Erlass mit Übergangsregelung zur Anwendung dieser Entscheidung
Entscheidungsstichwort (Thema)
Reiseleistungen bei Zwischenschaltung einer inländischen Tochtergesellschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Reiseleistung i.S. des § 25 Abs. 1 UStG 1980 liegt auch vor, wenn der Unternehmer nur eine Leistung --wie z.B. die Weitervermietung von Ferienwohnungen ohne Anreise und Verpflegung-- erbringt.
2. Seit Inkrafttreten der Richtlinie 77/388/EWG werden Steuerpflichtige, die bei der Erbringung von Dienstleistungen im eigenen Namen, aber für Rechnung Dritter tätig werden, so behandelt, als ob sie diese Dienstleistungen selbst erhalten und erbracht hätten (Abgrenzung gegenüber der bisherigen Rechtsprechung zur sog. Leistungskommission). Deshalb ist auch der Unternehmer, der Reiseleistungen im eigenen Namen aber für Rechnung eines Dritten erbringt, so zu behandeln, als ob er die von dem Dritten bezogenen Reisevorleistungen selbst erhalten hätte.
3. Vermittelt eine inländische Tochtergesellschaft Reiseleistungen im Namen ihrer ausländischen Muttergesellschaft, können die Reiseleistungen der Muttergesellschaft nicht der Tochtergesellschaft zugerechnet werden.
Normenkette
UStG 1980 §§ 3a, 25 Abs. 1; EWGRL 388/77 Art. 6; UStG 1980 § 3; EWGRL 388/77 Art. 26
Verfahrensgang
Hessisches FG (Dok.-Nr. 0146711; EFG 1998, 1548) |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Frankfurt am Main. Ihre Muttergesellschaft ist die CH-AG, eine Aktiengesellschaft nach schweizerischem Recht mit Sitz und Geschäftsleitung in Zürich. Durch ihre Generalvertreter bietet die CH-AG in verschiedenen europäischen Ländern Ferienhäuser und -wohnungen sowie Hotelunterkünfte als Mietobjekte an. Die Klägerin ist aufgrund eines im November 1969 abgeschlossenen Vertrages als Generalvertreterin der CH-AG auf Provisionsbasis in der Bundesrepublik Deutschland tätig.
Die CH-AG schließt jeweils vor Saisonbeginn mit Ferienwohnungseigentümern und Hoteliers Mietverträge über hauptsächlich in der Schweiz, Österreich, Frankreich, Italien und Spanien gelegene Ferienwohnungen und Hotelunterkünfte ab, die dem interessierten Publikum in einem nach Zielländern geordneten Saisonkatalog angeboten werden.
Die Buchung der Ferienhäuser oder -wohnungen erfolgt durch --in der Regel telefonische-- Anfrage der Reiseinteressenten bei einer Reservierungsstelle der Klägerin oder bei einem selbständigen Reisebüro.
Soweit sich die Kunden unmittelbar an die Klägerin wenden, wird von deren Mitarbeitern durch Rückfrage bei der CH-AG geprüft, ob das Mietobjekt frei ist.
Sodann wird die Reservierung vorgenommen und an die CH-AG gemeldet, die im Anschluß daran die Rechnung erstellt und diese aus Zürich an die Kunden versendet. Im Kopf der Rechnung sind Name und Anschrift der Klägerin in Frankfurt aufgeführt. Die Rechnungen enthalten den Hinweis, daß die Vermittlung des Ferienobjekts im Namen und für Rechnung der CH-AG erfolge. Außerdem erhalten die Kunden eine Reservierungsbestätigung, auf der sich Name und Adresse der Klägerin befinden.
Soweit sich die Kunden unmittelbar an ein Reisebüro wenden, leitet dieses die Reservierungswünsche an die CH-AG weiter. Die Zahlungen der Kunden erfolgen an das Reisebüro und werden von dort an die Klägerin weitergeleitet.
Die Klägerin bietet den Kunden bei der Reservierung eines Objekts eine Reiserücktrittskostenversicherung an und hat hierzu im eigenen Namen eine Rahmenversicherung mit dem Versicherer abgeschlossen. Reklamationen und Meinungsverschiedenheiten von Kunden werden von der Klägerin bearbeitet. Diese tritt auch in zivilgerichtlichen Verfahren als Beklagte in Erscheinung.
