinger/Großfeld, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Internationales Gesellschaftsrecht, Rdnr.331 ff., 348 ff.; Behrens in Hachenburg, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Einleitung Internationales Gesellschaftsrecht, Rdnr.74; Soergel/Lüderitz Bürgerliches Gesetzbuch, vor Art.7 EGBGB Rdnr.197). Der Streit betrifft vor allem die Frage, ob in der Bundesrepublik die sog. Sitz- oder Gründungstheorie anzuwenden ist. Steuerrechtlich kommt es auf diesen Streit nicht an, weil nach der Gründungstheorie die Klägerin als eine auch im Inland rechtsfähige Kapitalgesellschaft schweizerischen Rechts anzuerkennen wäre. Nach der Sitztheorie wäre sie zumindest nach § 3 Abs.1 KStG 1977 unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Sie wäre nämlich eine Personenvereinigung, die unbeschadet ihrer fehlenden Rechtsfähigkeit für Zwecke der Besteuerung wie eine juristische Person zu behandeln wäre, da ihr Einkommen weder nach dem KStG noch nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) unmittelbar bei anderen Steuerpflichtigen zu versteuern ist. Diese Voraussetzung ist bei einer Kapitalgesellschaft schweizerischen Rechts, die ihre Geschäftsleitung und ihren Verwaltungssitz ins Inland verlegt, jedenfalls dann erfüllt, wenn sie im Zeitpunkt der Verlegung ihres Verwaltungssitzes über eigenes Vermögen verfügt. Die Verlegung des Verwaltungssitzes ins Inland kann dann nicht die Vollbeendigung, sondern nur die Auflösung der schweizerischen Kapitalgesellschaft auf der Grundlage der Sitztheorie bewirken. Mit der Verlegung ihrer Geschäftsleitung ins Inland galt die Klägerin auch i.S. des Art.4 Abs.1 und 8 DBA-Schweiz als nur in der Bundesrepublik ansässig. Sollte es nur darauf ankommen, ob die Klägerin dem "Typ" nach einer inländischen Körperschaft entspricht (so Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23.Juni 1992 IX R 182/87, BFHE 168, 285, BStBl II 1992, 972), so wäre im Streitfall auch diese Voraussetzung erfüllt.
3. Allerdings ist nach Art.24 Abs.1 Nr.1 Buchst.b DBA-Schweiz das Schachtelprivileg nur zu gewähren, wenn die Klägerin Anspruch auf die Anrechnung der schweizerischen Steuer hätte, die zu Lasten der A-AG auf deren Gewinn erhoben wurde, den sie anteilig an die Klägerin ausschüttete. Die entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen beurteilen sich nach § 26 Abs.2 KStG 1977. Danach kommt es darauf an, ob die Klägerin "Muttergesellschaft" i.S. des § 26 Abs.2 Satz 1 KStG 1977 war. Nach der gesetzlichen Definition fallen unter den Begriff unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen. Die Klägerin war auf der Grundlage der Gründungstheorie bzw. der Typenvergleichstheorie eine Körperschaft und auf der Grundlage der Sitztheorie zumindest Personenvereinigung i.S. des § 3 Abs.1 KStG 1977. Damit sind auch insoweit die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs.2 KStG 1977 erfüllt, ohne daß es auf die Streitfrage ankommt, ob im Steuerrecht die Sitz- oder die Gründungstheorie anzuwenden ist.
4. Zwar setzt § 26 Abs.2 Satz 1 KStG 1977 weiter voraus, daß die Klägerin nachweislich ununterbrochen seit mindestens zwölf Monaten vor dem Ende des Veranlagungszeitraums oder des davon abweichenden Gewinnermittlungszeitraums mindestens zu einem Zehntel unmittelbar am Nennkapital der A-AG beteiligt war. Auch hat das FG in tatsächlicher Hinsicht nur eine Beteiligung der Klägerin von 25 v.H., nicht jedoch den Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs festgestellt. Der Senat versteht jedoch das übereinstimmende Vorbringen der Beteiligten dahin, daß beide von einem Beteiligungserwerb vor dem 1.Januar 1981 als unstreitig ausgehen, weshalb revisionsrechtlich die Voraussetzungen des § 26 Abs.2 Satz 1 KStG 1977 auch insoweit als erfüllt anzusehen sind.
