Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstiges Verfahrensrecht/Abgabenordnung Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft - VOL - vom 2. Juni 1949 (WiGBl 1949 S. 95) ist ungültig, weil sie gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) verstößt und mit § 29 EStG unvereinbar ist. Aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes ist es indessen geboten, die Gewinnermittlung bis zum Ende des laufenden Wirtschaftsjahres 1964/65 so vorzunehmen, als ob die VOL anwendbar wäre.
übersteigt der Umsatz eines Landwirts, dessen Gewinn bisher nach der VOL ermittelt wurde, in einem Wirtschaftsjahr die in § 1 Ziff. 3 VOL bezeichnete Umsatzgrenze, so ist der tatsächlich erzielte Gewinn dieses Wirtschaftsjahres der Besteuerung zugrunde zu legen.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; AO § 217; EStG § 29
Tatbestand
Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1960, von welchem Zeitpunkt an ein Landwirt, dessen Gewinn nach der Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft vom 2. Juni 1949 (VOL) - Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (WiGBl) 1949 S. 95 - ermittelt wurde, wegen überschreitens der Umsatzgrenze von 40.000 DM (§ 1 Ziff. 3 VOL) als sogenannter Schätzungslandwirt zu behandeln ist.
Die steuerpflichtigen Eheleute sind nichtbuchführende Landwirte. Der Gewinn wurde bisher nach der VOL ermittelt. Im Kalenderjahr 1959 betrug der Umsatz 54.000 DM, im Kalenderjahr 1960 45.513 DM. Das Finanzamt wandte für das Wirtschaftsjahr 1960/61 die VOL nicht mehr an, sondern schätzte den Gewinn in Anlehnung an die VOL. Es legte dabei einen Grundbetrag von 1/4 statt wie bisher 1/12 des maßgebenden Einheitswerts zugrunde. Im wesentlichen hierdurch erhöhten sich der Grundbetrag von 3.773 DM im Wirtschaftsjahr 1959/60 auf 11.178 DM im Wirtschaftsjahr 1960/61, der Gesamtgewinn aus Land- und Forstwirtschaft von 6.856 DM im Wirtschaftsjahr 1950/60 auf 12.398 DM im Wirtschaftsjahr 1960/61.
Der Einspruch blieb in dem Streitpunkt ohne Erfolg. Mit der Berufung machten die steuerpflichtigen Eheleute geltend, daß ihnen die überschreitung der Umsatzgrenze von 40.000 DM erst im Jahre 1961 bekanntgegeben worden und es deshalb unbillig sei, sie bereits vom Wirtschaftsjahr 1960/61 an als Schätzungslandwirte zu behandeln.
Das Finanzgericht gab der Berufung mit dem in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1964 S. 228 veröffentlichten Urteil statt. Es führte aus, die steuerpflichtigen Eheleute könnten nach Treu und Glauben beanspruchen, daß ihr Gewinn auch für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1960 der Höhe nach nach der VOL ermittelt werde. Denn sie müßten die Möglichkeit erhalten, durch Einrichtung einer Buchführung die Gefahr einer Schätzung abzuwenden, die zu einem über dem tatsächlichen Gewinn liegenden Ergebnis führen könne. Da die steuerpflichtigen Eheleute erstmals im Oktober 1961 den Umsatzsteuerbescheid 1959 mit einem Umsatz von mehr als 40.000 DM erhalten hätten, könne der Gewinn in entsprechender Anwendung des § 1 der Verordnung über landwirtschaftliche Buchführung vom 5. Juli 1935 (LandwBuchfVO) - RGBl 1935 I S. 908, RStBl 1935 S. 955 - in Verbindung mit § 161 Abs. 1 Ziff. 1 Buchst. a AO erst für das Wirtschaftsjahr 1962/63 durch Schätzung ermittelt werden.
Mit der Rb. vertritt der Vorsteher des Finanzamts die Auffassung, § 1 Abs. 3 VOL setze nicht voraus, daß das überschreiten der Umsatzgrenze zuvor durch Bescheid festgestellt und der Steuerpflichtige besonders benachrichtigt worden sei. Nur auf den Beginn der Buchführungspflicht müsse der Steuerpflichtige vorher vom Finanzamt hingewiesen werden. Die Vorschrift des § 1 Ziff. 3 VOL solle sicherstellen, daß nur kleine Betriebe in den Genuß der ungewöhnlich günstigen Durchschnittsbesteuerung nach der VOL kämen. Die Höhe des im vorangegangenen Kalenderjahr erzielten Umsatzes stelle eine objektive Voraussetzung dar. Wenn die Auffassung, daß das überschreiten der Umsatzgrenze dem Steuerpflichtigen zuvor mitgeteilt werden müsse, zuträfe, werde die VOL stets für eine übergangszeit, die unter Umständen mehrere Jahre dauern könne, auf Betriebe angewendet, für die sie nicht vorgesehen sei.
Der Bundesminister der Finanzen ist auf Ersuchen des Senats dem Verfahren nach § 287 Ziff. 2 AO beigetreten. Er führt im wesentlichen folgendes aus. Bei überschreiten der nach § 1 Ziff. 1 VOL maßgebenden Buchführungspflichtgrenze werde ein bis dahin nichtbuchführender Landwirt vor die Alternative gestellt, entweder seiner nun beginnenden Buchführungspflicht nachzukommen oder die aus der Nichterfüllung dieser Verpflichtung sich ergebenden Nachteile in Kauf zu nehmen. Dagegen sei der nichtbuchführende Landwirt, der die Voraussetzung des § 1 Ziff. 3 VOL nicht mehr erfülle, ohne Rechtsfolgen nach wie vor nicht zur Buchführung verpflichtet. Bei überschreiten der Buchführungspflichtgrenze in § 1 Ziff. 1 VOL werde vom Steuerpflichtigen ein positives Handeln verlangt. Es dürfe nicht zuletzt wegen der sich aus der Nichterfüllung seiner Verpflichtung ergebenden Rechtsfolgen (Wegfall von Steuervergünstigungen, Zwangsmittel) keinen Zweifel über den Zeitpunkt des Beginns der Buchführungspflicht geben. Anders liege es bei der Umsatzgrenze in § 1 Ziff. 3 VOL. Hier werde vom Steuerpflichtigen kein positives Handeln verlangt. Allerdings seien für ihn nicht mehr die zur Zeit sehr niedrigen Gewinne nach Durchschnittsätzen, sondern die nach § 217 AO zu schätzenden Gewinne, die mit den tatsächlichen Gewinnen in etwa übereinstimmten, der Besteuerung zugrunde zu legen. Der unter die VOL fallende Kreis sei bewußt auf eine bestimmte, für die Schematisierung geeignete Betriebsgröße beschränkt. Die VOL müsse daher auf den für sie vorgesehenen Kreis von Steuerpflichtigen beschränkt bleiben. Wie sich aus Abschn. 127 Abs. 1 EStR 1960 ergebe, dürfe, wenn die auf das Kalenderjahr abzustellende Umsatzgrenze überschritten sei, der Gewinn des nach diesem Kalenderjahr beginnenden Wirtschaftsjahres nicht mehr nach der VOL ermittelt werden.
Zu der vom Senat gestellten Frage nach dem Verhältnis der nach der VOL ermittelten Gewinne zu den tatsächlich erzielten Gewinnen und dem sich hiernach ergebenden Rechtsproblem der Gleichmäßigkeit der Besteuerung äußert sich der Bundesminister der Finanzen wie folgt. Die Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen gehe noch heute von den längst überholten Einheitswerten des Jahres 1935 aus. Der Grundbetrag nach § 2 VOL (Reinertrag) betrage zur Zeit 1/12 des maßgebenden Einheitswerts. Er müßte auf etwa 1/4 bis 1/6 des Einheitswerts erhöht werden. Ebenso wie die Ermittlung des Reinertrags sei die davon abgeleitete Errechnung des Gewinns überholt. Für die ersparten Löhne und den Wert der Arbeitsleistung des Betriebsinhabers, seiner Ehefrau und der übrigen mitarbeitenden Familienangehörigen würden nach der VOL Zuschläge gemacht, die in keinem Verhältnis mehr zu den tatsächlichen Werten stünden. Die VOL führe, wie seine Ermittlungen ergeben hätten, deshalb zu Gewinnen, die etwa bei 1/3 bis 1/2 der tatsächlich erzielten Gewinne lägen.
Der Senat gab dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie dem Zentralausschuß der deutschen Landwirtschaft Gelegenheit zur äußerung.
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten spricht sich bei überschreitung der Umsatzgrenze von 40.000 DM dafür aus, daß ein vorausgehender Hinweis des Finanzamts ebenso wie in § 1 Abs. 1 LandwBuchfVO Voraussetzung einer Gewinnschätzung sei.
Zu der Frage, inwieweit die Anwendung der VOL die Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -) berühre, nimmt der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, wie folgt, Stellung. Es sei nicht zu verkennen, daß sich die Gewinne der Landwirtschaft in den letzten Jahren erhöht hätten, während die VOL sich auf die seit 1935 unveränderten Einheitswerte stütze. Eine Angleichung an die erhöhten Gewinne ließe sich durch eine Verminderung des Bruchteils des maßgebenden Einheitswerts (§ 2 Abs. 1 Satz 1 VOL) herbeiführen. Die Ertragslage der Landwirtschaft könne jedoch in Zukunft entscheidend durch Preissenkungen als Folge der Angleichung des Agrarmarktes der Länder der Europäischen Gemeinschaft beeinflußt werden. Art und Umfang der Erlösminderungen seien im gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht überschaubar, so daß es verfrüht erscheine, durch Erhöhung des Grundbetrages eine Angleichung herbeizuführen. Es sei auch zu berücksichtigen, daß die VOL auf die Gruppe von Landwirten Anwendung finde, die wegen ihrer geringen Hofgröße hinter der allgemeinen Einkommensentwicklung am stärksten zurückbleibe (Hinweis auf die Ausführungen des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft - Grüner Bericht 1964 -, Bundestagsdrucksache IV/1860 S. 85). Der Einkommenszuwachs nehme relativ erst mit steigender Betriebsgröße zu, bleibe jedoch immer noch um rd. 25 v. H. hinter vergleichbaren Werten der gewerblichen Wirtschaft zurück. Die Besteuerung der kleineren Landwirte nach der VOL habe zur Folge, daß sozial schlechtergestellte Landwirte möglicherweise einer geringeren Besteuerung unterworfen würden als die größeren landwirtschaftlichen Betriebe, deren Gewinne auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt würden. Die VOL diene einem gewissen sozialen Ausgleich. Dabei sei für die Fälle des übergangs von der VOL zu einer anderen Gewinnermittlungsart in Zukunft eine Härteregelung wünschenswert.
Der Zentralausschuß der deutschen Landwirtschaft vertritt zu der Frage, welcher Zeitpunkt für das Ausscheiden aus der Gewinnermittlung nach den Vorschriften der VOL maßgebend sei, dieselbe Auffassung wie der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und wie die Vorinstanz.
