Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung des gemeinen Werts nichtnotierter Anteile nach dem Stuttgarter Verfahren auch im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht; Interpolation zu bereits festgestellten Werten; Umfang der gerichtlichen Überprüfung
Leitsatz (NV)
1. Der gemeine Wert nicht notierter Anteile an einer Kapitalgesellschaft ist für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer unter Heranziehung des sog. Stuttgarter Verfahrens (Abschnitt 76f Vermögensteuerrichtlinien) zu ermitteln.
2. Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der vom FA unter Heranziehung des Stuttgarter Verfahrens vorgenommenen Schätzung braucht das FG selbst keine Feststellungen hinsichtlich der nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG der Schätzung zugrunde zu legenden Vermögensverhältnisse und Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu treffen; es braucht auch die Schätzung nicht selbst vorzunehmen und im Urteil offenzulegen. Das FG kann sich vielmehr darauf beschränken, die Anwendung des Stuttgarter Verfahrens durch das FG zu überprüfen. Es muß sich auch nicht in anderer Weise die Überzeugung verschaffen, daß der nach dem Stuttgarter Verfahren durch das FA geschätzte Wert der gemeine Wert sei (Abweichung von dem BFH-Ureil vom 7. Dezember 1977 II R 164/72, BFHE 124, 356, BStBl II 1978, 323). Der nach dem Stuttgarter Verfahren ermittelte Wert kann nur dann nicht Besteuerungsgrundlage sein, wenn er aus besonderen Gründen des Einzelfalls offensichtlich unrichtig ist.
3. Das FG kann sich regelmäßig darauf beschränken, nur die strittigen Punkte der Schätzung darzustellen, die mit der Klage substantiiert angegriffen worden sind. Die Überprüfung des finanzgerichtlichen Urteils durch den BFH ist auf zulässige und begründete Revisionsrügen beschränkt; dies gilt sowohl hinsichtlich einzelner Wertansätze als auch hinsichtlich der Einhaltung der Schätzungsmethode und der sich daraus ergebenden Schlußfolgerungen tatsächlicher Art. Die Rüge mangelnder Sachaufklärung kann nur dann Erfolg haben, wenn dargelegt wird, daß und welche vom Revisionskläger angebotenen Beweise vom FG nicht erhoben worden sind oder welche Tatsachen das FG auch ohne besonderen Antrag hätte feststellen müssen.
4. Die Schätzung des Wertes nicht notierter Anteile an einer Kapitalgesellschaft kann für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer auch in Anlehnung an bereits für Zwecke der Vermögensteuer festgestellte Werte (§ 112 BewG) durch Interpolation vorgenommen werden. Dabei wird vorausgesetzt, daß die Entwicklung der Ertrags- und Vermögensverhältnisse der Gesellschaft zwischen den beiden Feststellungszeitpunkten (jeweils 31. Dezember) im wesentlichen kontinuierlich verläuft und dementsprechend durch Interpolation zeitanteilig berücksichtigt werden kann. Einem Rückgriff auf bereits festgestellte Werte kann allerdings entgegenstehen, daß für den erbschaftsteuerrechtlich maßgebenden Stichtag die Ertragsaussichten der Gesellschaft auf einer anderen Grundlage zu ermitteln sind, weil sich die als Schätzungsgrundlage heranzuziehenden Jahreserträge wegen der Veränderung des für die Ermittlung dieser Jahreserträge maßgebenden Zeitraums geändert haben; gleiches gilt, wenn zu dem für die Erbschaftsteuer maßgebenden Stichtag andere Erkenntnisse über die Ertragsaussichten der Gesellschaft möglich sind als zu den für die Vermögensteuer maßgebenden Stichtagen.
Normenkette
ErbStG 1959 §§ 22, 23 Abs. 1; BewG § 11 Abs. 2 S. 2, § 112; AO 1977 § 162 Abs. 1; FGO § 40 Abs. 2, § 76 Abs. 1 S. 1, § 96 Abs. 1 S. 1, § 100 Abs. 1, § 118 Abs. 2, § 120 Abs. 2 S. 2; VStR 1972 Abschn. 76f
Fundstellen
Haufe-Index 417603 |
BFH/NV 1991, 392 |