Leitsatz (amtlich)
1. § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1967 erfaßt die Abgabe aller verzehrfertigen Lebensmittel zwecks Verzehr in einem örtlichen und zeitlichen Bezug zum Ort der Speisenabgabe; ausgenommen ist die sog. Lieferung über die Straße (Anschluß an BFH-Urteil vom 16. Dezember 1982 V R 81/78, BFHE 137, 507, BStBl II 1983, 349).
2. Die Lieferung von Bratwürsten und anderen zum baldigen Verzehr bestimmten Lebensmitteln durch Abgabe von einem Bratwurststand mit einem Rundumtresen unterliegt als Lieferung von Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle dem allgemeinen Steuersatz (anders BMF-Schreiben vom 29. November 1983 IV A/1 - S 7222 - 52/83, Umsatzsteuerrundschau 1984, 23).
Normenkette
UStG 1967 § 12 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger betreibt auf einem Weihnachtsmarkt einen Bratwurststand. Dort bietet er auf Papptellern und in Pappbechern von ihm eßfertig zubereitete Speisen an (Bratwürstchen, Schaschlik, Pommes frites, Suppe und dergleichen). Der Verkauf wird über einen Rundumtresen abgewickelt; dieser dient auch dem Abstellen der Ware und der Entgegennahme des Geldes. Auf dem Rundumtresen stehen Senfbehälter, Brötchenkörbe und Papierrollen zur Benutzung bereit. Durch den Tresen ist gewährleistet, daß die Kunden nicht zu nahe an die Braterei herantreten können. Der Stand ist mit einem Dach versehen, das etwa einen Meter über den Rundumtresen hinausragt. Er ist nach allen Seiten hin offen.
Das Finanzamt (Beklagter) hat den Verkauf der Speisen als Lieferungen zum Verzehr an Ort und Stelle beurteilt (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes - UStG 1967 - in Verbindung mit § 5 der Dritten Verordnung zur Durchführung des Umsatzsteuergesetzes (Mehrwertsteuer) - 3. UStDV -) und diese mit Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1973 vom 10. Mai 1976 dem allgemeinen Steuersatz (11 v. H.) unterworfen.
Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage hat der Kläger für diese Lieferungen die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes (5,5 v. H.) begehrt.
Das Finanzgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, die als Rundumtresen vorhandene Verkaufstheke sei keine "besondere Vorrichtung" i. S. des § 5 der 3. UStDV; sie biete über die Benutzung zum Verkauf hinaus keine dem Abnehmer zugute kommende Ablagemöglichkeit zum Verzehr der Speisen (Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1978 S. 188).
Gegen dieses Urteil wendet sich die vom Finanzgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision des Finanzamts: Der Tresen sei für den Verzehr an Ort und Stelle geeignet und deshalb als "besondere Vorrichtung" anzusehen. Demgegenüber sei unerheblich, daß über den Tresen der Zahlungsverkehr abgewickelt werde.
Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Finanzamts ist begründet.
1. Nach Satz 1 des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1967 unterliegen die Lieferung, der Eigenverbrauch und die Einfuhr der in der Anlage 1 des Gesetzes bezeichneten Gegenstände dem ermäßigten Steuersatz. Von dieser Steuerbegünstigung werden die meisten Lebensmittel (einschließlich Lebensmittelzubereitungen) erfaßt. Satz 2 der vorbezeichneten Vorschrift bestimmt, daß die Steuerermäßigung nach Satz 1 "die Lieferung von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle" nicht erfaßt. Gestützt auf die Ermächtigungsvorschrift des § 26 Abs. 1 UStG 1967 hat der Verordnungsgeber in § 5 der 3. UStDV - jetzt § 29 UStDV 1980 - ausweislich seiner Überschrift des näheren bestimmt, unter welchen Bedingungen ein Verzehr an Ort und Stelle anzunehmen sei. Der erkennende Senat hat im Urteil vom 16. Dezember 1982 V R 81/78 (BFHE 137, 507, BStBl II 1983, 349) die Auffassung vertreten, daß § 5 der 3. UStDV rechtsungültig sei und daher der von § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1967 gesetzte Begünstigungsrahmen allein durch Auslegung des Gesetzes unter Berücksichtigung der finanzpolitischen Zielsetzung und der Entstehungsgeschichte zu ermitteln sei.
Aus den in diesem Urteil angeführten Gründen, welche die Rechtsungültigkeit des § 5 der 3. UStDV belegen, ist der Senat nicht der Auffassung gefolgt, daß § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1967 eine eigenständige, dem § 12 Abs. 1 UStG 1967 systematisch zuzuordnende Vorschrift sei, die nicht den Rahmen einer Begünstigungsvorschrift abgrenze, sondern lediglich aus gesetzestechnischen Gründen an den Satz 1 des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1967 angehängt worden sei. Allerdings wäre auch in diesem Falle auf Rechtsungültigkeit des § 5 der 3. UStDV zu erkennen gewesen, da § 26 Abs. 1 UStG 1967 lediglich gestattet, den Umfang von Steuerbegünstigungen "näher zu bestimmen" (in diesem Sinne Kreile/Weiß in Eckhardt/Weiß, UStG 1967, Kommentar, § 12 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 Rdnr. 12; Weiß, UR 1976, 222).
2. Von dem Beklagten und dem beigetretenen Bundesminister der Finanzen wird geltend gemacht, § 5 der 3. UStDV sei entgegen der in dem Urteil vom 16. Dezember 1982 (BFHE 137, 507, BStBl II 1983, 349) vertretenen Rechtsauffassung gültig. Insbesondere ist der Bundesminister der Finanzen der Rechtsansicht, bei Fehlen einer dem § 5 der 3. UStDV entsprechenden Regelung wäre das Gesetz in dem Sinne auszulegen, wie es in dieser Verordnungsnorm vorgesehen ist; der Verordnungsregelung komme nur eine deklaratorische Bedeutung zu.
Wie der Senat bereits in Abschn. 2 des Urteils vom 16. Dezember 1982 (BFHE 137, 507, BStBl II 1983, 349) unter Hinweis auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Februar 1958 2 BvL 21/56 (BVerfGE 7, 267) ausgeführt hat, eröffnet die Ermächtigung des § 26 Abs. 1 UStG 1967 dem Verordnungsgeber lediglich die Möglichkeit, den Umfang einer Begünstigungsvorschrift näher zu konkretisieren. Die einzelne Begünstigungsvorschrift darf lediglich verdeutlicht werden; Einzelregelungen sollen eine der Absicht des Gesetzes entsprechende Handhabung der Begünstigungsvorschrift sichern. Der Gesetzeswille muß mithin durch die Verordnungsregelung unverfälscht umgesetzt werden. Erweiterungen, Einengungen oder gar inhaltlich vom Gesetz abweichende Akzentuierungen überschreiten den Rahmen der durch § 26 Abs. 1 UStG 1967 gegebenen Ermächtigung zur ergänzenden Normsetzungsbefugnis des Verordnungsgebers.