Zu der Frage der Ermittlung des tatsächlichen Gewinns nimmt er, wie folgt, Stellung. In den ersten Jahren des zurückliegenden Jahrzehnts habe nach seinen Erfahrungen der nach der VOL ermittelte Gewinn über dem tatsächlichen Gewinn gelegen. In der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre habe sich eine gewisse Besserstellung der VOL-Landwirte ergeben. In letzter Zeit zeige sich aber bereits in Auswirkung der durch die EWG ausgelösten Entwicklung ein nicht mehr übersehbarer Rückgang der Individualgewinne, so daß die derzeitige Besserstellung der VOL- Landwirte allmählich schwinde. Die Schätzung des Gewinns beim Ausscheiden aus der VOL-Besteuerung in Anlehnung an die VOL lediglich durch eine Veränderung des Teilers (§ 2 Abs. 1 VOL) werde in der Regel zur Ermittlung des richtigen Gewinns führen, da die Finanzverwaltung bei der Findung des Teilers Buchführungsergebnisse kleiner buchführender landwirtschaftlicher Betriebe zugrunde lege. Im langjährigen Durchschnitt zeige ein Vergleich der Gewinnergebnisse von Landwirten mit über 30.000 DM Umsatz und solchen mit einem Umsatz von unter 30.000 DM nicht so erhebliche Unterschiede, daß sie den Gesetzgeber zu Folgerungen hätten zwingen müssen oder zwingen würden. Hervorzuheben sei, daß das Besteuerungsergebnis durch den Freibetrag des § 13 Abs. 3 EStG beeinflußt sei. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Gewinnermittlungen nach der VOL und in Anlehnung an die VOL seien daher nicht gerechtfertigt.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt.
I. - Der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft wird auf Grund des Einheitswerts des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs nach den Vorschriften der VOL ermittelt, wenn
der Steuerpflichtige nicht zur Führung von Büchern verpflichtet ist;
ordnungsmäßige Bücher nicht geführt werden oder die Bücher sachliche Unrichtigkeiten vermuten lassen;
der Umsatz die von den Oberfinanzpräsidenten oder den entsprechenden oberen Finanzbehörden zu bestimmende Grenze, die auf höchstens 40.000 DM festgesetzt werden darf, nicht übersteigt (§ 1 VOL).
Für den Bezirk des Oberfinanzpräsidenten Düsseldorf wurde die Umsatzgrenze auf 40.000 DM festgesetzt (§ 1 Satz 1 der Anordnung zur Einkommensbesteuerung der nichtbuchführenden Land- und Forstwirte vom 27. April 1950, Steuerblatt für das Land Nordrhein- Westfalen 1950 S. 243).
Der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft wird nach § 217 AO geschätzt bei Steuerpflichtigen, die zur Führung von Büchern verpflichtet sind (§ 161 Abs. 1 AO), jedoch ordnungsmäßige Bücher nicht führen oder deren Bücher sachliche Unrichtigkeiten vermuten lassen (sogenannte unechte oder unrechtmäßige Schätzungslandwirte), sowie bei Steuerpflichtigen, die nicht buchführungspflichtig sind, auch freiwillig keine Bücher führen und deren Gewinn nicht nach der VOL ermittelt wird (sogenannte echte oder rechtmäßige Schätzungslandwirte).
Hiernach zerfällt der Kreis der nichtbuchführenden Landwirte in die Gruppe der Landwirte, deren Gewinn nach Durchschnittsätzen (VOL-Landwirte) ermittelt wird, und in die Gruppe der sogenannten Schätzungslandwirte, bei denen die Praxis den Gewinn vielfach in Anlehnung an die VOL ermittelt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs IV 92/52 U vom 21. August 1952, BStBl 1952 III S. 259, Slg. Bd. 56 S. 676; IV 33/57 U vom 31. März 1960, BStBl 1960 III S. 229, Slg. Bd. 70 S. 615; IV 249/59 U vom 22. September 1960, BStBl 1960 III S. 516, Slg. Bd. 71 S. 716; damit übereinstimmend die EStR 1960 Abschn. 127 Abs. 3). Die bei diesen beiden Gruppen angewandten Methoden der Gewinnermittlung führen zu sehr unterschiedlichen Besteuerungen, die in der Höhe der tatsächlichen Gewinne begründet sind, und zwar je nachdem, ob der Gewinn nach der VOL oder in Anlehnung an die VOL durch Schätzung ermittelt wird. Denn die Praxis berechnet im letzteren Falle den Grundbetrag unter Anwendung eines geringeren Teiles als 12 (§ 2 Abs. 1 Satz 1 VOL), um dem tatsächlich erzielten Gewinn nahezukommen. Da, wie auch der Streitfall zeigt, bei gleichliegenden Verhältnissen die Anwendung der VOL wesentlich niedrigere als die geschätzten Gewinne ergibt (vgl. unten IV 1 b), bedeutet im Einzelfall der übergang von der Gewinnermittlung nach der VOL zu einer zutreffenden Schätzung des Gewinns nach § 217 AO den Wegfall einer bisher nur einen Bruchteil des tatsächlichen Gewinns erfassenden Besteuerungsmethode.
Die dargestellte Unterscheidung der beiden Formen der Ermittlung landwirtschaftlicher Gewinne bietet wegen ihrer stark voneinander abweichenden Ergebnisse Veranlassung zur Prüfung, ob die Vorschriften der VOL im Streitjahr gültig und anwendbar waren und deshalb die Bedeutung der Umsatzgrenze von 40.000 DM nach den Vorschriften dieser Verordnung zu bestimmen ist. Es ist zwar richtig, daß auch der erkennende Senat bis zum Ende des Jahres 1963 bei seiner Rechtsprechung die Frage der Gültigkeit der VOL nicht erörterte, und es ist auch zutreffend, daß die seit vielen Jahren bestehende Ungleichmäßigkeit in der Besteuerung schon früher den Senat dazu hätte veranlassen sollen, zu dem im folgenden erörterten Rechtsproblem Stellung zu nehmen. Das kann aber nicht dazu führen, aus der seit vielen Jahren bestehenden Ungleichmäßigkeit der Besteuerung auch weiterhin keine Folgerungen zu ziehen, zumal heute noch nicht abzusehen ist, wann der Gesetzgeber die längst erforderliche Einheitsbewertung des Grundbesitzes durchführen und damit einer sich nach den tatsächlichen Ertragswerten der Landwirtschaft richtenden Durchschnittsbesteuerung wieder eine zutreffende Grundlage geben wird.
Die Beurteilung der Frage, ob die VOL gültig ist, ist für die Entscheidung des vorliegenden Falles erheblich. Zwar kommt der Senat, wie in Ziff. X dargelegt wird, zu dem Ergebnis, daß der Gewinn der steuerpflichtigen Eheleute auf jeden Fall, also auch bei Fortgeltung der VOL, geschätzt werden muß. Da der Senat aber der Auffassung ist, daß bei der Schätzung im Falle der Ungültigkeit der VOL die Grundlagen dieser Verordnung nicht berücksichtigt werden können, kommt es insoweit auch bei Schätzungslandwirten auf die Rechtsgültigkeit der VOL an.
II. - Die VOL war zur Zeit ihres Erlasses rechtsgültig.
Sie wurde von dem Direktor der Verwaltung für Finanzen des Vereinigten Wirtschaftsgebietes auf Grund des Art. XII des Anhangs zum Gesetz Nr. 64 zur vorläufigen Neuordnung von Steuern vom 22. Juni 1948 (Beilage Nr. 4 zum WiGBl Nr. 14 vom 26. Juli 1948) mit Zustimmung des Finanzausschusses des Wirtschaftsrats und mit Zustimmung des Finanzausschusses des Länderrats erlassen. Die VOL trat an die Stelle der VOL vom 31. Dezember 1936 (RGBl 1937 I S. 1) - im folgenden VOL 1936 - (§ 12 VOL). Art. XII des Anhangs zum Gesetz Nr. 64 ermächtigte den Direktor der Verwaltung für Finanzen des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, zur Durchführung der Steuergesetze Rechtsverordnungen und Verwaltungsanordnungen zu erlassen. Rechtsverordnungen bedurften der Zustimmung des Finanzausschusses des Wirtschaftsrats und des Finanzausschusses des Länderrats.
Die Gültigkeit der dem Besatzungsrecht angehörenden Ermächtigung kann durch deutsche Gerichte nicht in Frage gestellt werden (Gesetz Nr. 13 der Alliierten Hohen Kommission, Art. 3 Ziff. 1; vgl. von Schmoller-Maier-Tobler, Handbuch des Besatzungsrechts, S. 21 ff. zu § 25). Dadurch werden aber das Recht und die Pflicht der deutschen Gerichte nicht beeinträchtigt zu prüfen, ob auf Grund eines Gesetzes der Besatzungsmacht, das nur zum Erlaß von Durchführungsverordnungen ermächtigte, die VOL 1936 aufgehoben und die VOL 1949 erlassen werden konnte. Dabei legt der Senat den Begriff der Durchführungsverordnung nach deutschem Recht aus. Es kann dahingestellt bleiben, ob die in Gesetzen der Besatzungsmacht gebrauchten Rechtsbegriffe immer nach deutschem Recht auszulegen sind. Dafür, daß die in Art. XII des Anhangs zum Gesetz Nr. 64 enthaltene Delegation im Sinn des deutschen staatsrechtlichen Sprachgebrauches aufzufassen ist, sprechen verschiedene Gesichtspunkte. Art. II des Gesetzes erklärte den deutschen Wortlaut für maßgeblich (vgl. dazu von Schmoller-Maier-Tobler, S. 25 ff. zu § 25). Das Gesetz Nr. 64 fügte sich in das deutsche Steuerrechtssystem ein. Die Ermächtigung wurde offenbar dem früheren § 12 AO nachgebildet. Sinn und Zweck der Ermächtigung bieten keinen Anhalt zu der Annahme, daß ihre Auslegung nach den Grundsätzen des deutschen Rechts ausgeschlossen sein soll.
Die Ermächtigung, Rechtsverordnungen zur Durchführung eines Gesetzes zu erlassen, schließt im Zweifel die Ermächtigung in sich, bestehende Durchführungsverordnungen aufzuheben (vgl. Jacobi, Handbuch des deutschen Staatsrechts, 2. Bd. S. 246).
Die VOL 1949 trat an die Stelle der VOL 1936, die sie aufhob. Es braucht nicht geprüft zu werden, ob die VOL 1936 auf Grund einer Ermächtigung, die nur zum Erlaß einer Durchführungsverordnung ermächtigte, hätte aufgehoben werden können, wenn die VOL 1936 inhaltlich mehr als eine Durchführungsverordnung gewesen wäre (die VOL 1936 wurde auf Grund des § 12 Abs. 1 AO in der Fassung des Einführungsgesetzes zu den Realsteuergesetzen vom 1. Dezember 1936 - RGBl 1936 I S. 961 - erlassen, der den Reichsminister der Finanzen "zur Durchführung und zur Ergänzung" der Steuergesetze und zur näheren Bestimmung des Umfangs von Befreiungen, Steuerermäßigungen und Steuervergütungen ermächtigte). Denn auch die VOL 1936 stellte lediglich eine Durchführungsverordnung dar; sie konnte also auch durch eine Durchführungsverordnung aufgehoben werden.
