Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Werden Anteile an einer sanierungsbedürftigen Kapitalgesellschaft im Zusammenhang mit der änderung des Gegenstandes des Unternehmens im Rahmen einer Vereinbarung abgetreten, die bei wirtschaftlicher Betrachtung die sich aus Verlustabzügen der Vorjahre ergebenden steuerlichen Vorteile zum Gegenstand hat, so kann ein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts vorliegen, der zur Versagung des Verlustabzugs führt.
Normenkette
StAnpG § 6 Abs. 1-2; KStG § 6; EStG § 10/1/4
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beschwerdeführerin (Bfin.) die von ihr unter der Firma A.-GmbH in den Vorjahren erlittenen Verluste bei der Ermittlung ihres Einkommens für den Veranlagungszeitraum 1954 abziehen darf (ß 10 Abs. 1 Ziff. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG - 1953 in Verbindung mit § 6 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG -). Die Bfin., an deren Stammkapital von 60 000 DM der Gesellschafter L. mit 54 000 DM beteiligt war, wurde im Jahre 1950 zur Herstellung von Kleidern und Mänteln mit dem Sitz in Z. gegründet. Da sie seit ihrer Gründung bis zum Ende des Wirtschaftsjahres 1953 erhebliche Verluste erlitt (rund 980 000 DM), erhielt sie von dem Gesellschafter L. zur Fortführung des Betriebs Darlehen, die in den Schlußbilanzen 1950 mit 20 000 DM, 1951 mit rund 500 000 DM und 1952 mit rund 1 100 000 DM ausgewiesen waren.
Mitte des Jahres 1953 teilte die Bfin., die bei Berücksichtigung der Darlehen als Verbindlichkeiten erheblich überschuldet war, ihren Gläubigern durch ein Rundschreiben mit, daß sie sich zur Einstellung des Betriebs gezwungen sehe und die vorhandenen Vermögenswerte den Gläubigern zur außergerichtlichen Liquidation zur Verfügung stelle. Im Herbst des Jahres 1953 kam ein außergerichtlicher Vergleich zustande, auf Grund dessen die Gläubiger 30 v. H. ihrer Forderungen erhalten sollten. Dieser Vergleich wurde nur dadurch ermöglicht, daß der Gesellschafter L. auf eine anteilige Befriedigung seiner Darlehnsforderungen verzichtete.
Nachdem der Gesellschafter L. die restlichen Anteile an der Bfin. in Höhe von 6 000 DM erworben hatte, erhöhte er im Dezember 1953 das Stammkapital von 60 000 DM auf 600 000 DM und leistete die Einzahlung auf den von ihm übernommenen neuen Stammanteil durch Bareinzahlung in Höhe von 60 000 DM und durch Verrechnung des Restbetrages von 480 000 DM mit einem Teilbetrag seiner Darlehnsforderung.
Ab Mitte des Jahres 1953 führte der Gesellschafter L. mit dem Einzelkaufmann O., der an einem anderen Ort unter der Firma F. ein gutgehendes, sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Spirituosen befassendes Unternehmen besaß, Verhandlungen mit dem Ziel, den Geschäftsbetrieb dieses Unternehmens auf die Bfin. zu übertragen. Diese Verhandlungen führten am 10. Januar 1954 zu dem Ergebnis, daß L. an O. Anteile an der Bfin. in Höhe von 420 000 DM zum Kaufpreis von 4 200 DM abtrat, und durch Gesellschafterbeschluß Gegenstand, Firma und Sitz der Bfin. geändert wurden. Die Bfin. deren Sitz verlegt wurde, erhielt die Firma F.-GmbH und sollte sich in Zukunft im wesentlichen mit der Herstellung und dem Großhandel von Spirituosen befassen. Sie pachtete ab 1. Januar 1954 von der weiterbestehenden Einzelfirma des Gesellschafters O. die bisher seinem Betrieb dienenden Betriebsgrundstücke und das Anlagevermögen und kaufte das Umlaufvermögen unter Verrechnung der übernommenen Schulden. Aus diesem Pachtbetrieb erzielte die Bfin. in der Folgezeit erhebliche Gewinne.