In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1987 bis 1990 erklärte die Klägerin keinerlei Reiseleistungen, da sie davon ausging, daß sie lediglich für ihre Muttergesellschaft als Generalvertreterin Vermittlungsleistungen erbracht habe, die im Inland nicht steuerbar seien.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) kam hingegen im Anschluß an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung zum Ergebnis, die Klägerin habe die Vermietung der Ferienunterkünfte an ihre Kunden nicht nur vermittelt; die Vermietungsleistungen seien vielmehr der Klägerin als Eigenleistungen zuzurechnen; sie seien Reiseleistungen gemäß § 25 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1980 (UStG) und deshalb im Inland (Erhebungsgebiet) zu versteuern. Dementsprechend setzte es die Umsatzsteuer abweichend von den Erklärungen der Klägerin fest, indem es die Vermietungsleistungen --soweit es nicht um Ferienwohnungen u.ä. in Drittländern ging-- der Steuer unterwarf. Die Einsprüche gegen die Steuerbescheide hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab den dagegen gerichteten Klagen statt. Das FG ließ dahingestellt, ob die Klägerin Reiseleistungen im eigenen Namen erbracht habe oder lediglich Vermittlungsleistungen; es war der Auffassung, die Klägerin habe in keinem Fall den Tatbestand des § 25 UStG erfüllt, da sie keine Reisevorleistungen i.S. des § 25 Abs. 1 Satz 5 UStG in Anspruch genommen habe. Nur die CH-AG und nicht die Klägerin habe unmittelbare Leistungsbeziehungen zu den Eigentümern der Ferienwohnungen und den Betreibern der Hotels unterhalten. Da die Leistungen der Klägerin im Zusammenhang mit ausländischen Grundstücken (den Ferienhäusern, Ferienwohnungen und Hotels) stünden, seien sie dort ausgeführt worden (§ 3a Abs. 2 Nr. 1 UStG). Von den beiden Urteilen ist das die Streitjahre 1987 bis 1989 betreffende (6 K 3093/93) in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 1548 veröffentlicht.
Gegen die Urteile hat das FA Revisionen eingelegt. Es rügt Verletzung materiellen Rechts.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidungen die Klagen abzuweisen.
Die Klägerin ist den Revisionen entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Verbindung der Revisionen beruht auf § 73 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Revisionen sind begründet. Sie führen zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Zurückverweisung der Sachen an das FG.
Das FG durfte nicht dahinstehen lassen, ob die Klägerin die Leistungen an ihre Kunden im eigenen Namen oder im Namen der CH-AG erbracht hat. Im erstgenannten Fall kommen --entgegen der Ansicht des FG-- Reiseleistungen der Klägerin i.S. des § 25 UStG in Betracht, die im Erhebungsgebiet (Inland) zu versteuern sind.
1. § 25 UStG gilt für Reiseleistungen eines Unternehmers, die nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers bestimmt sind, soweit der Unternehmer dabei gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen auftritt und Reisevorleistungen in Anspruch nimmt. Nach § 25 Abs. 1 Satz 4 UStG i.V.m. § 3a Abs. 1 UStG werden Reiseleistungen an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Wird die Reiseleistung von einer Betriebstätte ausgeführt, so gilt die Betriebstätte als Ort der sonstigen Leistungen. Die abweichende Vorschrift des § 3a Abs. 2 Nr. 1 UStG für Grundstücksvermietungen und ähnliche Umsätze im Zusammenhang mit einem Grundstück findet insoweit keine Anwendung.
§ 25 UStG ist eine Sondervorschrift für die Besteuerung von Reiseleistungen, die ihre gemeinschaftsrechtliche Grundlage in Art. 26 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) hat. Bei der richtlinienkonformen Auslegung des § 25 UStG ist deshalb die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zu Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG zu beachten.
2. Die (Weiter-)Vermietung angemieteter Ferienhäuser, Ferienwohnungen und Hotelzimmer ist eine Reiseleistung i.S. des § 25 Abs. 1 UStG. Eine Reiseleistung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch vor, wenn der Unternehmer nur eine Leistung --wie z.B. Vermietung von Ferienwohnungen ohne Anreise und Verpflegung-- erbringt (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. Januar 1993 V B 95/92, BFH/NV 1994, 346, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1993, 263; ebenso zu Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG, EuGH-Urteil vom 12. November 1992 Rs. C-163/91 --van Ginkel--, Slg. 1992, I-5723, UR 1993, 118).
