Entscheidungsstichwort (Thema)
Inländisches Betriebsvermögen eines ausländischen Versicherungsunternehmens
Leitsatz (NV)
- Nach § 121 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 Nr. 2 BewG liegt eine Betriebsstätte (u.a.) dann vor, wenn im Inland eine Zweigniederlassung unterhalten wird. Dies ist der Fall, wenn die Niederlassung nach § 13 HGB in das Handelsregister eingetragen wurde. Die Handelsregistereintragung begründet die - widerlegbare - Vermutung, daß das ausländische Unternehmen eine Betriebsstätte im Inland unterhält. Diese Vermutung kann nur mit der schlüssigen Darlegung widerlegt werden, die Eintragungsvoraussetzungen hätten nicht vorgelegen.
- Liegt eine inländische Betriebsstätte vor, weil im Inland eine Zweigniederlassung unterhalten wird, kann die Eigenschaft der Zweigniederlassung als Betriebsstätte nicht dadurch entfallen, daß darin ein Vertreter tätig ist, der für sich betrachtet im Hinblick auf Art. 5 Abs. 4 Buchst. f OECD-Musterabkommen keine Betriebsstätte begründen würde.
- Zu den der inländischen Betriebsstätte dienenden Vermögensgegenständen gehören auch solche Kapitalanlagen, die als versicherungsaufsichtsrechtlich gebotene Mindesteigenkapitalausstattung (vgl. § 1, § 2 Nr. 1 Kapitalausstattungs-VO) erforderlich sind. Bei der Ermittlung des inländischen Betriebsvermögens ist nicht nur auf das im Inland befindliche, der inländischen Betriebsstätte dienende Vermögen abzustellen. Vielmehr ist - soweit das inländische Vermögen die versicherungsaufsichtsrechtlich notwendigen Mindesteigenmittel nicht erreicht - in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen notwendigen Eigenmitteln und im Inland befindlichem Vermögen auch das im Ausland befindliche Vermögen der Klägerin als Betriebsvermögen der inländischen Betriebsstätte anzusehen.
Normenkette
VStG § 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2; BewG §§ 95, 97 Abs. 3, § 121 Abs. 2 Nr. 3; AO 1977 § 12; EStG § 15 Abs. 2; EGVtr Art. 234; DBA GBR Art. II Abs. 1 Buchst. L; OECDMustAbk Art. 5; DBA GBR Art. III Abs. 3; VAG §§ 53c, 106 Abs. 2, §§ 106b, 111; KapAusstV §§ 1, 2 Nr. 1; HGB § 13
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Versicherungsgesellschaft, ist eine Kapitalgesellschaft englischen Rechts mit Sitz und Geschäftsleitung im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland. Im Inland ist sie mit einer in das Handelsregister eingetragenen Niederlassung als Transportversicherer tätig und erfüllt insoweit die Voraussetzungen des § 106 Abs. 2 des Gesetzes über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (VAG). Als Hauptbevollmächtigten i.S. von § 106 Abs. 3 VAG bestellte die Klägerin X, der als Mitgesellschafter einer KG zugleich auch unabhängiger Versicherungsagent der Klägerin ist. Dessen Vertretungsvollmacht als Hauptbevollmächtigter der inländischen Niederlassung richtete sich gemäß einer als "Dienstvertrag" bezeichneten Vereinbarung im Außenverhältnis nach den Anforderungen des § 106 Abs. 3 VAG. Durch einen gleichzeitig abgeschlossenen "Geschäftsbesorgungsvertrag" wurden jedoch im Innenverhältnis die Vollmachten des X auf die Grenzen der Vertretungsbefugnis beschränkt, die im Rahmen des Agenturverhältnisses vereinbart waren. In dem Vertrag wurde von den Vertragsparteien auch klargestellt, daß X kein Angestellter der Klägerin sein sollte. Während die Transportversicherungsverträge wie zuvor ohne Einschaltung der Niederlassung durch die insoweit beauftragten und bevollmächtigten unabhängigen Agenturen (Makler) abgeschlossen wurden, oblag es der Niederlassung, die Policen und Schadensunterlagen des von den inländischen Agenturen gezeichneten Geschäfts sowie die Bücher zu führen, den Abrechnungs- und Zahlungsverkehr sowie die Rechnungslegung vorzunehmen und die steuerlichen Pflichten zu erfüllen. Mit der Ausführung dieser Aufgaben wurde durch einen sog. Funktionsausgliederungsvertrag die KG beauftragt. Die mit der Errichtung und dem Betrieb der Niederlassung verbundenen Kosten wurden aus deren Einnahmen bestritten.