Das Amtsgericht stellte seine zunächst gegen die Sitzverlegung und die änderung des Namens und des Gegenstandes des Unternehmens erhobenen Einwendungen schließlich zurück und trug das Ergebnis des Gesellschafterbeschlusses vom 10. Januar 1954 ins Handelsregister ein. Am 1. Dezember 1954 wurde das Stammkapital der Bfin. von 600 000 DM auf 1 000 000 DM erhöht. Der Gesellschafter L. tilgte seine aus dem übernommenen Anteil von 400 000 DM entstandene Einlageschuld durch Verrechnung mit einem Teil seiner Darlehnsforderung und trat den neuen Anteil an demselben Tage an den Gesellschafter O. gegen Zahlung von 150 000 DM ab. Dadurch verminderte sich seine Darlehnsforderung gegen die Bfin. auf rund 220 000 DM.
Das Finanzamt lehnte den Abzug der Vorjahrsverluste bei der Einkommensermittlung der Bfin. für 1954 unter Hinweis auf die zur Gesellschaftsteuer vorliegende Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (Urteil II A 598/30 vom 23. Dezember 1930, Reichssteuerblatt 1931 S. 269) mit der Begründung ab, daß die Abtretungen der Anteile an den Gesellschafter O., die Kapitalerhöhungen und der Gesellschafterbeschluß vom 10. Januar 1954 bei wirtschaftlicher Betrachtung zu einer Neugründung der Bfin. geführt hätten und deshalb die Personengleichheit zwischen der Kapitalgesellschaft, die den Verlust erlitten habe, und der Bfin. verneint werden müsse.
Die Bfin. ist der Meinung, daß auch die steuerliche Personengleichheit nur nach dem bürgerlichen Recht beurteilt werden dürfe. Es lägen weder die Voraussetzungen der von dem Finanzamt bezeichneten Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs noch die der Rechtsprechung des Kammergerichts (Beschluß 1 b X 306/32 vom 23. Juni 1932, Höchstrichterliche Rechtsprechung 1933 Nr. 833) zur bürgerlich-rechtlichen Nichtigkeit des sogenannten Mantelkaufes vor. Denn das Vergleichsverfahren sei nicht zum Zwecke der Liquidation und der Beendigung jeder geschäftlichen Betätigung der Bfin., sondern allein mit dem Ziel durchgeführt worden, die im Jahr 1953 noch in erheblichem Umfang aufrechterhaltene Herstellung von Kleidern und Mänteln im Zuge einer organisatorischen und organischen Umstellung einer gewinnbringenden Betätigung zuzuführen. Von dem Erwerb eines leeren GmbH-Mantels durch den Gesellschafter O. könne auch deshalb keine Rede sein, weil die Bfin. bei der steuerlich zwingenden Behandlung der Darlehen des Gesellschafters L. als verdecktes Stammkapital an den für die Beurteilung maßgebenden Stichtagen vom 31. Dezember 1952 und 1953 noch ein Reinvermögen von rund 370 000 DM und 200 000 DM gehabt habe, das zur Aufnahme des neuen Geschäftsbetriebs ausreichend gewesen sei. Ein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts ( § 6 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -) liege nicht vor, weil alle Rechtshandlungen der Bfin. und ihrer Gesellschafter die wirtschaftlich und rechtlich notwendigen Maßnahmen darstellten, um die auch steuerlich zulässige Umstellung des Geschäftsbetriebs durchzuführen.
