Entscheidungsstichwort (Thema)
Kurzfristige Verdoppelung des laufenden Geschäftsführer-Gehalts als vGA
Leitsatz (NV)
1. Gehaltsabreden zwischen einer GmbH und ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer sind im Rahmen des anzustellenden Fremdvergleichs nicht nur der Höhe nach auf ihre Angemessenheit, sondern auch dem Grunde nach auf ihre Ernsthaftigkeit und Üblichkeit hin zu überprüfen.
2. Es ist regelmäßig gesellschaftlich mit veranlasst, wenn das dem Gesellschafter-Geschäftsführer bei Betriebsaufnahme versprochene laufende Gehalt nach Ablauf von 2 ½ Monaten um rund 42 v.H. und nach Ablauf eines weiteren Monats um weitere 50 v.H., insgesamt um rund 115 v.H. angehoben wird.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine am 1. September 2000 errichtete GmbH, die ihren aktiven Geschäftsbetrieb im April 2001 (Streitjahr) aufgenommen hat. Ihr Unternehmensgegenstand ist der Betrieb einer Spedition, die Chassisvermietung, Zollabfertigungen, der Import und Export, die Lagerei und Logistik sowie die Vermittlung von Transporten. Im Streitjahr erzielte sie Umsatzerlöse von rd. 6,5 Mio. DM und einen Gewinn von rd. 78 000 DM.
Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin ist S. Dieser erhielt zunächst aufgrund des Anstellungsvertrages vom 17. April 2001 ein monatliches Bruttogehalt von 7 000 DM, Nebenleistungen (Dienstfahrzeug, Aufwendungsersatz, Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Höhe jeweils eines halben Monatsgehalts) sowie eine Tantieme von 15 v.H. des Jahresüberschusses nach Verrechnung mit Verlustvorträgen, jedoch vor Abzug der gewinnabhängigen Steuern sowie der Tantieme. Der Vertrag war mit einer Frist von sechs Monaten zum Quartalsende eines Kalenderjahres kündbar.
In der Gesellschafterversammlung vom 29. Juni 2001 wurde eine Anhebung des Monatsgehalts auf 10 000 DM ab 1. Juli 2001 und auf 15 000 DM ab 1. August 2001 beschlossen. Dementsprechend wurde der Anstellungsvertrag vom 17. April 2001 zunächst am 29. Juni und sodann am 31. Juli 2001 geändert.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte die Gehälter lediglich in Höhe von monatlich 7 000 DM (ab 1. Juli 2001) an und behandelte die darüber hinausgehenden Beträge --in Höhe von 47 000 DM-- als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG).
Die Klage gegen die hiernach ergangenen Steuerbescheide hatte in diesem Punkt Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) Hamburg vom 11. Februar 2004 III 250/03 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2004, 1006 abgedruckt.
Seine Revision stützt das FA auf Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Das FG hat zu Unrecht das Vorliegen einer vGA in dem vom FA angenommenen Umfang verneint.
1. Nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG darf eine vGA das steuerlich zu erfassende Einkommen einer Körperschaft nicht mindern. VGA in diesem Sinne sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats Vermögensminderungen und verhinderte Vermögensmehrungen, die nicht auf einer offenen Gewinnausschüttung beruhen, sich auf den Unterschiedsbetrag i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes auswirken und durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind (z.B. Senatsurteile vom 15. März 2000 I R 40/99, BFHE 191, 330, BStBl II 2000, 504; vom 9. August 2000 I R 12/99, BFHE 193, 274, BStBl II 2001, 140). Dazu gehören insbesondere einem Gesellschafter-Geschäftsführer gezahlte Vergütungen, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter (§ 43 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung) einem gesellschaftsfremden Geschäftsführer unter ansonsten vergleichbaren Verhältnissen nicht gewährt hätte (Senatsurteil vom 27. März 2001 I R 27/99, BFHE 195, 228, BStBl II 2002, 111).
2. Das FG hat richtig erkannt, dass der hiernach anzustellende Fremdvergleich sich u.a. auf die Gesamtausstattung des Gesellschafter-Geschäftsführers beziehen muss. Darunter ist die Summe aller Vorteile zu verstehen, die der Gesellschafter-Geschäftsführer in dem jeweils maßgeblichen Veranlagungszeitraum von der Kapitalgesellschaft oder von Dritten für deren Rechnung bezogen hat. Das FG hat die Gesamtausstattung des S anhand betriebsexterner Merkmale einem Fremdvergleich unterzogen und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Ausstattung im Streitjahr angemessen war. Dies wird auch vom FA nicht in Zweifel gezogen.
