Entscheidungsstichwort (Thema)
Handelsrecht Gesellschaftsrecht Zollrecht
Leitsatz (amtlich)
Da die Aufklärung etwaiger Steuerhinterziehungen gleichzeitig der Feststellung von Steueransprüchen dient und nach den Vorschriften des Zollrechts der Partner eines Einfuhrgeschäfts nicht auch der Zollschuldner zu sein braucht, sondern sich die Schuldnerschaft beim Zoll und anderen Eingangsabgaben danach bestimmt, wer den Zollantrag gestellt hat, richten sich die der Nachprüfung von Einfuhrgeschäften dienenden Handlungen nicht nur gegen den Importeur, bei dem eine Nachprüfung vorgenommen wird, sondern zugleich gegen den Schuldner der Eingangsabgabenansprüche. Sie waren daher geeignet, eine Unterbrechung der Verjährung zu bewirken.
Normenkette
AO § 147; ZG § 45 Abs. 1 Nr. 1, § 47/1/1
Tatbestand
Mit Einfuhr-Zollanmeldungen vom 4. und 7. Oktober 1954 beantragte die Klägerin die Verzollung von insgesamt vier Waggons Braunmalz mit insgesamt 1.400 Säcken im Gesamtgewicht von netto 70.000 kg im eigenen Namen. Die dazugehörigen Zollwertanmeldungen gab sie im Auftrag und in Vollmacht der Firma B. ab. Darin erklärte sie unter Vorlage der Rechnungen u. a., der Rechnungspreis betrage frei Grenze je 1000 kg ... Unter Zugrundelegung eines entsprechenden Zollwerts forderte das ZA insgesamt ... DM an Eingangsabgaben an, die die Klägerin entrichtete.
Durch Berichtigungsbescheid vom 13. Dezember 1957 änderte das Hauptzollamt (HZA) die Zollbescheide gemäß § 94 in Verbindung mit § 78 Abs. 1 AO ab. Es ging dabei von einem nach § 217 AO geschätzten Preis von ... DM je t aus und gelangte so zu Eingangsabgaben in Höhe von ... DM. Den Unterschiedsbetrag gegenüber der früheren Festsetzung forderte es nach.
Durch Entscheidung vom 31. März 1959 gab das HZA dem Einspruch der Klägerin insoweit statt, als es die nachgeforderten Eingangsabgaben von ... DM auf ... DM herabsetzte, wies aber im übrigen den Einspruch als unbegründet zurück.
Auf die Berufung der Klägerin hob das Finanzgericht (FG) die Einspruchsentscheidung und den Berichtigungsbescheid vom 13. Dezember 1955 auf. Dabei ging die Vorinstanz davon aus, daß etwaige Nachforderungen an Eingangsabgaben verjährt seien, weil strafrechtliche Ermittlungen zwar geeignet seien, die Verjährung nach § 147 AO zu unterbrechen, und Unterbrechungshandlungen sich zwar nicht an den Pflichtigen zu richten brauchten, aber stets nur gegen denjenigen wirkten, gegen den sie nach ihrem Inhalt oder ihrem erkennbaren Zweck gerichtet seien. Aus dem Inhalt der vorgenommenen Handlungen im Streitfall ergebe sich jedoch, daß sie ausschließlich gegen bestimmte andere Personen als die Klägerin gerichtet gewesen seinen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des HZA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Auf Grund ihres im eigenen Namen gestellten Antrages auf Abfertigung des am 4. und 7. Oktober 1954 eingeführten Braumalzes zum freien Verkehr ist die Klägerin Schuldnerin der mit der Abfertigung entstandenen Zoll- und Umsatzausgleichsteuerforderungen geworden (§§ 45 Abs. 1 Nr. 1, 47 Abs. 1 Nr. 1 ZG 1939, § 15 UStG). Diese im Jahre 1954 entstandenen Eingangsabgabenforderungen verjährten nach § 144 AO mit Ablauf des Jahres 1955, sofern keine Unterbrechung der Verjährung eintrat.
Nach § 147 Abs. 1 AO in der damals geltenden Fassung wurde die Verjährung von Steueransprüchen unterbrochen u. a. durch jede Handlung, die das zuständige Finanzamt (FA) zur Feststellung des Anspruchs oder des Verpflichteten vornimmt. Als zuständiges FA im Sinne dieser Vorschrift sind aber im Hinblick auf ihre örtliche und sachliche Zuständigkeit nach dem Finanzverwaltungsgesetz vom 6. September 1950 (BGBl I S. 448) auch die Zollfahndungsstellen anzusehen; an der Auffassung, daß ihre Handlungen, die sie von sich aus vornehmen und die der Feststellung eines Steueranspruchs oder des Verpflichteten dienen, die Verjährung unterbrechen, hat der erkennende Senat in seinem Urteil VII 154/62 U vom 30. Juni 1964 (BStBl 1964 III S. 459) ausdrücklich festgehalten. Im einzelnen wird auf die Gründe dieses Urteils verwiesen.