Das Finanzgericht wies die Sprungberufung als unbegründet zurück, weil die einem einheitlichen Willen der Beteiligten entsprungenen Maßnahmen, nämlich die verschiedenen Kapitalerhöhungen, Anteilsabtretungen und die Umgestaltung des Unternehmens, als Einheit betrachtet einen Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts darstellten (ß 6 StAnpG). Zwar dürfe eine Kapitalgesellschaft aus wirtschaftlich verständlichen Gründen den verlustbringenden Gegenstand ihres Unternehmens ändern. Das müsse aber im Zuge einer organischen Entwicklung im Interesse der Kapitalgesellschaft geschehen. Hier seien die rechtlichen Dinge in der Absicht, die Steuer zu umgehen, anders gestaltet worden, als es dem erstrebten wirtschaftlichen Erfolg gemäß sei. Für den Gesellschafter O. sei das Schicksal der Bfin. zunächst bedeutungslos gewesen. Sein wirtschaftliches Interesse an den getroffenen Maßnahmen habe allein darin gelegen, die Verlustabzüge der Bfin. für das bisher von ihm als Einzelkaufmann betriebene Unternehmen nutzbar zu machen. Nur zu diesem Zwecke habe er an der Umgestaltung der Bfin. zu einer Betriebsgesellschaft seines Unternehmens mitgewirkt. Zur Durchführung der Betriebsspaltung sei aber der vom bürgerlichen Recht gewesene Weg der gewesen, eine GmbH zu gründen und sich nicht eines leeren Mantels einer anderen GmbH nur zu dem Zweck zu bedienen, die Steuer zu umgehen. Die Bfin. müsse deshalb so behandelt werden, als sei sie als Betriebs-GmbH des bisherigen Einzelunternehmens des Gesellschafters O. gegründet worden. Daß die Bfin. 1953 kein lebender Organismus, sondern nur noch ein leerer Mantel gewesen sei, ergebe sich aus der Durchführung des außergerichtlichen Vergleichsverfahren, das die Abwicklung des bisherigen Geschäftsbetriebs und die Verteilung des Vermögens an die Gläubiger bezweckt habe. Auch nach Durchführung dieses Vergleichs sei die Bfin. noch überschuldet gewesen. Denn das Darlehen des Gesellschafters L. könne nicht als verdecktes Stammkapital behandelt werden, weil es den Erklärungen der Bfin. und ihrer Gesellschafter entsprechend steuerlich stets als Schuldverbindlichkeit angesehen worden sei. Die jetzige Behauptung der Bfin., es handele sich um verdecktes Stammkapital, könne nicht berücksichtigt werden, weil sie im Gegensatz zu ihren bisherigen Erklärungen stehe.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
Steuerpflichtige, die den Gewinn auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln, dürfen die Verluste der drei vorangegangenen Veranlagungszeiträume aus Gewerbebetrieb, soweit sie nicht bei der Veranlagung für die vorangegangenen Veranlagungszeiträume ausgeglichen oder abgezogen worden sind, als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte absetzen (ß 10 Abs. 1 Ziff. 4 EStG 1953). Diese Vorschrift gilt entsprechend auch für Körperschaften. Aus ihrem Sinn und Zweck, innerhalb eines einen Veranlagungszeitraum überschreitenden Zeitraums einen gewissen Ausgleich von Gewinnen und Verlusten zu ermöglichen, ergibt sich, daß zwischen dem Steuerpflichtigen, der den Verlust erlitten hat, und demjenigen Steuersubjekt, das den Verlust vom Gesamtbetrag der Einkünfte absetzen will, Personengleichheit bestehen muß und daß eine übertragung eines Verlustes auf ein anderes Steuersubjekt ausgeschlossen ist (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs IA 84/36 vom 12. Mai 1936, Reichssteuerblatt S. 789).
