Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuerrechtlich einheitlicher Erwerbsgegenstand bei einem dem Grundstückskaufvertrag vorausgehenden Abschluss eines Bauerrichtungsvertrags
Leitsatz (NV)
Ein grunderwerbsteuerrechtlicher einheitlicher Erwerbsgegenstand liegt nicht allein deshalb vor, weil der Grundstückserwerber bei einer Personenmehrheit auf der Veräußererseite bereits vor Abschluss des Grundstückskaufvertrags einen Gebäudeerrichtungsvertrag abgeschlossen hat. Für einen objektiv engen sachlichen Zusammenhang dieser Verträge ist erforderlich, dass Grundstücksverkäufer und Bauunternehmer beim Abschluss dieser Verträge zusammenwirken.
Normenkette
GrEStG § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) schloss zusammen mit ihrem Ehemann (E) am 23. September 2001 mit der L-GmbH einen Bauvertrag über die Errichtung eines Einfamilienhauses. Das im Bauvertrag als Bauort bezeichnete Grundstück mit der Ordnungsnummer 37, das zu einem im Eigentum der A stehenden größeren Baugebiet gehörte, hatte sich die L-GmbH bei A reservieren lassen. Am 24. Oktober 2001 schlossen die Klägerin und E einen Erbbaurechtsvertrag mit A über ein anderes, 20 Meter entferntes und nicht für die L-GmbH reserviertes Grundstück (Ordnungsnummer 31) in demselben Baugebiet; dieses wurde sodann durch die L-GmbH mit einem Einfamilienhaus bebaut.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer fest und bezog die Kosten für die Bauerrichtung in die Bemessungsgrundlage für die Steuer ein.
Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin die Besteuerung nur nach der kapitalisierten Erbbauzinsverpflichtung begehrte, blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in seinem in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst (DStRE) 2005, 361 veröffentlichten klageabweisenden Urteil aus, im Hinblick auf den schon vor dem Erbbaurechtsvertrag abgeschlossenen Bauerrichtungsvertrag liege ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang beider Verträge vor. Der Umstand, dass für das tatsächlich bebaute Grundstück keine Reservierung für die L-GmbH durch A vorgelegen habe, sei unerheblich.
Mit der Revision rügt die Klägerin fehlerhafte Anwendung der §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) sowie mangelnde Sachaufklärung. Erwerbsgegenstand sei allein das Erbbaurecht an dem unbebauten Grundstück.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Niedersächsischen FG vom 8. Januar 2003 7 K 108/02 aufzuheben und unter Abänderung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 13. Dezember 2001 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Februar 2002 die Grunderwerbsteuer auf 1 228 € herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Das FG hat auf der Grundlage des von ihm festgestellten Sachverhalts zu Unrecht angenommen, im Streitfall sei Erwerbsgegenstand das von der Klägerin und E erworbene Erbbaurecht einschließlich des von der L-GmbH zu errichtenden Gebäudes.
a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG unterliegt die Verpflichtung zur Bestellung eines Erbbaurechts an einem inländischen Grundstück der Grunderwerbsteuer. Bemessungsgrundlage ist gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG die Gegenleistung. Dazu gehören alle Leistungen des Erwerbers, die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück (Erbbaurecht) zu erwerben.
aa) Entscheidend für den Umfang der Bemessungsgrundlage ist, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist. Dass das bei Abschluss des Grundstückskaufvertrags (Erbbaurechtsvertrags) tatsächlich unbebaute Grundstück in bebautem Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist, kann sich (auch) aus einer Mehrheit von Verträgen ergeben, wenn zwischen ihnen ein rechtlicher oder ein so enger sachlicher Zusammenhang besteht, dass der Erwerber bei objektiver Betrachtungsweise ein bebautes Grundstück erhält. Dies setzt voraus, dass nach den getroffenen Vereinbarungen entweder der Grundstücksveräußerer (Besteller des Erbbaurechts) selbst oder ein mit ihm zusammenwirkender Dritter dem Erwerber gegenüber verpflichtet ist, den tatsächlichen Grundstückszustand zu verändern, d.h. das Grundstück zukünftig in einen bebauten Zustand zu versetzen. Dazu ist neben dem Abschluss des Grundstückskaufvertrags (Erbaurechtsvertrag) auch der Abschluss eines Bauvertrags mit der Veräußererseite erforderlich; diese muss zivilrechtlich zur Übereignung und Bebauung verpflichtet sein (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Oktober 2004 II R 12/03, BFHE 208, 51, BStBl II 2005, 220, m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung; BFH-Beschluss vom 4. Oktober 2005 II B 29/05, BFH/NV 2006, 123).