3. Ob die delegierte Normsetzung des § 5 der 3. UStDV die abgesteckten Grenzen eingehalten hat, ist durch Festlegung des Regelungsinhalts der Gesetzesnorm zu ermitteln. Der Gesetzeswortlaut des § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1967 (Lieferungen von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle) besteht aus einer Mehrheit von unbestimmten Rechtsbegriffen, die (abgesehen vom Lieferungsbegriff) im bisher geltenden Umsatzsteuerrecht keine Vorbilder und auch im geltenden Umsatzsteuerrecht keine Bezüge haben.
a) Bereits der vom Gesetz verwendete Ausdruck der Speise ist nicht begrifflich eindeutig. Nach dem Grimm'schen Deutschen Wörterbuch (Band 10, 1. Abteilung, 1905) handelt es sich bei Speise um ein Synonym für Nahrung schlechthin, im engeren Sinne um ein zubereitetes Essen, wobei (landsmannschaftlich verschieden) Getränke stillschweigend ein- oder ausgeschlossen sind. Duden (Großes Wörterbuch, Band 6, 1981) versteht unter Speise ein zubereitetes Essen bzw. ein Gericht, das warme und kalte Speisen (!) umfassen kann (im Sinne dieser Mehrdeutigkeit auch Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 1970). Auf landsmannschaftliche Verschiedenheiten weist Kretschmer (Wortgeographie der Hochdeutschen Umgangssprache, 2. Aufl., Göttingen, 1969, Seite 469) hin. Nach seiner Beobachtung ist das Substantiv "Speise" für zubereitete Nahrung in Berlin nicht volkstümlich; dafür werde "ein Essen oder - feiner - ein Gericht gesagt, ein Ausdruck, der dem Wiener fremd ist". Dagegen sei in Norddeutschland das Wort Speise im Sinne von "Süße Speise" volkstümlich.
Eine Erklärung bietet hier auch nicht der zutage getretene Rückgriff des Gesetzgebers auf das (damals noch im Gesetzgebungsverfahren befindliche) Gaststättengesetz vom 5. Mai 1970 (BGBl I 1970, 465). Dieses Gesetz definiert das dem Gaststättengesetz unterliegende Gewerbe als Schankwirtschaft (Verabreichung von Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle), als Speisewirtschaft (Verabreichung zubereiteter Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle) und - was hier nicht interessiert - als Beherbergungsbetrieb. Zubereitete Speisen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GastG sind nicht schon irgendwie "bearbeitete" Speisen, die noch einer weiteren Bearbeitung bedürfen, sondern nur die verzehrfertig gemachten Lebensmittel (so Mörtel, Kommentar zum GastG, 1973, § 1 Rdnr. 45), wobei die Frage der Darreichung unter dem gesundheitspolitischen Aspekt des Gaststättengesetzes ohne Bedeutung ist. Würde man aus dieser Definition für zubereitete Speisen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GastG Rückschlüsse auf den in § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1967 verwendeten Begriff der Speise (also unter Weglassung des Adjektivs "zubereitete") ziehen, käme man zu dem nicht hinnehmbaren Ergebnis, Satz 2 des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1967 spräche Lebensmittel an, die vom liefernden Unternehmer nicht verzehrfertig gemacht (also nicht zubereitet) worden seien. Dies ergäbe schon deshalb keinen Sinn, weil die Lieferung nicht verzehrfertig gemachter Lebensmittel zwangsläufig einen bestimmungsgemäßen Verzehr an Ort und Stelle ausschließt. Außerdem unterfallen derartige Lebensmittel dem Satz 1 des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1967, von dem sich die Regelung in Satz 2 abgrenzen will. Es bleibt demnach unter Heranziehung anderer Auslegungskriterien zu klären, welcher Sinn dem vom Gesetz verwendeten Ausdruck "Speise" gegeben werden kann. Aus dem Satzteil "zum Verzehr an Ort und Stelle" ist zumindest herzuleiten, daß als Untergrenze der Beschaffenheit die objektive Verzehrfertigkeit gelieferter Lebensmittel anzusetzen ist.
b) Umgekehrt ist auch für die Auslegung des Satzteils "Verzehr an Ort und Stelle" der im Gesetz vorangestellte Begriff der Speise von Bedeutung. Diese aus dem § 1 Abs. 1 GastG entnommene Formulierung hat auch dort einen zeitlichen Bezug; zum Wesen einer der Erlaubnispflicht nach dem Gaststättengesetz unterworfenen Speisewirtschaft gehört die Verabreichung von Speisen zum sofortigen Verzehr am Ort der Abgabe. Dieses wiederum weist auf den örtlichen Bezug hin. Der Verabreicher erstrebt oder ist zumindest damit einverstanden (oder muß damit rechnen), daß die abgegebene zubereitete Speise am Ort der Abgabe, also an Ort und Stelle verzehrt wird. Auf das Vorhandensein besonderer Vorrichtungen, welche normalerweise zur Ausstattung einer Gaststätte gehören, kommt es gaststättenrechtlich nicht an (vgl. Mörtel, a. a. O., § 1 Rdnr . 28 ff.). Diese Vorrichtungen spielen lediglich eine Rolle bei der in § 2 Abs. 3 GastG geregelten Befreiung des Lebensmittelhandels und -handwerks von der Erlaubnispflicht. § 2 Abs. 3 GastG bestimmt, daß Betriebe der vorbezeichneten Art, die während der Ladenöffnungszeiten zubereitete Speisen abgeben, keiner Gaststättenerlaubnis bedürfen, es sei denn, sie hielten Sitzgelegenheiten bereit.