Der Begriff der Personengleichheit spielt im Steuerrecht bei vielen Vorschriften eine Rolle, die eine Vergünstigung von einem in der Vergangenheit verwirklichten Tatbestand abhängig machen (z. B. § 7a EStG), und hängt auch eng mit den Voraussetzungen der Entstehung und Beendigung steuerlicher Rechtspersönlichkeiten zusammen. Wenn bei der Beurteilung dieser steuerlichen Frage auch im allgemeinen von der bürgerlich-rechtlichen Rechtslage auszugehen ist, so gibt es doch Fälle, in denen die wirtschaftliche Betrachtungsweise, die dem Sinn und Zweck der steuerlichen Rechtsordnung und dem wirtschaftlichen Gehalt der Vorgänge eine größere Bedeutung als der formellen Gestaltung beimißt, zu einer abweichenden Beurteilung führt. So entsteht eine Kapitalgesellschaft bürgerlich-rechtlich erst mit der Eintragung ins Handelsregister. Steuerlich wird die Gründergesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen bereits vor der Eintragung ins Handelsregister als Körperschaft behandelt (Urteil des Bundesfinanzhofs III 214/51 S vom 16. Mai 1952, Slg. Bd. 56 S. 465, Bundessteuerblatt - BStBl - 1952 III S. 180). Bei der Entscheidung der Frage, ob zwischen dem Steuerpflichtigen, aus dessen Betriebsvermögen ein Gegenstand ausgeschieden ist, und dem Steuerpflichtigen, der später eine Ersatzbeschaffung vornimmt, eine die Anwendung des § 7a EStG rechtfertigende Personengleichheit besteht, hat sich die Rechtsprechung in manchen Fällen unter dem Gesichtspunkt der das Steuerrecht beherrschenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise, meist zugunsten der Steuerpflichtigen, von der bürgerlich-rechtlichen Beurteilung gelöst und die Personengleichheit auch dann bejaht, wenn bürgerlich-rechtlich eine andere Person entstanden ist. So wurde bei der Betriebsspaltung unter ausdrücklicher Berufung auf die wirtschaftliche Betrachtung Personengleichheit zwischen der Betriebs-GmbH und der verpachtenden Personengesellschaft angenommen und bei einer von zusammen veranlagten Ehegatten gegründeten Kapitalgesellschaft unter Hinweis auf das für das Steuerrecht bedeutsame Institut der Zusammenveranlagung die Personengleichheit zwischen einem Ehegatten und der von beiden Ehegatten gegründeten Kapitalgesellschaft bejaht (Urteile des Bundesfinanzhofs I 38/52 U vom 26. August 1952 - Slg. Bd. 56 S. 681, BStBl 1952 III S. 261 -, und I 101/52 U vom 10. Februar 1953 - Slg. Bd. 57 S. 234, BStBl 1953 III S. 93 -). Auch beim Verlustabzug hat der Reichsfinanzhof in mehreren Entscheidungen darauf hingewiesen, daß die Gleichheit der Person, die den Verlust erlitten hat und die ihn geltend machen will, nach steuerlichen Gesichtspunkten zu beurteilen ist (Urteil des Reichsfinanzhofs I A 84/36 a. a. O.). So hat er einerseits die steuerliche Personengleichheit zwischen der Witwe und ihrem verstorbenen Ehemann aus den gleichen Gründen wie in dem oben erwähnten Urteil des Bundesfinanzhofs I 101/52 U anerkannt (Urteil des Reichsfinanzhofs VI 433/40 vom 2. Juli 1941, Reichssteuerblatt S. 658), andererseits aber bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften trotz bürgerlich-rechtlicher Personengleichheit allein aus der änderung der Rechtsform, die im Körperschaftsteuerrecht eine entscheidende Rolle spiele, die steuerliche Personenidentität verneint (Urteil des Reichsfinanzhofs I 177/39 vom 13. Februar 1940, Slg. Bd. 48 S. 166, Reichssteuerblatt S. 722). Diese Rechtsprechung zeigt, daß es auch bei der Geltendmachung des Verlustabzuges nicht immer darauf ankommen kann, ob bürgerlich-rechtlich Personengleichheit besteht, daß vielmehr steuerliche Vorschriften und Erwägungen, insbesondere die wirtschaftliche Bedeutung und der Sinn und Zweck des steuerlichen Verlustabzuges (ß 1 Abs. 2 StAnpG) oder die Feststellung eines Mißbrauchs von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts (ß 6 Abs. 1 StAnpG) in Ausnahmefällen eine vom bürgerlichen Recht abweichende Beurteilung erfordern. Es ist nun zu untersuchen, ob und welche steuerliche Erwägungen für eine solche Abweichung vom bürgerlichen Recht in Betracht kommen.
