Leitsatz (amtlich)
Dem Betriebsvermögen einer GmbH & Co. KG ist der im Alleineigentum des Kommanditisten stehende Anteil an der geschäftsführenden Komplementär-GmbH nur hinzuzurechnen, wenn sich die GmbH auf die Geschäftsführung für die KG beschränkt oder wenn ein daneben bestehender eigener Geschäftsbetrieb von ganz untergeordneter Bedeutung ist (Änderung der Rechtsprechung).
Normenkette
BewG 1965 § 2 Abs. 1-2, § 95 Abs. 1, § 97 Abs. 1 Nr. 5, § 110 Abs. 1 Nr. 3 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens einer GmbH & Co. KG, ob die Anteile des Kommanditisten an der geschäftsführenden Komplementär-GmbH als Sonderbetriebsvermögen des Kommanditisten dem Betriebsvermögen der KG hinzuzurechnen sind, wenn sich die GmbH nicht auf die Geschäftsführung für die KG beschränkt, sondern daneben noch einen eigenen, nicht unerheblichen Geschäftsbetrieb unterhält.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte zu 1 (Klägerin zu 1) ist eine GmbH & Co. KG mit Sitz in Berlin (West). Sie betreibt den Handel mit... Geschäftsführende Komplementärin ist die ... GmbH in N (Bundesrepublik). Sie betreibt den Großhandel mit ... Einziger Kommanditist ist Herr H in N (Kläger und Revisionsbeklagter zu 2 - Kläger zu 2 -). Er ist außerdem Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der GmbH. Am Betriebsvermögen der Klägerin zu 1 sind die GmbH mit 77,42 v. H. und der Kommanditist mit 22,58 v. H. beteiligt. Die GmbH ist noch an drei weiteren Unternehmen der ... verarbeitenden Industrie beteiligt, ohne allerdings deren Geschäftsführer zu sein.
Mit geändertem Bescheid vom 5. Dezember 1977 führte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Feststellung und Verteilung des Einheitswerts des Betriebsvermögens wie folgt durch:
gesamt davon GmbH Kläger zu 2
DM DM DM
Einheitswert des Betriebs- vermögens der Klägerin zu 1 ./. 22 000 ./. 120 043 98 043
gemeiner Wert der Geschäfts- anteile des Klägers zu 2 3 400 000 - 3 400 000
3 378 000 ./. 120 043 3 498 043
Wegen der Behandlung der GmbH-Anteile als Sonderbetriebsvermögen des Kommanditisten bezog sich das FA auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. November 1967 IV R 139/67 (BFHE 90, 399, BStBl II 1968, 152 ).
Die Klägerin zu 1 macht geltend, daß bei ihr besondere Verhältnisse vorlägen, die es rechtfertigen, von dem allgemeinen Grundsatz, wonach die Anteile an der geschäftsführenden Komplementär-GmbH zum Sonderbetriebsvermögen des Kommanditisten gehörten, eine Ausnahme zu machen. Diese besonderen Verhältnisse sieht sie in folgendem: GmbH und KG gehörten nicht der gleichen Branche an; während die KG lediglich einen auf Berlin (West) beschränkten ...handel betreibe, sei die GmbH als überregionaler ...im- und exporteur sowie als Produzent tätig. Der Geschäftsbereich der KG sei nach Umsatz, Betriebsvermögen und Beschäftigtenzahl im Vergleich zur GmbH von untergeordneter Bedeutung. Zu der Möglichkeit, Ausnahmen von der Regel zuzulassen, beziehen sich die Kläger auf die BFH-Urteile vom 15. Oktober 1975 I R 16/73 (BFHE 117, 164, BStBl II 1976, 188 ), vom 6. Februar 1976 III R 93/74 (BFHE 118, 475, BStBl II 1976, 412 ) und vom 5. Dezember 1979 I R 184/76 (BFHE 129, 169, BStBl II 1980, 119 ).