Daß die VOL 1936 und auch die VOL 1949 nur Durchführungsverordnungen waren und daß ferner die VOL 1949 auch nicht den in der Ermächtigung gesetzten Rahmen überschritt, ergibt sich aus folgenden Erwägungen.
Das Wesen der Durchführungsverordnung besteht in dem Ausbau der im durchzuführenden Rechtssatz enthaltenen Rechtsgedanken. Eine Durchführungsverordnung füllt nur den durch das Gesetz geschaffenen Rahmen aus, ergänzt oder ändert das Gesetz aber nicht (vgl. Jacobi S. 250; Klein, Die übertragung rechtsetzender Gewalt im Rechtsstaat, Wissenschaftliche Schriftenreihe des Instituts zur Förderung öffentlicher Angelegenheiten e. V. Bd. 12, S. 42 ff.; Wolff, Verwaltungsrecht I, 5. Aufl., S. 106; Becker, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1926 Sp. 241, 247). Demgegenüber enthalten gesetzergänzende Verordnungen selbständige Regelungen neuer, vom Gesetz selbst noch nicht abschließend geregelter Materien; sie führen neue selbständige Rechtsgedanken ein (vgl. Roethe, Archiv des öffentlichen Rechts, Neue Folge, 20. Bd., S. 209).
Die VOL 1936 und die VOL 1949 stellten keine gesetzergänzenden Rechtsverordnungen in diesem Sinne dar; sie dienten vielmehr der Durchführung des EStG.
Nach dem System der Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts war (und ist) der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft auf Grund eines Betriebsvermögensvergleichs (§ 4 Abs. 1 EStG) zu ermitteln. Nach § 29 EStG konnten u. a. für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft Durchschnittsätze aufgestellt werden. Eine Verordnung, die solche Durchschnittsätze festlegt, führt lediglich den in § 29 EStG gegebenen Gesetzesbefehl durch, wenn auch bei der Bestimmung der Durchschnittsätze ein gewisser Spielraum vorhanden ist.
Der Begriff "Durchschnittsätze" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Er ist nach der Stellung des § 29 EStG im System der Gewinnermittlungsvorschriften des Gesetzes sowie nach Zweck und Entstehungsgeschichte der Vorschrift auszulegen. Dabei ist die Entwicklung der Verhältnisse zu berücksichtigen (§ 1 Abs. 2 StAnpG).
Das EStG beruht auf dem Grundgedanken der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Es will das tatsächliche Einkommen erfassen. Das gilt im besonderen Masse von den betrieblichen Gewinnen. Das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit kann vom Gesetzgeber da verlassen werden, wo diesem aus wirtschafts- oder sozialpolitischen oder ähnlichen Erwägungen Steuerbefreiungen oder Steuermilderungen notwendig erscheinen. Es muß aber wegen der Bedeutung und der Höhe der Steuersätze und wegen der mit jeder Steuermilderung für einen größeren Personenkreis notwendig verbundenen Beeinträchtigung des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung aus rechtsstaatlichen Gründen gefordert werden, daß diese im einzelnen zur Geltung zu bringenden besonderen Zielsetzungen vom Gesetzgeber eindeutig zum Ausdruck gebracht werden, wenn sie entgegen dem der Besteuerung nach dem Einkommen immanenten Leistungsfähigkeitsprinzip verwirklicht werden sollen (vgl. Bühler-Strickrodt, Steuerrecht, Bd. 1 S. 206).
Der Grundsatz der Ermittlung der tatsächlich erzielten Gewinne läßt sich nur unter Schwierigkeiten verwirklichen, wenn die Steuerpflichtigen keine Bücher führen. Schon § 46 EStG 1925 sah deshalb die Aufstellung von Durchschnittsätzen vor, die ein Hilfsmittel der Veranlagung bildeten und anzuwenden waren, wenn die Steuerpflichtigen nicht dartun konnten, daß die Durchschnittsätze zu hoch angesetzt waren. Die Durchschnittsätze dienten der Vereinfachung der Gewinnermittlung, ohne daß der Grundsatz der Besteuerung nach dem tatsächlichen Gewinn aufgegeben wurde (vgl. Amtliche Begründung zu § 46 EStG 1925, abgedruckt bei Strutz, Kommentar zum Einkommensteuergesetz 1925, II. Bd. S. 739).
Diese für die nichtbuchführenden Landwirte aufgestellten Durchschnittsätze verloren an Bedeutung durch die ab 1931 in das EStG 1925 eingeführte Steuervergünstigung des § 28 a, die sogenannte landwirtschaftliche Einheitssteuer (Dritter Teil, Kapitel I § 1 der Notverordnung vom 1. Dezember 1930, RGBl 1930 I S. 517, 530; Kapitel I Art. 3 und 4 der Anpassungsverordnung vom 23. Dezember 1931, RGBl 1931 I S. 780, 781). Danach rechneten die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zum steuerpflichtigen Einkommen nur, soweit sie den Betrag von 6.000 RM überstiegen und wenn das gesamte Einkommen den Betrag von 12.000 RM überstieg. Die ersten 6.000 RM des Einkommens aus Grundbesitz sollten durch die Grundsteuer als landwirtschaftliche Einheitssteuer abgegolten sein. Die nichtbuchführenden Land- und Forstwirte brauchten deshalb in der Regel keine Einkommensteuer mehr zu entrichten.
Das EStG 1934 brachte eine grundlegende änderung. Durch § 13 Abs. 3 und § 51 Abs. 1 EStG 1934 wurden erstmalig für das Jahr 1936 die Einkommensgrenze, von der ab Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in vollem Umfang zur Einkommensteuer herangezogen wurden, von 12.000 RM auf 8.000 RM und der Gewinnbetrag, der bei Nichtüberschreiten dieser Grenze nicht zur Einkommensteuer herangezogen wurde, von 6.000 RM auf 3.000 RM herabgesetzt. Infolge der Gesetzesänderung stieg die Zahl der einkommensteuerpflichtigen Land- und Forstwirte für das Kalenderjahr 1936 auf ein Vielfaches. Dieser veränderten Sachlage trug die VOL 1936 Rechnung. Mit Rücksicht auf das erwartete verhältnismäßig geringfügige Steueraufkommen aus dem in Betracht kommenden Bereiche der Landwirtschaft erstrebte die VOL 1936 größtmögliche Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens. Das wurde dadurch erreicht, daß die bei der Feststellung der Einheitswerte für die landwirtschaftlichen Betriebe zum 1. Januar 1935 ermittelten durchschnittlichen nachhaltig erzielbaren Reinerträge der Einkommensbesteuerung nutzbar gemacht wurden (vgl. Runderlaß des Reichsministers der Finanzen vom 31. Dezember 1936 zur Einführung der VOL, RStBl 1937 S. 35). Diese Vereinfachung hatte nach der Absicht des Gesetzgebers nicht die Bedeutung einer steuerlichen Privilegierung eines Teiles der Landwirte. Es sollte lediglich die Ermittlung des tatsächlichen Einkommens vereinfacht werden (vgl. Amtliche Begründung zu § 29 EStG 1934, RStBl 1935 S. 46). Dieser Gedanke fand in § 29 EStG 1934 dadurch seinen Niederschlag, daß auch Durchschnittsätze für nichtbuchführende Gewerbetreibende aufgestellt werden durften, für die damit offensichtlich keine Begünstigung verbunden sein sollte. Dabei ist es für die Auslegung des Begriffs der Durchschnittsätze in § 29 EStG 1934 ohne Bedeutung, daß von dieser Ermächtigung für Gewerbetreibende kein Gebrauch gemacht wurde.
Die VOL galt erstmals für die Veranlagung für das Kalenderjahr 1936 (§ 12 Abs. 1 VOL 1936). Das Kontrollratsgesetz (KRG) Nr. 12 vom 11. Februar 1946 (Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland 1946 S. 60) brachte eine Verschärfung der Einkommensbesteuerung auch der nichtbuchführenden Landwirte. Durch Art. IX Ziff. 2 bis 4 wurde der Freibetrag des § 13 Abs. 3 eingeschränkt auf 1.000 RM, für einzelne Personengruppen auf 2.000 RM, vorausgesetzt, daß das Einkommen 6.000 RM nicht überstieg. Gleichzeitig wurde durch Art. IX Ziff. 1 vorgeschrieben, daß als Grundbetrag nach § 2 VOL nicht mehr wie bisher 1/18, sondern künftig 1/12 des maßgebenden Einheitswerts anzusetzen war. Durch diese Regelungen, die - wie auch schon die Einschränkung des landwirtschaftlichen Freibetrags im EStG 1934 und die Einführung der VOL 1936 - im Zusammenhang gesehen werden müssen, sollte die bisherige Sonderstellung der nichtbuchführenden Landwirte im Rahmen der allgemeinen Einkommensbesteuerung im wesentlichen beseitigt werden. Die änderung wirkte sich um so mehr aus, als die Reinerträge der landwirtschaftlichen Betriebe in den Jahren nach 1945 zunächst weithin niedriger waren als vor dem Kriege (vgl. Landwirtschaftliche Buchführungsergebnisse 1959/60 und 1960/61, herausgegeben vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, S. 24, 25). Eine Privilegierung der Landwirtschaft über den verminderten Freibetrag des § 13 Abs. 3 EStG hinaus hat dem Gesetzgeber somit offensichtlich ferngelegen. Die durch das KRG Nr. 12 herbeigeführte Gesetzeslage ist in der Folgezeit beibehalten worden. Die darin liegende grundsätzliche Belastungsentscheidung des Gesetzgebers ist bei der Auslegung des Begriffes "Durchschnittsätze" in § 29 EStG und bei der Würdigung der Vorschriften der VOL maßgebend.
Die Besteuerung nach Durchschnittsätzen beruht auf der von der Rechtsprechung entwickelten typischen Betrachtungsweise. Dabei wird ein typischer Tatbestand angenommen und die Möglichkeit des Gegenbeweises ausgeschlossen. Der Grundsatz der "individuellen Gleichmäßigkeit" der Besteuerung tritt hinter dem Grundsatz der "generellen Gleichmäßigkeit" zurück (vgl. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - Bd. 9 S. 13). Die Durchschnittsätze werden sich zwar nur selten mit dem tatsächlichen Gewinn im einzelnen Wirtschaftsjahr decken. Das Gesetz nimmt das aber in Kauf, weil gewöhnlich innerhalb mehrerer Wirtschaftsjahre ein Ausgleich eintritt. Die mit der Anwendung von Durchschnittsätzen erstrebte Vereinfachung läßt den Verzicht auf genaue und individuelle Gewinnermittlung im einzelnen Wirtschaftsjahr vertretbar erscheinen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 450/53 S vom 10. Juni 1954, BStBl 1954 III S. 231, Slg. Bd. 59 S. 58). Das bedingt aber, daß die in § 29 EStG zugelassenen Durchschnittsätze so bemessen sind, daß sie bei dem Durchschnitt aller nichtbuchführenden Landwirte und im Durchschnitt einer Anzahl von Jahren im großen und ganzen zu einer zutreffenden Erfassung der landwirtschaftlichen Gewinne führen. Durchschnittsätze im Sinne des § 29 EStG liegen hiernach jedenfalls nicht mehr vor, wenn die Sätze so gestaltet sind, daß durch ihre Anwendung dieses Ziel allgemein nicht mehr entfernt erreicht werden kann. Zu demselben Ergebnis führt auch die verfassungskonforme Auslegung des Begriffes "Durchschnittsätze". Sie schließt es aus, daß dem Begriff ein Inhalt beigelegt wird, der auch eine ungleichmäßige Besteuerung decken würde (vgl. unten V).
