Entscheidungsstichwort (Thema)
Veräußerung von GmbH-Anteilen zur Vermeidung der Besteuerung eines Liquidationsgewinns als mißbräuchliche Gestaltung i.S. von § 42 AO 1977 - Unangemessene rechtliche Gestaltung
Leitsatz (amtlich)
Der Verkauf aller Anteile an einer GmbH zwecks Vermeidung einer Versteuerung des Liquidationserlöses nach § 20 Abs.1 Nr.2 EStG ist rechtsmißbräuchlich i.S. von § 42 AO 1977, wenn die GmbH im Zeitpunkt der Veräußerung ihre geschäftliche Tätigkeit bereits eingestellt hat, ihr gesamtes Vermögen faktisch (durch darlehensweise Überlassung) an die Gesellschafter verteilt ist und der mit dem Erwerber der Anteile vereinbarte "Kaufpreis" durch Übernahme der Darlehensverbindlichkeiten der Gesellschafter gegenüber der GmbH zu entrichten ist (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 23. Oktober 1996 I R 55/95).
Orientierungssatz
1. Eine Umgehung i.S. von § 42 AO 1977 ist gegeben, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die --gemessen an dem erstrebten Ziel-- unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Eine rechtliche Gestaltung ist unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte typische Gestaltung zum Erreichen bestimmter wirtschaftlicher Ziele nicht gebraucht, sondern hierfür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel, Steuern zu sparen, nicht erreichbar sein soll. Der Steuerpflichtige kann sich auf die von ihm gewählte zivilrechtliche Gestaltung nicht berufen, wenn verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung nicht in dieser Weise verfahren wären. Der Mißbrauch kann auch darin bestehen, daß der Steuerpflichtige einen anderen zu einer derartigen unangemessenen Gestaltung veranlaßt und daraus einen ungerechtfertigten Steuervorteil zieht.
2. Ein Wahlrecht, die bei förmlicher Liquidation einer unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft oder Personenvereinigung nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG entstehende Einkommensteuer auf den Liquidationserlös durch den formalen Abschluß eines Kaufvertrages über die Geschäftsanteile zu vermeiden, gewährt das EStG nicht.
Normenkette
AO 1977 § 42; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) wurde im Streitjahr 1982 zusammen mit ihrem Ehemann (E) zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin und die Revisionsbeklagten zu 2 und 3 sind Erben des während des Revisionsverfahrens verstorbenen E.
An der im Jahr 1979 gegründeten B-GmbH waren die Klägerin und E mit je einem Viertel der Anteile beteiligt. Die weiteren Gesellschafter waren ebenfalls Eheleute mit Anteilen von je 25 %. Die B-GmbH war als "Projektgesellschaft" konzipiert, deren alleiniger Zweck es war, ein größeres Grundstück zu verwerten (Beplanung und Baureifmachung; Darstellung der Finanzierung der Bebauung; Vermarktung). Nach der Abwicklung des Einzelprojekts bestand das Gesellschaftsvermögen im wesentlichen nur noch aus Barmitteln in Höhe von ca. 2 Mio DM. Die B-GmbH überließ die Gelder ihren Gesellschaftern, indem sie jedem Gesellschafter ein Viertel als verzinslichen Kredit gewährte. Sonstige geschäftliche Aktivitäten entfaltete die B-GmbH nicht mehr.
Am 8. März 1982 erhielt ein Verwaltungsrat der X-AG, einer Domizilgesellschaft mit Sitz in B. (Schweiz), von den Gesellschaftern der B-GmbH 50 000 DM. Am 9. März 1982 gründete die X-AG die X-GmbH mit Sitz im Inland. Bereits am Tag der Gründung bezeichnete sich die X-GmbH als alleinige Gesellschafterin der B-GmbH und berief die bisherigen Geschäftsführer ab. Mit anschließendem Kaufvertrag vom 17. März 1982 verkauften die Gesellschafter der B-GmbH ihre Geschäftsanteile an die X-GmbH. Den vereinbarten Kaufpreis von 1 920 000 DM erbrachte die X-GmbH, indem sie die Darlehensverbindlichkeiten der Gesellschafter gegenüber der B-GmbH (je 480 000 DM) übernahm. Die den Kaufpreis übersteigenden Darlehen in Höhe von 114 488 DM mußten die Gesellschafter der B-GmbH zurückzahlen. Durch Gesellschafterbeschluß vom 29. März 1982 wurde die B-GmbH mit der X-GmbH verschmolzen. Am 25. Oktober 1982 wurde die Liquidation der X-GmbH beschlossen.