Die Klage hatte Erfolg. Entgegen der Auffassung des Senats in seinem Urteil in BFHE 118, 475, BStBl II 1976, 412 , wonach die Beteiligung des Kommanditisten an der geschäftsführenden Komplementär-GmbH als Mittel der Einflußnahme auf die Geschäftsführung der KG in aller Regel als Hauptzweck gegenüber einer reinen Kapitalanlage anzusehen ist, leugnet das Finanzgericht (FG) das Bestehen eines solchen Rechtssatzes und will im Einzelfall gemäß § 95 des Bewertungsgesetzes 1965 (BewG) prüfen, ob die Beteiligung an der Komplementär-GmbH überwiegend der Einflußnahme auf die Geschäftsführung oder der Kapitalanlage dient. Im vorliegenden Fall überwiegt nach Auffassung des FG der Zweck der Kapitalanlage. Zwar sei nicht zu übersehen, daß der Kläger zu 2 aufgrund seiner Eigenschaft als Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der GmbH auf die Geschäftsführung der Klägerin zu 1 Einfluß auszuüben in der Lage sei, der weit über den Einfluß hinausgehe, der seinem Anteil von 22,58 v. H. an dem Gesellschaftskapital der KG entspreche. Damit sei aber der Zweck der Geschäftsanteile, Kapital bei der GmbH anzulegen, nicht in den Hintergrund getreten oder gar ganz verschwunden. Denn das Hauptengagement des Klägers zu 2 habe unverändert weiter bei der GmbH gelegen. Das ergebe sich aus dem beträchtlich größeren Umfang des Geschäftsbetriebs der GmbH im Vergleich zu dem der KG. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse sei der Kläger zu 2 in erster Linie GmbH-Gesellschafter, während seine Eigenschaft als Mitunternehmer an der KG in den Hintergrund trete. Es widerspreche der wirtschaftlichen Realität anzunehmen, der Kläger zu 2 halte die Geschäftsanteile an der GmbH, um auf die KG Einfluß nehmen zu können. Der Konzern sei vielmehr umgekehrt so konzipiert, daß die GmbH die KG von der Kapitalausstattung her und durch die Geschäftsführung beherrsche. Das Urteil des FG ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 61 veröffentlicht.
Dagegen wendet sich das FA mit der Revision. Es hält eine Ausnahme (Grenzfall) im Sinne der Rechtsprechung im vorliegenden Fall nicht für gegeben. Dazu könne insbesondere nicht ein Vergleich in der wirtschaftlichen Betätigung von GmbH und KG führen.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Der Senat hat in seinem Urteil vom 7. Dezember 1984 III R 35/79 ( BStBl II 1985, 236 ) seine ständige Rechtsprechung bestätigt, wonach gemäß § 97 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 95 Abs. 1 BewG 1965 in das gewerbliche Betriebsvermögen einer Mitunternehmerschaft nicht nur die im Gesamthandseigentum der Mitunternehmer stehenden Wirtschaftsgüter, sondern auch die Wirtschaftsgüter einzubeziehen sind, die einzelnen Gesellschaftern gehören, die aber der Gesellschaft zur Nutzung überlassen sind. Ebenso gehören zum Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft die einzelnen Gesellschaftern gehörenden Wirtschaftsgüter, die nicht der Gesellschaft, sondern den Gesellschaftern in ihrer gesellschaftsrechtlichen Stellung als Mitunternehmer dienen. Diese Folge ergibt sich bewertungsrechtlich aus § 110 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BewG, wie der Senat ebenfalls in seinem Urteil vom 7. Dezember 1984 III R 35/79 im einzelnen dargelegt hat.
2. Unter den zuletzt genannten Wirtschaftsgütern spielt der Anteil des Kommanditisten an der geschäftsführenden Komplementär-GmbH bei Beurteilung des gewerblichen Betriebsvermögens einer GmbH & Co. KG eine besondere Rolle. Dieser Anteil an der Komplementär-GmbH kann steuerlich beim Kommanditisten als Kapitalanlage zu seinem sonstigen Vermögen (§ 110 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 BewG) oder als Mittel der Einflußnahme auf den Betrieb der KG zu seinem gewerblichen Betriebsvermögen (§ 110 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BewG) gehören. Der Senat hat in seinem Urteil in BFHE 118, 475, BStBl II 1976, 412 im Anschluß an die zur Einkommensteuer ergangene Entscheidung in BFHE 117, 164, BStBl II 1976, 188 die Auffassung vertreten, daß solche Anteile an der Komplementär-GmbH beim Kommanditisten Betriebsvermögen sind. Den Grund dafür sah der Senat in der verstärkten Stellung des Kommanditisten in der KG, wenn er durch seine Beteiligung an der GmbH auch über diese seinen Einfluß auf den Betrieb der KG geltend machen könne. Der Senat hat diese Auffassung auch für den Fall vertreten, daß sich die Komplementär-GmbH nicht auf die Geschäftsführung für die KG beschränkt, sondern daneben einen eigenständigen, nicht unerheblichen Geschäftsbetrieb betreibt. Es sollte dabei in der Person der GmbH nicht darauf ankommen, ob ihr eigener Geschäftsbetrieb oder ihre Geschäftsführertätigkeit für die KG überwiegt. Der Senat hält an dieser Auffassung nicht mehr fest.
