Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Beerdigungskosten sind bei dem Erben keine außergewöhnliche Belastung, wenn er sie aus dem Nachlaß decken kann. Das gilt auch für einen Steuerpflichtigen, der seinen Ehegatten beerbt, von dem er im Todesjahr nicht dauernd getrennt gelebt hat.
Krankheitskosten des Erblassers, die von den Hinterbliebenen aus dem Nachlaß bezahlt werden, können bei der letzten Einkommensteuerveranlagung des Erblassers gemäß § 33 EStG berücksichtigt werden.
Normenkette
EStG §§ 26a, 33
Tatbestand
Der am 11. September 1956 verstorbene Steuerpflichtige und seine Ehefrau sind für 1956 gemäß § 26 a EStG 1957 getrennt veranlagt worden. Die Ehefrau hat als Alleinerbin gegen die Einkommensteuerveranlagung ihres verstorbenen Ehemannes Sprungberufung eingelegt, weil das Finanzamt von ihr nach dem Tode des Ehemannes bezahlte Arztkosten von 107 DM und die Kosten für die Beerdigung mit 1.119 DM nicht als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG berücksichtigt hat. Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht führte aus, das Einkommen des Ehemannes sei durch die Arzt- und Beerdigungskosten nicht belastet worden; denn diese Aufwendungen seien erst nach seinem Tode gemacht worden. Sie seien auch keine außergewöhnliche Belastung für die Ehefrau, denn sie belasteten das ererbte Vermögen, nicht aber das Einkommen der Ehefrau. Daß die Eheleute bei der Vermögensbesteuerung zusammen veranlagt worden seien, habe für die Einkommensteuer keine Bedeutung. Das Vermögen des verstorbenen Ehemannes habe der Ehefrau trotz der Zusammenveranlagung nach bürgerlichem Recht nicht gehört; ihr sei das Vermögen ihres Ehemannes erst mit dessen Tode als Erbin zugefallen. Als solche habe sie die Nachlaßverbindlichkeiten zu tragen gehabt. Dazu hätten nicht nur die beim Tode des Erblassers bestehenden Verbindlichkeiten gehört, sondern auch die im Zusammenhang mit dem Erbfall entstandenen.
Mit der Rb. wird unrichtige Anwendung des § 33 EStG gerügt und wiederholt, daß die Ehefrau mit dem Tode ihres Ehemannes kein neues Vermögen erworben habe. Bei der Zusammenveranlagung von Eheleuten sei infolge der Zusammenrechnung ihrer Vermögenswerte nur ein Vermögen vorhanden. Die Auffassung des Finanzgerichts, die Zusammenveranlagung bei der Vermögensteuer sei lediglich ein technisch-rechnerischer Vorgang, stehe nicht nur mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs VI 290/57 U vom 27. März 1958 (BStBl 1958 III S. 290, Slg. Bd. 67 S. 44) in Widerspruch, sondern auch mit der zur Verfassungsmäßigkeit der Zusammenveranlagung bei der Vermögensabgabe ergangenen Entscheidung des Bundesfinanzhofs III 125/57 S vom 28. Februar 1958 (BStBl 1958 III S. 191, Slg. Bd. 66 S. 497).
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Die Ehe hat im Streitjahr 1956 länger als vier Monate bestanden. Da die Eheleute nicht dauernd getrennt gelebt haben, sind die §§ 26 ff. EStG 1957 anzuwenden. Die Bfin. und ihr verstorbener Ehemann waren infolgedessen nach § 26 a EStG 1957 getrennt zu veranlagen, wie die Bfin. es im übrigen auch beantragt hat. Bei der Besteuerung jedes Ehegatten sind die ihm zugeflossenen Einkünfte zugrunde zu legen (Urteil des Senats VI 51/60 U vom 29. Juli 1960, BStBl 1960 III S. 407, Slg. Bd. 71 S. 422). Die Veranlagung der Ehefrau ist rechtskräftig geworden. Die Steuerfestsetzung für den verstorbenen Ehemann hat die Ehefrau als Alleinerbin angefochten, weil die Arzt- und Beerdigungskosten nicht, wie sie es beantragt hatte, berücksichtigt worden waren. Diese Zahlungen, die erst nach dem Tod des Ehemannes geleistet worden sind, können trotzdem nach § 26 a Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 EStG 1957 ganz oder teilweise bei seiner Veranlagung abgezogen werden, wenn sie als außergewöhnliche Belastung anzusehen sind.