Die VOL trug sowohl 1936 als auch 1949 diesen Erfordernissen des EStR Rechnung. Der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ist in der VOL selbst zum Ausdruck gekommen (vgl. §§ 10 Abs. 3, 11 VOL). Für die Gewinnermittlung ist grundsätzlich der Einheitswert auf den letzten Feststellungszeitpunkt maßgebend, der vor dem Beginn des Wirtschaftsjahrs liegt, für das der Gewinn zu ermitteln ist (§ 3 VOL). Da eine Hauptfeststellung der Einheitswerte der landwirtschaftlichen Betriebe im Abstand von sechs Jahren durchzuführen war (§ 21 Abs. 1 BewG), wäre durch diese Verknüpfung sichergestellt gewesen, daß die der Einkommensteuer unterliegenden landwirtschaftlichen Reinerträge entsprechend der Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse erfaßt wurden, wenn bei normalem Ablauf die weiteren Hauptfeststellungen (1941, 1947, 1953, 1959) durchgeführt worden wären.
III. - Die rechtswirksam zustande gekommene VOL 1949 galt in den Ländern des früheren Vereinigten Wirtschaftsgebietes als Bundesrecht fort (Art. 123 Abs. 1, 125 GG).
Es braucht nicht geprüft zu werden, ob die gesetzliche Ermächtigung, auf der die VOL beruhte, bestehenblieb oder von welchem Zeitpunkt an sie außer Kraft trat; denn das nachträgliche Erlöschen einer Ermächtigung ist ohne Einfluß auf den Rechtsbestand der während ihres Bestehens ordnungsgemäß erlassenen Rechtsverordnung (vgl. BVerfGE Bd. 9 S. 12). Desgleichen ist unerheblich, ob an eine Ermächtigung nunmehr höhere Anforderungen zu stellen sind (BVerfGE Bd. 2 S. 326; Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwGE - Bd. 7 S. 123).
IV. - Der wirksame Erlaß einer Durchführungsverordnung schließt aber nicht aus, daß ihre weitere Gültigkeit für jedes Streitjahr davon abhängt, daß die Durchführungsverordnung mit dem EStG, das sie durchzuführen hat, in Einklang bleibt.
Die Vereinbarkeit der VOL 1949 mit dem EStG kann nur bejaht werden, wenn die VOL den Grundsätzen der Gewinnermittlung des Einkommensteuerrechts entspricht und Durchschnittsätze im Sinne des § 29 EStG enthält. Das ist nicht der Fall. Es ist schon erörtert worden, daß die VOL davon ausging, daß die der Einkommensteuer unterliegenden landwirtschaftlichen Reinerträge entsprechend der Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse durch die jeweils nach Ablauf von sechs Jahren vorzunehmenden Hauptfeststellungen erfaßt werden würden. Die VOL barg deshalb in höherem Masse, als dies bei Durchführungs- oder Ausführungsverordnungen sonst der Fall ist, die Gefahr in sich, daß, wenn diese in Gesetzen außerhalb des EStG geregelten Besteuerungsgrundlagen nicht der Entwicklung angepaßt würden, die Besteuerung nach der VOL in einen Gegensatz zur allgemeinen gesetzlichen Einkommensbesteuerung und zu dem Sinn und Zweck einer Besteuerung nach Durchschnittsätzen treten würde.
Die letzte Hauptfeststellung der Einheitswerte des landwirtschaftlichen Grundbesitzes fand auf den 1. Januar 1935 statt. Durch die Verordnung vom 22. November 1939 (RGBl 1939 I S. 2271) wurde wegen der Kriegsverhältnisse angeordnet, daß eine Hauptfeststellung der Einheitswerte für Grundbesitz bis auf weiteres nicht stattfindet. Seit dieser Zeit sind lediglich gewisse änderungen tatsächlicher Natur, z. B. die Entstehung neuer Betriebe, Neubauten, sonstige bauliche Veränderungen, durch Nachfeststellungen und Fortschreibungen berücksichtigt worden, nicht jedoch die seit dem 1. Januar 1935 eingetretenen Wertverschiebungen. Die Entwicklung hat auch die Erträge der landwirtschaftlichen Betriebe stark, wenngleich in unterschiedlichem Masse, beeinflußt und damit eine völlig veränderte Lage geschaffen. Sie betraf sowohl die Mengenerträge als auch eine Aufwärtsbewegung der Preise (vgl. Amtliche Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur änderung des Bewertungsgesetzes, des Vermögensteuergesetzes und des Erbschaftsteuergesetzes, Deutscher Bundestag, 2. Wahlperiode, Drucksache 2544 S. 35; Rössler, Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe A - DStZ A - 1962 S. 122). Die Bundesregierung legte am 21. Juni 1956 den Gesetzentwurf für eine neue Hauptfeststellung der Einheitswerte zum 1. Januar 1957 dem Bundestag vor. Auf Seite 36 der amtlichen Begründung heißt es wörtlich: "Infolge der geänderten Wertverhältnisse ist eine nicht länger vertretbare Diskrepanz zwischen den wirklichen Werten und den Einheitswerten eingetreten. Eine neue allgemeine Feststellung der Einheitswerte des Grundbesitzes erscheint daher zur Beseitigung von Ungleichmäßigkeiten und zur Heranführung der bisherigen Einheitswerte an die neuen Wertverhältnisse als Grundlage einer gerechten und gleichmäßigen Besteuerung unerläßlich". Das Gesetz wurde vom Bundestag nicht verabschiedet. Am 8. April 1959 legte der Bundesminister der Finanzen dem Bundeskabinett erneut einen entsprechenden Gesetzentwurf vor. Dieser wurde von der Bundesregierung wegen der geringen Aussicht auf die Verabschiedung des Entwurfs im Bundestag nicht weitergeleitet (vgl. Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, Finanzpolitische Mitteilungen des Bundesministeriums der Finanzen vom 9. Mai 1961, Nr. 86 S. 830). Dabei war auch dieser Entwurf lediglich auf eine änderung der Einheitswerte beschränkt; steuerliche Auswirkungen sollten nicht automatisch eintreten, sondern von weiteren Gesetzgebungsmaßnahmen abhängen (vgl. Amtliche Begründung, Bundestagsdrucksache 2544 S. 37). Es ist gerichtsbekannt, daß das Scheitern der Bemühungen um eine Reform der Einheitswerte auf den Wunsch interessierter Kreise zurückzuführen ist.
Seit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung von 1956 zur Reform einer Einheitsbewertung hatte sich die Ertragslage der Landwirtschaft weiterhin verbessert. Sie beruhte auf höheren Erträgen der Bodenproduktion und der Veredelungswirtschaft sowie auf dem Steigen des Agrarpreisniveaus (vgl. im einzelnen Grüner Bericht der Bundesregierung 1964 S. 85; Landwirtschaftliche Buchführungsergebnisse 1959/60 und 1960/61, S. 23 ff., 25, 27).
Die Ergebnisse zeigen, daß die Anwendung der VOL seit Jahren zu einer völlig unzutreffenden Besteuerung führt.
Die Finanzverwaltung hat mit Billigung durch die Steuergerichte aus dieser Sachlage seit Jahren die Folgerung gezogen, daß die Schätzung des Gewinns derjenigen Landwirte, die nicht mehr der VOL unterliegen, zwar in Anlehnung an die VOL durchgeführt werden kann, daß aber dabei ein Teiler (§ 2 Abs. 1 Satz 1 VOL) zugrunde gelegt werden muß, der versucht, den wirklichen Verhältnissen gerecht zu werden, und der in der Regel zwischen 4 und 10 lag (EStR 1950 Abschn. 133 Abs. 3 und 4; EStR 1960 Abschn. 127 Abs. 3; Urteil des Bundesfinanzhofs IV 33/57 U vom 31. März 1960, BStBl 1960 III S. 229, Slg. Bd. 70 S. 615; Krill, Die Einkommensteuer der Land- und Forstwirte, S. 119 f.). Die Ergebnisse dieser Schätzungen machen den Unterschied deutlich, der wegen der mangelnden Anpassung der Ausgangswerte der VOL zwischen der Besteuerung nach dem Gesetz und der Besteuerung nach der Verordnung entstanden ist.
Die in der VOL vorgeschriebenen Durchschnittsätze erfüllen somit nicht mehr die Voraussetzungen, die nach Sinn und Zweck des § 29 EStG an Durchschnittsätze zu stellen sind. Die VOL führt das Gesetz nicht mehr durch, sondern sie bewirkt, daß ein großer Teil der Steuerpflichtigen, die nach dem Gesetz Einkommensteuer nach ihrem wirklichen Einkommen zu entrichten hätten, von der Steuerpflicht ausgenommen werden. Die VOL hat somit praktisch gesetzändernden (gesetzdurchbrechenden) Charakter angenommen. Eine Durchführungsverordnung darf aber keine Regelung enthalten, die unmittelbar oder mittelbar den Zwecken des Gesetzes zuwiderläuft (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 162/52 S vom 8. Februar 1955, BStBl 1955 III S. 113, Slg. Bd. 60 S. 294, sowie die dort angeführten Entscheidungen; ferner Roethe, Archiv des öffentlichen Rechts, Neue Folge, 20. Bd., S. 265 ff.). Sie darf folglich für ihren Anwendungsbereich auch keine im Gesetz nicht vorgesehene, ins Gewicht fallende Abschwächung der Steuerpflicht enthalten oder bewirken. Sogar gesetzergänzende Verordnungen, die in inhaltlicher Beziehung eine freiere Stellung gegenüber dem Gesetz einnehmen, müssen sich dem Sinn und Zweck des Gesetzes einpassen (vgl. Wolff, S. 106; ferner Urteil des Bundesfinanzhofs V z 153/56 U vom 20. März 1958, BStBl 1958 III S. 246, Slg. Bd. 66 S. 641, und die dort angeführten Entscheidungen des Obersten Finanzgerichtshofs und des Bundesfinanzhofs).