3. Nach § 95 Abs. 1 BewG gehören zum gewerblichen Betriebsvermögen alle Teile einer wirtschaftlichen Einheit, die dem Betrieb eines Gewerbes als Hauptzweck dient, soweit die Wirtschaftsgüter dem Betriebsinhaber gehören (gewerblicher Betrieb). Wie der Senat in seinem Urteil vom 21. März 1978 III R 32/76 (BFHE 125, 286, BStBl II 1978, 518 ) entschieden hat, bezieht sich der Relativsatz, der die Zweckbestimmung in die Definition des Betriebsvermögens einführt, nicht nur auf die wirtschaftliche Einheit, sondern auch auf deren Teile. Mithin gehören Wirtschaftsgüter nur dann zum Betriebsvermögen, wenn es ihr Hauptzweck ist, dem gewerblichen Betrieb zu dienen. Das ist der Fall, wenn sie überwiegend, d. h. zu mehr als 50 v. H. dem gewerblichen Betrieb dienen (vgl. Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 7. Aufl., § 95 BewG Anm. 32 und 51). So gehört nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 99 Abs. 2 Satz 1 BewG ein Grundstück, das losgelöst von dem gewerblichen Betrieb zum Grundvermögen gehören würde, nur dann zum Betriebsvermögen (und zwar ganz), wenn es zu mehr als der Hälfte seines Werts dem gewerblichen Betrieb dient. Für ein körperliches Wirtschaftsgut (z. B. ein Kraftfahrzeug), auch für ein immaterielles Wirtschaftsgut (z. B. ein Patent) mag die Entscheidung über die Zuordnung zum Betriebsvermögen oder zum sonstigen Vermögen noch verhältnismäßig einfach sein. Sie ist aber nicht mehr möglich bei der Frage, ob die Beteiligung an einer Komplementär-GmbH mit mehr als nur unbedeutendem eigenen Geschäftsbetrieb in der Hand eines Kommanditisten mehr als Instrument der Einflußnahme auf den Betrieb der KG oder mehr eine Kapitalanlage ist. Die Frage wird um so schwieriger, je mehr die GmbH mit einem eigenständigen Geschäftsbetrieb selbst werbend tätig wird. Hier fehlt es an Maßstäben, mit denen die verschiedenen Tätigkeitsbereiche der GmbH gemessen und voneinander abgegrenzt werden könnten. Wie der Streitfall zeigt, ist es auch wirtschaftlich häufig nicht gerechtfertigt, die Möglichkeit einer Einflußnahme auf die KG höher zu bewerten als das Interesse des Kommanditisten an einer privaten Kapitalanlage. Der Senat ist deshalb der Auffassung, daß Anteile eines Kommanditisten an einer Komplementär-GmbH bei ihm nur dann Betriebsvermögen sind und deshalb in den Einheitswert des gewerblichen Betriebsvermögens der KG einzubeziehen sind, wenn sich die GmbH auf die Geschäftsführertätigkeit für die KG beschränkt oder wenn ein daneben bestehender eigener Geschäftsbetrieb nur von ganz untergeordneter Bedeutung ist.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt, so daß dahingestellt bleiben kann, ob im Sinne der bisherigen Rechtsprechung ein Ausnahmefall vorliegt.
Das Urteil des FG, das im wesentlichen bereits von den gleichen Grundsätzen ausgegangen ist, war somit zu bestätigen.
Fundstellen
Haufe-Index 426108 |
BStBl II 1985, 241 |
BFHE 1985, 93 |