Leitsatz (amtlich)
Bundesrecht (Insbesondere der allgemeine Gleichheitssatz) wird nicht verletzt, wenn das FG es für rechtmäßig erachtet, daß das FA die Bemessungsgrundlage für die Kirchenelnkommensteuer eines in glaubensverschiedener Ehe lebenden Ehegatten gemäß Art. 9 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 KiStG Bayern ermittelt hat. Ob das Urtell des FG auf der Verletzung von Landesrecht beruht, darf der BFH nicht prüfen.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3, Art. 99, 103 Abs. 1; FGO § 33 Abs. 1 Nr. 4, § 118 Abs. 1; AGFGO Bayern Art. 5 Nr. 3; KiStG Bayern i.d.F. der Bekanntmachung vom 15. März 1967 Art. 9 Abs. 2 Nr. 2 S. 2; Kirchengesetz der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern über die Erhebung von Kirchensteuern i.d.F. des Kirchengesetzes vom 8. März 1967 Art. 9 Nr. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger gehört der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern an; seine Ehefrau gehört keiner umlageerhebenden Religionsgemeinschaft an. Beide wurden in den Jahren 1970 bis 1973 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Beklagte (das Evang.-Luth. Kirchensteueramt für Oberbayern) setzte durch Bescheide vom 10. Februar 1976 die Kirchensteuer des Klägers für die Jahre 1970 bis 1973 in Form einer Kirchenumlage als Kircheneinkommensteuer fest; die Einsprüche wies er zurück. Die Kirchenumlage erhob er aus dem Teil der gemeinsamen Einkommensteuer, der auf den Kläger entfiel. Zur Feststellung dieses Anteils hatte er gemäß Art. 9 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 des bayerischen Kirchensteuergesetzes (KiStG) i. d. F. des Gesetzes vom 15. März 1967 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt -- GVBI -- 1967, 317) die für die Ehegatten veranlagte gemeinsame Einkommensteuer aufgeteilt im Verhältnis der Einkommensteuerbeträge, die sich bei Anwendung der für die getrennte Veranlagung geltenden Einkommensteuertabelle (Grundtabelle) auf die Einkünfte eines jeden Ehegatten ergeben würden.
Mit seiner Klage hat der Kläger begehrt, bei der Feststellung des bezeichneten Anteils nicht die Grundtabelle, sondern die Splittingtabelle anzuwenden und vorher die von ihm geleisteten Sonderausgaben vom Einkommen abzuziehen. Auf diese Weise mindere sich seine Kircheneinkommensteuerbelastung und es werde vermieden, "daß zwangsläufig der Spielraum für seine Ehefrau, entsprechende kirchensteuerähnliche Zahlungen an ihre Glaubensgemeinschaft zu leisten, eingeengt" werde. Die abweichende Rechtsauffassung des Beklagten widerspreche "höherrangigem Recht".
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Die Berechnung der Kircheneinkommensteuer durch den Beklagten entspreche dem Wortlaut und dem Sinn des § 9 Abs. 2 Nr. 2 KiStG. Entgegen der Ansicht des Klägers geböten weder der Gleichheitssatz noch das Recht auf freie Religionsausübung, die Kircheneinkommensteuer unter Anwendung der Splittingtabelle und unter Berücksichtigung der Sonderausgaben wie bei getrennt zu veranlagenden Ehegatten (§ 26 a Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes) zu berechnen. Der Gesetzgeber habe einen groben Aufteilungsschlüssel gewählt, um eine erhebliche Komplizierung des Berechnungsverfahrens zu vermeiden. Er habe bewußt in Kauf genommen, daß sich der gesetzliche Berechnungsmodus im Einzelfall sowohl zugunsten als auch zuungunsten eines umlagepflichtigen Ehegatten auswirkt, je nachdem, ob dieser einen hohen oder einen geringen Anteil des Gesamtbetrags der Einkünfte beigesteuert hat. Das FG hat die Revision zugelassen, weil es der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt.
Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung des § 9 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 KiStG. Der Gleichheitssatz gebiete, die Kirchensteuer so zu ermitteln, als ob der Kirchensteuerpflichtige sein Einkommen nach der Splittingtabelle zu versteuern habe und als ob die Sonderausgaben individuell zuzurechnen seien.
Er beantragt, die Kirchensteuer entsprechend herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Auf einen entsprechenden Hinweis des Berichterstatter haben die Beteiligten sich zur Revisibilität von Vorschriften des bayerischen KiStG i. d. F. der Bekanntmachung vom 15. März 1967 (GVBI) 1967, 317, BStBl II 1967, 178) geäußert. Sie vertreten beide die Ansicht, der durch Art. 5 Nr. 3 des Gesetzes zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung (AGFGO Bayern) auch in Kirchenumlagenangelegenheiten eröffnete Finanzrechtsweg führe "nicht nur ... zu den Finanzgerichten, sondern auch ... zum Bundesfinanzhof". Für diese Ansicht spreche auch die Tatsache, daß die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern durch Art. 9 Nr. 3 des Kirchengesetzes über die Erhebung von Kirchensteuern vom 8. Dezember 1954 (Kirchliches Amtsblatt -- KABl -- S. 139) i. d. F. des Kirchengesetzes vom 8. März 1967 (KABl S. 74) folgendes bestimmt habe: "Gegen das Urteil des Finanzgerichts ist die Revision unter den Voraussetzungen der §§ 115, 116 der Finanzgerichtsordnung zulässig, über die der Bundesfinanzhof entscheidet."