Die VOL hat die tatsächliche Bedeutung eines Gesetzes erlangt, das zu einer Subventionierung weiter Bereiche eines wichtigen Wirtschaftszweiges führt. Nur der Gesetzgeber selbst kann in den Grenzen, die der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) seinem Ermessen zieht, und in den Formen, die das GG für das Zustandekommen von Gesetzen vorschreibt, eine solche Durchbrechung der allgemeinen Steuergesetze anordnen.
Die VOL könnte also mit ihrem heutigen Inhalt und der dem Zweck des Gesetzes widersprechenden wirtschaftlichen Bedeutung, die sie im Laufe des letzten Jahrzehnts annahm, als Durchführungsverordnung nicht mehr erlassen werden.
Ein Widerspruch zwischen Gesetz und Verordnung ist nicht nur unter dem Gesichtspunkt rechtserheblich, daß die Verordnung wirksam erlassen wurde, sondern auch, daß sie - falls gültig erlassen - wirksam geblieben ist.
Die Staatsrechtslehre unterscheidet hinsichtlich ihres Ranges zwischen gesetzvertretenden (selbständigen, gesetzesgleichen) und gesetzabhängigen (einfachen, untergesetzlichen) Rechtsverordnungen. Erstere stehen in ihrer Wirkung dem Gesetz gleich; sie können wie ein formelles Gesetz förmliche Gesetze abändern, aufheben, durchbrechen, einschränken oder ausdehnen. Sie können ihrerseits nur durch Gesetz oder gesetzesgleiche Verordnungen geändert oder aufgehoben werden (Wolff, S. 105). Die gesetzabhängigen Verordnungen, zu denen die Ergänzungs-, Durchführungs- und Ausführungsverordnungen gehören, sind dem Gesetz nachgeordnet und dürfen von ihm nur insoweit abweichen, als dazu ausdrücklich ermächtigt ist (vgl. Hensel, Handbuch des deutschen Staatsrechts, 2. Bd. S. 318 ff.; Wolff, S. 106).
Steht eine gesetzabhängige Verordnung zum Gesetz in Widerspruch, so geht das Gesetz nach allgemeinen Grundsätzen vor (vgl. Hensel, S. 318). Das ist der Fall, wenn der Widerspruch schon beim Entstehen der Verordnung vorhanden ist. Es kann sich auch erst später durch Veränderung der Verhältnisse ein Widerspruch zwischen Normen verschiedenen Ranges herausbilden.
Es ist anerkannt, daß Rechtssätze außer durch förmliche Aufhebung oder durch Zeitablauf auch durch Kollision mit einer nachträglich entstandenen Norm gleichen oder höheren Ranges außer Geltung treten (vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 1. Bd., Allgemeiner Teil, 8. Aufl. S. 137). Nach diesen Grundsätzen müssen auch die Fälle einer infolge der Entwicklung der Verhältnisse nachträglich eintretenden Kollision bestehender Normen beurteilt werden. So kann sich eine Kollision von Steuergesetzen mit ranghöherem Recht dadurch ergeben, daß die Gesetze infolge änderung der Verhältnisse zu einer ungleichmäßigen Besteuerung führen, wenn sich nämlich diese Ungleichmäßigkeiten "als Verschiebungen im Belastungsgefüge erweisen, die durch eine nicht hinreichend angepaßte Fortentwicklung einzelner Gebiete oder Themen des Gesetzesrechts entstanden sind" (Bühler-Strickrodt, S. 235). Eine Rechtsvorschrift tritt ohne ausdrückliche Aufhebung auch dann außer Kraft, wenn die Verhältnisse, für die sie gelten sollte und die sie regeln wollte, für immer weggefallen sind (vgl. Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 31. März 1955, Entscheidungen des Bayer. VerwGH mit Entscheidungen des Bayer. VerfGH Bd. 8 Neue Folge II. Teil S. 25 (28)). Von der Anwendung eines Gesetzes ist auch abzusehen, wenn sich die Verhältnisse derart verändert haben, daß das Ergebnis einer Gesetzesanwendung sinnwidrig, unsinnig oder als Unrecht erschiene (vgl. z. B. Zimmermann, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1953 S. 484 ff.; Reinicke, Monatsschrift für Deutsches Recht 1957 S. 194; Urteile des Bundesfinanzhofs IV 39/51 U vom 13. März 1952, BStBl 1952 III S. 120, Slg. Bd. 56 S. 305; IV 10/52 U vom 30. April 1952, BStBl 1952 III S. 164, Slg. Bd. 56 S. 420, und IV 376/51 S vom 16. Oktober 1952, BStBl 1952 III S. 298, Slg. Bd. 56 S. 773). Während aber förmliche Gesetze nur beim Vorliegen der eben genannten Voraussetzungen und nicht schon bei einer änderung ihres ursprünglichen Zweckes unanwendbar werden - den Fall der Verletzung des Gleichheitssatzes ausgenommen -, erfordert das Verhältnis von Gesetz und Verordnung einen anderen Maßstab. Denn die Verordnung darf nur den Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck bringen. Eine nachträglich eingetretene inhaltliche Unvereinbarkeit der Verordnung mit dem Gesetz führt dazu, daß die Verordnung als die rangniedere Rechtsquelle unanwendbar wird.
Die durch die Anwendung der VOL bewirkte grundlegende Verschiebung im einkommensteuerlichen Belastungsgefüge kann nicht mit der Begründung gehalten werden, daß der Gesetzgeber diese Wirkung in seinen Willen aufgenommen habe.
Die gesetzgebenden Körperschaften haben sich zwar mit der Frage der Neubewertung des Grundbesitzes und ihren voraussichtlichen steuerlichen Auswirkungen befaßt, ein Gesetz jedoch nicht verabschiedet. Das Unterbleiben eines Gesetzgebungsaktes kann nicht einem positiven Gesetze gleichgestellt werden, durch das die Durchschnittsätze nach der VOL und die mit ihnen gegebene Durchbrechung der allgemeinen Einkommensbesteuerung verbindlich bestätigt worden wäre. Für die Auslegung des § 29 EStG ist ausschließlich der in den Vorschriften des EStG zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschriften und ihrem Sinnzusammenhang ergibt (vgl. BVerfGE Bd. 1 S. 299; Bd. 10 S. 234 (244); Bd. 11 S. 126 (130)). In der Rechtsprechung ist zwar die Auffassung zum Ausdruck gekommen, daß die Steuergerichte eine ständige Rechtsprechung nicht mehr aufgeben können, wenn der Gesetzgeber sie erkennbar in seinen Willen aufgenommen habe (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs VI 331/62 S vom 29. November 1963, BStBl 1964 III S. 433, und die dort angeführten Entscheidungen). Diese Erwägung trifft jedenfalls auf die hier zu entscheidende Frage nicht zu, weil es sich weder um eine von mehreren möglichen Auslegungen des Gesetzes noch um eine erkennbare Aufnahme in den Willen des Gesetzgebers handelt. Zwar kann für die Auslegung von Gesetzen das Untätigbleiben des Gesetzgebers angesichts einer feststehenden Rechtsprechung ein starkes Indiz bilden. Niemals aber kann einem Gesetz infolge des bloßen Untätigbleibens des Gesetzgebers ein anderer Zweck und Inhalt unterlegt werden. Wenn eine so weitgehende Privilegierung, wie sie die VOL 1949 im Laufe der Jahre mit sich brachte, mit gesetzesgleicher Wirkung ausgestattet werden soll, genügt das Schweigen des Gesetzgebers nicht.
V. - Die weitere Anwendung der VOL würde auch gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, der sich aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ergibt, verstoßen, weil sie zu einer willkürlich unterschiedlichen Besteuerung führt.
Die VOL-Landwirte untereinander werden ungleichmäßig behandelt. Die Ertragswerte der landwirtschaftlichen Grundstücke haben sich seit dem 1. Januar 1935 unterschiedlich entwickelt, und es ist bekannt, daß die Einheitswerte daher seit Jahren ein völlig verzerrtes Bild der tatsächlichen Verhältnisse geben (vgl. Grüner Bericht der Bundesregierung 1964 S. 85 ff.; Landwirtschaftliche Buchführungsergebnisse 1959/60 und 1960/61 S. 23 ff., besonders 30 f., 37).
Eine Ungleichmäßigkeit in der Besteuerung besteht auch zwischen den VOL-Landwirten einerseits und den Schätzungslandwirten und buchführenden Landwirten andererseits. Diese letzteren Gruppen werden nach dem EStG besteuert. Die dabei erfaßten Gewinne betragen das Mehrfache derjenigen Gewinne, die sich bei Anwendung der VOL ergeben würden. Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß die Steigerung der Reinerträge nur bei größeren Betrieben eingetreten sei. Denn schon die Betriebe über 20 ha, die in der Regel noch der VOL unterliegen, wiesen im allgemeinen einen gleichmäßigen stetigen Anstieg des Reinertrages je Flächeneinheit auf (vgl. Landwirtschaftliche Buchführungsergebnisse 1959/60 und 1960/61 S. 30). Die Besteuerung nach der VOL führt schließlich zu einem Marktvorteil der VOL-Landwirte. Diese sind wegen ihrer ungleich niedrigeren Steuerbelastung in der Lage, ihre Produkte zu geringeren Preisen abzusetzen als diejenigen Landwirte, die nach dem Gesetz besteuert werden (Schätzungslandwirte, buchführende Landwirte). Die zunehmende Marktorientierung landwirtschaftlicher Betriebe, zu denen auch viele mittelbäuerliche VOL-Betriebe gehören, läßt eine derartige unterschiedliche steuerliche Belastung sachlich nicht gerechtfertigt erscheinen.
Die Ungerechtigkeit der Besteuerung zeigt sich besonders beim Vergleich von Betrieben, die nur unwesentlich unter der Umsatzgrenze liegen, mit den Betrieben, die nur unwesentlich diese Grenze überschritten haben.