Im Hinblick auf die Revisionsangriffe gegen die Grenzziehung zwischen dem warenverteilenden Lebensmittelhandel und -handwerk und dem Bereich der gaststättenmäßigen und -ähnlichen Betätigung im Urteil BFHE 137, 507, BStBl II 1983, 349 ist deshalb auf zweierlei hinzuweisen: Ausschließlich bei Betrieben des Lebensmittelhandels und -handwerks spielen die Sitzgelegenheiten (als besondere Vorrichtungen zum Verzehr) eine Rolle in bezug auf die Erlaubnispflicht. Flockermann hat schon früher (DStZ/A 1968, 81, 84) darauf hingewiesen, daß diese auf § 2 Abs. 3 GastG beschränkte Funktion der Sitzgelegenheiten mißverstanden worden sei und dies in das Umsatzsteuerrecht hineingewirkt habe (vgl. die - nicht zum Gesetz gewordene - Ausschußfassung in BT-Drucks. zu V/1581; vgl. ferner Abschn. 2 b der Entscheidungsgründe von BFHE 137, 507, BStBl II 1983, 349). Dieses Mißverständnis hat sich später in § 5 der 3. UStDV niedergeschlagen (worauf noch einzugehen ist). Zum zweiten ist darauf hinzuweisen, daß Lebensmittelhandel und -handwerk nur dann zur erlaubnispflichtigen Speisewirtschaft i. S. des § 1 Abs. 1 GastG werden, wenn sie bei vorhandenen Sitzgelegenheiten zubereitete Speisen ausgeben. Wie oben ausgeführt, handelt es sich dabei gaststättenrechtlich um verzehrfertig gemachte Lebensmittel, also zum Verzehr zubereitete Nahrung. Hiervon nicht erfaßt sind solche Lebensmittel (und Lebensmittelzubereitungen), die man aufgrund ihrer Beschaffenheit - unter völligem Verzicht auf die hierzulande üblichen Formen des Verzehrs - im Ladengeschäft verzehren könnte. Es handelt sich mithin - ausgehend vom Normalbild einer Speisewirtschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GastG - bei der Speisenabgabe durch den Lebensmittelhandel und das Lebensmittelhandwerk um einen Grenz- oder Randfall, der in bezug auf die Erlaubnispflicht einer besonderen, allein auf ihn zugeschnittenen Regelung unterworfen ist; diese ist einer Verallgemeinerung nicht zugänglich. Dies übersieht der Deutsche Industrie- und Handelstag - DIHT - in seiner Stellungnahme zum Entwurf einer Übergangsregelung (BMF-Schreiben vom 22. Juni 1983 - IV A/1 - S 7222 - 18/83 -, StEK UStG 1980 § 12 Abs. 2 Nr. 64) vom 15. September 1983, die sich der Bundesminister der Finanzen zu eigen gemacht und dem Gericht überreicht hat.
Wenngleich sich nach dem Vorhergesagten in den Grundzügen erkennen läßt, welche umatzsteuerrechtlichen Ableitungen aus den - dem Gesetzgeber als Vorbild dienenden - Regelungen des Gaststättengesetzes möglich bzw. abzulehnen sind, wird für § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1967 auch in bezug auf den Satzteil "Verzehr an Ort und Stelle" Klarheit nur unter Heranziehung zusätzlicher Auslegungskriterien zu gewinnen sein.
c) Die Besteuerung der Lieferungen von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle ist Ergebnis der parlamentarischen Beratungen zur Behandlung von Umsätzen im Bereich des Hotel- und Gaststättengewerbes. Nach dem Regierungsentwurf BT-Drucks. IV/1590 (zu Beginn der 5. Legislaturperiode als Initiativgesetzentwurf BT-Drucks. V/48 neu eingebracht) bestand in diesem Bereich ein Nebeneinander von unterschiedlich besteuerten Umsätzen. Das sog. Bettengeschäft unterlag dem allgemeinen Steuersatz und das sog. Küchengeschäft dem ermäßigten Steuersatz. Im Getränkebereich unterschied man grundsätzlich zwischen nichtalkoholischen Getränken (begünstigt) und alkoholischen Geränken (allgemeiner Steuersatz), allerdings mit der Ausnahme von Bier und Wein, die allgemein dem ermäßigten Steuersatz unterworfen waren. Bei den Beratungen des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, die in die Ausschußfassung zu BT-Drucks. V/1581 einmündeten, fiel zunächst die Steuerermäßigung für Bier und Wein. Nachfolgend nahm das verständliche Bemühen des Hotel- und Gaststättengewerbes, aus Gründen der Vereinfachung zu einem einheitlichen Steuersatz für diese Branche zu kommen, den umgekehrten Verlauf, nämlich in Richtung des allgemeinen Steuersatzes. Der Finanzausschuß entschied sich dahin gehend, alle Umsätze im Hotel- und Gaststättenbereich dem allgemeinen Steuersatz zu unterwerfen, also "von einer Differenzierung zwischen Unterbringung, Getränken und Speisen" abzusehen (vgl. Abschn. 4 c der Allgemeinen Begründung der Ausschußfassung; zu BT-Drucks. V/1581).
Diese "Abrundung nach oben" beim Steuersatz war in der zweiten Lesung im Plenum des Deutschen Bundestages Gegenstand ausführlicher Erörterung und mehrerer Änderungsanträge (vgl. StenB über die 101. Sitzung des Deutschen Bundestages, Seiten 4689, 4703 bis 4711). Die finanzpolitische Grundentscheidung des Parlaments, die sich in der zum Gesetz gewordenen Formulierung des Umdrucks 173 ausdrückt, ist die Beibehaltung des Ausschußbeschlusses, im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie in Einrichtungen mit gleichartigen Leistungen allgemein und einheitlich den allgemeinen Steuersatz anzuwenden. Was darunter bezüglich der betroffenen Unternehmer verstanden wurde, machen diejenigen Änderungsanträge aus den Reihen des Bundestages deutlich, die eine begünstigte Besteuerung zu erreichen versuchten. Der am weitesten gehende Gegenantrag Umdruck 166 Nr. 2 strebte den ermäßigten Steuersatz an für die "Zubereitung von Speisen und Getränken aus den vorgenannten" (Zusatz: das heißt, in der Anlage 1 des Gesetzes aufgeführten) "Lebensmitteln in Fremdenverkehrsbetrieben, Gaststätten, Kantinen, Heimen und Krankenanstalten". Die damaligen Regierungsfraktionen, welche die zum Gesetz gewordene Fassung des Umdrucks 173 befürworteten, waren demgegenüber der Auffassung, die Verköstigung in einer Form, wie sie üblicherweise im Hotel- und Gaststättengewerbe vorkomme, sei wegen ihres spezifischen Dienstleistungsanteils etwas anderes als der bloße Verkauf von eßfertigen Lebensmitteln im Lebensmittelhandel und -handwerk zur Mitnahme. Bei den parlamentarischen Beratungen wurde durchaus gesehen, daß auch im Lebensmittelhandel, insbesondere aber im Lebensmittelhandwerk, in bezug auf den Liefergegenstand wertschöpfende Bearbeitungen vorkommen. Deshalb ist mehrfach ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß die Abgabe von Speisen und Getränken durch das Hotel- und Gaststättengewerbe spezifische (branchengebundene) Dienstleistungsmomente aufweise, die im Lebensmittelhandel und -handwerk normalerweise nicht vorkämen und auch beim Vordringen in den Gastronomiebereich nur teilweise vorhanden seien (dies konzediert auch Selmer, StuW 1978, 321, Abschn. III). Nach dem Willen des Bundestages sollte diese für das Hotel- und Gaststättengewerbe typische Form der Verköstigung im Umfang ihres Auftretens dem allgemeinen Steuersatz unterworfen werden.
