Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Kosten für die Anschaffung eines allgemeinen Nachschlagewerks wie "Der Große Brockhaus" gehören auch bei einem Lehrer grundsätzlich zu den Kosten der Lebenshaltung.
Normenkette
EStG § 12 Nr. 1, § 9 Ziff. 5, § 9/1/6
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) ist Lehrerin. Im Jahre 1954 hat sie das zwölfbändige (zur Zeit noch nicht vollständig vorliegende) Nachschlagewerk "Der Große Brockhaus" bestellt und 40 DM angezahlt. Im Jahre 1955 hatte sie laut Bescheinigung ihrer Buchhandlung noch 512 DM zu entrichten.
Unter Hinweis auf diese ihr im Jahre 1955 entstandenen Anschaffungskosten von 512 DM und auf den berufsständischen Beitrag von 50,40 DM stellte die Bfin. den Antrag, in ihre Lohnsteuerkarte für 1955 einen steuerfreien Betrag wegen erhöhter Werbungskosten einzutragen. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab, weil es sich bei dem Nachschlagewerk nicht um Fachliteratur handle und der bereits in die Lohnsteuertabelle eingearbeitete Werbungskostenpauschbetrag von 312 DM mithin nicht überschritten sei.
Die Sprungberufung hatte keinen Erfolg. Die Aufwendungen für das Nachschlagewerk, so führt das Finanzgericht aus, könnten, auch wenn dieses ein für den Lehrer geeignetes Arbeitsmittel sei, nicht abgezogen werden. Werbungskosten lägen nur insoweit vor, als die Aufwendungen in Zusammenhang mit den Einkünften ständen, in deren Interesse sie bewirkt würden. Sei diese Voraussetzung nicht erfüllt, so gehöre der Mehrbetrag oder sogar der Gesamtbetrag zu den Kosten der Lebenshaltung. Der Reichsfinanzhof habe in dem Urteil vom 28. November 1934, (Reichssteuerblatt 1935 S. 125) mit Recht nur die üblicherweise erwachsenen Aufwendungen als abzugsfähig anerkannt, nicht aber Anschaffungen, die "einen größeren Umfang" annähmen und "erhebliche Kosten" verursachten. Gerade um solche Anschaffungen aber handle es sich im Streitfall. Ein Groß-Lexikon könne sich nur eine Minderheit von Lehrern leisten. Weil im Streitfall nur eine Anschaffung gegeben sei, könnten die Aufwendungen auch nicht auf die berufliche und die private Sphäre aufgeteilt werden. Aufwendungen für einen nach seinem Wesen unteilbaren Gegenstand seien nur entweder ganz oder gar nicht abzugsfähig.
Mit ihrer wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassenen Rechtsbeschwerde (Rb.) wendet sich die Bfin. gegen die Nichtanerkennung der Aufwendungen als Werbungskosten. Sie trägt vor: Das von ihr angeschaffte Nachschlagewerk sei für sie ein Arbeitsmittel. Sie müsse im Unterricht auf Fragen aus allen Gebieten gewappnet sein. Von ihr als Lehrerin erwarte man auch sonst, zum Beispiel bei öffentlichen Veranstaltungen oder ähnlichen Anlässen, daß sie über ein besonderes Maß an Wissen verfüge. Dazu leiste ihr das Nachschlagewerk die nötigen Dienste. Privat bedürfe sie des Nachschlagewerks nicht. Sie könne, wenn erforderlich, Tagebuch darüber führen, wann und über was sie das Nachschlagewerk zu Rate ziehe. Was für einen Gewerkschaftssekretär nach dem Urteil des Finanzgerichts Karlsruhe II 312/55 vom 5. August 1955 recht sei, müsse auch ihr zugebilligt werden. Ob andere Lehrer oder gar die Mehrheit Bücher wie das von ihr erworbene Nachschlagewerk anschafften, sei ebenso unerheblich wie die Höhe des Anschaffungspreises. Nicht das, was typisch sei, gelte; maßgebend sei vielmehr, daß sie das Werk tatsächlich für ihren Beruf angeschafft