Ungleichmäßig werden schließlich die VOL-Landwirte im Verhältnis zu den übrigen Einkommensteuerpflichtigen besteuert. Der Unterschied tritt besonders deutlich bei einem Vergleich mit der Besteuerung der nichtbuchführenden Gewerbetreibenden hervor. Die hier der Gewinnermittlung zugrunde gelegten, von der Verwaltung aufgestellten Richtsätze sind so gestaltet, daß sie möglichst den tatsächlichen Gewinn erfassen. Sie werden laufend der Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse in den einzelnen Gewerbezweigen angepaßt. Niemand würde daran denken können, bei der Besteuerung von Gewerbetreibenden nach Durchschnittsätzen, wie sie § 29 EStG für Landwirte und Gewerbetreibende in gleicher Weise vorsieht, die 1935 tatsächlich erzielten Umsätze und Gewinne mit einem Zuschlag von 50 v. H. (änderung des Teilers im Jahre 1946) der Besteuerung zugrunde zu legen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine unterschiedliche Behandlung gleichliegender Sachverhalte dann mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht mehr vereinbar, wenn die Differenzierung sachlich nicht hinreichend gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGE Bd. 9 S. 20 (28) und 201 (207)). Eine solche sachliche Rechtfertigung ist bei dem oben unter Ziff. 1 dargestellten Sachverhalt nicht mehr zu finden. Die schematische Anknüpfung an Einheitswerte, die nicht regelmäßig den sich stets ändernden tatsächlichen Verhältnissen angepaßt wurden, führt zu zufälligen steuerlichen Ergebnissen, die nur als willkürlich bezeichnet werden können. Es ist offenbar, daß das Unterbleiben einer gesetzlichen Reform der Einheitswerte nicht auf sachlichen Erwägungen beruht. Der durch die mangelnde Anpassung der Einheitswerte geschaffene Zustand wurde schon im Jahre 1956 von der Bundesregierung mit Recht als unerträglich bezeichnet. Eine vom Bundesminister der Finanzen berufene Sachverständigenkommission hatte im Jahre 1957 die Anknüpfung der Besteuerung an die Einheitswerte von 1935 als "groben Verstoß gegen die Grundsätze der steuerlichen Gleichmäßigkeit" und als "Anomalie" gekennzeichnet (vgl. Denkschrift des sogenannten Zweiten Troeger-Ausschusses zur Verbesserung der Einkommensbesteuerung 1957 S. 6 und 7). Der Senat hält diese Kennzeichnung um so mehr für zutreffend, als die seitdem eingetretene Entwicklung sie bestätigte und ein noch stärkeres Mißverhältnis offenbarte. Dieser durch das Versagen des Gesetzgebers eingetretene Zustand macht einen Richterspruch unumgänglich.
Die weitere Anwendung der VOL kann nicht unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt werden, daß der Gesetzgeber möglicherweise eine Subventionierung der Landwirtschaft beabsichtigte. Zweifellos wäre eine solche, wenn sie auf einleuchtenden Erwägungen beruhte, mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar und könnte auch in steuerlichen Erleichterungen bestehen. Eine solche Subventionierung bedürfte aber wegen ihrer weitreichenden Folgen und vor allem auch wegen der näheren Bezeichnung des von ihr umfaßten Kreises (Landwirtschaft insgesamt? Nur kleinere Landwirte?) eines ausdrücklichen Ausspruchs des Gesetzgebers, der nicht erfolgt ist. Im übrigen verstieße nach Ansicht des Senats selbst eine ausdrückliche Sanktionierung der VOL durch den Gesetzgeber unter dem Gesichtspunkt der Subvention kleinerer Landwirte gegen den Gleichheitsgrundsatz. Würde dabei selbst der Teiler den neuen Wertverhältnissen angenähert, so wären damit zwar die krassen Unterschiede zwischen VOL-Landwirten und Schätzungslandwirten beseitigt, nicht aber die Unterschiede zwischen den VOL-Landwirten untereinander, die durch die verschiedene, nicht durch die regelmäßige Anpassung der Einheitswerte erfaßte Entwicklung der Ertragslage verursacht sind. Jede Besteuerung der landwirtschaftlichen Gewinne, die an die Einheitswerte in ihrer derzeitigen Form anknüpft, bleibt in sich ungerecht.
Die Bevorzugung der VOL-Landwirte kann auch nicht mit dem vom Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vorgetragenen Argument begründet werden, daß zwischen der Einkommensentwicklung in der Landwirtschaft einerseits und in den übrigen Berufen andererseits ein erheblicher Abstand bestehe. Der Abstand der landwirtschaftlichen Einkommen vom allgemeinen Einkommensniveau betrifft die gesamte Landwirtschaft, nicht nur die klein- und mittelbäuerlichen Betriebe (vgl. Grüner Bericht 1964 S. 87). Ein ähnlicher Abstand findet sich auch zwischen einzelnen Zweigen der gewerblichen Wirtschaft und besonders zwischen bestimmten Gruppen von Arbeitnehmern, ohne daß der Gesetzgeber daraus die Folgerung zog, nur einen Bruchteil ihres Einkommens zu besteuern. Im übrigen berücksichtigt das EStG diesen Umstand durch die Tarifgestaltung.
Die den Grundsätzen des Einkommensteuerrechts widersprechende Besteuerung nach der VOL kann schließlich nicht damit gerechtfertigt werden, daß, wie der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und der Zentralausschuß der deutschen Landwirtschaft meinen, die stufenweise Entwicklung eines gemeinsamen Agrarmarktes der EWG (vgl. Art. 2, 8, 38 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. März 1957, BGBl 1957 II S. 766) ein nachhaltiges Sinken der landwirtschaftlichen Reinerträge befürchten lasse. Die VOL war darauf angelegt, daß ihre Anwendung von Zeit zu Zeit eine Anpassung an die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse mit sich bringt. Der dafür ursprünglich vorgesehene Zeitabstand von sechs Jahren (§ 21 Abs. 1 BewG) entspricht dem Wesen der Durchschnittsätze. Mit dem Begriff und Wesen der Durchschnittsätze (§ 29 EStG) ist es nicht mehr vereinbar, wenn diese Sätze dazu dienen sollen, einen Ausgleich erst im Verlaufe eines längeren Zeitraumes, etwa gar mehrerer Jahrzehnte, herbeizuführen. Ein Rückgang der Reinerträge ist grundsätzlich in den Wirtschaftsjahren zu berücksichtigen, in denen er eintritt. Es ist Sache des Gesetzgebers oder des Verordnungsgebers, die Gewinnermittlungsvorschriften solchen Veränderungen rechtzeitig anzupassen. Der Senat hat über die Anwendbarkeit der VOL für zurückliegende Zeiträume zu entscheiden. In diesen Zeiträumen aber hat sich unstreitig die Ertragslage der VOL-Betriebe stetig gebessert.
Die Gründe, mit denen im Urteil des Bundesfinanzhofs VI 23/55 S vom 25. Januar 1957 (BStBl 1957 III S. 131, Slg. Bd. 64 S. 345) sowie im Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Dezember 1958 - 1 BvR 488/57 (BStBl 1959 I S. 68) eine Verletzung des Gleichheitssatzes durch die Vorschriften der Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus vom 26. Januar 1937 - Einfamilienhaus-VO - (RGBl 1937 I S. 99), die wie die VOL auf § 29 EStG beruht, verneint wird, treffen auf die VOL nicht zu. Zwar ist auch die Regelung der Einfamilienhaus- VO den Hausbesitzern im allgemeinen günstig. Doch wird weitgehend die zu niedrige Erfassung der Einnahmeseite (Nutzungswert der Wohnung) durch die Beschränkung des Schuldzinsenabzuges (§ 2 Abs. 2 der Einfamilienhaus-VO) ausgeglichen. Ein derartiges Regulativ, das das Bundesverfassungsgericht und den VI. Senat des Bundesfinanzhofs vor allem veranlaßte, die Einfamilienhaus-VO im ganzen gesehen als verfassungsrechtlich unbedenklich erscheinen zu lassen, enthält die VOL nicht. Es trifft zu, daß die Verkehrswerte der privaten Wohngrundstücke ein Mehrfaches der Einheitswerte darstellen; diese Wertsteigerung beruht jedoch nicht in erster Linie auf gestiegenen Erträgen, sondern auf der allgemeinen Steigerung der Substanzwerte. Dem erhöhten Mietenniveau stehen höhere Unkosten, besonders für Reparaturen, gegenüber, die nach der Einfamilienhaus-VO ebenfalls nicht berücksichtigungsfähig sind. Insgesamt gesehen haben sich die durch die Einfamilienhaus-VO geregelten Verhältnisse nicht so grundlegend verändert, wie dies in dem Anwendungsbereich der VOL der Fall ist.
Der II. Senat des Bundesfinanzhofs befaßte sich im Urteil II 193/58 U vom 17. August 1960 (BStBl 1960 III S. 447, Slg. Bd. 71 S. 533) mit der Frage, ob Vorschriften des GrEStG als überholt anzusehen seien, weil infolge der Entwicklung der Verhältnisse nicht mehr die Einheitswerte zugrunde gelegt werden könnten. Der II. Senat verneinte das, weil durch die Entwicklung der Verhältnisse nicht das Steuergesetz selbst als überholt anzusehen sei, sondern die Abweichungen sich außerhalb des Steuergesetzes ereignet hätten. Auch sei nicht jede sprunghafte änderung, sondern nur eine solche zu berücksichtigen, die sich im Laufe der Entwicklung als dauernd erweise; dies treffe jedoch bei unrichtig gewordenen, aber bei neuen Hauptfeststellungen abänderbaren Einheitswerten nicht zu. Der erkennende Senat kann sich bei der Entscheidung über die Anwendbarkeit der VOL diese Argumentation nicht zu eigen machen. Er ist der Auffassung, daß bei der Beurteilung der Fehlerhaftigkeit eines Gesetzes, das auf solche unrichtig gewordenen Besteuerungsgrundlagen Bezug nimmt, diese entscheidenden Grundlagen nicht außer Betracht bleiben dürfen. Denn auch ein Gesetz, das in seinem Wortlaut eine ungleiche Behandlung vermeidet und seinen Geltungsbereich abstrakt-allgemein umschreibt, widerspricht dem Gleichheitssatz dann, wenn sich aus seiner praktischen Auswirkung eine offenbare Ungleichheit ergibt und diese ungleiche Auswirkung gerade auf die rechtliche Gestaltung zurückzuführen ist. Nicht die äußere Form, sondern der materiell-rechtliche Gehalt ist entscheidend (BVerfGE Bd. 8 S. 51 (64)).
Es ist richtig, daß - ebenso wie der erkennende Senat bei der Anwendung der VOL - die für die Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung zuständigen Senate des Bundesfinanzhofs bisher die Einheitswerte des Grundbesitzes aus dem Jahre 1935 der Besteuerung unbeanstandet zugrunde gelegt haben. Dem Senat sind die Gründe, die diese Senate hierfür haben, nicht bekannt, und er kann sich deshalb mit ihnen nicht auseinandersetzen. Im übrigen ist für die Beurteilung der Frage, ob für diese Steuern etwa andere Grundsätze gelten, der Senat nicht zuständig.
VI. - Die Unvereinbarkeit der VOL mit den Grundsätzen des EStG und darüber hinaus mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG hat die Ungültigkeit der VOL zur Folge. Die Ungültigkeit beruht zwar auf der Anknüpfung an die unrichtig gewordenen Einheitswerte des landwirtschaftlichen Grundbesitzes. Es ist aber nicht möglich, nur diejenigen Vorschriften für ungültig zu erklären, in denen diese Anknüpfung vorgeschrieben ist. Denn die Vorschriften der VOL bilden insgesamt ein geschlossenes System. Eine teilweise Ungültigkeit dem Inhalte nach hat die Ungültigkeit der ganzen Rechtsverordnung zur Folge, wenn es sich nicht um einzelne abtrennbare Vorschriften handelt und man annehmen kann, daß der Verordnungsgeber die Rechtsverordnung ohne sie nicht erlassen haben würde (vgl. Jacobi, S. 254; Wolff, S. 121; BVerfGE Bd. 8 S. 274). Die Ungültigkeit beschränkt sich insbesondere nicht auf die Vorschrift des § 2 VOL, in der die Größe des Teilers (12) geregelt ist. Die Beschränkung der Ungültigkeit auf diese Vorschrift scheidet aus, weil die Einheitswerte, auf die der Teiler angewendet wird, auch wegen der unterschiedlichen Entwicklung der landwirtschaftlichen Erträge der Betriebe untereinander keine zutreffende Besteuerungsgrundlage mehr darstellen.
