Leitsatz (amtlich)
Ein als Schadenssachbearbeiter im Innendienst einer Versicherungsgesellschaft Angestellter kann auch als selbständiger Versicherungsvertreter dieser Versicherungsgesellschaft tätig sein, wenn die Beteiligten die Tätigkeitsbereiche klar und eindeutig abgegrenzt haben.
Normenkette
UStG § 2
Streitjahr(e)
1955
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Steuerpflichtige - Stpfl. -) war im Jahre 1955 als Schadenssachbearbeiter Angestellter im Innendienst einer Versicherungsgesellschaft. Sein Bruttoarbeitslohn betrug 10.000 DM. Außerdem beschäftigte sich der Stpfl. mit Genehmigung seines Dienstherrn insbesondere mit der Vermittlung und Betreuung von Filmversicherungsverträgen. Die Unkosten, wie Fahrtkosten, Übernachtungskosten, Bewirtungen und Repräsentationskosten, von etwa 30.000 DM bei erklärten Einnahmen aus dem Versicherungsgeschäft von rund 32.000 DM mußte der Stpfl. selbst tragen. Von seinem Dienstherrn wurden ihm Büro, Schreibkraft, Telefon und dergleichen gegen Zahlung eines Kostenbeitrags zur Verfügung gestellt. Versicherer für die vom Stpfl. vermittelten Verträge war die X-Gemeinschaft, der der Dienstherr des Stpfl. angehört. Gegenüber dem Versicherer trat der Dienstherr des Stpfl. als Vermittler und Verwalter der Filmversicherungsverträge auf. Der Stpfl. erhielt für seine Vermittler- und Betreuungstätigkeit einen Teil der Vermittlungs- und Verwaltungsprovisionen von seinem Dienstherrn. Auch Filmversicherungsverträge, die von anderen Versicherungsvertretern vermittelt wurden, betreute der Stpfl. im Auftrag seines Dienstherrn gegen Zahlung von Provisionen. Für das Jahr 1955 erklärte er einen Gesamtumsatz (einschließlich eines Hilfsumsatzes) von ca. 37.000 DM.
Der Stpfl. ist der Auffassung, daß seine Leistungen nicht der Umsatzsteuer unterliegen, weil er nicht selbständig tätig gewesen sei. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt - FA -) dagegen zog ihn mit seinen gesamten Einnahmen aus der Tätigkeit als Versicherungsvertreter zur Umsatzsteuer heran.
Einspruch und Berufung waren im wesentlichen erfolglos. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, daß der Stpfl. bei seiner Tätigkeit im Filmversicherungsgeschäft selbständig gewesen sei. Lediglich die durch ein Versehen in der Umsatzsteuererklärung bedingte Kürzung des Gesamtumsatzes von 1.366 DM erkannte es an.
Mit der gemäß § 184 Abs. 1 und Abs. 2 Ziff. 1 in Verbindung mit §§ 115 ff. FGO als Revision zu behandelnden Rb. rügt der Stpfl. unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts und trägt dazu vor: Für die Beurteilung seiner beruflichen Stellung müsse in erster Linie sein Angestelltenverhältnis zu seinem Dienstherrn herangezogen werden. Seine gesamte Tätigkeit, die durch den Arbeitsvertrag erfaßt werde, habe er seinem Arbeitgeber erbracht. Er sei also nicht selbständig tätig gewesen. Dies ergebe sich daraus, daß er für seine Dienstleistungen, die nicht in der Schadensbearbeitung bestanden, immer die Genehmigung seines Dienstherrn habe einholen müssen. Auch das Büro seines Dienstherrn habe er nur auf Grund einer besonderen Genehmigung für seine Tätigkeit im Filmversicherungsgeschäft benutzen dürfen.
Entscheidungsgründe
Die Revision kann keinen Erfolg haben.
Das FG geht zutreffend davon aus, daß die Frage, ob ein Versicherungsvertreter selbständig oder nichtselbständig tätig ist, nach dem Gesamtbild der beruflichen Stellung zu beurteilen ist (Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - I 200/59 S vom 3. Oktober 1961, BFH 73, 827, BStBl III 1961, 567). Dieser Ansicht des I. Senats hat sich der erkennende Senat in dem Urteil V 133/59 U vom 12. April 1962 (BFH 74, 699; BStBl III 1962, 259) angeschlossen. Ergibt das Gesamtbild der Stellung, daß ein Versicherungsvertreter gegenüber einer Versicherungsgesellschaft selbständig tätig ist, so kann er nicht mit einem Teil seiner Einnahmen aus dem einen Vertreterverhältnis als nichtselbständig behandelt werden. Entscheidend ist nicht die im einzelnen entfaltete Tätigkeit des Versicherungsvertreters, sondern ob er dem Versicherungsunternehmen, das er vertritt, derart eingegliedert ist, daß er dessen Weisungen nach Ort, Zeit sowie Art und Weise zu folgen verpflichtet ist.