Die Kapitalgesellschaft ist ein durch den Willen ihrer Gesellschafter geschaffener Organismus, in dem ein gebundenes Kapital einem bestimmten Gesellschaftszweck unter einem bestimmten Namen dienstbar gemacht wird. ändern sich auf Grund eines wegen seiner einheitlichen Zweckrichtung und inneren Verbundenheit als Einheit anzusehenden Vorgangs, der bürgerlich-rechtlich aus mehreren in zeitlichem Zusammenhang stehenden Rechtsgeschäften und Rechtshandlungen bestehen kann, alle oder fast alle die Kapitalgesellschaft tragenden Tatumstände, so bedarf es einer Prüfung, ob damit nicht trotz der bürgerlich-rechtlichen Personengleichheit bei wirtschaftlicher Betrachtung ein neuer, selbständiger Organismus entsteht, der zu einer Beendigung der alten Rechtspersönlichkeit führt und mit der Schaffung einer neuen Körperschaft verbunden ist (ß 1 Abs. 2 StAnpG). Dabei kann, weil im Rahmen der wirtschaftlichen Betrachtung Sinn und Zweck der einzelnen Steuervorschriften gewürdigt werden müssen, keine Entscheidung getroffen werden, die für alle steuerlichen Vorschriften von Bedeutung ist. Durch den Verlustvortrag sollen Erträge und Verluste des nach außen in Erscheinung tretenden, zweckbestimmten, betrieblichen Organismus innerhalb eines längeren Zeitraumes ausgeglichen werden. Ist dieser Organismus erloschen und stellt die bürgerlich-rechtliche Rechtspersönlichkeit mangels eines Geschäftsbetriebs und eines ins Gewicht fallenden Vermögens nur noch eine zur Abwicklung notwendige, im Hinblick auf eine wirtschaftliche Betätigung aber bedeutungslose Form dar, so wird bei Anwendung der Vorschrift des Verlustabzuges die Personengleichheit zweifelhaft werden, wenn der praktisch bedeutungslos gewordene Mantel der Kapitalgesellschaft durch Zuführung neuen Vermögens eine völlig anders geartete Zweckbestimmung und Organisation erhält, ohne daß von einer organischen Fortentwicklung und überleitung zu einem anderen Gegenstand des Unternehmens im Interesse der Körperschaft und ihrer Gläubiger die Rede sein kann. Dabei ist auch die bürgerlich-rechtliche Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen, z. B. bei einem Mantelkauf, nicht ohne Bedeutung. Zu demselben Ergebnis kommt die Entscheidung des Reichsfinanzhofs II A 598/30 vom 23. Dezember 1930 (Reichssteuerblatt 1931 S. 269), die in der Einbringung des Betriebes einer OHG in eine bedeutungslos gewordene AG eine gesellschaftsteuerliche Neugründung der AG sieht. Sie stützt diese Beurteilung allerdings nicht auf die Notwendigkeit wirtschaftlicher Betrachtung der Vorgänge, sondern nimmt eine steuerlich unbeachtliche, weil mißbräuchliche Rechtsgestaltung an (ß 6 StAnpG).
Die Entscheidung, ob und unter welchen Voraussetzungen im einzelnen die wirtschaftliche Betrachtung (ß 1 Abs. 2 StAnpG) zu einer Verneinung der Personengleichheit bei Anwendung der Vorschrift des Verlustabzuges führen kann, und wie die Grenze zu ziehen ist gegenüber einer wirtschaftlich gebotenen und zweckmäßigen änderung der Satzung und des Gegenstandes des Unternehmens und einem wirtschaftlich berechtigten Wechsel der Gesellschafter, die zu keiner Unterbrechung der Rechtsgleichheit führen, ist schwierig und zweifelhaft. Sicher dürfte die steuerliche Personengleichheit unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Betrachtung nur mit größter Zurückhaltung und nur in besonderen Ausnahmefällen abweichend vom bürgerlichen Recht verneint werden. Im vorliegenden Falle hat das Finanzgericht in einwandfreier und deshalb für den Senat bindender Weise festgestellt, daß die Beteiligten, nämlich die Bfin. und ihre Gesellschafter L. und O., durch die als Einheit zu würdigenden Sanierungsmaßnahmen, Kapitalerhöhungen, Gesellschafterbeschlüsse und Verträge kein anderes wirtschaftliches Ziel verfolgten, als die Verlustabzüge der Vorjahre sich bei dem schon bestehenden, ertragreichen Unternehmen des Einzelkaufmanns O. auswirken zu lassen. Es ist zu der Absicht gekommen, daß nach Lage der Verhältnisse ein Mißbrauch im Sinne des § 6 StAnpG vorliegt. Der Senat tritt der Auffassung des Finanzgerichts bei.