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) sah die Klägerin als beschränkt steuerpflichtig an und stellte den Einheitswert des inländischen Betriebsvermögens der Klägerin
auf den 1. Januar 1983 auf … DM (Bescheid vom 23. Februar 1984),
auf den 1. Januar 1985 auf … DM (Bescheid vom 19. Februar 1986),
auf den 1. Januar 1986 auf … DM (Bescheid vom 27. Februar 1987),
auf den 1. Januar 1987 auf … DM (Bescheid vom 21. März 1988) und
auf den 1. Januar 1988 auf … DM (Bescheid vom 11. September 1989)
fest. Dabei berücksichtigte es neben den von der Klägerin in deren jeweiligen Vermögensaufstellungen erklärten Vermögensgegenständen (inländischen Kapitalanlagen) auch weiteres ausländisches Vermögen der Klägerin, und zwar
auf den 1. Januar 1983 einen Betrag von … DM,
auf den 1. Januar 1985 einen Betrag von … DM,
auf den 1. Januar 1986 einen Betrag von … DM,
auf den 1. Januar 1987 einen Betrag von … DM und
auf den 1. Januar 1988 einen Betrag von … DM.
Es vertrat hierzu unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 31. Mai 1979 IV B 7 -S 2775- 9/79 (BStBl I 1979, 306) die Auffassung, der Klägerin sei auch ausländisches Vermögen als inländisches Betriebsvermögen in dem Umfang zuzurechnen, in welchem die notwendigen Eigenmittel in Höhe der Solvabilitätsspanne nach § 53c VAG i.V.m. § 1 der Verordnung über die Kapitalausstattung von Versicherungsunternehmen (Kapitalausstattungs-VO) vom 3. März 1976 (BGBl I 1976, 409) durch die inländischen Kapitalanlagen nicht erreicht würden.
Klage und Einspruch der Klägerin, mit denen sie die Aufhebung der Einheitswertbescheide verfolgte, blieben ohne Erfolg. Dabei wandte sich die Klägerin sowohl gegen die Annahme des FA, es liege eine inländische Betriebstätte der Klägerin vor, als auch gegen die Zurechnung ausländischen Vermögens.
Das Finanzgericht (FG) hat das Vorliegen einer inländischen Betriebstätte bejaht und hierzu ausgeführt, daß die Klägerin im Inland mit ihrer Niederlassung gewerblich tätig gewesen sei und nach § 12 Satz 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) Zweigniederlassungen stets als Betriebstätten anzusehen seien. Die Eintragung der Zweigniederlassung im Handelsregister begründe eine ―widerlegbare― Vermutung, daß das ausländische Unternehmen im Inland eine Betriebstätte unterhalte. Anhaltspunkte dafür, daß die Eintragung in das Handelsregister zu Unrecht vorgenommen worden sei, seien nicht ersichtlich. Das Besteuerungsrecht für das inländische Betriebsvermögen der Klägerin sei auch nicht durch Art. II Abs. 1 Buchst. l des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung vom 26. November 1964 i.d.F. des Revisionsprotokolls vom 23. März 1970 (BGBl I 1971, 46) ―DBA-Großbritannien― eingeschränkt, weil insoweit derselbe Betriebstättenbegriff wie in § 12 AO 1977 maßgeblich sei. Soweit das FA unter Hinweis auf das o.g. Schreiben des BMF vom 31. März 1979 dem inländischen Betriebsvermögen der Klägerin auch ausländisches Vermögen bis zur Höhe der sog. Solvabilitätsspanne zugerechnet habe, sei dies nicht zu beanstanden, weil die Klägerin verpflichtet gewesen sei, entsprechende Mindesteigenmittel für ihre inländische Betriebstätte vorzuhalten.