Es kann für die Entscheidung dahingestellt bleiben, zu welchem Zeitpunkt die VOL ungültig geworden ist. Denn die in der VOL getroffene Regelung ist aus anderen Gründen für das Streitjahr noch maßgebend (vgl. unten Ziff. VII 2).
VII. -
Der Bundesfinanzhof ist berechtigt und verpflichtet, die Ungültigkeit der VOL in eigener Zuständigkeit festzustellen. Er muß selbst entscheiden, da die Pflicht und das Recht zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG sich nur auf förmliche Gesetze beziehen (vgl. BVerfGE Bd. 1 S. 184 (201); Bd. 1 S. 261; Bd. 2 S. 131; Bd. 3 S. 357). Die Frage, ob es sich um vorkonstitutionelles oder nachkonstitutionelles Recht handelt, ist dabei ohne Bedeutung. Desgleichen macht es keinen Unterschied, ob die Verordnung am Maßstab eines förmlichen einfachen Gesetzes oder einer Verfassungsvorschrift geprüft wird.
Die Feststellung der Ungültigkeit einer Verordnung hat zur Folge, daß die Verordnung als solche von dem Gericht in dem zu entscheidenden Falle nicht angewendet wird. Das Gericht kann und muß nach den zur Zeit der Entscheidung von ihm gewonnenen Erkenntnissen urteilen. Deshalb werden von einer änderung der Rechtsprechung nur die Fälle betroffen, die noch nicht rechtskräftig in einem anderen Sinn entschieden sind. Dieser Gedanke kommt eindeutig auch in § 79 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) zum Ausdruck.
Gleichwohl hält der Senat den durch die allgemeine Anwendung der ungültigen VOL herbeigeführten tatsächlichen Besteuerungszustand für die zurückliegenden Jahre aus Gründen der Rechtssicherheit und des daraus abzuleitenden Grundsatzes des Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 GG) für maßgeblich. Für diese Zeiträume ist die VOL auf die abgeschlossenen Steuertatbestände so anzuwenden, als ob die VOL noch in Kraft wäre.
Im allgemeinen ist es Sache der Finanzverwaltung, bei einer änderung der Rechtsprechung hinsichtlich der Auslegung eines Gesetzes sowie bei einer von der bisherigen Verwaltungsübung abweichenden Rechtsprechung zur Vermeidung unbilliger Härten auf Grund der Vorschrift des § 131 AO eine übergangsregelung (sogenannte Anpassungsregelung) zu erlassen, die im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung auch von den Steuergerichten zu beachten ist (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs I 39/57 U vom 14. August 1958, BStBl 1958 III S. 409, Slg. Bd. 67 S. 354; VI 134/58 U vom 1. April 1960, BStBl 1960 III S. 231, Slg. Bd. 70 S. 621; VI 20/63 U vom 28. Februar 1964, BStBl 1964 III S. 245, und VI 28/64 U vom 13. März 1964, BStBl 1964 III S. 342). Das gilt grundsätzlich auch für die Fälle, in denen eine steuerbegünstigende Vorschrift für nichtig erklärt wurde und die Steuerpflichtigen im Vertrauen auf die Gültigkeit der Vorschrift Dispositionen getroffen hatten. Die Finanzverwaltungsbehörden haben dann zu prüfen, ob und inwieweit der in den für nichtig erklärten Vorschriften vorgesehene Steuervorteil zu gewähren ist (vgl. BVerfGE Bd. 8 S. 51 (71)).
Für eine solche Anpassungsregelung im Rahmen des Ermessensspielraums der Verwaltung ist nach Auffassung des Senats jedoch dann kein Raum, wenn sich in einer durch ein Versagen des Gesetzgebers entstandenen Ausnahmesituation ungewöhnlichen Ausmaßes zwingend ergibt, daß die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes nur eine bestimmte Lösung zulassen und ihre unmittelbare Berücksichtigung durch die Gerichte gebieten. Einen solchen Fall hält der Senat hier für gegeben. Denn die VOL besaß, wie schon erörtert, die praktische Bedeutung eines Sondergesetzes für die Einkommensbesteuerung der überwiegenden Mehrheit der Landwirte, dessen Wegfall einschneidende steuerliche Folgerungen nach sich ziehen würde. Die Steuerpflichtigen durften andererseits zu der Zeit der Vollendung der Steuertatbestände darauf vertrauen und sich auch in ihren Dispositionen darauf einrichten, daß die Besteuerung nach der VOL durchgeführt werde.
Der rückwirkende Wegfall der VOL hätte zur Folge, daß die Besteuerung nach den Vorschriften des EStG durchgeführt und deshalb die tatsächlichen Gewinne geschätzt werden müßten. Dadurch träten zahlreiche Landwirte, die bisher nicht der Einkommensteuer unterlagen, in die Steuerpflicht ein. Bei den meisten bisher schon steuerbelasteten Landwirten ergäbe sich unter Umständen ein Vielfaches der bisherigen Einkommensteuerbelastung. Das beträfe nicht nur einige noch nicht rechtskräftig veranlagte Landwirte, sondern gälte auch für die zur Zeit schwebende Veranlagung für 1963 und für die Veranlagung des jetzt ablaufenden Kalenderjahres 1964. Diese Auswirkungen können weitgehend mit denjenigen verglichen werden, die bei dem rückwirkenden Erlaß eines steuererhöhenden Gesetzes eintreten. Sie sind mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht vereinbar. Denn zu den wesentlichen Elementen des Rechtsstaatsprinzips gehört die Rechtssicherheit (vgl. BVerfGE Bd. 7 S. 89 (92)). Der Staatsbürger soll die staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können. Er wird in seinem schutzwürdigen Vertrauen verletzt, wenn der Gesetzgeber an abgeschlossene Tatbestände ungünstigere Folgen knüpft als diejenigen, von denen der Bürger bei seinen Dispositionen ausgehen durfte (vgl. BVerfGE Bd. 13 S. 261 (271)). Diese in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Rückwirkung belastender Gesetze entwickelten Grundsätze treffen auch auf die Rechtssituation zu, die durch einen nachträglichen Wegfall des bisher auf die Grundlage der VOL bestehenden Besteuerungszustandes eingetreten ist.
Für die Steuerpflichtigen war der Wechsel der Besteuerung nicht voraussehbar. Faßt man die VOL 1949 mit der VOL 1936, deren Fortsetzung sie bildet, zusammen, so zeigt sich, daß die Besteuerung nach Durchschnittsätzen bis zum Streitjahr 1960 seit zweieinhalb Jahrzehnten ununterbrochen durchgeführt und von der Rechtsprechung stillschweigend für rechtsgültig gehalten wurde. Kein Staatsorgan gab bisher zu erkennen, daß eine auf den überholten Einheitswerten des landwirtschaftlichen Grundbesitzes aufbauende Einkommensbesteuerung rechtlichen Bedenken unterliegt. Trotz der dargelegten, seit Jahren geübten starken Kritik an der als unerträglich erkannten Zugrundelegung der Einheitswerte für bedeutende Steuern wurden bisher von keiner Seite Folgerungen gezogen, die die Steuerpflichtigen hätten veranlassen müssen, sich auf eine grundlegende änderung des Besteuerungszustandes einzurichten.
VIII. - Mit der Entscheidung, daß im vorliegenden Fall die Rechtslage noch so zu beurteilen ist, als ob die VOL weiter anwendbar wäre, ist noch nicht entschieden, wie lange es der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes gebietet, nach den Grundsätzen der VOL zu verfahren. Der Senat ist sich bewußt, daß es für den vorliegenden Fall auf die Erörterung dieses Problems nicht ankommt. Er glaubt jedoch darauf hinweisen zu müssen, daß der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes mit dem Bekanntwerden dieses Urteils für die Zukunft entfällt und daß er deshalb beabsichtigt, die Grundsätze der VOL nur noch für das jetzt laufende Wirtschaftsjahr 1964/65 bei der Gewinnermittlung zu berücksichtigen. Vom Wirtschaftsjahr 1965/66 ab müssen bei allen Landwirten die tatsächlich erzielten Gewinne der Einkommensbesteuerung zugrunde gelegt werden, wenn nicht der Gesetzgeber inzwischen eine mit den Grundsätzen des GG übereinstimmende abweichende gesetzliche Regelung trifft.
IX. - Da der Senat für die hier zu treffende Entscheidung für das Streitjahr 1960 von der Regelung der VOL ausgeht, ohne daß es darauf ankäme, zu welchem Zeitpunkt die VOL ungültig geworden ist, behält das Rechtsproblem, das den Gegenstand der Rb. bildet, seine Bedeutung. Der Senat hat deshalb zu der Frage Stellung zu nehmen, von welchem Zeitpunkt an der Steuerpflichtige wegen überschreitens der Umsatzgrenze von 40.000 DM aus der VOL-Besteuerung ausscheidet und der tatsächliche Gewinn zu schätzen ist. Dieser Zeitpunkt ist der Beginn des Wirtschaftsjahres, in dem die Umsatzgrenze überschritten wird.
Für den übergang von der Gewinnermittlung nach der VOL zur Schätzung des Gewinns kommt es ausschließlich auf die objektive überschreitung der nach § 1 Ziff. 3 VOL festgelegten Umsatzgrenze an (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 376/56 vom 17. Dezember 1959, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Reichsabgabenordnung, § 161, Rechtsspruch 5). Soweit dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 249/59 U vom 22. September 1960 (BStBl 1960 III S. 516, Slg. Bd. 71 S. 716), das zu dieser Frage beiläufig Stellung nahm, eine andere Auffassung zu entnehmen ist, hält der Senat an ihr nicht fest. Bei den in § 1 VOL bezeichneten Voraussetzungen handelt es sich um Tatbestandsmerkmale, die bei der Veranlagung vorliegen müssen. Die Befugnis des Finanzamts zur Schätzung des Gewinns setzt nicht voraus, daß auf die überschreitung der Umsatzgrenze und die sich daraus ergebende Folge der Schätzung bei einer Veranlagung oder in einem Rechtsmittelverfahren ausdrücklich festgestellt worden sein muß. Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 LandwBuchfVO, wonach die Buchführungspflicht mit dem Wirtschaftsjahr beginnt, das der Feststellung einer der in § 161 Abs. 1 Ziff. 1 Buchstaben a oder c oder e AO genannten Voraussetzungen in einer Verfügung oder Rechtsmittelentscheidung folgt, ist nicht entsprechend anwendbar. Bei dem Eintritt in die Buchführungspflicht wird vom Landwirt ein positives Handeln verlangt, dessen Unterlassen Nachteile, wie z. B. den Wegfall von Steuervergünstigungen, zur Folge hat. Bei überschreiten der Umsatzgrenze nach § 1 Ziff. 3 VOL hingegen hat der Steuerpflichtige keine zusätzlichen Pflichten zu erfüllen, so daß für ihn unter dem Gesichtspunkt der Nichterfüllung steuerlicher Verpflichtungen ein Nachteil nicht in Betracht kommen kann, den zu vermeiden nach Treu und Glauben allein eine vorausgehende Feststellung des Finanzamts erforderlich machen könnte.