Nicht nur die bürgerlich-rechtliche, sondern auch die steuerliche Rechtsordnung geben dem Steuerpflichtigen grundsätzlich die Möglichkeit, zwischen mehreren Rechtsinstituten und verschiedenartigen rechtlichen Gestaltungen seiner Verhältnisse zu wählen, um einen bestimmten Erfolg zu erreichen. Dabei spielen im Wirtschaftsleben die steuerlichen Auswirkungen in der Regel zwar eine wichtige, aber nicht immer die ausschlaggebende Rolle. Selbst wenn aber steuerliche Erwägungen bei der Wahl einer bestimmten bürgerlich-rechtlichen Gestaltung von entscheidender oder sogar ausschließlich bestimmender Bedeutung sind, so kann deswegen allein weder von einer Steuerumgehung noch von einem Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts im Sinn des § 6 Abs. 1 StAnpG die Rede sein. Denn die Möglichkeit günstiger steuerlicher Gestaltung entspricht einem von der Rechtsordnung anerkannten und berechtigten Interesse des Steuerpflichtigen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 246/50 S vom 22. August 1951, Slg. Bd. 55 S. 449, BStBl 1951 III S. 181). Von einem Mißbrauch kann, wenn für die bürgerlich-rechtliche Gestaltung die Absicht der Steuerersparnis im Vordergrund steht, nur dann gesprochen werden, wenn ein nach bürgerlichem Recht ungewöhnlicher Weg zur Erreichung eines bestimmten Zieles gewählt wird und damit ein steuerlicher Erfolg erreicht werden soll, der bei sinnvoller, Zweck und Ziel der Rechtsordnung berücksichtigender Auslegung vom Gesetzgeber mißbilligt wird (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs II 65/52 S vom 12. August 1953 - Slg. Bd. 57 s. 748, BStBl 1953 III S. 284 -, und III 126/55 S vom 11. November 1955 - Slg. Bd. 61 S. 509, BStBl 1955 III S. 395 -). Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung fordert, daß die vom Gesetzgeber für den normalen Weg vorgeschriebene steuerliche Belastung auch dort auferlegt wird, wo wirtschaftlich das gleiche Ergebnis durch unnatürliche Formen und Gestaltungsmöglichkeiten erreicht wird, die formal betrachtet nicht unter das Gesetz fallen. Ob die Voraussetzungen des § 6 StAnpG vorliegen, wird oft zweifelhaft sein. Je eindeutiger jedoch die von den Beteiligten beabsichtigte Steuerersparnis dem Sinn der Steuerrechtsordnung widerspricht, um so größer ist die Vermutung, daß die bei formaler Betrachtung zur Steuerersparnis führende Gestaltung eine ungewöhnliche bürgerlich-rechtliche Maßnahme darstellt.
Aus dem Sinn und Zweck des Verlustabzuges, mit späteren Erträgen frühere Verluste im Interesse der Kapitalgesellschaft und ihrer Gläubiger tilgen zu können, und aus seiner engen Verbindung mit den Interessen der Person, die den Verlust erlitten hat, folgt, daß eine bürgerlich-rechtliche Gestaltung, die nur den Zweck verfolgt, den Verlustabzug auf einen anderen schon bestehenden wirtschaftlichen Organismus und Geschäftsbetrieb mit einem anderen Unternehmer zu übertragen, einen von der Steuerrechtsordnung mißbilligten Erfolg erstrebt. Hier dient die bürgerlich-rechtliche Gestaltung nicht mehr der von der Rechtsordnung gebilligten Steuerersparnis, sondern der Steuerumgehung. Wird dieses Ziel durch bürgerlich-rechtlich ungewöhnliche Gestaltungen erreicht, so sind die Voraussetzungen des § 6 StAnpG erfüllt.