bb) Zwischen mehreren Verträgen besteht über den Fall einer rechtlichen Bestandsverknüpfung kraft Parteiwillens hinaus zum einen dann ein so enger sachlicher Zusammenhang, dass der Erwerber bei objektiver Betrachtung ein bebautes Grundstück erhält, wenn dieser im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags (Erbbaurechtsvertrag) in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" der Baumaßnahme gegenüber der Veräußererseite nicht mehr frei war und deshalb feststand, dass er das Grundstück nur in bebautem Zustand erhalten würde (BFH-Urteile vom 8. Februar 1995 II R 19/92, BFH/NV 1995, 823, unter II.3.a, und vom 21. September 2005 II R 49/04, BFH/NV 2006, 683, unter II.1.a, aa).
Eine solche Bindung gegenüber der Veräußererseite liegt insbesondere vor, wenn mit dieser ein Bauvertrag vor dem Abschluss oder Wirksamwerden des Grundstückskaufvertrags (Erbbaurechtsvertrag) geschlossen wird (BFH-Urteile vom 7. September 1994 II R 106/91, BFH/NV 1995, 434; vom 27. Oktober 1999 II R 17/99, BFHE 189, 550, BStBl II 2000, 34, unter II.2., und in BFH/NV 2006, 683, unter II.2.b). Die Bindung des Erwerbers kann sich aber auch aus sonstigen vorherigen Absprachen mit der Veräußererseite oder aus faktischen Zwängen ergeben, soweit sie bei Abschluss oder Wirksamwerden des Grundstückskaufvertrags bereits vorhanden waren (BFH-Urteile vom 6. März 1991 II R 133/87, BFHE 164, 117, BStBl II 1991, 532; vom 10. August 1994 II R 33/91, BFH/NV 1995, 337, und vom 15. März 2000 II R 34/98, BFH/NV 2000, 1240, unter II.1.d).
Treten auf der Veräußererseite mehrere Personen als Vertragspartner auf, liegt ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen nur vor, wenn die Personen entweder personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich eng verbunden sind (vgl. BFH-Urteile vom 6. Dezember 1989 II R 72/87, BFH/NV 1991, 344, und II R 145/87, BFH/NV 1991, 345, sowie vom 21. April 1999 II R 29/98, BFH/NV 1999, 1507, unter II.1.b) oder aufgrund von Abreden bei der Veräußerung zusammenarbeiten oder durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluss sowohl des Grundstückskaufvertrags als auch der Verträge, die der Bebauung des Grundstücks dienen, hinwirken (BFH-Urteile vom 13. August 2003 II R 52/01, BFH/NV 2004, 663, unter II.1., m.w.N. und in BFH/NV 2006, 663, unter II.1.a, aa). Eines schriftlichen Vertrags zwischen den auf der Veräußererseite verbundenen bzw. auftretenden Personen bedarf es nicht (BFH-Urteil vom 30. April 2003 II R 29/01, BFH/NV 2003, 1446, m.w.N.). Vielmehr genügt ein tatsächliches, einvernehmliches Zusammenwirken. Der bloße Hinweis auf eine Kaufgelegenheit oder einen Generalübernehmer oder Bauunternehmer reicht hingegen nicht aus (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 683, unter II.1.a, aa).
