Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung von Herstellungsaufwand und Erhaltungsaufwand bei Modernisierung und Instandsetzung eines Gebäudes: bautechnisches Ineinandergreifen, Vollverschleiß, Herstellungskostenbegriff nach § 255 HGB, wesentliche Verbesserung, Verwendung hochwertigen Materials, Verlängerung der Gesamtnutzungsdauer, Vorsatzschale zur Kellerisolierung
Leitsatz (amtlich)
Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen für ein Wohngebäude, die für sich genommen teils als Herstellungs-, teils als Erhaltungsaufwendungen zu beurteilen wären, sind auch dann insgesamt als Herstellungskosten zu beurteilen, wenn die Arbeiten zwar in verschiedenen Stockwerken ausgeführt werden, aber bautechnisch ineinandergreifen.
Orientierungssatz
1. Ist ein Gebäude so sehr abgenutzt, daß es unbrauchbar geworden ist (Vollverschleiß), so wird durch die Instandsetzungsarbeiten unter Verwendung der übrigen noch nutzbaren Teile ein neues Wirtschaftsgut hergestellt.
2. Ein Gebäude wird nicht wesentlich verbessert i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB, wenn Bestandteile eines Hauses durch zeitgemäße neue ersetzt werden (sog. substanzerhaltende Bestandteilserneuerungen, vgl. BFH-Rechtsprechung sowie Moxter). Es ist insoweit unerheblich, ob die Instandsetzungsarbeiten und Modernisierungsarbeiten an dem Gebäude als ganzem durchgeführt werden oder ob sie subjektiv oder objektiv erforderlich sind. Renovierungsmaßnahmen, die für sich allein noch als Erhaltungsmaßnahmen zu beurteilen wären, können in ihrer Gesamtheit zu einer wesentlichen Verbesserung führen, wenn sich dadurch der Gebrauchswert des Gebäudes gegenüber dem ursprünglichen Zustand etwa durch Verwendung außergewöhnlich hochwertiger Materialien in erheblichem Umfang oder besondere bauliche Gestaltung deutlich erhöht.
3. Eine deutliche Verlängerung der tatsächlichen Gesamtnutzungsdauer eines Gebäudes aufgrund Instandsetzungsarbeiten, die zu einer Verbesserung i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB führt, liegt nicht vor, wenn Bestandteile, deren gewöhnliche Nutzungsdauer von vorneherein kürzer als die tatsächliche Nutzungsdauer des Gebäudes war, zeitgemäß substanzerhaltend erneuert werden. Aufwendungen, die die tatsächliche Nutzungsdauer eines Gebäudes verlängern, sind grundsätzlich nur dann nachträgliche Herstellungskosten, wenn sie die Substanz, die im wesentlichen die Gebäudelebensdauer bestimmt, verändern (vgl. BFH-Entscheidung vom 1.3.1960 I 188/59 U, BStBl III 1960, 198).
4. Auch wenn der Einbau einer Vorsatzschale nur der Außenisolierung gegen eindringende Feuchtigkeit und damit der Reparatur einer undichten Kellerwand dient, führen die Aufwendungen zu einer Erweiterung i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB und sind damit als Herstellungskosten zu behandeln.
5. Aufwendungen für ein Bündel von Einzelmaßnahmen zur Instandsetzung und Modernisierung eines Gebäudes sind insgesamt als Herstellungskosten zu beurteilen, wenn die Arbeiten in engem räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen und eine einheitliche Baumaßnahme bilden. Ein sachlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die einzelnen Baumaßnahmen --die sich auch über mehrere Jahre erstrecken können-- bautechnisch ineinandergreifen. Soweit die Arbeiten ohne diesen Zusammenhang lediglich gleichzeitig vorgenommen werden, sind die Aufwendungen --ggf. durch Schätzung-- aufzuteilen (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG 1985 § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 7, § 7 Abs. 4; HGB § 255 Abs. 2 S. 1; EStG 1985 § 7 Abs. 5, § 9 Abs. 1 Nr. 7
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Alleinerbe seines während des finanzgerichtlichen Verfahrens verstorbenen Vaters. Dieser war Eigentümer eines im Jahr 1890 als Pferdestall errichteten Gebäudes, das 1947 durch Verwendung von Baumaterialien aus Trümmergrundstücken für Wohnzwecke ausgebaut worden war. Ab November 1984 ließ der Vater des Klägers umfangreiche Renovierungsarbeiten an dem Einfamilienhaus durchführen. Zuvor hatte er es fremdvermietet. Ab 1. November 1985 vermietete er das Einfamilienhaus für eine monatliche Miete von 1 250 DM an den Kläger. Nach einem vom Vater des Klägers vor Beginn der Arbeiten eingeholten Gutachten eines Bausachverständigen betrug der Zeitwert des Gebäudes vor den Bauarbeiten 77 000 DM.
