Leitsatz (amtlich)
1. Erklärt der Kläger schriftlich gegenüber der Verwaltungsbehörde, er betrachte seine Klage als gegenstandslos, so wird diese Erklärung nur dann als Klagerücknahme wirksam, wenn sich aus ihr eindeutig erkennen läßt, daß der Kläger die Klage gegenüber dem Gericht zurücknimmt, und die Erklärung mit seinem Wissen und Wollen dem Gericht vorgelegt wird.
2. ...
Normenkette
FGO §§ 72, 47 Abs. 2-3, § 155; ZPO § 271 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger hatte als Stoffbesitzer in der Abfindungsanmeldung 560 1 vollständig ausgepreßte, selbst gewonnene Weintrester zur Branntweingewinnung angemeldet. Das HZA berechnete die Ausbeute bei einem Ausbeutesatz von 2 Liter Weingeist (l/W) je 100l Material auf 11,2 l/W. Der Kläger ließ die Trester am 16. August 1967 von dem Brennereibesitzer R. brennen. Die Steueraufsichtsbeamten stellten bei einer Nachschau in der Brennerei R. fest, daß der Kläger tatsächlich 33,3 l/W gewonnen hatte. Sie führten die hohe Ausbeute auf in den Trestern zurückgebliebene Reste aus 1 500l Weißwein zurück, den der Kläger wegen seines geringen Zuckergehaltes durch Vermischen mit Trestern von weißen Trauben, 200 kg Traubenmaische, ca. 160l Trester aus schwarzen Trauben und Zucker verbessert hatte, dann 2 1/2 Tage hatte gären lassen und dann abgefüllt hatte. Der gewonnene Branntwein wurde sichergestellt und dem Brennereibesitzer zur Verwahrung gegeben. Der Kläger wurde mit Strafbefehl des Amtsgerichts H. wegen falscher Anmeldung von Rohstoffen, Verarbeitung nicht selbst gewonnener Rohstoffe und Verarbeitung gezuckerter Rohstoffe mit einer Geldstrafe von 60 DM bestraft. Er hat dagegen kein Rechtsmittel eingelegt. Das HZA hat den sichergestellten Branntwein mit Branntweinübernahmebescheinigung vom 11. April 1968 übernommen, weil er in einem nicht ordnungsmäßig angemeldeten Verfahren gewonnen und deshalb ablieferungspflichtig geworden sei, und das Übernahmegeld auf 109,22 DM - ohne Mehrwertsteuer - berechnet. Am 3. Juli 1968 änderte das HZA seine Übernahmebescheinigung dahin ab, daß das Übernahmegeld auf 19,98 DM - ohne Mehrwertsteuer - festgesetzt wurde, weil bei der ursprünglichen Berechnung des Übernahmegeldes nicht berücksichtigt worden sei, daß der Kläger wegen der Verarbeitung nicht selbst gewonnener Stoffe, nämlich 160l Trester aus schwarzen Trauben von der Weinkelterei in L., den Anspruch auf Behandlung als Stoffbesitzer gemäß § 9 Abs. 4 der Brennereiordnung (BO) verloren hatte.
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage nicht gegen die Berechnung des Übernahmegeldes, sondern gegen die Übernahme des Branntweins überhaupt. Ein etwaiger hoher Feuchtigkeitsgehalt habe seine Ursache allein darin, daß den ausgepreßten Trestern vor dem Brennen Wasser zugesetzt worden sei. Die abgelaufene Weinmaische sei in der Küferei W. in seiner Abwesenheit gepreßt worden wie andere Maischen auch. Dort habe man nicht gewußt, ob die Trester zum Auffüllplatz gebracht oder eingeschlagen würden. Weinmaische aufzuzuckern und die aus ihr zurückgebliebenen Trester zur Branntweingewinnung zu verwenden, sei nicht verboten. Der zur Weinmaische verwendete Zucker sei in ca. 1 650l Wein in 2 1/2 Tagen aufgelöst und vergoren worden. Gegen den Strafbefehl habe er nur deshalb kein Rechtsmittel eingelegt, weil er zu Weihnachten habe seine Ruhe haben wollen und im Strafbefehl die Abgabe des Branntweins nicht verlangt gewesen sei. In der Niederschrift vom 5. Juli 1968 könne keine Klagerücknahme erblickt werden. Er habe die damals übergebene berichtigte Übernahmebescheinigung überhaupt nicht annehmen wollen. Er habe erklärt, daß er den Branntwein heute noch als sein Eigentum betrachte. Der die Niederschrift aufnehmende Beamte habe aber erklärt, daß die Annahme der Übernahmebescheinigung mit seiner Streitsache nichts zu tun habe.
Der Kläger beantragt, die Branntweinübernahmebescheinigung vom 3. Juli 1968 und die ihr zugrunde liegende Branntweinübernahme aufzuheben.
