Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungen auf ein Sperrkonto; Anzahlungen i. S. des § 32 Abs. 4 KoG
Leitsatz (NV)
1. Die Wortverbindung in § 32 Abs. 4 Satz 2 KoG ,,zuzüglich der Anzahlungen auf Anschaffungskosten und Teilherstellungskosten" ist so auszulegen, daß sich das Wort ,,Anzahlungen" lediglich auf Anschaffungskosten, nicht dagegen auch auf Teilherstellungskosten bezieht.
2. Leistungen sind aus dem Vermögensbereich des Zahlenden auch dann ausgeschieden und damit im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG abgeflossen, wenn die Leistungen auf ein Sperrkonto des Zahlungsempfängers überwiesen werden.
Normenkette
EStG § 7a Abs. 2 S. 3, § 11 Abs. 1-2; KoG § 32
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Der Kläger betrieb bis Ende 1973 eine Verzinkerei als Einzelunternehmen, das zum 31. Dezember 1973 in eine KG umgewandelt wurde.
Der Kläger erweiterte in den Jahren 1971 und 1972 seine Betriebsstätte in A um eine Verzinkungsanlage; diese wurde Mitte 1972 in Betrieb genommen. Im Zusammenhang mit der Betriebserweiterung wurden folgende Investitionen vorgenommen:
Verzinkungsanlage 476 066,41 DM Anschaffung 1971/72
Beizbottich 7 734,48 DM Anschaffung 1. 9. 1971
Lkw-Mercedes 28 780,33 DM Anschaffung 26. 7. 1971
Verzinkungspfanne 5 356,00 DM Anschaffung 22. 9. 1971
Nietwerkzeug 1 402,50 DM Anschaffung 25. 4. 1972
Büroausstattung 2 312,24 DM Anschaffung 1972
Summe: 521 651,96 DM.
Die für die Gewährung einer Investitionsprämie erforderliche Bescheinigung nach § 32 Abs. 2 des Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus und der deutschen Steinkohlenbergbaugebiete (KoG) erteilte der Bundesbeauftragte für die Steinkohlenbergbaugebiete am 7. Februar 1974.
Der Kläger ermittelte die Bemessungsgrundlage für die Investitionsprämie anhand geleisteter Zahlungen für das Jahr 1971 in Höhe von . . . DM. In diesem Betrag waren als ,,Anzahlungen" bezeichnete Leistungen in Höhe von 25 000 DM (Firma X) und 175 000 DM (Firma Y) enthalten. Diese Beträge hatte der Kläger am 30. Dezember 1971 von seinem Geschäftskonto auf die Konten Nr. 1 und 2 bei der Spar- und Darlehenskasse A überwiesen. Die Konten waren als Festgeldkonten unter dem Namen der beiden Lieferfirmen eingerichtet worden. In gleichlautenden Schreiben vom 5. Januar 1972 hat die Spar- und Darlehenskasse A den genannten Firmen mitgeteilt: ,,Die Firma K . . . (Name und Anschrift des Klägers) hat auf ein für Sie bei uns eröffnetes Sperrkonto einen Betrag in Höhe von DM . . . eingezahlt. Dieser Betrag steht Ihnen zur Verfügung, sofern Sie und die Firma K uns bestätigt, daß die o. g. Anlage installiert und die Lieferbedingungen eingehalten wurden." In der Zeit vom 6. März bis 16. Oktober 1972 wurden die genannten Beträge vom Kläger an die Firmen abgerufen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte zunächst Investitionsprämien in Höhe von . . . DM (1971) und . . . DM (1973). Die inzwischen bestandskräftige Einkommensteuerveranlagung 1972 lautet nach Ansatz einer Investitionsprämie von 1 948 DM auf 0 DM.
Im Anschluß an eine Betriebsprüfung im Jahr 1977 setzte das FA die gewährten Investitionsprämien um 10 216 DM (1971) und 22 566 DM (1973) herab. Nach Auffassung des FA können die im Jahr 1971 geleisteten Zahlungen von 200 000 DM nicht als begünstigte Anzahlungen im Sinne des KoG behandelt werden. Das FA verminderte deshalb den Ausgangswert für die Berechnung der Zulage um 200 000 DM auf . . . DM. Dieser Ausgangswert wurde auch als Höchstbetrag bei den Folgeveranlagungen der Jahre 1972 und 1973 zugrunde gelegt.