Geht man von diesen Grundsätzen aus, so kommt es zunächst entscheidend darauf an, ob die Beteiligten die Absicht gehabt haben, den bei der Bfin. entstandenen Verlustabzug für den anderen schon bestehenden Geschäftsbetrieb des Gesellschafters O. im persönlichen Interesse der Gesellschafter (übertragung des Verlustabzuges auf einen anderen Unternehmer und ein anderes Unternehmen) nutzbar zu machen und andere wirtschaftlich verständliche und berechtigte Erwägungen keine Rolle gespielt haben können. Da es sich hierbei im wesentlichen um einen inneren Tatbestand handelt, kann auf die Absicht der Beteiligten nur aus den äußeren Umständen geschlossen werden. Das Finanzgericht ist bei Würdigung des Sachverhalts zu der überzeugung gekommen, daß die Kapitalerhöhungen, die Anteilsabtretungen und die Umgestaltung der Bfin. keinen anderen Zweck gehabt haben können, als den Verlustabzug zum Handelsobjekt der Gesellschafter zu machen. Diese auf tatsächlichem Gebiet liegende Feststellung läßt keinen Rechtsirrtum oder Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten erkennen und ist deshalb im Rechtsbeschwerdeverfahren bindend (ß 288 Ziff. 1, § 296 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung - AO -).
Soweit sich das Finanzgericht mit der Frage befaßt, ob die Bfin. bereits Ende 1953 vermögenslos war und ob bei dieser Prüfung das Gesellschafterdarlehen als verdecktes Kapital anzusehen ist oder ob der Erwerb der Anteile durch den Gesellschafter O. als Kauf eines leeren Mantels nach der Rechtsprechung des früheren Kammergerichts als sittenwidrig oder als gegen ein gesetzliches Verbot verstoßend nichtig ist (vgl. Beschluß 1 X 516/24 vom 18. Dezember 1924, Juristische Wochenschrift 1925 S. 635, und Beschluß 1 b X 306/32 a. a. O.), braucht auf die von der Bfin. gegen diese Feststellungen erhobenen Einwendungen nicht eingegangen zu werden. Denn weder die mangelnde überschuldung noch die zivilrechtliche Wirksamkeit sprechen gegen die Steuerumgehungsabsicht und die Ungewöhnlichkeit der bürgerlich-rechtlichen Gestaltung. Entscheidend ist vielmehr, daß die Beteiligten L. und O. bei Würdigung der Lebensunfähigkeit des bisherigen Geschäftsbetriebs der Bfin., der jedenfalls vor Abschluß des außergerichtlichen Vergleichs bestehenden hohen überschuldung und der Veräußerung des der Kleider- und Mantelfabrikation dienenden Betriebsvermögens keine andere Absicht gehabt haben können, als durch Ausgestaltung der Bfin. als Betriebsgesellschaft des schon bestehenden, ertragreichen Einzelunternehmens des Gesellschafters O. die Verlustabzüge diesem Unternehmen nutzbar zu machen. Von einer organischen, sich aus der Ertraglosigkeit der bisherigen Betätigung der Bfin. ergebenden Umstellung der geschäftlichen Tätigkeit auf einen anderen Erwerbszweig, die nicht mit einer Steuerumgehungsabsicht verbunden zu sein braucht, kann hier keine Rede sein. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen.
Die von den beiden Gesellschaftern der Bfin. getroffenen Maßnahmen waren nicht in erster Linie darauf gerichtet, durch die übernahme einer anderen geschäftlichen Betätigung die früheren Verluste im Interesse der Bfin. auszugleichen. Deshalb war der Gesellschafter O. mit dem Abschluß des Pachtvertrages erst einverstanden, als die Gläubiger auf den größten Teil ihrer Forderungen verzichtet hatten und hinsichtlich der Darlehnsforderungen des Gesellschafters L. eine den Interessen beider Gesellschafter gerecht werdende, die Sanierung abschließende Regelung, nämlich die Umwandlung der Darlehen in Nennkapital und dessen Aufteilung auf die Gesellschafter, vereinbart worden war.