cc) Ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen Kauf- und Bauvertrag wird zum anderen dann indiziert, wenn der Veräußerer aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis einheitlich anbietet und der Erwerber dieses Angebot annimmt (BFH-Urteile in BFH/NV 2006, 683, und in BFH/NV 2000, 1240, unter II.1.c). Die auf der Annahme eines solchen einheitlichen Angebots beruhende Indizwirkung für das Vorliegen eines engen sachlichen Zusammenhangs zwischen Kauf- und Bauvertrag besteht auch dann, wenn auf der Veräußererseite mehrere Personen auftreten. Denn die Abgabe eines einheitlichen Angebots durch eine von mehreren auf der Veräußererseite handelnden Personen ist kaum denkbar, ohne dass dem eine Abstimmung mit den übrigen Personen zugrunde liegt oder das Grundstück dem Handelnden vom Eigentümer anderweitig "an die Hand" gegeben worden ist (BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 683, unter II.1.a, bb).
Eine entsprechende Indizwirkung ergibt sich auch dann, wenn eine mit dem Veräußerer personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich eng verbundene Person vor Abschluss oder Wirksamwerden des Grundstückskaufvertrags (Erbbaurechtsvertrag) aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung dem Käufer (Erbbaurechtsnehmer) die Errichtung eines bestimmten Gebäudes auf dem vom Veräußerer angebotenen Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot ebenso wie das Angebot zum Grundstückkauf (bzw. zum Abschluss des Erbbaurechtsvertrags) annimmt.
b) Diese rechtlichen Voraussetzungen eines objektiv engen sachlichen Zusammenhangs hat das FG verkannt. Es hat im Hinblick auf das von der Klägerin und E tatsächlich bebaute Erbbaurechtsgrundstück rechtsfehlerhaft auf Feststellungen dazu verzichtet, ob die L-GmbH und A bei dem Abschluss von Erbbaurechts- und Bauerrichtungsvertrag zusammengearbeitet oder durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluss dieser Verträge hingewirkt haben.
Entgegen der Auffassung des FG liegt nämlich bei einer Personenmehrheit auf der Veräußererseite ein einheitlicher Erwerbsgegenstand nicht allein deshalb vor, weil der Grundstückserwerber bereits vor Abschluss des das Grundstück betreffenden Verpflichtungsgeschäfts einen Gebäudeerrichtungsvertrag abgeschlossen hat. Die Bindung an die Bebauung muss vielmehr gegenüber der aus mehreren Personen bestehenden, einheitlich agierenden Veräußererseite bestehen. Hierzu ist es erforderlich, dass Grundstücksverkäufer und Bauunternehmer beim Abschluss der Verträge im o.g. Sinne zusammenwirken.
Dass bezüglich des im Bauvertrag erwähnten Grundstücks mit der Ordnungsnummer 37 mit der getroffenen Reservierungsvereinbarung ein entsprechendes Zusammenwirken der L-GmbH und der A vorlag, rechtfertigt entgegen der Auffassung des FG nicht ohne weiteres die Annahme, dass auch bezüglich des tatsächlich von der Klägerin erworbenen Grundstücks mit der Ordnungsziffer 31, für welches die L-GmbH keine Reservierung vorgenommen hatte, eine entsprechende Konstellation vorlag. Vielmehr hätte das FG der Frage konkret nachgehen müssen, ob die L-GmbH (möglicherweise auf der Grundlage ihrer bestehenden Geschäftsbeziehungen zur A) auch ohne ausdrückliche Reservierung den Erwerb des Grundstücks mit der Ordnungsnummer 31 durch die Klägerin ermöglicht hat.
2. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
Das FG hat im zweiten Rechtsgang konkrete Feststellungen zu der Frage zu treffen, ob die L-GmbH und A bei dem Abschluss des Erbbaurechtsvertrags zusammengearbeitet oder durch abgestimmtes Verhalten auf die Verschaffung des Erbbaurechtsgrundstücks in bebautem Zustand hingewirkt haben.
Fundstellen
Haufe-Index 1554008 |
BFH/NV 2006, 1880 |
DStRE 2006, 1153 |