Die Bundesmonopolverwaltung beantragt, die Klage abzuweisen. Sie sieht in der Erklärung des Klägers in der vom Steueraufsichtsbeamten aufgenommenen Niederschrift vom 5. Juli 1968, er sehe seine Klage wegen der ausgehändigten Branntweinübernahmebescheinigung als gegenstandslos an, eine Rücknahme der Klage, weil er diese Erklärung trotz der zu seinen Ungunsten vorgenommenen Änderung der Übernahmebescheinigung abgegeben habe.
Unter vollständig ausgepreßten Weintrestern seien nur solche zu verstehen, die erstmalig für die Weinbereitung abgepreßt, nicht aber solche, die erneut zur Weinbereitung verwendet und dann wieder abgepreßt wurden. Der Zucker sei hier nicht der abgepreßten Flüssigkeit, sondern dem Ansatz aus Wein, Traubenmaische und Trestern hinzugegeben worden. Nach dem Ablassen der Weinmaische nach 2 1/2 Tagen Gärung seien bei einem Zuckergehalt von noch 24° Öchsle erhebliche Zuckerreste in den Trestern verblieben. Dies habe sich bei der Branntweingewinnung in der gleichen Weise ausgewirkt, als ob der Zucker den Trestern nach dem Abpressen zugesetzt worden wäre. Daraus sei die hohe Ausbeute von 5,9 I/W zu erklären. Da dem Kläger der Zuckergehalt bekannt gewesen sei, hätte er die Trester so anmelden müssen, daß die Zollstelle einen besonderen Ausbeutesatz festsetzen konnte. Der BdF habe zwar zugelassen, daß Mitglieder von Winzergenossenschaften die ihnen satzungsgemäß zustehenden Rückstände an Weintrestern, die bei der Weinherstellung durch die Winzervereinigung anfallen, wie Stoffbesitzer zu Branntwein verarbeiten dürfen. Der Kläger habe aber keine Rotweinmaische an die Genossenschaft abgeliefert, weshalb die von ihm verwendeten 160l Schwarzrieslingtrester nicht als selbst gewonnen angesehen werden könnten.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Der erkennende Senat vermag in der Erklärung des Klägers vom 5. Juli 1968 keine Rücknahme der Klage zu sehen. Die Rücknahme der Klage ist - entsprechend ihrem Wesen als Prozeßhandlung - grundsätzlich dem Gericht gegenüber zu erklären (§ 155 FGO in Verbindung mit § 271 Abs. 2 ZPO). Wird eine als Rücknahme zu wertende Erklärung des Klägers gegenüber der Verwaltungsbehörde abgegeben, so kann die Rücknahme zwar dadurch wirksam werden, daß sie dem Gericht mit Wissen und Wollen des Klägers als Klagerücknahme vorgelegt wird und sich aus der Erklärung eindeutig erkennen läßt, daß er gegenüber dem Gericht die Klage zurücknimmt. § 47 Abs. 2 und 3 FGO kann hier nicht entsprechend in dem Sinne angewendet werden, daß bereits die Erklärung gegenüber der Behörde als Rücknahme zu werten ist. Denn bei diesen Vorschriften geht es um die Einhaltung der Klagefrist. Bei der Rücknahme der Klage ist aber in der Regel keine Frist zu wahren (vgl. Gräber, Deutsches Steuerrecht, 1967 S. 176; Becker-Riewald-Koch, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar § 72 FGO Anm. 2 [1]; anderer Meinung Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, § 72 Anm. 21; Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 72 FGO Anm. 6). Im Streitfall ist nicht auszuschließen, daß der Kläger durch eine unrichtige oder ungeschickte Belehrung durch den Steueraufsichtsbeamten über die Tragweite seiner Erklärung in einen Irrtum versetzt wurde. Darauf deutet der Ausdruck "gegenstandslos" hin, der in dem Sinn verstanden werden kann und auch vom Kläger so verstanden worden ist, daß die Branntweinübernahmebescheinigung mit seiner Streitsache nichts zu tun habe. Demnach kann die Vorlage der Erklärung des Klägers in der Niederschrift vom 5. Juli 1968 nicht als mit Wissen und Wollen des Klägers an das Gericht weitergeleitete Klagerücknahme angesehen werden.
Die Klage war auch zulässig. Die Branntweinübernahmebescheinigung nach § 208 BO stellt einen monopolrechtlichen Verwaltungsakt der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein dar, gegen den die Klage beim BFH gegeben ist (§ 37 Nr. 4 FGO).
Die Klage kann aber keinen Erfolg haben. ...
Fundstellen
Haufe-Index 69358 |
BStBl II 1971, 204 |
BFHE 1971, 45 |