Durch geänderten Einkommensteuerbescheid 1982 erfaßte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) einen Betrag in Höhe der für die GmbH-Anteile vereinbarten Verkaufspreise als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA).
Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 385). Der Gewinn aus dem Verkauf von im Privatvermögen gehaltenen Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, bei denen es sich nicht um wesentliche Beteiligungen i.S. von § 17 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) handele, sei nicht steuerbar. Eine vGA liege nicht vor, da die B-GmbH nicht auf die Rückzahlung der Darlehen verzichtet habe. Auch ein Mißbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten sei nicht gegeben. Dies gelte unabhängig davon, ob die Gesellschafter der B-GmbH mit der Zahlung von 50 000 DM an einen Verwaltungsrat der X-AG das Stammkapital der X-GmbH finanzierten oder ob sie eine Provision für die Vermittlung des GmbH-Verkaufs vergüteten.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 42 der Abgabenordnung --AO 1977--). Es macht geltend, die steuerfreie Veräußerung von GmbH-Anteilen sei ein Mißbrauch, wenn der Verkauf ausschließlich erfolge, um die Besteuerung von Bezügen im Rahmen einer Liquidation nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu vermeiden. Außersteuerliche Gründe für den Verkauf seien nicht gegeben.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und die Revisionsbeklagten zu 2 und 3 beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Die Klägerin und die Revisionsbeklagten zu 2 und 3 machen geltend, ein Mißbrauch liege nicht vor, denn es entspreche dem Willen des Gesetzgebers, den Gewinn aus der Veräußerung unwesentlicher Beteiligungen nicht zur Einkommensteuer heranzuziehen. Im übrigen hätten die Klägerin und E aus wirtschaftlichen Gründen den Verkauf der Anteile anstelle der Liquidation der B-GmbH gewählt, denn ein Verkauf sei der schnellere und einfachere Weg, sich von einer GmbH-Beteiligung zu trennen. So müsse die Sperrfrist des § 73 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) nicht eingehalten und die Verwaltung des Gesellschaftsvermögens während der Liquidation nicht sichergestellt werden. Zudem könne die spätere Verschmelzung der B-GmbH mit der X-GmbH nicht den Gesellschaftern der B-GmbH zugerechnet werden. Die Käuferin sei ein fremder Dritter gewesen, auf dessen Verhalten nach dem Verkauf kein Einfluß mehr bestanden habe.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Die von der Klägerin und E anläßlich der Veräußerung ihrer Geschäftsanteile erzielten Erlöse in Höhe von 960 000 DM sind als Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu erfassen. Der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die im Privatvermögen gehalten werden und nicht zu den wesentlichen Beteiligungen i.S. des § 17 Abs. 1 EStG gehören, unterliegt zwar grundsätzlich nicht der Einkommensteuer. Das gilt jedoch nicht, wenn sich die Veräußerung der Anteile --wie im Streitfall-- als ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S. von § 42 AO 1977 darstellt.
1. Bei der rechtlichen Gestaltung wirtschaftlicher Vorgänge ist der Steuerpflichtige im Rahmen der Gesetze frei. Er darf seine rechtlichen Verhältnisse so gestalten, daß sich eine möglichst geringe Steuerlast ergibt (Entscheidungen des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. November 1982 GrS 1/81, BFHE 137, 433, BStBl II 1983, 272, und vom 23. Oktober 1996 I R 55/95, BFHE 181, 490, BStBl II 1998, 90).