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das FG, rechtsfehlerhafte Anwendung des § 12 AO 1977 sowie des Art. II Abs. 1 Buchst. l DBA-Großbritannien. Das FG habe nicht berücksichtigt, daß die Bestellung des Hauptbevollmächtigten rein versicherungsaufsichtsrechtlich bedingt gewesen sei. Dieser sei in erster Linie unabhängiger Generalagent gewesen. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30. April 1975 I R 152/73 (BFHE 115, 504, BStBl II 1975, 626) begründe die Tätigkeit eines unabhängigen Agenten, der zudem mehrere Versicherer vertrete, keine Betriebstätte eines ausländischen Versicherers im Inland. Das FG habe auch verkannt, daß es sich bei den Tätigkeiten, die der Niederlassung oblagen, lediglich um reine Hilfstätigkeiten i.S. von Art. II Abs. 1 Buchst. l (iii) ee DBA-Großbritannien gehandelt habe. Im übrigen sei die Einbeziehung der Transportversicherung in das Niederlassungsprinzip europarechtswidrig gewesen. Die Sache sei deshalb gemäß Art. 177 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vorzulegen, weil die Besteuerung der Dienstleistungstätigkeit nach Niederlassungskriterien einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit darstelle. Soweit das FG der inländischen Betriebstätte auch ausländisches Vermögen zugerechnet habe, habe es die Rechtsgrundsätze des BFH-Urteils vom 18. September 1996 I R 59/95 (BFHE 181, 419, BFH/NV BFH/R 1997, 140) nicht beachtet. Danach komme für Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem EU-Mitgliedstaat die Solvabilitätsspanne nicht als Betriebsvermögen in Betracht.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG Bremen vom 26. Juni 1997 395016K5, die Einheitswertbescheide auf den 1. Januar 1983, 1. Januar 1985, 1. Januar 1986, 1. Januar 1987 und 1. Januar 1988 sowie die Einspruchsentscheidung vom 8. August 1991 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
1. Das FG hat zutreffend erkannt, daß die Klägerin an den maßgeblichen Stichtagen (1. Januar 1983, 1. Januar 1985, 1. Januar 1986, 1. Januar 1987 und 1. Januar 1988) mit ihrem inländischen Betriebsvermögen der (beschränkten) Vermögensteuerpflicht unterlag.
Die Klägerin war als eine nach englischem Recht gegründete Aktiengesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zu den maßgeblichen Stichtagen eine Körperschaft i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Vermögensteuergesetzes (VStG), die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland hatte. Entsprechend konnte sie nach § 2 Abs. 2 VStG nur mit ihrem inländischen (Betriebs-)Vermögen i.S. von § 121 des Bewertungsgesetzes (BewG) beschränkt vermögensteuerpflichtig sein. Als inländisches Betriebsvermögen gilt nach § 121 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 BewG nur dasjenige Vermögen, das einem im Inland betriebenen Gewerbe dient, soweit hierfür im Inland eine Betriebstätte unterhalten wird oder ―was hier offenbleiben kann― ein ständiger Vertreter bestellt ist.
a) Die Annahme inländischen Betriebsvermögens setzt deshalb zunächst voraus, daß von dem beschränkt Steuerpflichtigen im Inland tatsächlich ein Gewerbe betrieben wird. Denn § 121 Abs. 2 Nr. 3 BewG beschränkt die Vermögensteuerpflicht einer Kapitalgesellschaft, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland hat, auf dasjenige inländische Betriebsvermögen, das einem im Inland betriebenen Gewerbe tatsächlich dient.
