Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen einer Musiklehrerin für Konzertbesuche sind nicht abzugsfähige Aufwendungen für die Lebensführung.
Normenkette
EStG § 12 Nr. 1 S. 2
Tatbestand
Die Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) ist Oberstudienrätin in H. Sie unterrichtet in den Fächern Deutsch und Musik.
Im Lohnsteuer-Jahresausgleich für das Jahr 1966 machte sie Aufwendungen in Höhe von 149 DM für den Besuch einer Konzertreihe als Werbungskosten geltend. Das FA lehnte die Berücksichtigung ab. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das FG gab der Klage statt. Es führte aus: Die Kosten eines Konzertbesuchs gehörten zwar regelmäßig zu den Aufwendungen für die private Lebensführung, die gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht abzugsfähig seien, "auch wenn sie zur Förderung des Berufes erfolgten". Sei der Besuch des Konzerts jedoch ausnahmsweise ausschließlich beruflich bedingt, greife die genannte Vorschrift nicht ein. Sie sei nur auf Kosten anwendbar, die allein der privaten Lebensführung dienten oder aber daneben gleichzeitig auch beruflich veranlaßt seien. Neben den ausschließlich beruflich bedingten Kosten unterlägen dem Abzugsverbot auch nicht diejenigen Kosten, die erkennbar weit überwiegend beruflich veranlaßt seien. Abgesehen davon, daß es sich in diesen Fällen schon begrifflich nicht mehr um Kosten der "Lebensführung" handele, käme es andernfalls zu dem wirtschaftlich nicht vertretbaren Ergebnis, daß ein Steuerpflichtiger, der beruflich auf einem Gebiet tätig sei, mit dem er sich nach seinem Bildungsstand und seinen Einkommensverhältnissen sonst vermutlich im Rahmen der privaten Lebensführung beschäftigt hätte und bei dem deshalb anzunehmen sei, daß er bei der beruflichen Tätigkeit auch seine privaten Neigungen berücksichtige, einen wesentlichen Teil des beruflich veranlaßten Aufwandes nicht absetzen könne. Er würde somit einer überhöhten und wegen des Umfangs der Mehrbelastung gegen Art. 3 GG verstoßenden Besteuerung unterworfen werden. Für eine solche Absicht des Gesetzgebers fehle es aber an jedem Anhaltspunkt. Kosten, die weit überwiegend beruflich veranlaßt worden seien und bei denen private Gründe nur ein ganz geringes Gewicht gehabt hätten, seien auch nach der Rechtsprechung des BFH in vollem Umfang abzugsfähig (vgl. die Urteile IV 158/61 S vom 13. März 1964, - BFH 79, 605 -, BStBl III 1964, 455, und IV 209/63 U vom 18. Februar 1965, BFH 82, 96, BStBl III 1965, 282). Die Steuerpflichtige habe außer den 149 DM für die Konzertreihe allein für Theaterbesuche weitere 180 DM ausgegeben. Das FG sehe es als glaubhaft an, daß die Steuerpflichtige die Konzerte zumindest weit überwiegend aus beruflichen Gründen besucht habe. Nach den von ihr vorgelegten Richtlinien des Kultusministeriums seien Musiklehrer verpflichtet, die Schüler an die zeitgenössische Musik heranzuführen, mit ihnen "neue Musik" zu musizieren, das überlieferte Tondenken dem "Tondenken unserer Tage" gegenüberzustellen und den Schülern die Werke bedeutender Künstler im Unterricht und in Arbeitsgemeinschaften nahezubringen. Diesen Aufgaben könnten sie nur nachkommen, wenn sie sich selbst nicht nur mit der neuen Musik vertraut machten, sondern auch von Zeit zu Zeit Aufführungen klassischer Werke besuchten.
Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung von Bundesrecht und beantragt, unter Aufhebung des Urteils die Klage abzuweisen. Eine Aufteilung in abzugsfähige und nicht abzugsfähige Ausgaben sei im Streitfall nicht möglich, weil die Ausgaben ihrer Höhe und Art nach den engen Zusammenhang mit der persönlichen Lebensführung widerspiegelten. Es seien keine objektiv nachprüfbaren Merkmale vorhanden, nach denen sich eine auch im Interesse der Gleichmäßigkeit und der Gerechtigkeit der Besteuerung vertretbare Aufteilung rechtfertigen lasse. Es sei vielmehr davon auszugehen, daß die Beträge von 180 DM und 149 DM jährlich für Theater- und Konzertbesuche nicht den Rahmen der Aufwendungen, die auch andere künstlerisch interessierte Personen bei etwa gleichen Einkommensverhältnissen und gleicher Lebensstellung machten, überschritten.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Aufwendungen zum Besuch kultureller Veranstaltungen gehören regelmäßig zu den nicht abzugsfähigen Kosten der Lebensführung. Aufwendungen für die Lebensführung sind nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG auch dann nicht abzugsfähig, wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. Durch diese Vorschrift werden, wie der Große Senat des BFH im Beschluß Gr. S. 2/70 vom 19. Oktober 1970 (BFH 100, 309, BStBl II 1971, 17) ausgeführt hat, gerade solche Aufwendungen betroffen, die der privaten Lebensführung dienen, aber auch den Beruf fördern. Die Bedeutung des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG bestehe also in einem Aufteilungsverbot. Dieses Aufteilungsverbot diene in erster Linie der steuerlichen Gerechtigkeit. Es solle verhütet werden, daß Steuerpflichtige durch eine mehr oder weniger zufällige oder bewußt herbeigeführte Verbindung von beruflichen und privaten Erwägungen Aufwendungen für ihre Lebensführung nur deshalb zum Teil in einen einkommensteuerlich relevanten Bereich verlagern könnten, weil sie einen entsprechenden Beruf hätten, während andere Steuerpflichtige gleichartige Aufwendungen aus versteuerten Einkünften decken müßten (vgl. die BFH-Urteile VI 340/62 U vom 11. Dezember 1963, BFH 78, 246, BStBl III 1964, 96, und IV 11/61 U vom 13. September 1962, BFH 75, 748, BStBl III 1962, 539).
Diese Überlegungen treffen auch für Aufwendungen für den Besuch kultureller Veranstaltungen (z. B. von Konzerten und Theateraufführungen) zu. Solche Aufwendungen werden von zahlreichen kulturell interessierten Personen gemacht, die sie aus versteuerten Einkünften decken müssen. Sicher gibt es darunter auch Personen, die mit den Gebieten, auf die sich diese Veranstaltungen beziehen, nämlich Musik und Literatur, beruflich befaßt sind. Aus Gründen der steuerlichen Gleichmäßigkeit soll aber durch § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG wie dargelegt verhindert werden, daß solche der privaten Lebenshaltung angehörenden Aufwendungen nur deswegen als Werbungskosten oder Betriebsausgaben geltend gemacht werden können, weil auch berufliche Interessen berührt sind.
Etwas anderers gilt nur dann, wenn solche Aufwendungen ihrer Art nach so eng mit der beruflichen Sphäre verknüpft sind, daß die Annahme von Kosten der Lebensführung von vornherein ausscheidet. Sie sind dann als Fortbildungskosten Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben. Das ist z. B. der Fall bei Kosten für Studienreisen, wenn diese ausschließlich oder doch ganz überwiegend beruflichen Zwecken des Steuerpflichtigen dienen. An das Vorliegen dieses Merkmals sind aber nach der ständigen Rechtsprechung des BFH strenge Anforderungen zu stellen. Ein ausschließlich oder doch überwiegend beruflicher Zweck ist insbesondere anzunehmen, wenn die Reise lehrgangsmäßig organisiert ist (ständige Rechtsprechung des BFH; vgl. das Urteil VI R 186/66 vom 4. August 1967, BFH 90, 47, BStBl III 1967, 773 betreffend die Studienreise einer Oberstudienrätin für Englisch nach den USA und die dort angeführte weitere Rechtsprechung). Der Umstand, daß der Steuerpflichtige auf einer Auslandsreise auch berufliche Anregungen erhält, genügt aber nicht für die Annahme, daß die Reise ausschließlich oder doch weit überwiegend zu beruflichen Zwecken unternommen wurde (BFH-Urteil IV 412/60 vom 25. Oktober 1963, HFR 1964, 136).