d) Die Ausführungen in Abschn. 3 c der Entscheidungsgründe des Urteils vom 16. Dezember 1982 (BFHE 137, 507, BStBl II 1983, 349) geben nichts anderes als diese Überlegungen des Gesetzgebers wieder, mit denen der von diesem verfolgte Gesetzeszweck fixiert ist. Da die Gastronomiebesteuerung des Satzes 2 als eine Ausnahmeregelung gegen die durch Satz 1 des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1967 begünstigten Lebensmittellieferungen beurteilt wird, hat der Senat in dem vorbezeichneten Urteil den Gesetzeszweck durch eine generelle Auslegungsregel verdeutlicht. Vom Begünstigungstatbestand des Satzes 1 her gesehen muß für die Anwendung des Satzes 2 zur Lieferung von Lebensmitteln hinzutreten, daß die für den Unternehmer des Lebensmittelhandels und -handwerks typische Verteilerfunktion überschritten wird und bestimmte, für diese Branchen untypische Formen von Dienstleistungen hinzutreten. Es ist nicht angängig, diese den Gesetzeszweck verdeutlichende Abgrenzung zwischen begünstigten und nichtbegünstigten Lebensmittellieferungen, die anhand der Tatbestandsmerkmale des Satzes 2 in § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1967 zu konkretisieren ist (vgl. dazu Abschn. 4 der Entscheidungsgründe BFHE 137, 507, BStBl II 1983, 349 und nachfolgende Unterabschnitte 3 c u. f), dahin gehend zu interpretieren, der erkennende Senat habe damit eine Grenzziehung nach Maßgabe des im alten Umsatzsteuerrecht maßgeblichen Bearbeitungsbegriffs einführen wollen. Unzweifelhaft schließt die Verteilerfunktion des Lebensmittelhandels und -handwerks die Bearbeitung von Lebensmitteln bis zur Verzehrfertigkeit und die Herstellung von begünstigten Lebensmittelzubereitungen ein (was auch die Anlage 1 des Gesetzes ausweist). Ebenso unstrittig ist aber die Verköstigung von Kunden im Ladengeschäft des Lebensmittelhandels und -handwerks nicht branchentypisch und -üblich. Das Gaststättengesetz regelt denn auch die Verköstigung im Ladengeschäft als Ausnahme von der Erlaubnispflicht für Speisewirtschaften; im übrigen zieht es den Rahmen der Erlaubnisfreiheit sehr eng.
Nicht gefolgt werden kann auch der Auffassung des Beklagten und des Bundesministers der Finanzen, der von § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1967 verlangte besondere Dienstleistungsanteil manifestiere sich allein in Bereithaltung besonderer Vorrichtungen zum Verzehr an Ort und Stelle bzw. setze ihr Vorhandensein zwingend voraus; die Eliminierung dieser Vorrichtungen durch das Urteil vom 16. Dezember 1982 (BFHE 137, 507, BStBl II 1983, 349) verstoße daher gegen das Gesetz. Der erkennende Senat verbleibt bei seiner Auffassung, daß besondere Vorrichtungen allein und ausschließlich nicht geeignet sind, die begünstigten von den nichtbegünstigten Lieferungen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1967 zu trennen. Die gegenteilige Auffassung des Bundesministers der Finanzen läßt sich durch den Gesetzeswortlaut nicht belegen. Auch die Entstehungsgeschichte gibt für die Auffassung des Bundesministers der Finanzen nichts her. Der Bundestag hat in 2. Lesung das bei den Beratungen des Finanzausschusses aufgetretene Mißverständnis korrigiert, den in § 2 Abs. 3 GastG geregelten Sonderfall (Eindringen des Lebensmittelhandels und -handwerks in den Gastronomiebereich) gesetzestechnisch zur Grundlage einer die Gastronomie allgemein betreffenden Regelung zu machen (vgl. oben Abschn. 3 b der Entscheidungsgründe). Dieser Fehler ist aber nicht dadurch bereinigt worden, daß besondere Vorrichtungen an die Stelle der Sitzgelegenheiten getreten sind. Die parlamentarische Beratung macht vielmehr deutlich, daß die Befürworter des zum Gesetz gewordenen Umdrucks 173 einen einheitlichen Steuersatz für das Gaststättengewerbe erstrebten und dieses Gesetzesziel nicht vom Vorhandensein dieser oder jener Vorrichtung abhängig machen wollten. Bei dieser Sachlage hält es der Senat nach wie vor für einen Verstoß gegen den Willen des Gesetzgebers und gegen den Gesetzeswortlaut, das Vorhandensein von besonderen Vorrichtungen zu dem letztlich allein relevanten Abgrenzungsmerkmal zwischen Satz 1 und 2 des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1967 zu machen. Nicht angängig ist es ferner, die Rechtsauffassung des Senats dahin gehend zu interpretieren, sie löse sich völlig von den besonderen Vorrichtungen; das ist ersichtlich dem Urteil vom 16. Dezember 1982 (BFHE 137, 507, BStBl II 1983, 349) nicht zu entnehmen.
e) Wie die bisherigen Ausführungen erkennen lassen, wollte der Gesetzgeber mit der Verwendung des Ausdrucks "Speise" zum Ausdruck bringen, daß es sich um Lebensmittel bestimmter Beschaffenheit handelt, nämlich um Lebensmittel, die kraft ihres natürlichen Zustandes oder dank einer Verarbeitung oder Zubereitung verzehrfertig sind (vgl. zum allgemeingültigen Lebensmittelbegriff § 1 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes vom 15. August 1974, BGBl I, 1945); denn die Verabreichung nicht verzehrfertiger Lebensmittel durch die Gastronomie ergäbe keinen Sinn. Dieses Auslegungsverständnis kann nicht durch den Hinweis auf § 1 Abs. 1 Nr. 2 GastG in Frage gestellt werden, der das Vorliegen einer erlaubnispflichtigen Speisewirtschaft vom Verabreichen zubereiteter Speisen abhängig macht (vgl. oben Abschn. 3 a der Entscheidungsgründe). Dies erklärt sich aus der gesundheitspolizeilichen Schutzfunktion des Gaststättengesetzes, welche eine Erlaubnispflicht nur dann für erforderlich erachtet, wenn der Betreiber der Speisewirtschaft aus Lebensmitteln verzehrfertig angerichtete Speisen anbietet (vgl. Mörtel, a. a. O. § 1 Rdnr. 42). Die Abgabe anderer verzehrfertiger Lebensmittel war unter diesem Aspekt irrelevant.
