Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Tauschlieferung von Dampf gegen elektrischen Strom oder unentgeltliche Zurverfügungstellung von zweckgebundenem Dampf zwecks Herstellung von Strom für den Dampfhersteller?
Normenkette
UStG §§ 3, 5/2; UStDB § 7/1, §§ 8-9; UStG § 3/1, § 3/4, § 3/8, § 3/9, § 3/12, § 10/3/2
Tatbestand
Die Beschwerdegegnerin - Bgin. - betreibt u. a. ein Dampfwerk. Von dem darin erzeugten Dampf gibt sie einen Teil (1) entgeltlich zu einem Handelspreis an die Deutsche Bundesbahn (DB) ab. Diese erzeugt mit Hilfe dieses Dampfes elektrischen Strom, überwiegend für eigene Zwecke. Einen anderen Teil (2) des Dampfes erhält die DB ohne Berechnung mit dem Auftrage, Strom für die Bfin. herzustellen. über diese Dampf- und Strommengen (2) rechnen die Bfin. und die DB nicht auf Grund von Handelspreisen ab; vielmehr erhält die DB von der Bgin. für die Herstellung dieses Stromes ein vereinbartes Bearbeitungsentgelt.
Das Finanzamt hat diese Vorgänge (2) als Tauschgeschäft im Sinne des § 5 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) angesehen; es hat die Hingabe des Dampfes durch die Bgin. an die DB demgemäß als Lieferung des Dampfes behandelt und die aus diesem "Tauschgeschäft" errechneten Umsätze der Bgin. in Höhe von 251.500 DM mit 3 v. H. (1. Halbjahr 1951) bzw. 4 v. H. (2. Halbjahr 1951) zur Umsatzsteuer herangezogen.
Auf die Sprungberufung hin hat das Finanzgericht eine Werkleistung der Umwandlung von Dampf in Strom gegen ein Werklohnentgelt anerkannt und die Umsatzsteuer 1951 entsprechend herabgesetzt. Zwar sei eine Werkleistung im Sinne des § 7 Abs. 1 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) nicht gegeben; denn die Bgin. habe sich die Verfügungsmacht über die der DB zur Umarbeitung in Strom überlassenen Dampfmengen nicht vorbehalten, weil dies technisch gar nicht möglich sei, denn die abgegebenen Dampfmengen könnten mangels zweier Leitungen nicht getrennt werden in solche, die für die Zwecke der DB und in solche, die zur Herstellung von Strom für die Bgin. bestimmt seien. Im Gegensatz zu der Auffassung des Finanzamts sei jedoch das Vorliegen eines Sonderfalles von Leistung gemäß § 8 UStDB zu bejahen, der Dampf sei "Werkstoff" im Sinne des § 8 UStDB, nicht nur Triebkraft im Sinne des Urteils des Reichsfinanzhofs V 25/43 vom 19. April 1944 (Reichssteuerblatt - RStBl - 1944 S. 669). Die Vertragsparteien hätten nicht den Tausch von Warenwerten (Dampf gegen Strom), sondern die Erzielung eines Arbeitserfolges (Umwandlung von Dampfkraft in elektrische Kraft) gegen Lohn erzielen wollen. Demgemäß hätten sie nicht die Energiemengen zu Handelspreisen miteinander abgerechnet, sondern für die Umwandlung einer Einheit Dampf in eine Einheit elektrischen Strom einen Werklohn berechnet, und zwar im Streitjahre 1951 für die Umwandlung von einer Tonne Dampf in 171 kWh Strom 1,60 DM. Soweit die Bgin. den Dampf durch die DB im Werklohn in Strom habe umwandeln lassen, habe sie den Dampf, entsprechend der Rechtslage gemäß § 8 UStDB, nicht an die DB geliefert. Der Fall könne nicht anders behandelt werden, als wenn die Bgin. allen Dampf durch die DB für ihre Zwecke in elektrischen Strom hätte umwandeln lassen und sich dabei technisch die Verfügungsmacht über die gesamte für die Umwandlung übertragene Dampfmenge hätte vorbehalten können.
Das beschwerdeführende Finanzamt macht mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) wie früher geltend, § 8 UStDB könne darum nicht angewendet werden, weil der Dampf nur Triebkraft zum Antrieb der Stromherstellungsturbine, aber kein "Stoff" sei, aus dem ein anderer Gegenstand hergestellt würde; wie man auch nicht sagen könne, daß bei Verwendung von Wasserkraft zur Stromerzeugung der Strom aus Wasser hergestellt sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts kann, aus anderen Gründen als denen des Finanzgerichts, keinen Erfolg haben. Zur Entscheidung des Streitfalles bedarf es weder des § 8 UStDB noch der Erwägungen über echte Materialbeistellung.