3. Das FA bezweifelt aber, dass die schuldrechtlichen Gehaltsabreden zwischen den Vertragsbeteiligten ernstlich gemeint waren. Grund hierfür gibt ihm der Umstand, dass das laufende Monatsgehalt bereits nach Ablauf von knapp 2 1/2 Monaten in 2 Stufen für den nächsten Monat um rd. 42 v.H. und --auf dieser Basis-- für die Folgemonate um weitere 50 v.H., ausgehend von dem zunächst vereinbarten Gehalt insgesamt also um rd. 114 v.H. angehoben worden ist. Das FG sieht für diese Gehaltsanhebung tragfähige betriebswirtschaftliche Gründe als gegeben. Dass die überproportionale Gehaltsanhebung unüblich erscheine, ändere daran nichts. Der Unüblichkeit sei keine Bedeutung beizumessen. Ausschlaggebend sei allein, dass die Höhe der Vergütung beanstandungsfrei bleibe und einem Fremdvergleich standhalte.
4. a) Dieser Beurteilung des FG kann nicht beigepflichtet werden. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats (s. bezogen auf wiederholte kurzfristige Gehaltserhöhungen des Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH, z.B. Senatsurteil vom 5. Juni 2002 I R 69/01, BFHE 199, 315, 318, BStBl II 2003, 329, 331), die Abmachungen zwischen einer GmbH und ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer im Rahmen des Fremdvergleichs nicht nur ihrer Höhe nach, sondern auch ihrem Grunde nach auf ihre Fremdüblichkeit zu überprüfen. Eine Vereinbarung, welche nicht dem entspricht, was untereinander fremde Dritte vereinbaren würden, kann steuerlich nicht akzeptiert werden. Der hierfür verwendete Maßstab ist --neben einem hier nicht gegebenen tatsächlichen Vergleich mit anderen Arbeitnehmern-- das hypothetische Verhalten eines gedachten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters. Ein solcher mag im Geschäftsleben durchaus auch eine ansonsten "unübliche" Vereinbarung treffen, gemeinhin allerdings nur dann, wenn ihm dafür betriebliche Gründe zur Verfügung stehen. Andernfalls ist davon auszugehen, dass er von derartigen Vereinbarungen Abstand nehmen wird.
b) Im Streitfall hat das FG angenommen, dass solche betrieblichen Gründe existieren. Es erkennt solche Gründe in der guten Geschäftsentwicklung der Klägerin in den Monaten Juni und Juli 2001 und die danach zu erwartenden Gewinne, die es rechtfertigten, das laufende Gehalt von S anzuheben. Diese Überlegungen sind nach den vom FG getroffenen Feststellungen indes nicht tragfähig.
Zwar kann ein Gesellschafter für seine Gesellschaft auch (ganz oder teilweise) unentgeltlich tätig werden und den Gegenwert in der Gewinnausschüttung finden (vgl. z.B. Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86, BFHE 151, 523, 538, BStBl II 1988, 348, 355; Senatsurteil vom 21. Dezember 1994 I R 65/94, BFHE 176, 571). Dementsprechend ist es ihm auch unbenommen, als angestellter Geschäftsführer zunächst gegen ein unangemessen niedriges Gehalt tätig zu werden. Wird dieses Gehalt in der Folgezeit auf ein angemessenes, marktübliches Niveau angehoben, so indiziert dies im Grundsatz keine gesellschaftliche Veranlassung. In diesem Sinne wurde im Streitfall auch seitens der Klägerin argumentiert. Diese Argumentation wird aber den tatsächlichen Gegebenheiten des Streitfalles nicht gerecht:
Die Vertragsparteien hatten sich durch die ursprüngliche Vereinbarung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist gebunden. In Anbetracht dessen wäre ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter nicht bereit gewesen, das Monatsgehalt des Geschäftsführers bereits wenige Monate später auf mehr als das Doppelte anzuheben, auch nicht im Hinblick darauf, dass sich kurzfristig eine unerwartete positive wirtschaftliche Entwicklung abzeichnete. Er hätte vielmehr zunächst abgewartet, ob sich diese Entwicklung stabilisiert, und den Geschäftsführer bis dahin auf die getroffenen Vereinbarungen verwiesen. Dies gilt zumindest dann, wenn ihn der mit dem Gesellschafter-Geschäftsführer abgeschlossene Anstellungsvertrag nicht zu einer kontinuierlichen Gehaltsanpassung nach Ertragslage verpflichtet (s. dazu z.B. Senatsurteil in BFHE 199, 315, 318, BStBl II 2003, 329, 331) und wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer infolge einer ihm versprochenen Gewinntantieme ohnehin an den kurzfristigen Gewinnsteigerungen teilhat. Der Geschehensablauf und die von der Klägerin geltend gemachten Gründe sprechen deshalb dafür, dass durch die erheblichen Gehaltsanhebungen erwartete Gewinne verdeckt ausgeschüttet werden sollten. Das rechtfertigt ihre außerbilanzielle Hinzurechnung gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG in dem vom FA angenommenen Umfang, der von der Klägerin nicht angegriffen worden ist.
5. Die Vorinstanz hat eine abweichende Auffassung vertreten. Ihr Urteil war aufzuheben. Die Klage war in vollem Umfang abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 1391526 |
BFH/NV 2005, 1631 |
BFH/NV 2005, 1633 |
HFR 2005, 1105 |