Eine Umgehung i.S. von § 42 AO 1977 ist erst dann gegeben, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die --gemessen an dem erstrebten Ziel-- unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (st. Rspr., vgl. z.B. BFH-Urteile vom 26. März 1996 IX R 51/92, BFHE 180, 330, BStBl II 1996, 443, m.w.N., und vom 14. Mai 1992 V R 56/89, BFHE 168, 472, BStBl II 1992, 859, m.w.N.). Eine rechtliche Gestaltung ist unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte typische Gestaltung zum Erreichen bestimmter wirtschaftlicher Ziele nicht gebraucht, sondern hierfür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel, Steuern zu sparen, nicht erreichbar sein soll (BFH-Urteile vom 16. Januar 1992 V R 1/91, BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541; vom 13. Oktober 1992 VIII R 3/89, BFHE 169, 336, BStBl II 1993, 477). Der Steuerpflichtige kann sich auf die von ihm gewählte zivilrechtliche Gestaltung nicht berufen, wenn verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung nicht in dieser Weise verfahren wären (BFH-Urteil in BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541). Der Mißbrauch kann auch darin bestehen, daß der Steuerpflichtige einen anderen zu einer derartigen unangemessenen Gestaltung veranlaßt und daraus einen ungerechtfertigten Steuervorteil zieht (BFH-Urteil in BFHE 168, 472, BStBl II 1992, 859).Nach diesen Grundsätzen ist die vertragliche Gestaltung unangemessen. Die Gesellschafter der B-GmbH haben die Verteilung des Vermögens der B-GmbH nach Einstellung ihrer gewerblichen Tätigkeit erreicht, ohne den üblichen Weg der Liquidation (§§ 60 ff. GmbHG) mit der in § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG vorgesehenen Rechtsfolge der Versteuerung des Liquidationserlöses zu beschreiten.Für ausgeschüttete Erträge aus der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft gilt im System des körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahrens der Grundsatz, daß sie im Ergebnis nur einmal, und zwar nach dem individuellen Steuersatz des Anteilseigners besteuert werden sollen (BFH-Urteil in BFHE 181, 490, BStBl II 1998, 90). Dies erfordert, daß grundsätzlich alle Beteiligungserträge als einkommensteuerpflichtige Einkünfte der Anteilseigner erfaßt werden. Dementsprechend werden nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG sämtliche Einnahmen, die einem Gesellschafter aufgrund seiner Beteiligung an einer GmbH zufließen, als Einkünfte aus Kapitalvermögen besteuert; ausgenommen sind nur die Erlöse aus der Veräußerung im Privatvermögen gehaltener Geschäftsanteile, die keine wesentlichen Beteiligungen i.S. des § 17 Abs. 1 EStG sind. Zu den steuerpflichtigen Einnahmen aus Kapitalvermögen gehören gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG insbesondere Kapitalerträge, die die Gesellschafter einer GmbH nach deren Auflösung erhalten (Liquidationsraten). Dieser Rechtsfolge haben sich die Gesellschafter der B-GmbH mit der von ihnen gewählten Gestaltung entzogen.
Faktisch war die B-GmbH, die als "Projektgesellschaft" nur ein einzelnes Immobiliengeschäft durchführen sollte und durchgeführt hat, zum Zeitpunkt des Verkaufs der Geschäftsanteile bereits abgewickelt. Die Geschäftstätigkeit war beendet und das Gesellschaftsvermögen im wirtschaftlichen Ergebnis durch die darlehensweise Überlassung der vorhandenen Barmittel an die Gesellschafter verteilt. Lediglich als rechtliche Hülle (GmbH-Mantel) war die B-GmbH noch existent. Bei dieser Sachlage hätte es wirtschaftlich vernünftigem Vorgehen entsprochen, wenn die Gesellschafter die erforderlichen Maßnahmen zur vollständigen rechtlichen Abwicklung ergriffen hätten. Diesen wirtschaftlich angemessenen Weg haben sie indes mit der Veräußerung der Geschäftsanteile vermieden.Der Anwendung des § 42 AO 1977 steht hier nicht entgegen, daß der Gewinn aus der Veräußerung unwesentlicher Beteiligungen grundsätzlich nicht der Einkommensteuer unterliegt. Denn im Streitfall ist davon auszugehen, daß der wirtschaftliche Wille der Klägerin, des E und ihrer Mitgesellschafter nicht auf eine Beteiligungsveräußerung, sondern auf eine Liquidation der B-GmbH gerichtet war (vgl. BFH-Urteil in BFHE 181, 490, BStBl II 1998, 90).