Es ist dem Finanzamt zuzustimmen, daß ein Fall des § 8 UStDB nicht vorliegt. § 8 UStDB hat die Fälle im Auge, in denen der Auftraggeber einen zur Herstellung eines bestimmten Gegenstandes geeigneten Stoff einem Hersteller übergibt, der Hersteller dem Auftraggeber aber nicht einen aus dem hingegebenen Stoff, sondern einen (ganz oder teilweise) aus anderem Stoff hergestellten gleichartigen Gegenstand, wie er in seinem Unternehmen herzustellen pflegt, übergibt. Dieser in der äußeren Form von Lieferung und Gegenlieferung vorgenommene Umsatz ist nach § 8 UStDB trotzdem dann als Werkleistung zu behandeln, wenn ein Werklohn (als ob eine Verarbeitung des hingegebenen Stoffes in den erhaltenen Gegenstand stattgefunden hätte) vereinbart worden ist. § 8 UStDB bietet also eine Lösung nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise für solche Fälle, in denen nicht der hingegebene Stoff zur Herstellung des dem Auftraggeber übergebenen Gegenstandes verwendet, dieser Gegenstand vielmehr unter Verwendung anderen Stoffes hergestellt worden ist. Ein solcher Sachverhalt liegt im Streitfalle schon darum nicht vor, weil der von der Bgin. zur Verfügung gestellte (nicht ein anderer) Dampf zur Herstellung des Stromes verwendet worden ist. Es bedurfte daher keiner Prüfung, ob der zur Verfügung gestellte Dampf ein "Stoff" im Sinne des § 8 UStDB ist.
Auch ein Fall von echter Materialbeistellung im engeren Sinne der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wie sie sich insbesondere auf dem Gebiete des Bauwesens entwickelt hat, liegt nicht vor.
Trotzdem kommt der Senat auf Grund von Erwägungen wirtschaftlicher Betrachtungsweise, wie sie sowohl dem § 8 UStDB als auch der Materialbeistellungsrechtsprechung zugrundeliegen, dazu, als Inhalt des Leistungsaustausches lediglich einseitig eine Werklieferung von elektrischer Kraft durch die DB an die Bgin. anzunehmen.
Es handelt sich um die in jedem Falle zu prüfende Frage, was Inhalt des Leistungsaustausches ist, ob eine Lieferung der Bgin. von Dampf gegen Strom unter Zuzahlung eines (Werklohn-) Baraufschlags der Bgin. oder ob lediglich eine Leistung der DB im Auftrage der Bgin. unter kostenloser Zurverfügungstellung des Dampfes durch die Bgin. vorliegt. Hätte die Bgin. der DB nur solchen Dampf zur Verfügung gestellt, den die DB zur Erzeugung von elektrischem Strom für die Bgin. zu verwenden hätte, so läge nach der Auffassung des Senats einwandfrei keine Lieferung des Dampfes seitens der Bgin. an die DB vor, weil die DB von der Bgin. nicht die freie Verfügungsbefugnis über den Dampf erhalten hätte, da sie ihn gemäß der Bestimmung der Bgin. als zweckgebunden zu verwenden gehabt hätte. Die DB hätte in solchem Falle ein Leistungsentgelt erhalten, bei dessen Kalkulation der Wert des verwendeten Dampfes der Bgin. ausgeschieden wäre. Daß dieses Entgelt ein Werklieferungsentgelt für den im Auftrag der Bgin. hergestellten und gelieferten Strom wäre, ändert daran nichts, weil der zur Herstellung des Stromes zweckgebunden zur Verfügung gestellte Dampf nicht an dem Leistungsaustausch teilnimmt. Vergleiche Urteil des Reichsfinanzhofs V A 642/33 vom 19. November 1934, RStBl 1936 S. 189, dessen Grundgedanke auf den Streitfall anzuwenden ist. Es läge in einem solchen Falle also keine Lieferung des Dampfes von der Bgin. an die DB vor.
Der Umstand nun, daß die Bgin. der DB außer dem für die Bgin. zweckgebundenen Dampf auch solchen Dampf zugeleitet hat, über den die DB frei für ihre Zwecke verfügte (insoweit Lieferung von Dampf), kann nicht zur Folge haben, daß auch der zweckgebundene Dampf als "geliefert" zu behandeln wäre. Dampf ist ebenso wie Strom im Sinne des UStG ein Gegenstand, der geliefert werden kann. Der Umfang des gelieferten Dampfes wird nach einem bestimmten technischen Maßstab (Kilogewicht des Dampfes) bestimmt. Es bietet also keine technischen Schwierigkeiten, aus einer Menge von einem Abnehmer zugeleitetem Dampf diejenige Menge rechnungsmäßig auszuscheiden, die nicht in die freie Verfügung des Abnehmers übergeht, also nicht geliefert sein soll. So ist die Lage im Streitfall. Es liegt also in Ansehung des zweckgebundenen Dampfes keine Dampflieferung der Bgin. an die DB vor, sondern lediglich eine zweckgebundene Zurverfügungstellung von Dampf zur Herstellung von Strom für die Bgin. Ein umsatzsteuerbarer Vorgang ergibt sich hieraus für die Bgin. nicht. Der Streitfall liegt anders als der Fall in der Entscheidung vom 19. April 1944 (RStBl S. 669), in dem für den Bezug des sogenannten Baustromes ein fester Bezugspreis vereinbart, der Strom nach der Feststellung des damals erkennenden Senats also geliefert worden war.
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts war daher als unbegründet zurückzuweisen. Die Kostenpflicht des Bundes folgt aus § 309 der Reichsabgabenordnung (AO).
Die Bgin. hat mündliche Verhandlung beantragt. Der Senat hat jedoch aus Zweckmäßigkeitsgründen zunächst gemäß § 294 AO ohne solche entschieden.
Fundstellen
Haufe-Index 408719 |
BStBl III 1957, 199 |
BFHE 1957, 534 |
BFHE 64, 534 |