Dagegen ist für die Auslegung des § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1967 der Wille des Gesetzgebers zu beachten, jegliche Verabreichung von Lebensmitteln zum Verzehr im Gastronomiebereich einem einheitlichen Steuersatz zu unterwerfen. Damit müssen alle verzehrfertigen Lebensmittel als Speise im Sinne der vorbezeichneten Vorschrift eingestuft werden, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob ihre Verzehrfertigkeit durch den liefernden Unternehmer (Gastronom) oder den (oder die) Vorlieferanten herbeigeführt worden ist oder aufgrund der natürlichen Beschaffenheit oder aufgrund der Handelsform, in der der liefernde Unternehmer bezieht, vorgegeben ist.
Der DIHT (a a. O.; vgl. Abschn. 3 b) irrt mit seiner Ansicht, die Zubereitung der nicht verzehrfertigen Lebensmittel (z. B. durch Kochen oder Braten) zu einer verzehrfertigen Nahrung spiele für die Anwendung des § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1967 überhaupt keine Rolle; es käme allein auf den Verzehr an Ort und Stelle an. Es ist nicht angängig, den vom Gesetz verwendeten Begriff der Speise schlicht gegen denjenigen der zubereiteten Lebensmittel auszutauschen und auf dieser Basis zu argumentieren, zubereitete Lebensmittel gäbe es auch außerhalb von Gaststätten, womit die Zubereitung als Auslegungskriterium ausscheide. Die Wahl des Wortes "Speise" durch den Gesetzgeber ist bei der Auslegung zu berücksichtigen. Diese Wortwahl bedeutet, daß es um die Lieferung verzehrfertiger Nahrung schlechthin geht, wobei naturgemäß die dazu notwendigen Maßnahmen des Gastronomen je nach Art und Beschaffenheitszustand des Ausgangsprodukts, das in den Zustand der Verzehrfertigkeit versetzt werden soll, sehr unterschiedlich sein können. Bei solchen Fleischgerichten etwa, welche üblicherweise nur in gekochtem oder gebratenem Zustand verzehrt werden, ist entsprechend zu verfahren. Da normalerweise ein Gast zu diesem Fleisch Beilagen erwartet, muß der Gastronom ein Menü (ein "Gericht" im Sprachgebrauch; vgl. oben Abschn. 3 a der Entscheidungsgründe) anrichten. Bei Obst dagegen kann sich der Gastronom auf eine Säuberung beschränken, wenn aufgrund des natürlichen Zustandes eine Verzehrfertigkeit gegeben ist (zur Darreichungsform vgl. anschließenden Absatz).
Diese Auslegung rechtfertigt sich ergänzend aus der Form, in der sich die Speisenlieferung vollzieht. Die Lebensmittel befinden sich nicht nur in einem verzehrfertigen Zustand, sondern werden regelmäßig auch verzehrfertig aufgemacht. Die verzehrfertigen Lebensmittel werden somit dem Abnehmer in einer Form dargereicht, daß er sie an Ort und Stelle verzehren kann. Daß hierbei zwischen Luxusrestaurant und Würstchenbuden eine erhebliche Spannweite in der Form der Darreichung gegeben ist, ändert nichts daran, daß eine solche (wenn auch möglicherweise sehr einfache Form der) Darreichung im Lebensmittelhandel und -handwerk jedenfalls fehlt, weil hier typischerweise zum Mitnehmen verkauft wird. Durch die Lieferung eines Lebensmittels zum Verzehr an Ort und Stelle unter Beifügung derjenigen Mittel, die dies ermöglichen, wird das Lebensmittel von einer Ware zu einer Speise.
Vorstehende Ausführungen weisen bereits darauf hin, daß sich der Begriff der Speise definitionsmäßig nicht vom Vorgang der Darreichung trennen läßt, womit die Wechselbeziehung zwischen dem Gegenstand der Lieferung (Speise) und den Umständen der Lieferung (zum Verzehr an Ort und Stelle) aufscheint. Wie bereits im Urteil vom 16. Dezember 1982 (BFHE 137, 507, BStBl II 1983, 349; vgl. Abschn. 4 der Entscheidungsgründe) ausgeführt, stehen die Verabreichung von Speisen und deren Verzehr in einem örtlichen und zeitlichen Bezug. Was hierunter zu verstehen ist, haben Rechtsprechung und Schrifttum zum Gaststättengesetz vorgegeben, da sich insoweit die in § 1 GastG getroffene gleichlautende Regelung an den Verhältnissen im Gaststättengewerbe orientiert und umsatzsteuerrechtlich keine Gründe für eine abweichende Beurteilung erkennbar sind (vgl. Mörtel, a. a. O., § 1 Rdnr. 26 ff.).
Hieraus folgt, daß man das Auslegungsverständnis nicht auf den räumlichen Zusammenhang zwischen dem (umsatzsteuerrechtlichen) Ort der Lieferung und dem Ort des Verzehrs verengen kann. Dies führt bei Eingreifen der Regelung des § 3 Abs. 7 UStG 1967 zu willkürlichen und mit der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht zu vereinbarenden Ergebnissen (vgl. Weiß, UR 1983, 57). Es ist aus diesem Grunde auf den Ort der Speisenabgabe abzustellen. Des weiteren erfordert eine gaststättenmäßige bzw. gaststättenähnliche Verabreichung von Speisen nicht, daß besondere Vorrichtungen zum Verzehr an Ort und Stelle vorhanden sind. Sie bilden - wie andere Umstände auch - lediglich ein Beweisanzeichen zur Beantwortung der Frage, ob im Einzelfall Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben wurden oder nicht.
Im Hinblick auf den vorliegenden Streitfall ist klarzustellen, daß Gaststätten nicht nur in Form eines stehenden Gewerbes betrieben werden können (§ 1 Abs. 1 GastG), sondern auch in Form des Reisegewerbes (§ 1 Abs. 2 GastG). Auch der ambulant Tätige bereitet wie der Gastwirt Lebensmittel zu einer (verzehrfertigen) Speise, hält sie im verzehrfertigen Zustand für den Gast vor und gibt sie an den Kunden in einer verzehrfertigen Form ab. Grundsätzlich ist auch beim ambulanten Gaststättengewerbe die Speisenabgabe nach Absicht und Zweck auf einen (sofortigen) Verzehr an Ort und Stelle ausgerichtet, was in der Regel durch das Angebot an (nicht besonders berechneten) zusätzlichen Leistungen, die den Verzehr der Speisen erleichtern oder verbessern sollen, sichtbar gemacht wird (vgl. auch Mörtel, a. a. O. § 1 Rdnr. 60).
