Leitsatz (amtlich)
Eine Geschäftsveräußerung im ganzen liegt nicht vor, wenn der Unternehmer ein Pachtrecht an Brennereigebäuden sowie das Nutzungsrecht am ebenfalls gepachteten Brennrecht bei Beendigung des Pachtverhältnisses aufgibt und gleichzeitig sein Anlagevermögen dem Verpächter übereignet (Fortführung der Rechtsprechung im Urteil V 225/65 vom 19. Dezember 1968, BFH 95, 61 BStBl II 1969, 303).
Normenkette
UStG 1951 § 1 Nr. 1; UStDB 1951 § 85
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Steuerpflichtiger) war Pächter einer Domäne, auf der er einen landwirtschaftlichen Betrieb und eine Brennerei unterhielt. Die Brennereigebäude und das Brennrecht hatte er ebenfalls gepachtet. Bei Beendigung des Pachtverhältnisses am 30. Juni 1961 veräußerte er die gesamte der Brennerei dienende, in seinem Eigentum stehende Einrichtung, bestehend aus Betriebsvorrichtungen, Maschinen, Geräten usw., gegen in Entgelt von ... DM an den Verpächter. Er nahm in der Steuererklärung 1961 für diesen Umsatz den ermäßigten Steuersatz nach § 85 UStDB 1951 in Anspruch, weil es sich um die Veräußerung eines gesondert geführten Betriebs im ganzen gehandelt habe. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) gewährte im Umsatzsteuerbescheid 1961 und in der Einspruchsentscheidung den Steuerersatz von 1 v. H. gemäß § 85 Abs. 4 UStDB 1951 nicht. Das FA ging davon aus, daß der Steuerpflichtige die für den Brennereibetrieb hergerichteten Fabrikationsstätten und das Brennrecht, die zu den wesentlichen Grundlagen des Unternehmens gehörten, der Verpächterin als der Eigentümerin nicht übereignen konnte.
Die Klage des Steuerpflichtigen hat das FG im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der Steuerpflichtige habe bei Aufgabe des Pachtvertrags wesentliche Grundlagen der Brennerei, nämlich die Gebäude und das Brennrecht, die dem Verpächter gehörten, nicht an diesen veräußern können.
Mit der Revision begehrt der Steuerpflichtige die Herabsetzung der Umsatzsteuer 1961 um ... DM und führt dazu unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BFH aus: Er habe nicht nur die gesamte Brennereieinrichtung mit Vorräten übereignet, sondern durch die Aufhebung des Pachtvertrags das Nutzungsrecht am Grundstück und an den Gebäuden auf die Eigentümerin zurückübertragen und damit in tatsächlicher Beziehung einen Zustand geschaffen, der als Übergang des Unternehmens im ganzen anzusehen sei. Wenn das durch einen Pachtvertrag begründete Besitz- und Nutzungsrecht des Pächters sich bei dem Erwerber des Betriebs in ein Nutzungsrecht des Eigentümers verwandele, werde der Betrieb als solcher nicht davon berührt und damit auch die Anwendbarkeit des § 85 UStDB 1951 nicht ausgeschlossen, zumal bei einer Brennerei die gesamte Einrichtung als wesentliche Grundlage zu betrachten sei, der gegenüber die Gebäude in ihrer Bedeutung zurücktreten müßten.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision kann keinen Erfolg haben.
Das FG hat zutreffend ausgeführt, daß § 85 UStDB 1951 nur anwendbar ist, wenn der Veräußerer sein Unternehmen oder einen in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführten Betrieb im ganzen an den Erwerber übereignet, wobei der Begriff Übereignung im bürgerlichrechtlichen Sinne zu verstehen ist (BFH-Urteil V 52/60 vom 24. Januar 1963, HFR 1964, 220). Die Vorinstanz ist auch mit Recht davon ausgegangen, daß bei einer Brennerei als einem Herstellungsbetrieb die diesem dienenden Gebäude und das Brennrecht neben den Maschinen und den sonstigen für die Fertigung geeigneten Anlagen die wesentlichen Grundlagen des Unternehmens oder des Teilbetriebs darstellen.