Der Einspruch gegen die Änderungsbescheide 1971 und 1973 blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) setzte aufgrund der Klage der Kläger die Einkommensteuer 1971 auf 6 029 DM und für 1973 auf 22 305 DM herab. Das FG führt aus, das FA habe zu Unrecht eine Investitionsprämie für die Anschaffung eines Beizbottichs, einer Verzinkungspfanne und des Mercedes-Lkw versagt. Die Einkommensteuer der Streitjahre sei deshalb um jeweils 10 v. H. von 41 870 DM (7 734,48 DM + 5 356 DM + 28 780,33 DM) niedriger festzusetzen. Die weitergehende Klage sei dagegen unbegründet. Das FA habe zu Recht aus der Summe der im Jahr 1971 geleisteten Zahlungen die sog. ,,Anzahlungen" an die Firmen X und Y in Höhe von 200 000 DM herausgenommen, da es sich nicht um begünstigte Anzahlungen im Sinne des KoG handele.
Mit der Revision rügen die Kläger unrichtige Anwendung des § 32 KoG. Bei den Zahlungen auf die Sperrkonten zugunsten der Lieferfirmen handele es sich um Anzahlungen im Sinne des § 32 Abs. 4 KoG. Der Kläger habe nach der Überweisung die Gelder nicht mehr einseitig von den Sperrkonten abziehen können.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig und begründet.
Die Zahlungen des Klägers auf die Sperrkonten sind entgegen der Auffassung des FG Anzahlungen im Sinne des § 32 KoG.
1. Nach § 32 Abs. 1 KoG (i. d. F. des Art. 9 des Steueränderungsgesetzes - StÄndG - vom 18. August 1969, BGBl I, 1211, BStBl I, 477) können Steuerpflichtige, die den Gewinn aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermitteln und nach dem 30. April 1967 in einem Steinkohlenbergbaugebiet eine Betriebsstätte errichten oder erweitern, auf Antrag für die nach dem 30. April 1967 und vor dem 1. Januar 1972 (Begünstigungszeitraum) im Zusammenhang mit der Errichtung oder Erweiterung der Betriebsstätte angeschafften oder hergestellten abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens einen Abzug von der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer für den Veranlagungszeitraum der Anschaffung oder Herstellung bis zu 10 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten vornehmen.
Die Regelung gilt entsprechend für abnutzbare Wirtschaftsgüter, die innerhalb von zwei Jahren nach Ablauf des Begünstigungszeitraums geliefert oder fertiggestellt werden, wenn die Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen einer Betriebsstätte gehören, mit deren Errichtung oder Erweiterung der Steuerpflichtige innerhalb des Begünstigungszeitraums begonnen hat; für diese Wirtschaftsgüter darf der Abzug von der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer insgesamt jedoch die Summe der Beträge nicht übersteigen, die vom Steuerpflichtigen für Wirtschaftsgüter abgezogen werden können, die im Begünstigungszeitraum geliefert oder fertiggestellt worden sind.
2. Der Abzug von der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer kann nach § 32 Abs. 4 KoG für den Veranlagungszeitraum vorgenommen werden, innerhalb dessen das Wirtschaftsjahr endet, in dem die begünstigten Wirtschaftsgüter angezahlt, angeschafft oder ganz oder teilweise hergestellt worden sind. Er bemißt sich nach dem Gesamtbetrag der Anschaffungs- oder Herstellungskosten der in diesem Wirtschaftsjahr gelieferten oder fertiggestellten Wirtschaftsgüter zuzüglich der Anzahlungen auf Anschaffungskosten und Teilherstellungskosten, die der Steuerpflichtige für begünstigte Wirtschaftsgüter in diesem Wirtschaftsjahr aufgewendet hat. Übersteigt der abzugsfähige Betrag die für den Veranlagungszeitraum geschuldete Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer, so kann der übersteigende Betrag von der Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer für die vier darauf folgenden Veranlagungszeiträume abgezogen werden.