Der Begriff des gewerblichen Betriebs im Sinne des Bewertungsrechts (vgl. § 95, § 97, § 121 Abs. 2 Nr. 3 BewG) entspricht dem des Gewerbebetriebs i.S. von § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (BFH-Urteil vom 30. Januar 1981 III R 116/79, BFHE 133, 217, BStBl II 1981, 560). Danach setzt das Vorliegen eines gewerblichen Betriebs eine selbständige nachhaltige Betätigung im Inland voraus, die mit Gewinnabsicht unternommen wird, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und nicht als Ausübung der Landwirtschaft oder als Vermögensverwaltung anzusehen ist. Eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr ist gegeben, wenn ein Unternehmen im Inland eine Tätigkeit entfaltet, die objektiv erkennbar darauf abzielt, die Leistungen des Unternehmens zu bewirken und sie der Allgemeinheit anzubieten. Dabei sind sämtliche Aktivitäten der Gesellschaft im Inland in die Betrachtung einzubeziehen und im Zusammenhang zu würdigen (vgl. BFH-Urteil vom 29. August 1973 I R 214/71, BFHE 110, 348, BStBl II 1974, 6).
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ergibt, daß die Klägerin an den hier maßgeblichen Feststellungszeitpunkten im Inland gewerblich tätig war. Das FG hat insoweit zutreffend darauf abgestellt, daß die Klägerin ihr Versicherungsgeschäft durch Abschluß von Transportversicherungen im Inland betrieben hat und daß an dieser Geschäftstätigkeit die inländische Niederlassung maßgeblich beteiligt war. Dieser oblag u.a. die Führung der Policen und Schadensunterlagen des von den inländischen Agenturen gezeichneten Geschäfts, die Buchhaltung, die Durchführung des Abrechnungs- und Zahlungsverkehrs, die Rechnungslegung sowie die Erfüllung der steuerlichen Pflichten. Auf die Einzelheiten des internen Organisationsablaufs bei der Klägerin kommt es bei dieser Gesamtbetrachtung und -würdigung aller Aktivitäten der Klägerin im Inland nicht an. Insbesondere spielt es keine Rolle, daß der Abschluß der Versicherungsverträge ―ohne Beteiligung der Niederlassung― selbständigen Versicherungsmaklern (Assekuradeuren) überlassen war und der Niederlassung nur die in § 106 Abs. 2 VAG genannten Verwaltungsaufgaben, die u.a. Gegenstand des sog. Funktionsausgliederungsvertrages waren, zufielen. Denn entscheidend ist nur, daß in und durch die Niederlassung eine (Verwaltungs-)Tätigkeit entfaltet wurde, die auf die Geschäftstätigkeit der Klägerin im Inland abzielte; diese Voraussetzung lag vor.
b) Entgegen der Auffassung der Klägerin wurde von ihr an den maßgeblichen Stichtagen im Inland eine Betriebstätte unterhalten. Für den Begriff der "Betriebstätte" i.S. von § 121 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 BewG ist die Begriffsbestimmung in § 12 AO 1977 maßgebend. Nach Satz 2 Nr. 2 dieser Vorschrift liegt eine Betriebstätte (u.a.) dann vor, wenn im Inland eine Zweigniederlassung unterhalten wird. Dies ist der Fall, wenn die Niederlassung nach § 13 des Handelsgesetzbuches (HGB) in das Handelsregister eingetragen wurde. Nach der Rechtsprechung des BFH begründet die Handelsregistereintragung die ―widerlegbare― Vermutung, daß das ausländische Unternehmen eine Betriebstätte im Inland unterhält (BFH-Urteil in BFHE 133, 217, BStBl II 1981, 560). Diese Vermutung kann nur mit der schlüssigen Darlegung widerlegt werden, die Eintragungsvoraussetzungen hätten nicht vorgelegen. Anhaltspunkte dafür, die Eintragung der Niederlassung der Klägerin in das Handelsregister habe nicht vorgenommen werden dürfen, liegen aber im Streitfall nicht vor. Daß ―wie die Klägerin geltend macht― Gründe der Versicherungsaufsicht Anlaß für die Errichtung der Niederlassung waren und damit ohne tatsächliche Änderung im Geschäftsablauf nur äußerlich einer Form genügt werden sollte, steht entgegen der Auffassung der Klägerin der Tatsache des Vorliegens einer Niederlassung nicht entgegen.