f) Mit der Wortfassung "Lieferung zum Verzehr an Ort und Stelle" hat der Gesetzgeber - was in der parlamentarischen Beratung der zweiten Lesung mehrfach deutlich zum Ausdruck gekommen ist (vgl. StenB der 101. Sitzung des Deutschen Bundestages, Seiten 4689, 4703 bis 4711) - die Vorstellung verbunden, die gewählte Formulierung erfasse eine "Lieferung über die Straße" nicht. Dies war und ist ein Einbruch gegenüber dem Willen des Gesetzgebers, im Gaststättenbereich eine Steuersatzdifferenzierung zu vermeiden. Mit dieser Willensrichtung des Gesetzgebers läßt sich die Ausklammerung der "Lieferung über die Straße" aus der Gastronomiebesteuerung nicht vereinbaren, da hier ebenso wie beim Verzehr am Ort der Speisenabgabe die Lieferung verzehrfertiger Nahrung (Speise) gegeben ist, und zwar durch Zubereiten und Anrichten. An die Stelle der mit einer Speiseneinnahme im Restaurant verbundenen Dienstleistung tritt regelmäßig eine andere, nämlich die Beförderung des Menüs (mit besonderen Vorkehrungen zur Warmhaltung der Speisen) an den Ort des Verzehrs.
Angesichts der eindeutigen Bekundungen der Antragsteller des Umdrucks 173 ist jedoch bei "Lieferung über die Straße" eine vom allgemeinen Steuersatz erfaßte Speisenlieferung nicht anzunehmen. Mit dieser Auslegung sind zwar gravierende Anwendungsprobleme verbunden, die auch die Praktikabilität der Vorschrift beschweren. Diese und andere Anwendungsprobleme des geltenden Rechts lassen sich aber durch eine Änderung in dem Sinne beseitigen, daß dem allgemeinen Steuersatz unterworfen würde die Lieferung (verzehrfertig gemachter) Speisen, die in einer zum sofortigen Verzehr geeigneten Weise angeboten und überlassen werden.
In diesem Zusammenhang ist auf das Vorbringen des Bundesministers der Finanzen einzugehen, die bereits erwähnte Stellungnahme des DIHT vom 15. September 1983 zum BMF-Schreiben vom 22. Juni 1983 (StEK UStG 1980 § 12 Abs. 2 Nr. 64) belege ebenso wie die Stellungnahmen von Verbänden (welche dem Senat nicht zugänglich gemacht worden sind), daß die neuen Auslegungsgrundsätze des Bundesfinanzhofs für die Praxis ungeeignet seien (ebenso die Umsatzsteuerreferenten des Bundes und der Länder, USt-Besprechung VI/83, TO-Punkt 12), und daß deshalb die Vorschrift des § 29 UStDV 1980 in das Gesetz übernommen werden solle (USt-Besprechung VII/83, TO-Punkt 29). Die Ausführungen des DIHT im Teil I (Allgemeines) und zu Punkt 1 betreffen die Auslegung des Begriffs der Speise, der von der Rechtsprechung des Senats bislang nicht berührt worden war. Das Vorbringen des DIHT zielt ersichtlich darauf ab, aus gegebenem Anlaß den Begriff der Speise und damit den Anwendungsbereich des § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1967 einzuengen, und zwar in Abweichung von der bisherigen Verwaltungspraxis (vgl. oben Abschn. 3 e).
Die im übrigen vom DIHT in diesem Kontext aufgeführten Auslegungsprobleme sind nicht vom Senat ausgelöst worden. Sie bestanden bislang schon. In Punkt 2 seiner Stellungnahme verweist der DIHT auf Schwierigkeiten, die sich bei Abgabe von zubereiteten Lebensmitteln (z. B. Kekse, Schokolade u. ä.) am Kantinentresen zum Verzehr am Arbeitsplatz einstellen. Er hält es für zweifelhaft, ob angesichts der hier zutage tretenden Ersatzfunktion der Kantine (Tätigwerden als Lebensmittelgeschäft) noch von einer Lieferung zum Verzehr an Ort und Stelle gesprochen werden könne. Diese Zweifelsfrage ist aber keine Folge der neuen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, sondern trat schon bislang bei Anwendung des § 5 der 3. UStDV auf ("nach den Umständen der Lieferung"). Dasselbe gilt für den Punkt 3 des Schreibens des DIHT, das die Abgabe von selbst zubereitetem Speiseeis in Waffeln oder Bechern an Passanten behandelt. Auch im Punkt 5, der den Verkauf einer Dose Limonade durch einen Kiosk an einen Käufer, der sofort trinkt, anspricht, geht es um die Frage des bestimmungsgemäßen Verzehrs, also um ein altes Auslegungsproblem zu den begünstigten Mitnahmefällen. Die in Punkt 6 angeschnittene Frage, ob bei einem Partyservice die Zurverfügungstellung von Geschirr, Bestecken usw. eine unselbständige Nebenleistung zur begünstigten Hauptleistung der Speisenlieferung sei, ist ebenfalls nicht neu und bislang schon relevant bei einem Partyservice, der das vorgekochte Essen mitbrachte und lediglich beim Auftraggeber auftrug.
Bei dieser Sachlage ist dem erkennenden Senat nicht dargetan worden, welche praktischen Auswirkungen ihn hätten veranlassen sollen, die im Urteil vom 16. Dezember 1982 (BFHE 137, 507, BStBl II 1983, 349) eingenommene Rechtsauffassung zu ändern.
4. Die Vorschrift des § 5 der 3. UStDV, die gemäß der in § 26 Abs. 1 UStG 1967 gegebenen Ermächtigung lediglich den Umfang der in § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1967 geregelten Steuervergünstigung des näheren bestimmen durfte, ist wegen ihres gesetzesverändernden Inhalts rechtsungültig. Dies ist in Abschn. 2 des Urteils vom 16. Dezember 1982 (BFHE 137, 507, BStBl II 1983, 349) dargelegt.
Der Bundesminister der Finanzen hat nachdrücklich betont, die in § 5 der 3. UStDV gewählte Abgrenzung müsse ungeachtet gewisser Unabgestimmtheiten in Randbereichen beibehalten werden, weil ohne die besonderen Vorrichtungen das Merkmal "zum Verzehr an Ort und Stelle" nicht objektiv im Sinne einer am Regelungszweck orientierten Besteuerung eingrenzbar wäre. Dieses Vorbringen setzte zu seiner Richtigkeit voraus, daß der in § 5 der 3. UStDV verwendete Rechtsbegriff der besonderen Vorrichtungen eindeutig und unstreitig wäre. Der Streitfall belegt jedoch das Gegenteil.