Das Finanzamt und das Finanzgericht haben das für die Beerdigungs- und die Krankheitskosten abgelehnt. Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen trifft aber nur für die Beerdigungskosten zu. Eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG kommt nicht in Betracht, wenn das Vermögen belastet ist (Urteile des Senats VI 7/59 S vom 7. August 1959, BStBl 1959 III S. 383, Slg. Bd. 69 S. 324; VI 141/59 S vom 7. August 1959, BStBl 1959 III S. 385, Slg. Bd. 69 S. 330). Die vom Erben gezahlten Beerdigungskosten hängen mit dem Erwerb des Nachlasses zusammen, wie sich aus § 1968 BGB ergibt. Dieser bürgerlich-rechtliche Zusammenhang kann bei der Einkommensbesteuerung nicht etwa deshalb, wie die Bfin. meint, unbeachtet bleiben, weil sie mit ihrem verstorbenen Ehemann im Streitjahr 1956 zur Vermögensteuer zusammen veranlagt war. Die Zusammenveranlagung bei der Vermögensteuer ist, wie das Finanzgericht zutreffend ausgeführt hat, eine steuertechnische Maßnahme, die an den zwischen den Eheleuten bestehenden vermögens- und güterrechtlichen Beziehungen nichts ändert. Der Zusammenhang von Beerdigungskosten und ererbtem Vermögen kann auch nicht deshalb verneint werden, weil die Ehefrau, die beim Tod des Ehemannes von diesem nicht dauernd getrennt gelebt hat, wirtschaftlich schon immer die Vorteile seines Vermögens mitgenossen hat. Dieser wirtschaftliche Umstand reicht nicht aus, um den nach bürgerlichem Recht bestehenden Zusammenhang der Beerdigungskosten mit dem ererbten Vermögen zu verneinen. Ein Ehemann hat die Möglichkeit, sein Vermögen ganz oder teilweise durch letztwillige Verfügung anderen Personen als seiner Ehefrau zuzuwenden. Soweit daher der den Erben zufallende Nachlaß zur Deckung der Beerdigungskosten ausreicht, können beim Erben, auch wenn es die Ehefrau ist, die Beerdigungskosten nicht nach § 33 EStG berücksichtigt werden. Im vorliegenden Fall war aber der Wert des Nachlasses wesentlich höher als der für die Beerdigung aufgewendete Betrag.
Das Bayerische Staatsministerium der Finanzen hat zwar, wie die Bfin. geltend macht, in dem Erlaß S 2193 - 38/5 - 64 457 vom 6. September 1960 (veröffentlicht in der Einkommensteuer-Kartei - 2. Auflage - der Oberfinanzdirektionen München und Nürnberg, Karte 5 zu § 33) "aus Billigkeitsgründen" eine Berücksichtigung der Beerdigungskosten gemäß § 33 EStG zugelassen, wenn der überlebende Ehegatte mit dem Erblasser im Sterbejahr oder im vorangegangenen Kalenderjahr die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG 1957 erfüllt hat, selbst wenn die Beerdigungskosten aus dem Nachlaß gedeckt werden konnten. Diese Verwaltungsanweisung bindet die Steuergerichte nicht. Sie ist auch keine echte Billigkeitsmaßnahme, bei der die Verhältnisse des Einzelfalls berücksichtigt werden, wie § 131 der Reichsabgabenordnung voraussetzt; sie enthält vielmehr eine Rechtsauslegung der Verwaltung, die jedoch mit § 33 EStG nicht vereinbar und für die Steuergerichte nicht verbindlich ist.