Ob die Errichtung der inländischen Niederlassung im Hinblick auf § 111 VAG seinerzeit überhaupt erforderlich war, was von der Klägerin selbst bezweifelt wird (vgl. S. 5 unter Abschn. V. 1. der Revisionsbegründungsschrift vom 9. Februar 1998), oder ob ―wie die Klägerin insoweit im Widerspruch hierzu behauptet― die gesetzliche Verpflichtung zur Errichtung einer Niederlassung im Inland einen Verstoß gegen das Recht der Europäischen Gemeinschaft darstellte, kann als für die Entscheidung unerheblich offenbleiben. Denn für die Frage der beschränkten Steuerpflicht kann nur auf die objektive Tatsache der Errichtung einer inländischen Niederlassung abgestellt werden. Soweit und solange die Klägerin die Umstände aufrechterhält, aus denen sich das Vorhandensein einer Betriebstätte im Inland ergibt, ist sie steuerrechtlich entsprechend als beschränkt Steuerpflichtige zu behandeln. Die Rechtsvorschriften, die die Klägerin zur Gründung der inländischen Niederlassung veranlaßt haben, sind nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits, durch den deshalb auch keine europarechtliche Frage aufgeworfen wird. Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt deshalb auch eine Vorlage an den EuGH nach Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der nach dem 1. Mai 1999 geltenden Fassung (bisher Art. 177 EGV) nicht in Betracht.
c) Das Besteuerungsrecht für das inländische Betriebsvermögen der Klägerin ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht durch Art. II Abs. 1 Buchst. l DBA-Großbritannien eingeschränkt. Nach dieser mit Art. 5 des OECD-Musterabkommens aus 1977 (OECD-MustAbk) im wesentlichen inhaltsgleichen Vorschrift gilt als Betriebstätte u.a. eine Zweigniederlassung (Art. II Abs. 1 Buchst. l (ii) bb DBA-Großbritannien). Diese liegt hier vor. Es gelten insoweit dieselben Gesichtspunkte wie zu § 12 AO 1977.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß in Art. II Abs. 1 Buchst. l (iii) ee DBA-Großbritannien gewisse Hilfstätigkeiten bzw. bestimmte Dienstleistungen nicht als betriebstättenbegründend angesehen werden. Denn im Streitfall liegen diese einschränkenden Voraussetzungen nicht vor.
Dies gilt zum einen für Art. II Abs. 1 Buchst. l (iii) ee DBA-Großbritannien (entspricht Art. 5 Abs. 4 Buchst. f OECD-MustAbk), wonach als Betriebstätte nicht solche Geschäftseinrichtungen gelten, in denen nur "Hilfstätigkeiten" ausgeübt werden. Denn die Führung der Policen und Schadensunterlagen des von den inländischen Agenturen gezeichneten Geschäfts, die Buchhaltung, die Durchführung des Abrechnungs- und Zahlungsverkehrs sowie die Rechnungslegung und die Erfüllung der steuerlichen Pflichten stellen keine solchen Hilfstätigkeiten dar, vielmehr dienen diese Tätigkeiten unmittelbar der Gewinnerzielung (vgl. Flick/Wassermeyer/Wingert/Kempermann, Kommentar zum DBA-Deutschland-Schweiz, Art. 5 Rz. 61, 63).
Dies gilt zum anderen auch für Art. II Abs. 1 Buchst. l (v) DBA-Großbritannien (entspricht Art. 5 Abs. 6 OECD-MustAbk), wonach ein Unternehmen nicht schon deshalb so zu behandeln ist, als habe es eine Betriebstätte, weil es im Inland Geschäftsbeziehungen durch einen Makler, Kommissionär oder einen anderen unabhängigen Vertreter unterhält, sofern diese Personen im Rahmen ihrer ordentlichen Geschäftstätigkeit handeln. Denn die von der Klägerin im Inland unterhaltenen Geschäftsbeziehungen gehen nicht ausschließlich auf die Vermittlungstätigkeit unabhängiger Vertreter (Makler) zurück, sondern beruhen (auch) auf der Aktivität der inländischen Niederlassung.