3. Das FG hat dahinstehen lassen, ob die Klägerin die Vermietungsleistungen im eigenen Namen oder im Namen der CH-AG erbracht hat. Allerdings ist davon auszugehen, daß die Klägerin insoweit in jedem Fall für Rechnung der CH-AG tätig geworden ist. Nach den Feststellungen des FG hat die CH-AG die Rechnungen erstellt.
a) Hat die Klägerin die Vermietungsleistungen im eigenen Namen erbracht, fehlt es entgegen der Auffassung des FG nicht an --von der Klägerin bezogenen-- Reisevorleistungen. Die Ferienunterkünfte sind zwar nicht von der Klägerin, sondern von der CH-AG angemietet worden; die Klägerin ist aber --falls sie die Räume im eigenen Namen weitervermietet hat-- so zu behandeln, als ob sie selbst i.S. des § 25 Abs. 1 Satz 1 UStG diese Reisevorleistungen in Anspruch genommen hätte.
Reisevorleistungen sind Lieferungen und sonstige Leistungen Dritter, die den Reisenden unmittelbar zugute kommen (§ 25 Abs. 1 Satz 5 UStG). Dies sind im Streitfall die Leistungen der Ferienhausbesitzer, Hoteliers usw., die die CH-AG für die Reisenden bezogen hat. Da die Klägerin für Rechnung der CH-AG tätig wurde, ist sie --falls sie gleichwohl im eigenen Namen handelte-- so zu behandeln, als ob sie die an die Reisenden erbrachten Dienstleistungen selbst erhalten und erbracht hätte.
Nach Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG werden Steuerpflichtige, die bei der Erbringung von Dienstleistungen im eigenen Namen, aber für Rechnung Dritter tätig werden, so behandelt, als ob sie diese Dienstleistungen selbst erhalten und erbracht hätten.
Das Umsatzsteuergesetz kennt zwar eine entsprechende Regelung nur für das Kommissionsgeschäft bei Lieferungen (§ 3 Abs. 3 UStG). Bei richtlinienkonformer Auslegung des Umsatzsteuergesetzes muß jedoch für sonstige Leistungen Entsprechendes gelten.
Die entsprechende Anwendung der Vorschrift des § 3 Abs. 3 UStG auf sonstige Leistungen war umstritten. Der Senat hat bislang diese für Warenkommissionäre des Handelsrechts geltende Regelung nicht --über ihren Wortlaut hinausgehend-- bei Einschaltung einer Mittelsperson zur Weitergabe von sonstigen Leistungen entsprechend angewendet (Ablehnung der sog. Leistungskommission, vgl. BFH-Urteile vom 15. Dezember 1983 V R 169/75, BFHE 140, 354, BStBl II 1984, 388, und vom 25. Oktober 1990 V R 20/85, BFHE 162, 515, BStBl II 1991, 193); dabei hat er sich entscheidend von der Entstehungsgeschichte der Vorschrift leiten lassen. Dieser Gesichtspunkt kann nur für Fälle vor Inkrafttreten des Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG entscheidend sein. Für die Zeit nach Inkrafttreten dieser Vorschrift ist eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des Umsatzsteuergesetzes geboten.
b) Hat die Klägerin die Vermietungsleistungen im Namen der CH-AG erbracht, kommt zwar ebenfalls ihre Besteuerung im Inland (Erhebungsgebiet) in Betracht, falls die Klägerin eine Betriebstätte (§ 25 Abs. 1 Satz 4 UStG i.V.m. § 3a Abs. 1 Satz 2 UStG) oder Niederlassung (Art. 26 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG) der CH-AG war (vgl. EuGH-Urteil vom 20. Februar 1997 Rs. C-260/95 --DFDS--, Slg. 1997, I-1005, UR 1997, 179, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 1997, 172, und Abschn. 33 Abs. 1 Satz 5 der Umsatzsteuer-Richtlinien --UStR--). In diesem Fall lägen jedoch Reiseleistungen der CH-AG und nicht der Klägerin vor, so daß die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide zu ändern wären.
Daß die Reiseleistungen der CH-AG nicht der Klägerin zuzurechnen sind, zeigt auch die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG. Danach sind die Wirkungen einer grenzüberschreitenden Organschaft --wie sie im Streitfall vorliegen dürfte-- auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Demnach können die (Eingangs- und Ausgangs-) Umsätze der ausländischen Muttergesellschaft, auch soweit sie im Inland (Erhebungsgebiet) getätigt wurden, nicht der inländischen Tochtergesellschaft zugerechnet werden (vgl. Abschn. 21a Abs. 7 UStR).
Fundstellen
BFH/NV 2000, 287 |
BStBl II 2004, 308 |
BFHE 190, 235 |
BFHE 2000, 235 |
BB 1999, 2658 |
DStR 1999, 2120 |
DStRE 2000, 45 |
HFR 2000, 122 |
StE 1999, 787 |
UR 2000, 26 |
LEXinform-Nr. 0552767 |
RdW 2000, 332 |
stak 2000 |