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist zurückzuweisen, weil sie unbegründet ist (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Unbegründet ist sie, weil das angefochtene Urteil nicht auf der Verletzung von Bundesrecht beruht. Insbesondere beruht es nicht auf einer Verletzung des vom Kläger angeführten allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes -- GG --).
1. Nach Art. 3 Abs. 1 GG sind "alle Menschen ... vor dem Gesetz gleich". Daraus folgt, daß der Gesetzgeber "weder wesentlich Gleiches willkürlich ungleich noch wesentlich Ungleiches willkürlich gleich behandeln darf". Eine Willkür des Gesetzgebers ist aber nicht schon dann gegeben, wenn er im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit unter mehreren gerechten Lösungen im konkreten Fall nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste gewählt hat, sondern erst, wenn sich ein sachgerechter Grund für eine gesetzliche Regelung nicht finden läßt (vgl. statt vieler Entscheidungen: Beschluß des Bundesverfassungsgerichts -- BVerfG -- vom 17. Januar 1978 1 BvL 13/76, BVerfGE 47, 109, 124). Der Kläger und seine Ehefrau werden -- wie das FG richtig erkannt hat -- durch die Vorschrift des Art. 9 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 KiStG nicht willkürlich ungleich behandelt. Vielmehr ist es sachgerecht, wenn der Gesetzgeber dort bestimmte Rechenschritte vorschreibt, um die Bemessungsgrundlage für die zu erhebende Kirchensteuer (nämlich den Anteil des kirchensteuerpflichtigen Ehegatten an der gemeinsamen Einkommensteuer) "in einem vereinfachten Verfahren" zu ermitteln (vgl. Abschn. I und Abschn. II zu Ziff. 5 der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kirchensteuergesetzes vom 11. Juli 1966, Bayerischer Landtag, 5. Legislaturperiode, Beilage 2822), und wenn er davon abgesehen hat, weitergehende Differenzierungen, wie der Kläger sie für geboten hält, vorzunehmen (vgl. die an das Urteil vom 17. Dezember 1953 1 BvR 147/52, BVerfGE 3, 58, 135 anknüpfende ständige Rechtsprechung des BVerfG).
2. Ob das Urteil des FG auf einer Verletzung des Art. 9 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 KiStG beruht, darf der erkennende Senat nicht prüfen, weil diese Rechtsnorm dem Lande srecht angehört und deshalb nicht revisibel ist (§ 118 Abs. 1 FGO; vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 22. Oktober 1971 II R 104/70, BFHE 103, 541, BStBl II 1972, 183, betreffend die Revisibilität des Grunderwerbsteuerrechts). In Kirchenumlagenangelegenheiten ist nicht durch Landesgesetz dem BFH "für den letzten Rechtszug die Entscheidung ... zugewiesen" worden (Art. 99 GG). Auch sind insoweit nicht durch Landesgesetz die Vorschriften über die Revision für anwendbar erklärt worden (§ 118 Abs. 1 Satz 2 FGO). Vielmehr sind diesbezügliche Vorschriften (vgl. Art. 1 Abs. 1 Nr. 7 des bayerischen Gesetzes über die Anwendung von bundesrechtlichen Vorschriften des allgemeinen Abgabenrechts auf landesrechtlich geregelte Abgaben vom 12. Juni 1956, Bereinigte Sammlung des bayerischen Landesrechts III, 429, zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Juni 1969, GVBI 153) durch § 13 des Gesetzes zur Anpassung von Gesetzen an die Abgabenordnung vom 23. Dezember 1976 (GVBI 1976, 566, 570) mit Ablauf des 31. Dezember 1976 außer Kraft getreten. Durch Landesgesetz ist lediglich allgemein der Finanzrechtsweg eröffnet worden "auch in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten ... über Kirchenumlagenangelegenheiten" (§ 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO i. V. m. Art. 5 Nr. 4 AGFGO Bayern). Der Finanzrechtsweg umfaßt aber nicht notwendig zwei gerichtliche Instanzen. Auch das GG garantiert keine Mehrstufigkeit der gerichtlichen Verfahren. Weder aus Art. 19 Abs. 4 GG noch aus Art. 20 Abs. 3 GG noch aus Art. 103 Abs. 1 GG kann ein verfassungsmäßiger Anspruch auf Einräumung einer weiteren Instanz abgeleitet werden (BVerfG in ständiger Rechtsprechung; z. B. Beschlüsse vom 18. Februar 1970 1 BvR 226/69, BVerfGE 28, 21, 36; vom 19. Juni 1973 1 BvL 39/69 und 14/72, BVerfGE 35, 263, 271; vom 20. April 1982 2 BvL 26/81, Neue Juristische Wochenschrift 1982, 2425).
3. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern war gesetzlich nicht ermächtigt, durch das vom Beklagten angeführte "Kirchengesetz über die Erhebung von Kirchensteuern" dem BFH für den letzten Rechtszug die Entscheidung in Kirchenumlagenangelegenheiten zuzuweisen. Sie war darauf beschränkt, "innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes" ihre Angelegenheiten selbständig zu ordnen und zu verwalten (vgl. Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 3 Satz 1 der Reichsverfassung, Art. 2 Satz 2 der Kirchenverfassung vom 10. September 1920, KABl S. 413 ff., abgedruckt bei Theodor Karg, Kirchensteuerrecht in der Evang.-Luth. Kirche in Bayern, 2. Aufl., 1969 S. 108).
Fundstellen
Haufe-Index 74561 |
BStBl II 1983, 278 |
BFHE 1982, 385 |