Unter diesen Umständen kommt es auf die Rolle des Hauptbevollmächtigten, insbesondere auf dessen Rechtsmacht, die Klägerin im Außenverhältnis ausschließlich zu vertreten, sowie auf die Beschränkungen dieser Rechtsmacht im Innenverhältnis nicht an. Denn anders als in dem von der Klägerin in Bezug genommenen Urteil des BFH in BFHE 115, 504, BStBl II 1975, 626 liegt im Streitfall bereits eine Betriebstätte der Klägerin deshalb vor, weil diese im Inland eine Zweigniederlassung unterhalten hat. Die Eigenschaft der Zweigniederlassung als Betriebstätte könnte jedoch nicht dadurch entfallen, daß darin ein Vertreter tätig ist, der für sich betrachtet keine Betriebstätte begründen würde (vgl. Flick/Wassermeyer/Wingert/Kempermann, a.a.O., Art. 5 Rz. 75; Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Kommentar, Bd. 1, Systematik Abschn. IV Rz. 48). Auf die ―für die BFH-Entscheidung in BFHE 115, 504, BStBl II 1975, 626 maßgebliche― Frage, ob der von der Klägerin bestellte Hauptbevollmächtigte als eine Person i.S. des Art. II Abs. 1 Buchst. l (iv) DBA-Großbritannien (entspricht Art. 5 Abs. 5 OECD-MustAbk) angesehen werden kann, deren Bevollmächtigung, im Namen der Klägerin Versicherungsverträge abzuschließen, die Annahme einer Betriebstätte rechtfertigt bzw. ob der Hauptbevollmächtigte im Hinblick auf seine Tätigkeit als Agent der Klägerin, die er neben seinen Aufgaben als Hauptbevollmächtigter ausgeführt hat, als unabhängiger Vertreter der Klägerin i.S. des Art. II Abs. 1 Buchst. l (v) DBA-Großbritannien (entspricht Art. 5 Abs. 6 OECD-MustAbk) anzusehen ist, kommt es ―entgegen der Auffassung der Klägerin― hier nicht an. Die diesbezügliche Sachaufklärungsrüge der Klägerin ist unbegründet.
2. Das FG ist auch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß der inländischen Betriebstätte Eigenmittel (Kapitalanlagen) der Klägerin mindestens in Höhe der Solvabilitätsspanne nach § 53c Abs. 1, 2 VAG i.V.m. § 1 Kapitalausstattungs-VO als auf die inländische Betriebstätte der Klägerin entfallendes Betriebsvermögen zuzurechnen sind.
Um das inländische Betriebsvermögen einer Körperschaft mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland (§ 97 Abs. 3 i.V.m. § 121 Abs. 2 Nr. 3 BewG) zu ermitteln, bedarf es einer Aufteilung des Gesamtvermögens der Körperschaft auf das ausländische Stammhaus und die (rechtlich unselbständige) inländische Betriebstätte (hier: Niederlassung). Bei der insoweit notwendigen Abgrenzung des Vermögens der inländischen Zweigniederlassungen gegenüber der Hauptniederlassung und anderen ausländischen Betriebstätten ist nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. Urteile vom 21. Januar 1972 III R 57/71, BFHE 104, 471, BStBl II 1972, 374, 375, re.Sp., m.w.N.; vom 25. Juni 1986 II R 213/83, BFHE 147, 264, BStBl II 1986, 785, 786, m.w.N., und vom 29. Juli 1992 II R 39/89, BFHE 168, 431, BStBl II 1993, 63) regelmäßig nach der ―zu genaueren Ergebnissen führenden― direkten Methode vorzugehen. Danach ist die Betriebstätte als wirtschaftlich ―nicht rechtlich― selbständige Einheit zu denken (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 168, 431, BStBl II 1993, 63).
Dies entspricht auch dem ―im Rahmen der Vermögensermittlung entsprechend anwendbaren Art. III Abs. 3 DBA-Großbritannien vorgeschriebenen― sog. "dealing at arm's length-Prinzip", welches besagt, daß der Betriebstätte im Inland sämtliche Wirtschaftsgüter dienen, die ein selbständiges Unternehmen am gleichen Ort und unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen zur Erzielung eines gleichen oder ähnlichen Erfolges benötigt hätte (vgl. BFH-Urteil in BFHE 104, 471, BStBl II 1972, 374 zum DBA-Großbritannien, sowie BFH-Urteil in BFHE 168, 431, BStBl II 1993, 63).