Wendet man diese Grundsätze auf den Streitfall an, so führt dies zu einer Verneinung der Abzugsfähigkeit der Kosten für die Konzerte. Es mag sein, daß die Musiklehrer in Niedersachsen den ihnen nach den Richtlinien des Kultusministeriums gestellten Aufgaben nur nachkommen können, wenn sie sich selbst nicht nur mit der neuen Musik vertraut machen, sondern auch von Zeit zu Zeit Aufführungen klassischer Werke besuchen. Das gibt ihren Aufwendungen aber nicht ohne weiteres einen eindeutig beruflichen Charakter. Lehrer für neue Fremdsprachen müssen sich aus entsprechenden Erwägungen über die Sprache, die sie unterrichten, auf dem laufenden halten. Hierzu dienen auch Aufenthalte in dem fremden Land. Trotzdem werden solche Reisen von der Rechtsprechung nur unter den dargestellten engen Voraussetzungen als Werbungskosten anerkannt, wenn es sich nämlich um echte Studienreisen handelt. Nach diesen Grundsätzen können bei einem Musiklehrer nur solche Aufwendungen für Veranstaltungen musikalischer Art als Fortbildungskosten und damit als Werbungskosten anerkannt werden, die ihrer Art und Gestaltung nach ausgesprochen auf den Fortbildungszweck ausgerichtet sind. Das würde z. B. für den Besuch eines Kurses zur Einführung in die neue Musik an einem Konservatorium oder einer Musikhochschule gelten oder etwa für den Besuch einer Reihe von Konzerten mit neuer Musik, die verbunden mit Einführungsvorträgen unter bestimmten Gesichtspunkten ausgewählte Werke neuer Musik zur Darbietung bringt. Der Gesichtspunkt der reinen Fortbildung scheidet aber bei den üblichen Konzertzyklen aus, in denen einem musikinteressierten Publikum Werke verschiedenster Art durch mehr oder weniger bekannte Solisten und Ensembles vorgeführt werden, mögen darunter neben Werken traditioneller (klassischer, romantischer usw.) Musik auch solche der neuen Musik sein. Um einen solchen Zyklus allgemeiner Art handelt es sich bei der hier von der Steuerpflichtigen besuchten Konzertreihe. Der Gedanke der allgemeinen kulturellen Bildung steht hier derart im Vordergrund, daß § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG eingreift. Der Gesichtspunkt der steuerlichen Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit gebietet es, die Aufwendungen bei allen Besuchern solcher Veranstaltungen gleich, nämlich als nicht abzugsfähige Lebenshaltungskosten, zu behandeln.
Der RFH und ihm folgend der BFH haben zwar das Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG auch in Fällen, in denen die Voraussetzungen für dessen Anwendung vorliegen, einschränkend ausgelegt und unter gewissen Voraussetzungen eine Aufteilung in einen abzugsfähigen beruflichen Teil und einen nicht abzugsfähigen, der Lebensführung zuzurechnenden Teil zugelassen. Das ist vor allem bei der Anschaffung von Gegenständen der gehobenen Lebensführung praktisch geworden. Die Gründe für eine solche Aufteilung sind eingehend in dem BFH-Urteil IV 158/61 S (a. a. O.) dargelegt. Eine solche Aufteilung setzt aber voraus, daß objektive Merkmale und Unterlagen eine zutreffende und leicht nachprüfbare Trennung in den beruflichen Teil und den die Lebensführung betreffenden Teil der Aufwendungen ermöglichen und daß außerdem der berufliche Teil nicht von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. hierzu insbesondere das BFH-Urteil IV 158/61 S, a. a. O.). Diesen Grundsatz hat der Große Senat des BFH im Beschluß Gr. S. 2/70 vom 19. Oktober 1970 (a. a. O.) bestätigt. Der Beschluß betrifft zwar nach seinem Rechtssatz ausdrücklich nur Anschaffungskosten für Wirtschaftsgüter; seinen Gründen ist aber zu entnehmen, daß die dort dargelegten Grundsätze für Kosten der Lebensführung anderer Art gleichfalls gelten. Im Rechtssatz des Beschlusses Gr. S. 3/70 vom 19. Oktober 1970 (BFH 100, 317, BStBl II 1971, 21) ist nochmals ausdrücklich herausgestellt, daß eine griffweise Schätzung der auf den beruflichen und den privaten Teil entfallenden Aufwendungen keine geeignete Aufteilungsmethode ist. Bei Anwendung dieser Grundsätze scheidet im Streitfall eine Anerkennung auch eines Teiles der streitigen Aufwendungen als Werbungskosten aus, weil selbst wenn man eine teilweise beruflich bedingte Aufwendung der Kosten annehmen wollte, dieser Teil aus den Gesamtaufwendungen nur im Wege der griffweisen Schätzung ausgesondert werden könnte.
Fundstellen
Haufe-Index 69425 |
BStBl II 1971, 368 |
BFHE 1971, 393 |