Die auf Ersuchen der Zollfahndungsstelle X. von der Zollfahndungsstelle Y. ergriffenen Maßnahmen dienten der Nachprüfung der Braumalzeinfuhrgeschäfte der Firma B. Sie richteten sich daher zunächst gegen die genannte Firma, die als Importeurin als strafrechtlich Verantwortliche in Betracht kam. Da jedoch die Aufklärung etwaiger Steuerhinterziehungen gleichzeitig der Feststellung von Steueransprüchen dient und nach den Vorschriften des Zollrechts der Partner eines Einfuhrgeschäfts nicht auch der Zollschuldner zu sein braucht, sondern sich die Schuldnerschaft beim Zoll und anderen Eingangsabgaben danach bestimmt, wer den Zollantrag gestellt hat, richten sich die der Nachprüfung von Einfuhrgeschäften dienenden Handlungen nicht nur gegen den Importeur, bei dem eine Nachprüfung vorgenommen wird, sondern zugleich gegen den Schuldner der Eingangsabgabenansprüche. Das gilt um so mehr, wenn seine Person der Zollbehörde nicht bekannt ist. Demgemäß richteten sich auch im Streitfall die der Nachprüfung der Einfuhrgeschäfte der Firma B. dienenden Maßnahmen gegen die Klägerin als die Schuldnerin der Eingangsabgaben.
In diesem Fall kommt noch hinzu, daß sich bei den vorgenommenen Ermittlungen alsbald herausstellte, daß nicht der Käufer der eingeführten Ware, sondern ein anderer, der die Abfertigung der Ware veranlaßt hatte, Abgabenschuldner geworden war. Der Angestellte Z. der Klägerin hat bei seiner Vernehmung am 14. Dezember 1955 nach der bei den Akten befindlichen beglaubigten Abschrift u. a. ausgesagt, daß die Klägerin die Verzollungsanträge im eigenen Namen gestellt habe und die Eingangsabgaben infolgedessen von der Klägerin erhoben worden seien. Der Vernehmende hat dann ausgesprochen, daß die Klägerin als Zollbeteiligte aufgetreten und Zollschuldnerin geworden sei. Z. wiederum hat zum Schluß seiner Vernehmung davon gesprochen, daß die Klägerin als Zollbeteiligte nach dem ZG u. U. für Nachforderungen in Anspruch genommen würde. Indem das zur Sprache kam, wurde es offenbar, daß schon diese Vernehmung und auch die weiteren Ermittlungen der Zollfahndungsstelle, soweit es um die Höhe der Eingangsabgaben ging, sich jedenfalls auch gegen die Klägerin als Schuldnerin der Ansprüche richteten. Unter diesen Umständen war, ohne daß es darauf ankam, ob die Klägerin von Z. oder der Verwaltung darauf hingewiesen wurde, kein Zweifel mehr, daß im Jahr 1955 gegen die Klägerin Handlungen zur Ermittlung der sich gegen sie richtenden Eingangsabgabenansprüche vorgenommen worden waren. Damit aber war eine Unterbrechung der Verjährung dieser Ansprüche eingetreten.
Die am 7. Januar 1956 durchgeführte Vernehmung des Prokuristen A. der Firma B. hatte nach der in beglaubigter Abschrift bei den Akten befindlichen Niederschrift die Braumalzgeschäfte der Firma, insbesondere die Preise, zum Gegenstand. Damit betraf sie die Bemessungsgrundlage für die sich gegen die Klägerin richtenden Eingangsabgabenansprüche, diente also der Feststellung der Höhe dieser Ansprüche. Insoweit richtete sich diese Ermittlungshandlung jedenfalls in der Hauptsache auch gegen die Klägerin. Auch diese Vernehmung ist daher als eine verjährungsunterbrechende Handlung anzusehen. Infolge dieser Unterbrechung begann eine neue Verjährung der Ansprüche am 1. Januar 1957. Daher waren etwaige Ansprüche bei der Bekanntgabe des am 18. Dezember 1957 abgesandten Berichtigungsbescheides vom 13. Dezember 1957 - auch wenn man die Frage einer Steuerhinterziehung beiseite läßt - noch nicht verjährt.
Fundstellen
Haufe-Index 411982 |
BStBl III 1966, 293 |
BFHE 1966, 231 |
BFHE 85, 231 |