habe. Daß sie es nur aus beruflichen Gründen angeschafft habe, ergebe sich daraus, daß sie als Flüchtling privat bei weitem dringendere Anschaffungen nötig gehabt habe als gerade ein Lexikon. Selbst wenn man einen teilweise privaten Gebrauch unterstellen wolle, schließe das die Möglichkeit der Aufteilung der Aufwendungen nicht aus. Eine solche Aufteilung werde ja auch sonst bei unteilbaren Sachen, zum Beispiel bei Kraftwagen, vorgenommen. Bei Aufwendungen für Kraftwagen oder Motorräder sei man durch die Pauschalierung sehr entgegenkommend verfahren. Bei Arbeitsmitteln dürfe man, um dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit zu entsprechen, nicht anders vorgehen. Wie bei den Kraftfahrzeugkosten, dürfe auch bei den Kosten für Fachliteratur nicht auf das Notwendige abgestellt werden. Der Werbungskostenbegriff sei bei Fortbildungskosten nicht anders als bei den Motorisierungskosten.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Aufwendungen für Arbeitsmittel sind zwar Werbungskosten (§ 9 Ziff. 5 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Dasselbe ist bei Aufwendungen für die Berufsfortbildung der Fall. Die Aufwendungen sind aber nicht abzugsfähig, wenn das angeschaffte Gut nicht nur beruflichen Zwecken, sondern auch der persönlichen Lebenshaltung dient und eine klare Trennung der Aufwendungen nach der beruflichen und persönlichen Nutzung auch nicht schätzungsweise möglich ist (§ 12 EStG; vgl. dazu auch Abschnitt 117 Abs. 2 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1955 und die dort angeführten Entscheidungen). Daß das von der Bfin. angeschaffte Nachschlagewerk nicht nur beruflichen Zwecken diente und eine Aufteilung der Aufwendungen nicht möglich war, ist von dem Finanzgericht zu Recht bejaht worden.
Grundsätzlich ist es, wie die Bfin. zutreffend ausführt, auch im Rahmen des Werbungskostenbegriffs dem Steuerpflichtigen überlassen, welche Aufwendungen er macht. Geht es, wie im Streitfall, um Arbeitsmittel oder um Kosten der Fortbildung, so kann grundsätzlich der Steuerpflichtige entscheiden, welche Aufwendungen und Fortbildungsmittel er für erforderlich hält (vgl. die Entscheidung des erkennenden Senats VI 117/56 U vom 10. Mai 1957, Bundessteuerblatt - BStBl - 1957 III S. 230). Man kann bei Aufwendungen, die ausschließlich den Beruf angehen, die Abzugsfähigkeit nicht auf den "üblichen" Aufwand beschränken. Schafft zum Beispiel ein Mathematiklehrer ein einwandfrei nur dem Beruf dienendes Arbeitsmittel an, so sind die Aufwendungen Werbungskosten, auch wenn sie die Grenze des üblichen übersteigen. Anders ist die Rechtslage, wenn es sich nicht um ein ausschließlich dem Beruf dienendes Arbeitsmittel handelt. Ein Nachschlagewerk wie das von der Bfin. angeschaffte, ist für viele Berufe von Nutzen. Für den Beruf des Lehrers mag es, wie der Bfin. zuzugeben ist, im besonderen Masse nützlich sein. Dem Nachschlagewerk der hier in Betracht kommenden Art fehlt aber, weil es nicht nur zu den Fragen eines bestimmten Fachgebiets, sondern zu Fragen aller Art und insbesondere auch zu den Fragen des allgemeinen Wissens Stellung nimmt, jene bestimmte Beziehung zu einem Beruf, wie sie dem Fachbuch eigen ist. Ein Nachschlagewerk solcher Art dient auch der Erweiterung des persönlichen Wissens und der Allgemeinbildung, die zwar auch dem Beruf zugute kommt, aber ebenso, wenn nicht sogar in erster Linie, die persönliche Sphäre betrifft.