3. Die Begriffe ,,Anschaffungskosten", ,,Herstellungskosten" und ,,Teilherstellungskosten" eines Wirtschaftsguts in § 32 Abs. 4 KoG sind dem Einkommensteuerrecht entnommen. Da sich aus dem erkennbaren Zweck des KoG und seiner Entstehungsgeschichte nichts Gegenteiliges folgern läßt, müssen diese Begriffe auch im einkommensteuerrechtlichen Sinn verstanden werden (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Januar 1980 I R 27/77, BFHE 130, 24, BStBl II 1980, 365; vom 20. Februar 1975 IV R 79/74, BFHE 115, 335, BStBl II 1975, 510). Die Wortverbindung in § 32 Abs. 4 Satz 2 KoG ,,zuzüglich der Anzahlungen auf Anschaffungskosten und Teilherstellungskosten" ist so auszulegen, daß sich das Wort ,,Anzahlungen" lediglich auf Anschaffungskosten, nicht dagegen auch auf Teilherstellungskosten bezieht (BFH-Urteil vom 10. März 1982 I R 75/79, BFHE 135, 383, BStBl II 1982, 426).
4. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Zahlungen des Klägers auf die Sperrkonten nicht das Merkmal ,,Anzahlungen" im Sinne des § 32 Abs. 4 KoG erfüllen.
Nach den Feststellungen des FG hat der Kläger die strittigen Beträge von 25 000 DM und 175 000 DM am 30. Dezember 1971 von seinem Geschäftskonto auf die inzwischen zugunsten der Lieferfirmen eingerichteten Konten Nr. 1 und 2 bei der Spar- und Darlehenskasse A überwiesen.
Anzahlungen sind Vorleistungen eines Vertragsteils im Rahmen eines schwebenden Geschäfts (BFH-Urteil vom 17. Januar 1973 I R 17/70, BFHE 108, 329, BStBl II 1973, 487, und in BFHE 135, 383, BStBl II 1982, 426). Anzahlungen auf Anschaffungskosten sind, wie dies im Wortlaut des EStG (§ 7a Abs. 2 Satz 3) später ausdrücklich festgelegt worden ist, im Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung aufgewendet.
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben. Der Senat versteht in Übereinstimmung mit dem III. Senat des BFH (Urteil vom 22. Mai 1987 III R 47/82, BFHE 150, 144, BStBl II 1987, 673) unter dem Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung den Zeitpunkt, in dem der Schuldner seiner Bank den Überweisungsauftrag erteilt hat. Diese auf die Leistungshandlung abstellende Auffassung hat den Vorzug, daß sie sowohl mit der Regelung in § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG als auch mit dem bürgerlichen Recht übereinstimmt (vgl. BFHE 150, 144, BStBl II 1987, 673, m. w. N.).
5. Beim Kläger war durch die Überweisung des Betrages von 200 000 DM auf die Sperrkonten seiner Lieferfirmen eine Entreicherung eingetreten. Er führt zutreffend aus, daß er nach diesem Zeitpunkt den Betrag von 200 000 DM ohne Mitwirkung der Lieferfirmen nicht zurückverlangen konnte. Er weist auch mit Recht darauf hin, daß die Lieferfirmen nach der Einzahlung auf das Sperrkonto bereits in der Lage waren, das Guthaben als Sicherheit zu verwerten, sofern sie darauf aufmerksam machten, daß für die Auszahlung eine Mitwirkungshandlung des Klägers erforderlich war.
Nach der Rechtsprechung des BFH rechtfertigt der Umstand, daß Leistungen auf ein Sperrkonto des Zahlungsempfängers überwiesen werden und daß das Guthaben daran anschließend der Bank verpfändet wird, nicht den Schluß, daß damit die Leistungen dem Zahlungsempfänger nicht im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen sind (vgl. Urteile vom 23. April 1980 VIII R 156/75, BFHE 131, 41, BStBl II 1980, 643, zu Leistungen auf ein Sperrkonto; vom 9. Juli 1987 IV R 87/85, BFHE 150, 345, 347, BStBl II 1988, 342, zur Leistung auf ein Sperrkonto und Verpfändung des Guthabens). Diese Überlegungen zum Zufluß von Leistungen bei Zahlungen auf ein Sperrkonto und Verpfändung des Guthabens gelten ebenfalls, wenn die Frage zu entscheiden ist, wann die Leistungen aus dem Vermögensbereich des Zahlenden ausgeschieden und damit im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG abgeflossen sind (BFH-Urteil vom 11. August 1987 IX R 163/83, BFHE 152, 440).
6. Anhaltspunkte dafür, daß die Leistungen des Klägers ohne wirtschaftlich vernünftigen Grund im voraus erbracht wurden, so daß ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts im Sinne des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) in Betracht kommen könnte, bestehen nicht.
7. Die Einkommensteuer 1971 war somit, wie beantragt, auf 0 DM und die Einkommensteuer 1973 auf 1 371 DM festzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 415932 |
BFH/NV 1989, 307 |