Der Vertrag über den Verkauf der Gesellschaftsanteile verdeckt, daß es den Gesellschaftern der B-GmbH nicht auf ein Entgelt für die Übertragung der Geschäftsanteile ankam. Durch die Vereinbarung eines "Kaufpreises" wurde vielmehr das zunächst als Darlehen überlassene Vermögen der B-GmbH endgültig an die Gesellschafter verteilt. Maßgebliches Indiz hierfür ist die faktische Abwicklung der B-GmbH vor dem Verkauf. Aufgrund des Kaufvertrags wurde lediglich eine GmbH-Hülle an die Käuferin weitergegeben. Alle wesentlichen Vermögenswerte der B-GmbH verblieben dagegen bei den Gesellschaftern der B-GmbH. Diese behielten im wirtschaftlichen Ergebnis das an sie verteilte Gesellschaftsvermögen. Die Käuferin hat für den Erwerb des GmbH-Mantels kein Entgelt bezahlt. In der Vereinbarung eines Kaufpreises, der durch Übernahme der Darlehensverpflichtungen der Gesellschafter zu entrichten war, ist steuerrechtlich nur ein unbeachtliches "Hin und Her" zu sehen. Denn aufgrund dieser Vereinbarung entstanden in der Person der Käuferin lediglich formale Rechte (als alleinige Gesellschafterin der B-GmbH) und Pflichten (als Darlehensschuldnerin), die sich im Ergebnis gegenseitig ausglichen. Die Lage der Käuferin wäre nicht anders gewesen, wenn sie selbst der B-GmbH die Zuführung von Geldvermögen zugesagt hätte. Dieser wirtschaftlichen Situation entsprechend ist aus dem eigenem Vermögen der Käuferin kein Kaufpreis an die Verkäufer geflossen. Dies bestätigt, daß wirtschaftlich gesehen die Gesellschafter der B-GmbH das Gesellschaftsvermögen behalten haben. Ein Wahlrecht, die bei förmlicher Liquidation entstehende Einkommensteuer auf den Liquidationserlös durch den formalen Abschluß eines Kaufvertrages über die Geschäftsanteile zu vermeiden, gewährt das EStG jedoch nicht.Im Streitfall kommt es auch nicht darauf an, ob ein dauerhafter Erwerb der Geschäftsanteile durch die Käuferin beabsichtigt war. Dieser Gesichtspunkt kann in solchen Fällen entscheidungserheblich sein, in denen die Geschäftsanteile von Körperschaften übertragen werden, die im Zeitpunkt der Übertragung noch im Wirtschaftsleben aktiv sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 181, 490, BStBl II 1998, 90). Dagegen kommt ihm keine Bedeutung bei Gesellschaften zu, die --wie die B-GmbH-- im Zeitpunkt der Veräußerung der Geschäftsanteile faktisch bereits liquidiert und nur noch als GmbH-Mantel existent sind.Die Gestaltung ist im Streitfall nicht durch beachtliche wirtschaftliche Gründe gerechtfertigt. Die Sperrfrist des § 73 GmbHG, die im Falle einer Liquidation zum Schutz der Gläubiger eine vorzeitige Verteilung des Gesellschaftsvermögens auf die Gesellschafter verbietet, kann die Veräußerung der Geschäftsanteile nicht rechtfertigen. Das wesentliche Vermögen der B-GmbH war mittels der Gewährung von Darlehen bereits faktisch an die Gesellschafter verteilt (zur Frage der zivilrechtlichen Zulässigkeit der Darlehenshingabe an die Gesellschafter während der Sperrfrist vgl. Scholz/K. Schmidt, Kommentar zum GmbHG, 8. Aufl., § 73 Rz. 2 a). Da die Geldmittel den Gesellschaftern ohne zeitliche Verzögerung zur Verfügung standen, stellte die Sperrfrist keine gewichtige Belastung mehr dar.