5. Nach § 26 Abs.2 Satz 1 KStG 1977 hätte die Klägerin allerdings nur dann Anspruch auf Anrechnung einer auf den Gewinn der A-AG erhobenen schweizerischen Steuer, wenn die A-AG in den Geschäftsjahren, für die sie die Dividenden ausschüttete (§ 26 Abs.2 Satz 2 KStG 1977), ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs.1 Nrn.1 bis 6 AStG fallenden Tätigkeiten oder aus unter § 8 Abs.2 AStG fallenden Beteiligungen bezog. Zu diesem Punkt ist eine abschließende revisionsrechtliche Prüfung schon deshalb nicht möglich, weil das FG in tatsächlicher Hinsicht nicht festgestellt hat, für welche Wirtschaftsjahre die A-AG Gewinne ausschüttete und welche Bruttoerträge von der A-AG in diesen Wirtschaftsjahren erzielt wurden. Auf diese Feststellungen kommt es jedoch aus folgenden Gründen an:
6. Das FG ist in tatsächlicher Hinsicht stillschweigend davon ausgegangen, daß die A-AG in allen Wirtschaftsjahren, für die sie ausschüttete, ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus dem Import und Export von Waren bezog, wobei sie die entsprechenden Tätigkeiten nicht selbst ausübte, sondern von der J-AG ausüben ließ. Das FG hat diese Tätigkeiten der J-AG steuerrechtlich der A-AG zugerechnet und sie als Handel i.S. des § 8 Abs.1 Nr.4 AStG beurteilt. Diese Beurteilung ist nicht zwingend.
a) Dazu geht der erkennende Senat davon aus, daß die Frage, welche Tätigkeiten einer ausländischen Gesellschaft steuerrechtlich zuzurechnen sind, auch für den Bereich des § 8 Abs.1 AStG nach den allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen zu beurteilen ist. Insoweit kommt es weder auf die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr als Tatbestandsmerkmal des § 15 Abs.2 EStG noch auf die im AStG geltende funktionale Betrachtungsweise (vgl. dazu: BFH-Urteil vom 16.Mai 1990 I R 16/88, BFHE 161, 495, BStBl II 1990, 1049; Flick/Wassermeyer/Becker, Kommentar zum Außensteuerrecht, § 8 Rdnrn.8 ff.) an. Das Merkmal der Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr betrifft nur die Abgrenzung zwischen den Einkunftsarten i.S. des § 2 Abs.1 Nrn.1 bis 3 EStG und den Einkünften aus Vermögensverwaltung i.S. des § 2 Abs.1 Nrn.5 und 6 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 9.Juli 1986 I R 85/83, BFHE 147, 245, BStBl II 1986, 851). Mit Hilfe der funktionalen Betrachtungsweise läßt sich nur die Frage beantworten, ob mehrere zuzurechnende Tätigkeiten einheitlich unter den Katalog des § 8 Abs.1 AStG zu subsumieren sind. Nach den allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen ist dagegen zu beurteilen, wer Unternehmer ist. Das ist derjenige, der persönlich selbständig, d.h. auf eigene Rechnung und Gefahr gewerblich tätig ist (vgl. BFH-Urteile vom 13.Februar 1980 I R 17/78, BFHE 129, 565, BStBl II 1980, 303; vom 13.Dezember 1989 I R 98-99/86, BFHE 159, 452, BStBl II 1990, 468). Dies entspricht dem § 5 Abs.1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG). Danach gilt als Unternehmer derjenige, für dessen Rechnung das Gewerbe betrieben wird: Folglich ist eine Ein- oder Verkaufstätigkeit demjenigen zuzurechnen, für dessen Rechnung sie ausgeübt wurde.