Eine Gebrauchsüberlassung durch den Veräußerer reicht nicht aus, um die Voraussetzungen des § 85 UStDB 1951 zu erfüllen (Urteil des BFH V 290/61 U vom 23. Juli 1964, BFH 80, 172, BStBl III 1964, 536). Grundsätzlich muß also der Veräußerer dem Erwerber an allen wesentlichen Grundlagen seines Unternehmens oder des gesondert geführten Betriebs das Eigentum verschaffen, soweit es sich um eigentumsfähige Sachen nach §§ 90, 903 ff. BGB handelt. Gehören z. B. Gebrauchs- oder Nutzungsrechte zum Betriebsvermögen, muß der Veräußerer seine Rechtsstellung gegenüber den wesentlichen Grundlagen des Unternehmens in einer umfassenden und vollständigen Weise an den Erwerber übertragen (BFH-Urteil V 214/62 vom 11. Februar 1965, Der Betriebs-Berater 1966 S. 1438 - BB 1966, 1438 -). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. In einem ähnlich gelagerten Fall hat der erkennende Senat entschieden, daß eine Geschäftsveräußerung im ganzen nicht vorliegt, wenn zu den wesentlichen Grundlagen des Unternehmens ein Pachtrecht gehört und der Unternehmer mit der vereinbarten Beendigung des Pachtverhältnisses sein Umlaufvermögen dem Verpächter überträgt (BFH-Urteil V 225/65 vom 19. Dezember 1968, BFH 95, 61, BStBl II 1969, 303). Diese Grundsätze sind auch anzuwenden, wenn ein Veräußerer ihm zustehende Pachtrechte, hier das Recht zum Gebrauch der Brennereigebäude und zur Nutzung des Brennrechts, vereinbarungsgemäß aufgibt und dem Verpächter das Anlagevermögen übereignet, weil er in einem solchen Fall seine Rechtsstellung ebenfalls nicht umfassend und vollständig auf den Erwerber übertragen hat. Die Aufgabe von Pachtrechten gegenüber dem Eigentümer und Verpächter ist nämlich einer Übertragung von Rechten oder einer Rechtsstellung auf diesen nicht gleichzusetzen, wie sie der Senat bei anders gelagerten Sachverhalten in den Urteilen V 52/60 vom 24. Januar 1963 (a. a. O.) und V 227/61 vom 14. Mai 1964 (HFR 1964, 470) anerkannt hat.
Richtig ist die Ansicht des Steuerpflichtigen, der Betrieb als solcher werde nicht dadurch berührt, daß nach Beendigung des Pachtvertrags die Nutzungsrechte dem Verpächter und Eigentümer wieder zustehen. Seiner Meinung, dadurch und durch gleichzeitige Übereignung des Anlagevermögens sei in wirtschaftlicher Beziehung ein Zustand geschaffen worden, der als Übergang des Unternehmens im ganzen zu behandeln sei, kann der Senat jedoch nicht folgen. Es ist im gegebenen Fall umsatzsteuerrechtlich bedeutungslos, daß der Eigentümer der Brennereigebäude und Inhaber des Brennrechts nach Beendigung des Pachtverhältnisses und nach Übereignung der gesamten Einrichtung die Brennerei fortführen konnte, weil ihm dies auf Grund seines eigenen Rechts und nicht als Folge einer Übertragung von Rechten durch den Steuerpflichtigen möglich war. Für die Anwendung des § 85 UStDB 1951 sind in erster Linie die eine Geschäftsübereignung darstellenden Handlungen des Veräußerers maßgebend (BFH-Urteil V 225/65 vom 19. Dezember 1968, a. a. O.). An solchen fehlt es - wie oben ausgeführt - im gegebenen Fall, soweit die Nutzung des gepachteten Brennrechts, das eine sehr wesentliche Grundlage des Unternehmens bildet, aufgegeben wurde und auf den Gebrauch der entsprechend hergerichteten, bisher gepachteten Gebäude, die für den Betrieb wesentlich waren, verzichtet worden ist.
Bei dieser Rechtslage konnte es die Vorinstanz unerörtert lassen, ob die Brennerei ein im Rahmen des Unternehmens des Steuerpflichtigen gesondert geführter Betrieb war.
Da die Voraussetzungen des § 85 Abs. 1 UStDB 1951 nicht vorliegen, kann dem Steuerpflichtigen der ermäßigte Steuersatz nicht gewährt werden.
Fundstellen
BStBl II 1970, 365 |
BFHE 1970, 228 |