Auch das Liquidationsrisiko ist im Streitfall unbeachtlich. Die tatsächliche Abwicklung der Geschäfte der B-GmbH war im Verkaufszeitpunkt bereits abgeschlossen. Sonstige Risiken, insbesondere ausstehende Ansprüche von Gläubigern der B-GmbH, sind nach den Feststellungen des FG nicht erkennbar und wurden von der Klägerin und E auch nicht substantiiert geltend gemacht. Allein die Abwälzung der mit der Liquidation verbundenen Pflichten auf einen Erwerber (z.B. Anmeldung der Auflösung zur Eintragung in das Handelsregister) und der sonstige notwendige Verwaltungsaufwand bis zur Beendigung der GmbH sind im Streitfall keine beachtlichen Gründe für eine Veräußerung. Insbesondere war die Erfüllung der steuerlichen Pflichten (Jahresabschlüsse; Steuererklärungen) hier mit keinem nennenswerten Aufwand verbunden, da die B-GmbH ihre Geschäftstätigkeit bereits beendet hatte und ihr Vermögen im wesentlichen nur aus den Darlehensforderungen gegen die Gesellschafter bestand.Die Klägerin und E haben bei der Veräußerung ihrer Geschäftsanteile mit der Absicht der Steuerumgehung gehandelt. Bei einer den wirtschaftlichen Verhältnissen unangemessenen Gestaltung spricht eine tatsächliche Vermutung für die Mißbrauchsabsicht des Steuerpflichtigen, wenn für diese Gestaltung --wie hier-- wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen (Urteil des Senats vom 28. Januar 1992 VIII R 7/88, BFHE 167, 273, BStBl II 1993, 84). Die Klägerin und E als ehemaliger Geschäftsführer der B-GmbH haben alle Umstände der Vertragsgestaltung gekannt. Anhaltspunkte dafür, daß der Verkauf gleichwohl nicht mit dem Ziel der Steuerumgehung erfolgte, haben die Klägerin und E nicht substantiiert vorgetragen. Umstände, die gegen eine Umgehungsabsicht sprechen könnten, sind auch aus dem vom FG festgestellten Sachverhalt nicht ersichtlich.
2. Das angefochtene Urteil beruht auf einer anderen Rechtsauffassung; es ist daher aufzuheben. Der Senat kann abschließend in der Sache entscheiden, da das FG die hierfür erforderlichen Tatsachen (§ 118 FGO) festgestellt hat.
Die Steuerfestsetzung durch das FA ist der Höhe nach nicht zu beanstanden. Liegt ein Mißbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entstanden wäre (§ 42 Satz 2 AO 1977). Im Streitfall wäre es angemessen gewesen, wenn die Klägerin, E und ihre Mitgesellschafter selbst die rechtliche Liquidation der B-GmbH durchgeführt hätten. In diesem Fall wären die angefallenen Bezüge nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu versteuern gewesen. Zutreffend hat das FA deshalb den vereinbarten "Kaufpreis" für die Geschäftsanteile als Einkünfte aus Kapitalvermögen erfaßt.
Fundstellen
Haufe-Index 55271 |
BFH/NV 1999, 241 |
BStBl II 1999, 729 |
BFHE 186, 534 |
BFHE 1999, 534 |
BB 1998, 2511 |
BB 1998, 2511-2513 (Leitsatz und Gründe) |
DB 1998, 2449 |
DB 1998, 2449-2451 (Leitsatz und Gründe) |
DStR 1998, 1868 |
DStR 1998, 1868-1870 (Leitsatz und Gründe) |
DStRE 1998, 957 |
DStZ 1999, 145 |
HFR 1999, 84 |
StE 1998, 760 (Leitsatz) |