Die Bfin. wies ohne Berücksichtigung der Gesellschafterdarlehen lediglich ein eigenes Vermögen von rund 200 000 DM in der Bilanz zum 31. Dezember 1953 aus. Selbst wenn man das umstrittene Vermögen in Höhe von 200 000 DM anerkennt, ergibt sich, daß die Darlehen nur noch einen Bruchteil ihres Nennbetrages wert waren. Ihr geringer Wert kommt auch darin zum Ausdruck, daß L. an O. am 10. Januar 1954 neu geschaffene Anteile an der Bfin., die auf der Umwandlung der Darlehen beruhten, in Höhe von 420 000 DM zu einem Kaufpreis von nur 4200 DM abtrat. Anstatt die Gesellschafterdarlehen in die Sanierung einzubeziehen, was der gegebene Weg gewesen wäre, wurden sie als Verbindlichkeiten der Bfin. in der Weise beseitigt, daß durch ihre Umwandlung das Kapital erhöht wurde. Es erscheint schon bürgerlich-rechtlich sehr zweifelhaft, ob dieser Weg zulässig war (siehe hierzu Schmalenbach "Die Aktiengesellschaft" 7. Aufl. S. 234). Als Sacheinlage wurden auf diese Weise Werte verwendet, deren Teilwert in keiner Weise dem Nennbetrag der Kapitalerhöhung gerecht wurde. Die Gesellschafter der Bfin. benutzten die in der Geltendmachung des Verlustabzuges liegende Steuerbegünstigung zur Wahrnehmung persönlicher Vorteile, und zwar der Gesellschafter L. durch Realisierung seiner fast wertlos gewordenen Forderungen und der Gesellschafter O. durch Erwerb von Anteilen an der Bfin. unter ihrem tatsächlichen Wert. Um die mit dem Sinn und Zweck des Verlustabzuges nicht zu vereinbarende und sich deshalb als Steuerumgehung darstellende Absicht zu verwirklichen, wählten die Beteiligten bürgerlich-rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten, die als ungewöhnlich bezeichnet werden müssen.
Es kommt zwar bisweilen vor, daß eine bestehende Kapitalgesellschaft zu einer Betriebsgesellschaft eines anderen Unternehmens umgestaltet wird. Dient diese Umgestaltung aber nur dem Zweck, den Verlustabzug der bestehenden Kapitalgesellschaft im persönlichen Interesse der Gesellschafter zu verwerten und wird zudem die gleichzeitig notwendige Sanierung der Kapitalgesellschaft in der hier getätigten Form durchgeführt, so ist diese Gestaltung mißbräuchlich. Im Rahmen der Umgestaltung der Bfin. spielte die gleichzeitige Sanierung eine entscheidende Rolle, weil die Verwertung des Verlustabzuges durch den Gesellschafter L. vor der Beseitigung der überschuldung nicht möglich war. Während die Gläubiger der Bfin. nur eine Quote von 30 v. H. erhielten, strebte der Gesellschafter L. von vornherein dahin, den der Bfin. zustehenden Steuervorteil des Verlustabzuges zugunsten seiner Gläubigerstellung zu verwerten. Bei der Berücksichtigung aller dieser Tatumstände und der von den Beteiligten verfolgten Ziele muß die der Steuerumgehung dienende Ausgestaltung der Bfin. als Betriebsgesellschaft des Gesellschafters O. als ein Mißbrauch bürgerlich-rechtlicher Gestaltungsfreiheit bezeichnet werden. Bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen und Tatsachen entsprechenden Gestaltung wären die Beteiligten den bei Betriebsspaltungen üblichen Weg der Neugründung gegangen. Dann hätte die Betriebsgesellschaft den Verlustabzug der Bfin. nicht geltend machen können. Die Anwendung des § 6 Abs. 2 StAnpG, der die Steuerumgehung ausschließen will, führt deshalb zu dem Ergebnis, daß die Bfin. den Verlust der Vorjahre nicht mehr abziehen darf.
Die Rechtsbeschwerde muß somit als unbegründet zurückgewiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 408972 |
BStBl III 1958, 97 |
BFHE 1958, 250 |
BFHE 66, 250 |
BB 1958, 259 |
DB 1958, 811 |