b) Für den Streitfall ist ungeklärt, ob die Tätigkeit der A-AG als Handel i.S. des § 8 Abs.1 Nr.4 AStG oder als Dienstleistung i.S. des § 8 Abs.1 Nr.5 AStG zu beurteilen ist. Diese Frage kann jedoch offenbleiben, weil sich ein der A-AG steuerlich zuzurechnendes Entgelt unter beiden Alternativen als ein Bruttoertrag aus sog. aktiven Tätigkeiten darstellen würde. Sollte die A-AG Handel i.S. des § 8 Abs.1 Nr.4 AStG betrieben haben, so wären die Ausnahmevoraussetzungen des § 8 Abs.1 Nr.4 Buchst.a oder b AStG, die eine passive Tätigkeit auslösen würden, nicht erfüllt. Die gehandelten Güter oder Waren wurden nicht von einem gemäß § 7 AStG an der A-AG beteiligten unbeschränkt Steuerpflichtigen aus der Bundesrepublik geliefert. Die A-AG lieferte die Waren nur an die Ö-GmbH. Die Ö-GmbH war keine unbeschränkt steuerpflichtige Person i.S. des § 8 Abs.1 Nr.4 Buchst.b AStG. Sollte die A-AG dagegen Dienstleistungen erbracht haben, so hätte sie sich dafür zwar ihres Gesellschafters (J-AG) bedient. Die J-AG war jedoch in der Bundesrepublik nicht unbeschränkt steuerpflichtig, weshalb die Ausnahmeregelung des § 8 Abs.1 Nr.5 Buchst.a AStG, die ihrerseits eine passive Tätigkeit auslösen würde, nicht eingreift. Zwar wäre der Empfänger der Dienstleistung die Ö-GmbH gewesen. Auch stand die Ö-GmbH den Gesellschaftern der A-AG nahe. Jedoch war sie im Inland nicht unbeschränkt steuerpflichtig, weshalb auch die Ausnahmeregelung des § 8 Abs.1 Nr.5 Buchst.b AStG nicht eingreift. Anzuwenden wäre deshalb die Grundregel des § 8 Abs.1 Nr.5 AStG. Danach sind Dienstleistungen eine aktive Tätigkeit. Entsprechend müssen die von der A-AG erzielten Bruttoerträge als solche aus einer aktiven Tätigkeit i.S. des § 8 Abs.1 Nrn.1 bis 6 AStG beurteilt werden.
d) Aus dem Gesagten folgt allerdings noch nicht, daß die A-AG überhaupt Bruttoerträge erzielte. Die Behandlung dieser Frage macht ein Eingehen darauf, was unter Bruttoerträgen zu verstehen ist, nicht erforderlich (vgl. Flick/Wassermeyer/Becker, a.a.O., § 8 Rdnr.102 ff.; Mössner in Brezing u.a., Außensteuerrecht, § 8 AStG Rdnr.104 ff.). Der Streitfall gibt lediglich Veranlassung, die Frage zu beantworten, ob nicht die der A-AG zugeflossenen Vermögensmehrungen steuerrechtlich als verdeckte Einlagen zu qualifizieren sind. Die entsprechende Beurteilung hätte zur Folge, daß die A-AG keine Bruttoerträge erzielt hätte. Dann stünde der Klägerin das Schachtelprivileg nicht zu. Nach Art.24 Abs.1 Nr.1 Buchst.b DBA-Schweiz i.V.m. § 26 Abs.2 KStG 1977 setzt nämlich die Gewährung des Schachtelprivilegs im Inland voraus, daß die ausschüttende ausländische Gesellschaft ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs.1 Nrn.1 bis 6 AStG fallenden Tätigkeiten oder aus unter § 8 Abs.2 AStG fallenden Beteiligungen bezog. Daran würde es fehlen, wenn sie nur verdeckte Einlagen erhalten hätte.