Bei Aufwendungen, die auch den privaten Bereich betreffen, kann die üblichkeit eine gewisse Bedeutung haben. Bei Aufwendungen, die den Beruf und den privaten Bereich eines Steuerpflichtigen gleichzeitig berühren, kann nämlich der Umstand, daß die Aufwendungen die Grenze des üblichen überschreiten ein Anhalt dafür sein, daß es sich um Aufwendungen im privaten Interesse handelt. Die Bfin. verlangt, für die Beurteilung des Streitfalles allein ihre Verhältnisse zugrunde zu legen. Eine Steuerschuld kann zwar nur denjenigen treffen, in dessen Person die Voraussetzungen für die Entstehung der Steuerschuld erfüllt sind (vgl. § 3 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes). Für die Anwendung der Steuergesetze spielt aber der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung eine besondere Rolle. Das führt dazu, bei der Auslegung des § 12 EStG die Frage der Lebenshaltungskosten nach allgemeinen Gesichtspunkten zu beurteilen, um so zu verhindern, daß einige Steuerpflichtige Aufwendungen, die normalerweise zur Lebenshaltung gehören, nur deswegen abziehen können, weil eine gewisse Beziehung zum Beruf gegeben ist. Diesem Gedanken hat der Gesetzgeber in § 12 Ziff. 1 Satz 2 EStG klar Ausdruck gegeben. Für eine solche Auslegung spricht auch der Grundsatz der Klarheit und Einfachheit der Handhabung, dessen Beachtung zur Vermeidung von Ungleichmäßigkeiten für das Steuerrecht gerade dort von besonderer Bedeutung ist, wo eine Vielzahl von Fällen erfaßt wird. Die Bfin. mag das Nachschlagewerk tatsächlich für ihren Beruf benutzen. Ihr Anerbieten, notfalls darüber Buch zu führen, zeigt aber, wohin es käme, wollte man für die Beurteilung auf die Verhältnisse des jeweiligen Falles und nicht auf das Typische abstellen. Praktisch würde das bedeuten, daß die Durchführung des § 12 EStG, weil es an jeder Kontrollmöglichkeit fehlte, einzig und allein von den Behauptungen des Steuerpflichtigen abhinge. Wie Kleidung und Wohnung, so gehören auch die tägliche Zeitung, der Radioapparat, das Fernsehgerät, Unterhaltungslektüre und der Allgemeinbildung dienende Bücher grundsätzlich zu den Gegenständen, die die allgemeine Lebenshaltung betreffen. Ausnahmen können um der Gleichmäßigkeit der Besteuerung willen nur unter Anlegung eines strengen Maßstabes anerkannt werden, und zwar dann, wenn die ausschließliche oder doch ganz überwiegende Benutzung für berufliche Zwecke in einer auch die Nachprüfung ermöglichenden Weise nachgewiesen werden kann.
Wenn die Bfin. unter Hinweis auf die bei der Kraftfahrzeugbenutzung übliche Praxis und Rechtsprechung zum mindesten einen Teil ihres Aufwandes für abzugsfähig hält, so übersieht sie, daß die Aufteilung nur stattfindet, wenn sich das Verhältnis zwischen privater und beruflicher (gewerblicher) Nutzung ermitteln läßt. Eine solche Trennung ist bei der Benutzung eines Nachschlagewerks nicht möglich. Es fehlt an einem objektiven (nachprüfbaren) Abgrenzungsmerkmal.
Fundstellen
Haufe-Index 408809 |
BStBl III 1957, 328 |
BFHE 1958, 246 |
BFHE 65, 246 |
StRK, EStG:9/5 R 3 |