Diese neuere Rechtsprechung des Senats, nach der ein Versicherungsvertreter für eine Versicherungsgesellschaft immer nur entweder in vollem Umfang selbständig oder in vollem Umfang unselbständig sein kann, ist auch im Streitfall anzuwenden, aber nur für die auf den Versicherungsabschluß und die Verwaltung der vermittelten Verträge zurückgehende Tätigkeit des Stpfl.
Die Selbständigkeit oder Nichtselbständigkeit des Stpfl. ist damit nur nach seiner Vermittlungs- und Betreuungstätigkeit im Zusammenhang mit dem Filmversicherungsgeschäft zu beurteilen. Die nicht selbständige Tätigkeit des Stpfl. als Schadenssachbearbeiter im Innendienst seiner Arbeitgeberin, für die er auch die Filmversicherungsgeschäfte vermittelt hat, ist dagegen bei der Gesamtbeurteilung seiner Tätigkeit als Versicherungsvertreter auszuscheiden. Die Arbeiten, die der Stpfl. unstreitig als abhängiger Arbeitnehmer ausgeübt hat, sind der Sache nach von der Tätigkeit als Versicherungsvertreter klar abgrenzbar und auch von den Beteiligten eindeutig abgegrenzt worden. Der Aufgabenkreis eines Schadenssachbearbeiters im Innendienst ist von dem Arbeitsgebiet des Versicherungsvertreters (vgl. Entscheidung des BFH V 133/59 U vom 12. April 1962, a. a. O.) zu unterscheiden. Während nämlich der Schadenssachbearbeiter im Innendienst wie ein Buchhalter oder sonstiger Angestellter nach dem Organisationsplan der Versicherungsgesellschaft eingesetzt wird, bearbeitet der Versicherungsvertreter auch bei der verwaltenden Tätigkeit die von ihm vermittelten Verträge. Die verwaltende Tätigkeit ist sogar ein Ausfluß seiner Vermittlungstätigkeit.
Das FG hat in Übereinstimmung mit dem Akteninhalt festgestellt, daß eine Eingliederung des Stpfl. hinsichtlich der Vermittlungs- und Betreuungstätigkeit für Filmversicherungen nicht vorlag.
Auf diesem Arbeitsgebiet war der Stpfl. nach dem Gesamtbild seiner Stellung selbständig tätig. Der zeitliche Umfang des Filmversicherungsgeschäfts, die Höhe der Provisionen und die vom Stpfl. als Betriebsausgaben bezeichneten Aufwendungen hingen allein von seiner Initiative und Tüchtigkeit bzw. von seinem Ermessen ab. Bei dieser Tätigkeit unterlag er, abgesehen von den üblichen Überwachungen, keinen Weisungen der Versicherungsgesellschaft. Soweit er Genehmigungen zum Verlassen des Arbeitsplatzes und für Reisen einholen mußte, war dies ausschließlich durch sein Angestelltenverhältnis bedingt nicht dagegen durch seine Vertretertätigkeit. Es mag sein, daß der Stpfl. im Rahmen seiner Vertretertätigkeit verwaltend und betreuend beschäftigt war. Er ist aber auch insoweit nur den rein technischen, die Abrechnungsart usw. betreffenden Weisungen der Versicherungsgesellschaft unterworfen gewesen. Ein besonderes Merkmal für die Selbständigkeit des Stpfl. im Versicherungsgeschäft ist, daß er der Versicherungsgesellschaft, bei der und für die er tätig war, einen Unkostenbeitrag für die Benutzung des Büroraumes usw. zahlen mußte. Es ist nicht üblich und widerspricht den Erfahrungen des täglichen Lebens, daß ein unselbständiger Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber für die Inanspruchnahme der ihm zur Erledigung dienstlicher Angelegenheiten zur Verfügung gestellten Räume, Hilfsmittel usw. ein Entgelt zu zahlen hat. Dies spricht neben allen anderen vom FG festgestellten Tatsachen entscheidend gegen die Unselbständigkeit.
Ob der Stpfl. die Provisionen von der Versicherungsgesellschaft, bei der er angestellt war, und für die er tätig wurde, oder vom Versicherer direkt erhalten hat, ist für die Beurteilung seiner Selbständigkeit ohne Bedeutung.
Da somit die rechtliche Beurteilung der beruflichen Stellung des Stpfl. durch das FG nicht zu beanstanden ist und auch das Entgelt aus dem Verkauf eines gebrauchten PKW als Hilfsumsatz zu Recht der Umsatzsteuer unterworfen wurde, ist die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 425764 |
BFHE 1966, 557 |
BFHE 85, 557 |