Die Frage läßt sich auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG nicht abschließend beantworten. Das FG hat festgestellt, daß die A-AG für die Tätigkeiten, zu deren Übernahme sie sich vertraglich verpflichtete, weder über Personal noch über Räume verfügte. Unter Fremden ist der Vertragsabschluß mit einer Person, die schon auf Grund der vorhandenen Ausstattung die vertraglich versprochene Leistung nicht erbringen kann, unüblich. Dieser Umstand sowie die Beteiligung der J-AG sowohl an der Ö-GmbH als auch an der A-AG legen die Annahme nahe, daß die A-AG nur formell in die Rechtsbeziehungen zwischen der J-AG und der Ö-GmbH zwischengeschaltet wurde, um Gewinne, die eigentlich im Kanton Zürich hätten anfallen müssen, in den Kanton Zug zu verlagern. Jedenfalls wurde die Einkaufstätigkeit, die Gegenstand des Vertrages vom 10.April/12.Juni 1979 war, nur von der J-AG erbracht. Ihr stand deshalb das Entgelt, das die Ö-GmbH zu zahlen hatte, allein zu. Es ist kein wirtschaftlich vernünftiges Argument zu erkennen, weshalb die Ö-GmbH den Vertrag vom 10.April/12.Juni 1979 nicht unmittelbar mit der J-AG abschloß. Wenn die J-AG bei dieser Sachlage ein ihr zustehendes Entgelt der A-AG überließ, so spricht der tatsächliche Geschehensablauf für die Annahme einer Vermögenszuwendung, deren Veranlassung in der Beteiligung der J-AG an der A-AG zu suchen ist. Eine solche Veranlassung würde aber verdecktes Eigenkapital auslösen.
Selbst wenn man der Auffassung ist, daß die A-AG lediglich die von der Ö-GmbH gezahlten Entgelte an die J-AG hätte weiterleiten müssen und daß deshalb die verdeckte Einlage in der einvernehmlichen Nichtweiterleitung von Entgelten zu sehen ist, so ergeben sich nicht notwendigerweise Bruttoerträge der A-AG. Vielmehr stellt sich auch dann die Frage, ob die A-AG eigene Bruttoerträge erzielte oder ob das bloße Weiterleiten von Entgelten nicht wie ein "durchlaufender Posten" mit der Folge zu behandeln ist, daß die Bruttoerträge nur von der die Tätigkeiten tatsächlich ausübenden J-AG erzielt werden.
Das FG hat unter diesem Gesichtspunkt den Sachverhalt bisher in tatsächlicher Hinsicht nicht gewürdigt. Auf diese Würdigung kommt es jedoch an. Sie muß deshalb nachgeholt werden. Dies ist die Aufgabe des FG. Entsprechend kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Sie war aufzuheben. Die Sache war an das FG zurückzuverweisen.
7. Die Ausführungen zu II.6. schließen es nicht aus, daß die Zwischenschaltung der A-AG in die Geschäftsbeziehungen zwischen der J-AG und der Ö-GmbH auch mißbräuchlich i.S. des § 42 AO 1977 war. Zwar hat das FG dies mit der Begründung verneint, die Klägerin sei nur mit 25 v.H. an der A-AG beteiligt gewesen und habe deshalb keinen maßgebenden Einfluß auf die Zwischeneinkünfte nehmen können. Ein Mißbrauch i.S. des § 42 AO 1977 könnte aber auch darin zu sehen sein, daß die Gesellschafter der Ö-GmbH und der A-AG zu dem Zweck zusammenwirkten, um einerseits Gewinne aus dem Kanton Zürich in den Kanton Zug zu verlagern und andererseits die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Schachtelprivilegs nach Art.24 Abs.1 Nr.1 Buchst.b DBA-Schweiz zu schaffen. Hätte die J-AG Vertragsbeziehungen unmittelbar mit der Ö-GmbH abgeschlossen, so hätte jedenfalls eine Dividende der Ö-GmbH in der Bundesrepublik nicht steuerfrei vereinnahmt werden können, weil das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 4.Oktober 1954 --DBA-Österreich-- (BGBl II 1955, 749, BStBl I 1955, 369) kein Schachtelprivileg auf Dividenden vorsieht. Das FG wird deshalb den Sachverhalt auch unter diesem Gesichtspunkt erneut prüfen müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 64481 |
BFH/NV 1993, 5 |
BStBl II 1993, 222 |
BFHE 169, 138 |
BFHE 1993, 138 |
BB 1993, 65 (L) |
DB 1993, 139 (L) |
DStR 1993, 49 (K) |
HFR 1993, 167 (LT) |
StE 1993, 10 (K) |