Eine solche Gleichstellung ist aber auch nicht im Hinblick auf die Interessen unerfahrener Landwirte geboten. Es ist einfacher festzustellen, ob ein gewisser Umsatz vorhanden ist, als ob der Wert des Betriebsvermögens oder die Einkünfte eine bestimmte Grenze überschritten haben.
Die Feststellung des Umsatzes wird dem Landwirt ermöglicht durch die Führung von Aufzeichnungen, zu der er nach Maßgabe des § 15 Abs. 3 UStDB verpflichtet ist. Danach sind Steuerpflichtige von der Pflicht zur Aufzeichnung ihrer Umsätze aus einem land- und forstwirtschaftlichen Betriebe nur befreit, wenn diese Umsätze im letzten vorangegangenen Kalenderjahr einschließlich der steuerfreien Umsätze 30.000 DM (vor dem 1. Januar 1957 20.000 DM) nicht überstiegen und wenn sie diesen Betrag auch im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich nicht übersteigen werden. Die Vorschrift wurde im Hinblick auf die Umsatzgrenze in § 1 Ziff. 3 VOL eingefügt. Ein Landwirt, der dieser Aufzeichnungspflicht nachkommt, bedarf eines Hinweises des Finanzamts auf die überschreitung der Umsatzgrenze von 40.000 DM nicht. Er kann selbst erkennen, ob die Voraussetzungen für eine Schätzung des Gewinns gegeben sind und ob er eine Buchführung einzurichten hat, um eine Schätzung abzuwenden. Bei denjenigen Steuerpflichtigen, die, obgleich sie zur Aufzeichnung verpflichtet sind, keine Aufzeichnungen führen, kann es auf eine Mitteilung des Finanzamts nicht ankommen, da sie sonst steuerlich günstiger stünden, als die Landwirte, die der Aufzeichnungspflicht genügt haben. Die ersteren würden weiterhin nach der VOL besteuert, während bei den letzteren auf Grund des Ergebnisses der Aufzeichnungen die Gewinne zu schätzen wären. Eine derartige Auslegung hätte zur Folge, daß die Vorschrift des § 15 Abs. 3 UStDB zur Vermeidung steuerlicher Nachteile nicht mehr beachtet würde.
Eine vorausgehende Mitteilung des Finanzamts kommt auch nicht in dem Sinn in Betracht, daß die Steuerpflichtigen auf den Beginn der Aufzeichnungspflicht nach § 15 Abs. 3 UStDB hingewiesen werden müßten. Denn nach dem Inhalt dieser Vorschrift wird von dem Landwirt erwartet, daß er selbst abschätzt, ob im laufenden Jahr die Umsatzgrenze überschritten werden wird und demnach die Umsätze aufzuzeichnen sind. Die Aufzeichnungspflicht ergibt sich daher unter Umständen schon zu Beginn oder während eines laufenden Jahres.
Vor allem würde man bei dem Verlangen einer ausdrücklichen Feststellung der Umsatzüberschreitung durch das Finanzamt zu einer ungerechtfertigten Bevorzugung derjenigen Landwirte kommen, bei denen durch eine spätere Betriebsprüfung festgestellt wird, daß schon zu einem früheren Zeitpunkt die Umsatzgrenze überschritten worden war. Könnte in solchen Fällen die Anwendbarkeit der VOL nicht rückwirkend versagt werden, so stünden diese Landwirte steuerlich günstiger als die alle steuerlichen Pflichten erfüllenden Landwirte. Wenngleich bei einem Landwirt nicht rückwirkend die Folgen aus dem Bestehen einer Buchführungspflicht gezogen werden können, weil hierzu nach ausdrücklicher Vorschrift die vorausgehende Feststellung eines der dafür maßgebenden Merkmale erforderlich ist, so schließt das nicht aus, daß die Gewinne für eine zurückliegende Zeit geschätzt werden, sobald die objektiven Voraussetzungen dafür eingetreten sind.
Maßgebend ist der Umsatz eines Wirtschaftsjahres. § 1 VOL ist eine Gewinnermittlungsvorschrift. Der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft ist nach dem Wirtschaftsjahr zu ermitteln (§ 2 Abs. 6 Ziff. 1 EStG). Die Höhe des Gewinns wird wesentlich durch den Umsatz beeinflußt. Die Zugrundelegung des Umsatzes eines Wirtschaftsjahres bedeutet für die Steuerpflichtigen keine Erschwerung. Die vom Bundesminister der Finanzen für die Zugrundelegung des Kalenderjahr-Umsatzes in den Vordergrund gestellten praktischen Vorteile fallen nach Ansicht des Senats nicht so stark ins Gewicht wie die folgenden Erwägungen.
Der Vorschrift des § 1 Ziff. 3 VOL ist nicht zu entnehmen, ob der Landwirt, der die Umsatzgrenze in einem Wirtschaftsjahr überschreitet, mit dem Beginn dieses Wirtschaftsjahres oder erst mit dem Beginn des folgenden Wirtschaftsjahres aus der Besteuerung nach der VOL ausscheidet. Da, wie schon ausgeführt, die in § 1 VOL aufgestellten Merkmale bei der Veranlagung objektiv vorliegen müssen, ist es folgerichtig, die VOL von dem Beginn des Wirtschaftsjahres an, in dem die Umsatzgrenze nach § 1 Ziff. 3 VOL überschritten wird, nicht mehr anzuwenden. Dies ermöglicht auch eine Gleichbehandlung der Fälle der überschreitung der Umsatzgrenze im laufenden Betrieb einerseits und der Gründung oder übernahme landwirtschaftlicher Betriebe andererseits. Bei der letzteren halten die Finanzverwaltungen der Länder in übereinstimmung mit dem Bundesminister der Finanzen den Umsatz des Gewinnermittlungszeitraums (Wirtschaftsjahr, Rumpfwirtschaftsjahr) für maßgebend (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 376/56 vom 17. Dezember 1959 - nicht veröffentlicht; vgl. Information L 1960 S. 263; Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, S. 370). Denn für diese Fälle kann die in den EStR 1960 Abschn. 127 Abs. 1 enthaltene Regelung, nach der der Umsatz des Kalenderjahres maßgebend sein soll, das dem Beginn des landwirtschaftlichen Wirtschaftsjahres vorausgeht, nicht angewendet werden, da es hier an einem vorausgehenden Kalenderjahr fehlt. Der Senat hält die unterschiedliche Behandlung der beiden genannten Gruppen von Fällen für sachlich nicht gerechtfertigt. Er vermag aus diesem Grunde der in Abschn. 127 Abs. 1 EStR 1960 zum Ausdruck gekommenen Auffassung nicht zu folgen.
Der Senat sieht sich an dieser Auslegung des § 1 Ziff. 3 VOL nicht dadurch gehindert, daß einzelne Oberfinanzpräsidenten unter Bezugnahme auf die Ermächtigung in § 1 Ziff. 3 VOL den Umsatz des Kalenderjahres, in dem das Wirtschaftsjahr beginnt, für maßgeblich erklärt haben (vgl. z. B. Anordnung des Oberfinanzpräsidenten Hannover vom 11. März 1950, Niedersächsisches GVBl 1950 S. 28). Denn diese Anordnungen sind insoweit nicht rechtsverbindlich, da die Ermächtigung in § 1 Ziff. 3 VOL nur für die Bestimmung der Umsatzhöchstgrenze, nicht jedoch für die Bestimmung des für die Umsatzgrenze maßgeblichen Jahres erteilt war.
X. -
Für den Streitfall ergibt sich daraus, daß der Gewinn des Wirtschaftsjahres 1959/60 nicht mehr nach der VOL zu ermitteln ist, da in diesem Wirtschaftsjahr die Umsatzgrenze überschritten wurde. Entgegen der Auffassung des Finanzamts ist deshalb auch für die erste Hälfte des Streitjahres der zu schätzende tatsächliche Gewinn der Einkommensteuer zugrunde zu legen.
Die Vorentscheidungen, die von anderen Rechtsgrundsätzen ausgingen, werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Finanzamt zurückverwiesen.
Bei der Schätzung des Gewinns muß das Finanzamt von folgenden Grundsätzen ausgehen. Landwirte, bei denen die Gewinnermittlung nicht mehr auf den Grundsätzen der VOL beruhen darf und die zu den sogenannten Schätzungslandwirten gehören, können anders als die Landwirte, die bisher auf eine Besteuerung nach der VOL vertrauen durften, weil bei ihnen alle Voraussetzungen dieser Verordnung vorliegen, nicht verlangen, daß ihre Gewinne in starrer Anlehnung an die Grundsätze der VOL geschätzt werden. Das oberste Gebot der Schätzung, dem tatsächlich erzielten Gewinn möglichst nahezukommen, gilt auch in diesen Fällen. Da die den Einheitswerten 1935 zugrunde liegenden Erträge auch das Verhältnis der heutigen landwirtschaftlichen Erträge zueinander nicht richtig wiedergeben und erkennen lassen, führt eine starre, von den Grundsätzen der VOL ausgehende und sich lediglich auf die Veränderung des Teilers beschränkende Schätzung der heutigen Gewinne in der Regel zu unrichtigen Ergebnissen. Die Finanzverwaltung wird deshalb zur Erfassung der tatsächlichen Gewinne in erster Linie von den erzielten oder nach ihren Erfahrungen geschätzten Umsätzen und Betriebsausgaben ausgehen müssen und die Grundgedanken und Besteuerungsmerkmale der VOL nur insoweit verwenden dürfen, als die Möglichkeit der Anpassung an die heutigen individuellen Verhältnisse des Betriebs nicht besteht und sich bessere Schätzungsgrundlagen nicht finden lassen.
Der Senat braucht für den vorliegenden Fall den genauen Zeitpunkt nicht festzustellen, von dem ab die hier für die Schätzung entwickelten Grundsätze gelten und bis zu welchem Zeitpunkt die Grundgedanken der VOL in größerem Umfang bei der Schätzung berücksichtigt werden dürfen. Denn jedenfalls gelten die hier für die Schätzung gegebenen Richtlinien für das Jahr 1960, da in diesem Jahr das Mißverhältnis zwischen den den Einheitswerten zugrunde liegenden Erträgen und den wirklichen Erträgen offen in Erscheinung getreten war.
Fundstellen
Haufe-Index 411421 |
BStBl III 1964, 602 |
BFHE 1965, 356 |
BFHE 80, 356 |
StRK, ESt VOL:1 R 9 |
NJW 1965, 606 |