Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Dem vom Reichsfinanzhof aufgestellten Grundsatz über das Verbot der Nachholung früher unterlassener Rückstellungen bei Pensionsanwartschaften steht für die Zeit nach der Währungsumstellung § 29 Abs. 4 DMBG nicht entgegen.
Normenkette
DMBG § 29 Abs. 4; EStG §§ 5, 6/3
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) hat am 30. Oktober 1947 mit ihrem Vorstandsmitglied X (geboren am 2. 11. 1877)einen Anstellungsvertrag geschlossen. Er erhält danach festes Gehalt (ß 4 und eine nach dem Umsatz bemessene Tantieme (ß 5). Im § 8 des Vertrages wird bestimmt:
"Sollte Herr X durch Krankheit dauernd an der Ausübung seiner Tätigkeit als Vorstandsmitglied verhindert sein, so erhält er ein Ruhegeld von 75 v. H. der ihm nach §§ 4 und 5 zustehenden Beträge. Das Ruhegehalt ist lebenslänglich.
Mit Rücksicht darauf, daß Herr X das 65. Lebensjahr bereits vollendet hat, ist eingetretene Dienstunfähigkeit nicht Vorbedingung des Anspruchs auf das Ruhegehalt. Herr X hat also jederzeit das Recht, seine Zurruhesetzung zu verlangen".
In einem Nachtragsvertrag vom 4. Februar 1948 ist das Gehalt erhöht worden. Die Tantieme ist künftig nicht mehr nach dem Umsatz, sondern nach dem körperschaftsteuerlichen Gewinn zu bemessen. X ist heute noch als Vorstandsmitglied tätig.
In der RM-Schlußbilanz hatte die Bfin. einen Betrag von 69 000 DM als Pensionsrückstellung passiviert. Er wurde in die DM-Eröffnungsbilanz mit 6 900 DM übernommen. In der Schlußbilanz auf den 31. Dezember 1949 ist die Pensionsrückstellung um 217 673 auf 224 573 DM erhöht worden. Dieser Betrag stellt nach Darstellung der Bfin. den versicherungsmathematischen Gegenwartswert der Pensionszusage auf der Grundlage eines 3 1/2%igen Rechnungszinsfußes nach dem Stand vom 31. Dezember 1949 dar. Der Versicherungsmathematiker hat sich wie folgt geäußert:
" Da Herr X bereits 73 Jahre alt ist, muß jederzeit damit gerechnet werden, daß er in den Ruhestand tritt. Der Barwert seiner Pensionsanwartschaft einschließlich der Anwartschaft auf Witwenrente beträgt zum 31. 12. 1949 7 129,30 DM für je 1 000 DM pensionsfähiges Einkommen. Das sind für 24 000 DM Jahreseinkommen 171 103 DM. Rechnet man die jährliche Tantieme durchschnittlich mit 7 500 DM, so beträgt die Rückstellung für 31 500 DM Jahreseinkommen 224 573 DM. ......"
Das Finanzamt setzte dem erklärten Gewinn den Unterschiedsbetrag von 217 673 DM zu. Die Firma wandte sich hiergegen. Herr X sei zwar seit 1942 berechtigt, seine Pensionierung jederzeit zu verlangen. Es habe aber für ihn keine Verpflichtung bestanden, sein Amt als Vorstand niederzulegen, solange er arbeitsfähig sei. Es habe sich also nur um eine Anwartschaft gehandelt, für die nach § 29 Abs. 2 und 3 des D-Markbilanzgesetzes (DMBG) in die DM-Eröffnungsbilanz nur die RM-Rückstellung im Verhältnis 10:1 habe übernommen werden müssen und die nach § 29 Abs. 4 zum 31. Dezember 1949 aufgefüllt werden dürfe. Eine laufende Pensionsverpflichtung sei erst dann gegeben, wenn der Berechtigte tatsächlich Pensionszahlungen beziehe. Auch ein Beamter, der über das 65. Lebensjahr hinaus Dienst tue, erhalte Gehalt und keine Pension.