Für den Bereich der Verkaufstheken und -tresen und der sog. Ablagebretter an Kiosken, Verkaufsständen und Würstchenbuden bestand seit dem 1. Januar 1968 insgesamt 16 Jahre lang keine einheitliche Rechtsauffassung der Verwaltung; das hat Rechtsunsicherheit und eine unterschiedliche steuerliche Behandlung in den Bundesländern nach sich gezogen. Erst nach dem Ergehen des Urteils vom 16. Dezember 1982 (BFHE 137, 507, BStBl II 1983, 349) haben sich die Umsatzsteuerreferenten des Bundes und der Länder auf eine einheitliche Auslegung dahin gehend geeinigt, daß die vorbezeichneten Einrichtungen keine besonderen Vorrichtungen im Sinne des § 5 der 3. UStDV seien (vgl. BMF-Schreiben vom 29. November 1983, UR 1984, 23). Ob sich diese Auslegung mit Wortlaut und Inhalt des von der Verwaltung für rechtsgültig gehaltenen und weiterhin angewendeten § 5 der 3. UStDV (jetzt § 29 UStDV 1980) vereinbaren läßt, unterliegt erheblichen Zweifeln. Auch sind da mit aber keineswegs alle Auslegungsprobleme zu den besonderen Vorrichtungen ausgeräumt (vgl. das einschlägige Schrifttum).
Es ist noch darauf hinzuweisen, daß § 5 der 3. UStDV mit seiner von der Auslegung des Gesetzes nicht gedeckten Anknüpfung an die Lieferung statt an den Vorgang der Speisenabgabe (vgl. oben Abschn. 3 e) gezwungen war, ergänzend auf die "Umstände der Lieferung" abzustellen, um weitere Abweichungen vom Gesetzeswortlaut abzufangen. Dies ist ein objektiv kaum faßbares, in tatsächlicher Hinsicht nicht nachprüfbares Tatbestandsmerkmal (vgl. den Fall einer Restaurant-Kette, die sog. Hamburgers stets in derselben Styroporverpackung abgibt, ganz gleich, ob die Hamburgers im Lokal verzehrt oder mitgenommen werden). In Fällen dieser Art können die "Umstände der Lieferung" nichts zur Rechtsanwendung beitragen. Die Verordnungsnorm bestimmt hier nicht den Umfang der Begünstigung, sondern macht die Grenze zwischen begünstigter und nichtbegünstigter Lieferung in unbestimmbarer Weise auf.
5. Der von dem Kläger vertretenen Auffassung, die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1967 sei wegen offenbarer Unpraktikabilität nichtig, kann nicht beigetreten werden. Die in Abschnitt 3 e der Entscheidungsgründe auf der Grundlage des Urteils vom 16. Dezember 1982 (BFHE 137, 507, BStBl II 1983, 349) dargestellten Auslegungsgrundsätze widerlegen diese Auffassung ebenso wie der mit BMF-Schreiben vom 22. Juni 1983 (StEK UStG 1980 § 12 Abs. 2 Nr. 64) den beteiligten Wirtschaftsverbänden zugeleitete Vorentwurf einer Verwaltungsanweisung, welchem die Rechtsungültigkeit des § 5 der 3. UStDV zugrunde gelegt wurde. Die hiergegen vorgebrachten und dem erkennenden Senat bekanntgewordenen Auslegungsfragen erweisen sich als marginal.
Bezüglich der nach dem Rechtsstaatsprinzip erforderlichen Tatbestandsmäßigkeit ist in tatsächlicher Hinsicht davon auszugehen, daß die große Masse der von § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1967 erfaßten Fälle die Essenslieferungen in Restaurants, Gastwirtschaften, Kantinen und Heimen betrifft, also die Fälle der Massenverpflegung. Hier bereitet die Gesetzesanwendung keine nennenswerten Probleme. Durch die vom Senat für maßgeblich erachtete Beurteilung nach dem Ort der Speisenabgabe (statt dem Ort der Lieferung) sind auch die Großküchen weitestgehend in die Gaststättenbesteuerung einbezogen worden. Dasselbe Ergebnis stellt sich beim sog. Partyservice ein, der ebenso wie die Großküchen bislang je nach (zum Teil subtiler) Fallgestaltung begünstigt oder nichtbegünstigt besteuert wurde. In beiden Fällen werden durch die vom Bundesfinanzhof vertretene Rechtsauffassung Auslegungsprobleme beseitigt und damit die Praktikabilität gegenüber früher erhöht. Des weiteren ist mit dem Wegfall des rechtsungültigen § 5 der 3. UStDV den schwierigen und von der Verwaltung nicht gelösten Auslegungsproblemen zu den besonderen Vorrichtungen der Boden entzogen worden. Auch hier sind Fallgestaltungen, deren Behandlung bisher streitig war, in die Gastronomiebesteuerung einbezogen worden. Nach dieser Bereinigung durch Auslegung, die allerdings für Teile der Wirtschaft eine höhere Steuerbelastung mit sich bringt, verbleiben zwar noch Probleme; sie sind insbesondere durch die Präferenzierung der Lieferungen "über die Straße" ausgelöst (vgl. oben Abschn. 4 der Entscheidungsgründe). Dies rechtfertigt jedoch nicht die Beurteilung, die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1967 sei derart unklar, daß wegen Verstoßes gegen das in Artikel 20 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip die Nichtigkeit dieser Norm angenommen werden müsse (vgl. BVerfGE 19, 253; 21, 1; 21, 73; 21, 209; 21, 245).
6. Die Revision trägt des weiteren die Auffassung vor, die Besteuerung der Abgabe von gebratenen Würstchen durch einen einfachen Bratwurststand zum allgemeinen Steuersatz verletze Artikel 3 GG und sei durch verfassungskonforme Auslegung, mithin durch Anwendung des ermäßigten Steuersatzes, zu korrigieren. Der Senat teilt diese Auffassung nicht.
Zur Begründung ihres Standpunkts trägt die Revision im wesentlichen vor (zu den Einzelheiten vgl. Felix in StRK-Anmerkungen UStG 1967 § 12 Abs. 2 Nr. 1 R. 7), die Masse der zum häuslichen Verbrauch bestimmten und durch Lebensmittelhandel und -handwerk verteilten Lebensmittel sei in hohem Maße industriell vorgefertigt. Teilweise sei der Konfektionierungsgrad höher als bei einer am offenen Wurststand gebratenen Wurst (z. B. bei Fertiggerichten, die lediglich erwärmt werden müßten). Zubereitungen in Richtung der Verzehrfertigkeit seien so oder so gegeben, so daß es nicht sachgerecht sei, eine bestimmte Gruppe von Zubereitungshandlungen zum Anlaß einer Verdoppelung des Steuersatzes zu nehmen. Dies sei auch aus Sozialstaatsgesichtspunkten nicht zu tolerieren, da die Besteuerung des Lebensmittelverzehrs zum allgemeinen Steuersatz breite Bevölkerungskreise treffe, die aus beruflichen Gründen auf den Außer-Haus-Verzehr angewiesen seien. Wie Selmer (StuW 1978, 321) dargelegt habe, rechtfertige der beim Verzehr an Ort und Stelle erbrachte geringe Dienstleistungsanteil des Gastronomen die Steuersatzdifferenz von 100 v. H. nicht. Dieser Dienstleistungsanteil sei nur ein Bruchteil derjenigen Dienstleistungen, die vorweg insgesamt in die Produktion der Wurst eingegangen seien. Auf dem Hintergrund dieser Überlegungen sei es als Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip zu werten, wenn die Besteuerung von Lebensmitteln teilweise von der verfassungsrechtlich geschützten Position des hälftigen Steuersatzes für die Güter des lebensnotwendigen Bedarfs verschärfend abgehe.