Die durch die Erkrankung des Ehemannes angefallenen Kosten hat das Finanzamt für das Jahr 1956 auf 2.051 DM festgestellt, von denen 1.944 DM vor seinem Tode bezahlt und antragsgemäß bei der Veranlagung der Ehefrau für 1956 gemäß § 33 EStG berücksichtigt worden sind. Die noch streitigen 107 DM wurden erst nach dem Tod des Ehemannes bezahlt. Im Gegensatz zu den Beerdigungskosten ist die Verpflichtung, die streitigen Arztkosten zu bezahlen, nicht erst nach dem Tod des Ehemannes entstanden, sondern bereits zu seinen Lebzeiten. Hätte der Erblasser sie noch bezahlt, so wären sie wahrscheinlich vom Finanzamt ohne weiteres, ebenso wie die vor seinem Tod bezahlten Krankheitsaufwendungen, als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt worden. Es wäre aber schwer verständlich, wollte man die erst nach dem Tod des Ehemannes gezahlten Krankheitskosten anders behandeln. Es ist oft ein Zufall, ob eine Arztrechnung noch zu Lebzeiten des Erblassers von ihm selbst bezahlt wird oder ob dies die Hinterbliebenen nach seinem Tod tun. Eine gleichmäßige Behandlung der vor und nach dem Tod des Erblassers gezahlten Kosten entspricht einer vernünftigen Beurteilung der Verhältnisse. Werden Arzt-, Krankenhaus- und Arzneirechnungen eines Verstorbenen von den Hinterbliebenen innerhalb kurzer Zeit nach dem Todesfall aus dem Nachlaß beglichen, so ist es vertretbar, damit sich diese Aufwendungen steuerlich auswirken, diese Beträge noch wie solche des Erblassers zu behandeln und sie bei der letzten für ihn in Betracht kommenden Einkommensteuerveranlagung gemäß § 33 EStG zu berücksichtigen. Gegen eine Berücksichtigung dieser Aufwendungen bei dem Erben spricht, daß der Erbe derartige zur Zeit des Todes des Erblassers noch offene Verbindlichkeiten (§ 1967 BGB) bei der Erbschaftsteuer als Schulden bei der Feststellung des Nachlasses absetzen kann. Wegen dieses Zusammenhangs mit dem ererbten Vermögen bestehen Bedenken, die vom Erben zur Bezahlung dieser Schulden aufgewendeten Beträge bei ihm als Belastung im Sinn des § 33 EStG anzusehen. Auch entspricht es nicht dem Sinn dieser Vorschrift, die Zulässigkeit und die Höhe einer Steuerermäßigung von den Einkommens- und Familienverhältnissen des Erben abhängig zu machen, weil die Aufwendungen mit dessen persönlichen Verhältnissen nicht zusammenhängen. Im Streitfall bestehen gegen die Berücksichtigung der erst nach dem Tod des Ehemannes gezahlten Krankheitskosten bei seiner Veranlagung für das Todesjahr um so weniger Bedenken, als nach der Regelung des § 26 a Abs. 2, 3 EStG 1957 ohnehin die Möglichkeit besteht, Aufwendungen, die erst nach dem Tod eines Steuerpflichtigen gemacht werden, noch bei seiner Besteuerung zu berücksichtigen.
Da die Grenze der zumutbaren Belastung durch andere Aufwendungen der Eheleute im Streitjahr überschritten ist, kann die Bfin. nach § 26 a Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 EStG 1957 verlangen, daß die Krankheitskosten entweder bei ihrer eigenen Veranlagung oder bei der hier zur Entscheidung stehenden Veranlagung ihres verstorbenen Ehemannes berücksichtigt werden. Ihrem Antrag auf Berücksichtigung bei der Einkommensteuerveranlagung ihres verstorbenen Ehemannes war deshalb zu entsprechen. Da das Finanzgericht dies verkannt hat, ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur Steuerberechnung an das Finanzamt zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 410222 |
BStBl III 1962, 31 |
BFHE 1962, 76 |
BFHE 74, 76 |
StRK, EStG:33 R 147 |
NJW 1962, 704 |