Leitsatz (amtlich)
Die Absetzung für außergewöhnliche wirtschaftliche Abnutzung setzt außergewöhnliche Umstände voraus, die im Jahr ihrer Geltendmachung die wirtschaftliche Nutzbarkeit hat sinken lassen.
Normenkette
EStG § 7 Abs. 1 S. 4, Abs. 4 S. 3
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1969 zur Einkommensteuer zusammenveraniagt wurden. Der Kläger war im Streitjahr 1969 Eigentümer eines Mietwohngrundstücks. Er machte für das Mietshaus im Streitjahr die Absetzung für außergewöhnliche (wirtschaftliche) Abnutzung (AfaA) gemäß § 7 Abs. 4 Satz 3, § 7 Abs. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes EStG) mit folgender Begründung geltend: Er habe das kriegszerstörte Haus unter auflagegemäßer Verwendung der verbliebenen Außenmauern in den Jahren 1949/1950 für rd. 107 000 DM wiederaufgebaut. Sein ursprünglicher Bauantrag, beim Wiederaufbau ein weiteres Geschoß bei unveränderter Gesamthöhe des Gebäudes zu errichten und das Treppenhaus wesentlich kleiner zu gestalten, sei nicht genehmigt worden. Deshalb seien die Erträge des Hauses verhältnismäßig gering gewesen. Da die Wohnräume zum Teil zu groß und überwiegend zu hoch seien und das Treppenhaus viel zu groß sei, habe sich immer deutlicher gezeigt, daß das Gebäude den Ansprüchen nicht mehr genügt habe. Er habe sich daher überlegt, das Grundstück zu veräußern oder neu zu bebauen. Nach gescheiterten Veräußerungsverhandlungen mit einem Nachbarn habe er im Herbst 1970 mit zwei Nachbarn wegen einer gemeinsamen Neubebauung der gemeinsamen Grundstücke verhandelt. Für ihn habe im Streitjahr festgestanden, daß nur der Abbruch des Gebäudes und ein anschließender Neubau eine wirtschaftliche Ausnutzung des Grund und Bodens ermöglichen würde. Der Kläger hat das Grundstück mit Gebäude im Jahr 1972 für 1 685 000 DM veräußert. Der neue Eigentümer hat das Gebäude Ende 1973 abgebrochen und einen Neubau errichtet.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hat die AfaA nicht anerkannt.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die subjektive Vorstellung des Klägers, die Ertragslage des Mietwohngrundstücks sei unzureichend gewesen, reiche nicht aus, um die AfaA zu rechtfertigen. Auf die Gebäudeherstellungskosten bezogen, könne eine unzureichende Ertragslage nicht festgestellt werden. Nur im Hinblick auf den hohen Wert des Grund und Bodens seien die Erträge unzureichend gewesen, so daß der Verkauf oder eine anderweitige Bebauung geboten gewesen sei. Der dadurch erforderliche Abriß hätte jedoch nicht im Zusammenhang mit der Erzielung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gestanden, sondern das steuerliche Schicksal des Grund und Bodens geteilt, d. h. er wäre unbeachtlich gewesen.
Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger mit folgender Begründung: Infolge der behördlichen Auflage sei ein rentabler Wiederaufbau und damit eine wirtschaftliche Nutzung des Grundstücks stark eingeschränkt gewesen. Aus diesem Grunde wäre von vornherein eine niedrigere Nutzungsdauer anzusetzen gewesen, und zwar statt der 50 Jahre nur eine solche von 23 Jahren (vom Wiederaufbau 1950 bis zum Abbruch 1973). Hiernach ergäben sich wirtschaftlich klare und objektiv nachprüfbare Verhältnisse, die die AfaA rechtfertigten. Zum mindestens aber müsse wegen des im Jahre 1973 erfolgten Abbruchs im Streitjahr von einer tatsächlichen Nutzungsdauer von vier Jahren ausgegangen werden, die eine Absetzung für Abnutzung (AfA) vom Restbuchwert von 44 470 DM in Höhe von 11 117 DM rechtfertige. Es handele sich dabei um eine zulässige Nachholung unterlassener AfA.
Der Kläger beantragt (sinngemäß), das Urteil des FG aufzuheben und die Einkommensteuer für das Jahr 1969 unter Berücksichtigung einer AfaA von 44 470 DM, hilfsweise, unter Berücksichtigung einer AfA von 11 117 DM zuzüglich 748,25 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Das FA hat dem Kläger die von ihm beantragte AfaA zu Recht verweigert.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG sind AfaA zulässig.
Eine außergewöhnliche Abnutzung liegt vor, wenn die wirtschaftliche Nutzbarkeit eines Wirtschaftsguts durch außergewöhnliche Umstände gesunken ist (vgl. Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Aufl., Anm. 34 c zu § 7 EStG). Derartige außergewöhnliche Umstände im Streitjahr sind aus dem Vortrag des Klägers nicht erkennbar. Daß der Kläger behördlich gezwungen wurde, das Haus weniger zweckmäßig aufzubauen, als er es sich vorgestellt hatte, und dadurch weniger Mieten erzielen konnte, als er nach seinen Plänen erzielt hätte, ist kein außergewöhnlicher Umstand des Streitjahres, der eine AfaA rechtfertigen könnte.
Aus dem gleichen Grunde muß auch die hilfsweise beantragte AfA abgelehnt werden. In der AfA des § 7 Abs. 4 EStG, bei der die normale Nutzungsdauer von ursprünglich 100 Jahren auf 50 bzw. 40 Jahre herabgesetzt worden ist, ist bereits der wirtschaftliche Verschleiß des Hauses erfaßt. Ein noch schnellerer Verschleiß des Hauses - der möglicherweise zu einer Verkürzung der Nutzungsdauer und damit zur Erhöhung der AfA führen könnte -, kann nicht allein durch den Hinweis dargetan werden, der Ersatz des Hauses durch ein rentableres werde geplant. Die Vorbereitungen für den Abbruch müssen vielmehr so weit gediehen sein, daß die weitere Nutzung des Hauses in der bisherigen Weise so gut wie ausgeschlossen ist. Der Kläger hat nichts dargetan, was im Streitjahr hierauf schließen ließe. Insbesondere läßt der Hinweis darauf, daß der Erwerber des Grundstücks kurze Zeit nach dem Streitjahr das Haus habe abreißen lassen, nicht den Schluß zu, daß die weitere Nutzung des Hauses in der bisherigen Weise durch den Kläger selbst so gut wie ausgeschlossen gewesen sei. Wie ein Haus genutzt wird, bestimmt jeder Eigentümer für sich allein - soweit er sich nicht nach behördlichen oder gesetzlichen Bestimmungen zu richten hat -. Aus dem Verhalten des einen Eigentümers kann daher nicht ohne weiteres auf das Verhalten eines anderen geschlossen werden.
Fundstellen
BStBl II 1980, 743 |
BFHE 1981, 310 |