Wirtschaftsgüter dienen danach dem Gewerbe der inländischen Betriebstätte, "wenn sie nach ihrer Zweckbestimmung der Erreichung des Betriebszwecks dienen" (Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, § 121 BewG Rdnr. 19). Das ist insbesondere bei solchen Vermögensgegenständen der Fall, die das wirtschaftliche Ergebnis der Betriebstätte "zwangsläufig und maßgeblich beeinflussen und ihre Erträge zu gewährleisten oder zu steigern imstande sind" (BFH-Urteil in BFHE 168, 431, BStBl II 1993, 63 unter Hinweis auf das Urteil des Reichsfinanzhofs ―RFH― vom 10. September 1936 III A 213/35, RStBl 1936, 1161). Nicht entscheidend ist, ob sich die Wirtschaftsgüter im Inland oder im Ausland befinden (vgl. schon RFH-Urteil vom 19. April 1934 III A 140/30, RStBl 1934, 738; Gürsching/Stenger, a.a.O., § 121 BewG Rdnr. 21).
Zu den danach der inländischen Betriebstätte der Klägerin dienenden Vermögensgegenständen gehören auch solche Kapitalanlagen, die als versicherungsaufsichtsrechtlich gebotene Mindesteigenkapitalausstattung (vgl. im einzelnen BMF-Schreiben in BStBl I 1979, 306 i.V.m. § 1, § 2 Nr. 1 Kapitalausstattungs-VO) erforderlich sind. Dies entspricht den §§ 53c, 106b sowie dem früheren § 106a VAG und damit zugleich der direkten Zurechnungsmethode. Die Zweigniederlassung muß danach aufsichtsrechtlich über ein bestimmtes Eigenkapital verfügen. Ausschlaggebend ist, daß die inländische Zweigniederlassung nach der Eigenart ihres Geschäfts die entsprechenden Deckungsmittel benötigt, auch wenn ihr diese Mittel vom Stammhaus tatsächlich nicht zugewiesen worden sind (BFH-Urteil in BFHE 181, 419, BFH/NV BFH/R 1997, 140). Es ist danach bei der Ermittlung des inländischen Betriebsvermögens entgegen der Auffassung der Klägerin nicht nur auf das im Inland befindliche, der inländischen Betriebstätte dienende Vermögen abzustellen. Vielmehr ist ―soweit das inländische Vermögen die versicherungsaufsichtsrechtlich notwendigen Mindesteigenmittel in Höhe der Solvabilitätsspanne nach § 53c VAG nicht erreicht― in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen notwendigen Eigenmitteln und im Inland befindlichem Vermögen auch das im Ausland befindliche Vermögen der Klägerin als Betriebsvermögen der inländischen Betriebstätte anzusehen.
Anhaltspunkte dafür, daß die für das Versicherungsgeschäft in Deutschland erforderlichen Mindesteigenmittel nach § 53c VAG von der Klägerin in ihrem Stammhaus tatsächlich nicht vorgehalten wurden bzw. die diesbezüglichen Vermögenswerte einer mehrfachen steuerlichen Erfassung unterlagen, liegen im Streitfall ―anders als in dem der Entscheidung des I. Senats des BFH in BFHE 181, 419, BFH/NV BFH/R 1997, 140 zugrundeliegenden Fall― nicht vor. Entsprechende Feststellungen hat das FG, ohne daß dies von der Klägerin gerügt worden wäre, nicht getroffen. Auch ergibt sich aus dem Akteninhalt hierfür kein Hinweis. Vielmehr muß angesichts des Umstandes, daß die Klägerin durch Vorlage der Solvabilitätsbescheinigung den inländischen Aufsichtsbehörden gegenüber erklärt hat, das gesetzlich vorgeschriebene Eigenkapital für die inländische Betriebstätte (im Ausland) vorzuhalten, davon ausgegangen werden, daß sie ausreichende freie, unbelastete Eigenmittel tatsächlich vorgehalten hat.
Fundstellen
Haufe-Index 425036 |
BFH/NV 2000, 688 |
HFR 2000, 520 |