Dieser Auffassung kann schon in der Beurteilung der Funktion des ermäßigten Steuersatzes nicht gefolgt werden. Der allgemeine Steuersatz des § 12 Abs. 1 UStG 1967 ist der Normalsteuersatz. Ob Ermäßigungen gegenüber diesem Besteuerungsniveau angebracht sind, ist primär vom Gesetzgeber zu entscheiden. Da die Steuerbelastung denjenigen Unternehmer unmittelbar (und in Fällen nicht gelingender Überwälzung verbleibend) trifft, der die betreffenden, von der Umsatzsteuer erfaßten Leistungen bewirkt, werden die Erwägungen, ob diese Leistungen nur ermäßigt besteuert werden sollen, wesentlich von der wirtschaftlichen Förderungswürdigkeit des betroffenen Wirtschaftszweiges und der Art bzw. dem Gegenstand der von ihm erbrachten Leistungen beeinflußt. Im Bereich der Lebensmittelversorgung der Bevölkerung hat sich der Gesetzgeber zu einer Begünstigung der Lebensmittel, d. h. zu einer Präferenzierung der (Endstufen-)Umsätze des Lebensmittelhandels und -handwerks entschlossen, und zwar aufgrund der Überlegung, aus sozialpolitischen Gründen sei die Abgabe von Lebensmitteln des lebensnotwendigen Grundbedarfs durch die vorbezeichneten Branchen zu begünstigen (und zwar in der Erwartung der Weitergabe der Steuerermäßigung an den Verbraucher über den Preis). Aber hier ist schon festzustellen, daß die zum Gesetz gewordenen Regelungen die steuerpolitischen Vorstellungen nur in großer Linie umgesetzt haben; denn die Anlage 1 des Gesetzes enthält auch die Lebensmittel des gehobenen Bedarfs. Eine sozialpolitische Grundlinie, generell die Grundbedürfnisse der Bevölkerung ermäßigt zu besteuern, ist nicht erkennbar, denn sonst hätte beispielsweise der Kinderkleidung Vorzug vor Lebensmitteln des gehobenen Bedarfs gegeben werden müssen. Ein geschlossenes System der Begünstigung von Gütern des lebensnotwendigen Bedarfs ist dem Umsatzsteuergesetz nicht zu entnehmen. Somit ist es nicht angängig, die Besteuerung der Abgabe von Lebensmitteln unter gaststättenmäßigen bzw. gaststättenähnlichen Bedingungen zum allgemeinen Steuersatz a priori als Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip einzustufen. Von § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1967 geht keine Besteuerungswirkung aus, die unter dem Sozialstaatsgesichtspunkt deshalb nicht tolerierbar wäre, weil die auf Außer-Haus-Verzehr angewiesenen breiten Schichten der arbeitenden Bevölkerung von der Versorgung mit verzehrfertigen Lebensmitteln während der Arbeitszeit ausgeschlossen wären. Davon kann angesichts der Versorgung der Arbeitnehmer zu kostengünstigen Preisen in Kantinen bzw. wegen der Essenszuschüsse durch die Arbeitgeber nicht die Rede sein.
Eine Ungleichbehandlung i. S. des Artikels 3 GG ist zu verneinen. Die Leistungen des Lebensmittelhandels und -handwerks sind wirtschaftlich mit denen der Gastronomie nicht vergleichbar. Ein Vergleichsmaßstab kann auf keinen Fall auf dem Weg über die Produktionstiefe bzw. über den Veredelungsgsrad der gelieferten Lebensmittel hergestellt werden, denn dieser Maßstab ist generell untauglich. Die Umsatzsteuer besteuert die jeweilige Leistung, ohne sie unter vorbezeichnetem Maßstab zu bewerten. Die Wahl eines Steuersatzes unter den dargestellten Gesichtspunkten wäre ohnehin nicht durchführbar. Mithin ist davon auszugehen, daß sich der Gesetzgeber entschieden hat, die Lebensmittelbeschaffung durch Einkauf im Handel anders zu behandeln als den Lebensmittelverzehr in der Gastronomie. Da der allgemeine Steuersatz auch im Verhältnis zur Lieferung von Lebensmitteln der Normalsatz ist, müßte die Präferenzierung der Umsätze des Lebensmittelhandels und -handwerks (gegenüber der Gastronomie) zu einer Wettbewerbsbeeinträchtigung der Gastronomie führen, ehe bezüglich dieser von einer Ungleichbehandlung mit verfassungsrechtlicher Relevanz gesprochen werden könnte. Das ist jedoch nicht feststellbar und auch nicht durch die Revision belegt. Abgesehen von dem Kantinenverzehr während der Arbeitszeit wird die Wahl zwischen häuslichem Verzehr und Verzehr in der Gaststätte nicht durch den Preis, sondern durch die individuellen Lebensgewohnheiten der Bürger bestimmt.
7. Da das Finanzgericht von anderen rechtlichen Überlegungen ausgegangen ist und maßgeblich auf das Vorhandensein von Vorrichtungen im Sinne des § 5 der 3. UStDV abgestellt hat, war sein Urteil aufzuheben.
Die Sache ist entscheidungsreif. Sie führt zur Abweisung der Klage. Der Kläger hat im Streitjahr 1973 an seine Kunden Speisen (nämlich Bratwürstchen, Suppen und dergleichen) zum bestimmungsgemäßen Verzehr an Ort und Stelle im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1967 geliefert. Der Kläger ermöglichte den sofortigen Verzehr der Speisen sowohl durch eine eßfertige Zubereitung der Lebensmittel als auch durch eine Darreichung dieser verzehrfertigen Lebensmittel auf Papptellern und in Pappbechern. Der örtliche und zeitliche Bezug zwischen Speisenabgabe und Verzehr wird ergänzend belegt durch das bei diesem Speisenangebot branchenübliche (nicht besonders berechnete) Angebot von Beilagen und Gewürzen.
Fundstellen
BStBl II 1984, 349 |
BFHE 1984, 324 |