Das Finanzgericht lehnt die Berufung ab. Die Frage, wann eine laufende Pensionsverpflichtung und wann eine bloße Anwartschaft vorliege, sei nicht bloß nach den Buchstaben des Gesetzes, sondern nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu entscheiden. Da das Vorstandsmitglied jederzeit ausscheiden könne, sei ein Zustand herbeigeführt worden, der demjenigen der wirklichen Pensionäre gleichzustellen sei. Im übrigen führe auch folgende Betrachtung zum gleichen Ergebnis: Bei dem Anwartschaften erhöhe sich die Rückstellung durch jährliche Zuführungen. Nach Eintritt des Pensionsfalles mindere sie sich wieder. Im vorliegenden Falle habe der Versicherungsmathematiker zum 31. Dezember 1949 einfach den Barwert zurückgestellt und keine weiteren Zuführungen vorgesehen. In der folgenden Schlußbilanz auf den 31. Dezember 1950 sei der Bilanzwert 1949 unverändert beibehalten worden. Dies zeige, daß auch die Firma Zuführungen zur Rückstellung nicht mehr als angebracht ansehe.
Im Rechtsbeschwerdeverfahren bringt die Firma vor, daß das Vorstandsmitglied bereits durch Vertrag vom 18. September 1937 den Ruhegehaltsanspruch erworben habe.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) muß als unbegründet zurückgewiesen werden.
Der Reichsfinanzhof hat in ständiger Rechtsprechung die Nachholung unterlassener Rückstellungen für künftige Pensionsansprüche abgelehnt. Im einzelnen wird auf die Entscheidungen des Reichsfinanzhofs I 92/37 vom 30. November 1937, Slg. Bd. 43 S. 79, Reichssteuerblatt - RStBl - 1938, S. 436, und I 233/39 vom 16. Januar 1940, RStBl 1940 S. 489 verwiesen. Der erkennende Senat hält an dieser Rechtsprechung fest. Diese Grundsätze müssen auch für die Zeit nach der Währungsumstellung, also für die Zeit der DM-Bilanzen gelten. § 29 Abs. 4 DMBG steht dem nicht entgegen. Es handelt sich hier um eine handelsrechtliche Vorschrift, die gegenüber den steuerlichen Sonderbestimmungen zurücktreten muß. Durch die Vorschrift wurde klargestellt, daß auch für die auf die DM-Eröffnungsbilanz folgenden Bilanzen keine Verpflichtung besteht, die Last sofort in voller Höhe zu passivieren. Die Ausführungen in Abschn. 40 letzter Satz der steuerlichen Richtlinien zum D-Markbilanzgesetz hinsichtlich des Verbotes der Nachholung unterlassener Zuführungen zur Rückstellung entsprechen dem geltenden Recht. Die Bindung der Steuerbilanz an die Handelsbilanz nach § 74 DMBG gilt nur für die DM-Eröffnungsbilanz.
An und für sich ist es zulässig, der Rückstellung für die Pensionsverpflichtung Beträge zuzuführen, um die sich im strittigen Wirtschaftsjahr die Belastung erhöht hat. Eine solche Erhöhung ist aber, wie das Finanzgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht eingetreten. Das Vorstandsmitglied ist bei Erreichung des 65. Lebensjahres, wo die Belastung am höchsten war, nicht in den Ruhestand getreten, sondern macht weiterhin Dienst. Dies hat zur Folge, daß die Belastung der Firma mit der Pensionsverpflichtung wertmäßig nicht steigt, sondern sinkt, da mit steigendem Lebensalter die voraussichtliche Dauer der zu zahlenden Pension sich mindert.
Die Rb. muß somit als unbegründet zurückgewiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 407471 |
BStBl III 1952, 237 |
BFHE 1953, 615 |
BFHE 56, 615 |
BB 1952, 712 |
DB 1952, 796 |