In seinen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1985 und 1986 begehrte der Vater des Klägers erfolglos, die Aufwendungen, mit Ausnahme der Herstellungskosten des Bades, als sofort abziehbaren Erhaltungsaufwand zu behandeln und in den Streitjahren mit je einem Viertel der Aufwendungen aus 1984 und mit je einem Fünftel der Aufwendungen aus 1985 nach § 82b der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) als Werbungskosten abzuziehen.
Mit der zunächst von seinem Vater erhobenen Klage vertrat der Kläger die Auffassung, die Aufwendungen für den Ausbau des Bades und des Mädchenzimmers im Obergeschoß und für die Änderung des ehemaligen Heizungskellers zum Spielkeller (insgesamt 50 717 DM) seien als Herstellungskosten zu beurteilen. Die übrigen Aufwendungen seien sofort abziehbarer Erhaltungsaufwand. Während des finanzgerichtlichen Verfahrens stimmte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) der vom Kläger vorgenommenen Schätzung der unmittelbar durch die Ausbaumaßnahmen entstandenen Herstellungskosten zu. Es hielt aber an seiner Rechtsauffassung fest, daß eine Aufteilung der Gesamtaufwendungen in Herstellungs- und Erhaltungsaufwendungen nicht zulässig sei.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Zur Begründung führte es aus: Abgesehen von den unstreitig als Herstellungskosten zu beurteilenden Aufwendungen für die Erweiterung und den Umbau des Dachgeschosses sowie die Funktionsänderung des ehemaligen Heizungskellers seien die übrigen Aufwendungen sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen. Diese hätten das Gebäude weder in seinem Wesen verändert noch in seiner Substanz vermehrt. Es sei auch nicht über seinen bisherigen Zustand hinaus wesentlich verbessert worden; denn dazu genüge es nicht, wenn bei Reparaturen durch Verwendung von dem technischen Fortschritt entsprechenden funktionstüchtigeren oder sonst moderneren Teilen eine Modernisierung erfolge. Vielmehr sei erforderlich, daß dem Gebäude etwas funktional Neues hinzugefügt werde. Dies gelte auch für die im Kellergeschoß angebrachte hinterlüftete Vorsatzschale. Sie habe lediglich der Außenisolierung gegen eindringende Feuchtigkeit gedient. Die streitigen Aufwendungen seien auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer einheitlichen Baumaßnahme als Herstellungskosten zu beurteilen. Die Erweiterungs- und Umbaumaßnahmen seien von den Reparaturarbeiten räumlich eindeutig abgrenzbar. Insoweit sei den übereinstimmenden Schätzungen der Beteiligten zu folgen.
Dagegen wendet sich das FA mit der Revision. Das FA rügt Verletzung von § 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Im Streitfall liege eine einheitliche Baumaßnahme vor, weil die Arbeiten in einem engen räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang gestanden hätten.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Das FG ist bei seiner Prüfung, ob die strittigen Aufwendungen sofort abziehbare Werbungskosten oder Herstellungskosten sind, teilweise von unzutreffenden rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen.
I. 1. Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Handelt es sich bei diesen Aufwendungen um Herstellungskosten eines zur Einkunftserzielung bestimmten Gebäudes, so sind sie grundsätzlich nur verteilt auf die Nutzungsdauer des Gebäudes in Form von Absetzungen für Abnutzung (AfA) abziehbar (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 Abs. 1, 4 und 5 EStG). Herstellungskosten sind nach § 255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Diese handelsrechtliche Begriffsbestimmung gilt ebenso für das Steuerrecht, und zwar auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, 476, BStBl II 1990, 830 unter C. III. 1. c, dd).
2. Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen (hier: für Gebäude) können jeweils nach unterschiedlichen Tatbestandsmerkmalen des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB als Herstellungskosten zu beurteilen sein.
a) Ist das Gebäude so sehr abgenutzt, daß es unbrauchbar geworden ist (Vollverschleiß), so wird durch die Instandsetzungsarbeiten unter Verwendung der übrigen noch nutzbaren Teile ein neues Wirtschaftsgut hergestellt (vgl. die Nachweise im Senatsurteil vom 9. Mai 1995 IX R 116/92, BFHE 177, 454).
b) Eine Erweiterung i.S. von § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB liegt u.a. vor, wenn ein Gebäude aufgestockt oder daran ein Anbau errichtet wird (vgl. § 17 Abs. 2 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes --II.WoBauG--), wenn es in seiner Substanz vermehrt (z.B. Senatsurteil vom 1. Dezember 1992 IX R 333/87, BFHE 170, 113, 117, BStBl II 1994, 12) oder seine nutzbare Fläche vergrößert wird (z.B. BFH-Urteile vom 19. Juni 1991 IX R 1/87, BFHE 165, 355, BStBl II 1992, 73; vom 19. Juli 1985 III R 170/80, BFH/NV 1986, 24, 26), oder wenn nachträglich Bestandteile eingebaut werden, die bisher nicht vorhanden waren (Senatsurteile vom 29. August 1989 IX R 176/84, BFHE 159, 303, 306, BStBl II 1990, 430, und vom 16. Februar 1993 IX R 85/88, BFHE 170, 547, 549, BStBl II 1993, 544).
c) Während danach die Erweiterung eines Gebäudes stets zu nachträglichen Herstellungskosten führt, auch wenn sie nur geringfügig ist, sind Aufwendungen zur Verbesserung eines Gebäudes nur dann Herstellungskosten, wenn es sich um eine über den ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung handelt. Ursprünglicher Zustand i.S. von § 255 Abs. 2 Satz 1 Alternative 3 HGB ist der Zustand im Zeitpunkt der Herstellung oder, wenn der Steuerpflichtige das Gebäude erworben hat, im Zeitpunkt des Erwerbs. Waren die ursprünglichen Herstellungskosten vor den Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahmen bereits verändert worden, etwa durch anderweitige nachträgliche Herstellungskosten oder eine Absetzung für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung --AfaA-- (§ 7 Abs. 1 Satz 5 EStG), so ist der für die geänderte AfA-Bemessungsgrundlage maßgebende Zustand mit dem nunmehr durch die ausgeführten Arbeiten erreichten Zustand zu vergleichen (Senatsurteil in BFHE 177, 454).
aa) Eine solche wesentliche Verbesserung liegt nicht schon dann vor, wenn Bestandteile eines Hauses durch zeitgemäße neue ersetzt werden, auch dann nicht, wenn an dem Gebäude als Ganzem Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten ausgeführt werden (Senatsurteil in BFHE 177, 454 m.w.N.). Maßnahmen, die zwar das Gebäude als Ganzes betreffen, es aber lediglich in ordnungsgemäßem Zustand entsprechend seinem ursprünglichen Stand erhalten oder diesen Zustand in zeitgemäßer Form wiederherstellen (substanzerhaltende Bestandteilserneuerungen, vgl. BFH-Urteil vom 30. Mai 1974 IV R 56/72, BFHE 112, 277, BStBl II 1974, 520; Moxter, Bilanzrechtsprechung, 3. Aufl. 1993, S.160), bewirken noch keine wesentlichen Verbesserungen. Dabei ist unerheblich, ob die Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen objektiv oder subjektiv erforderlich waren. Vielmehr ist eine Verbesserung dann wesentlich, wenn --nach objektiven Maßstäben-- über die zeitgemäße Erneuerung hinaus der Gebrauchswert des Gebäudes im ganzen deutlich erhöht wird. Danach können Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahmen, die für sich allein noch als Erhaltungsmaßnahmen zu beurteilen wären, in ihrer Gesamtheit zu Herstellungskosten führen, wenn sie über eine zeitgemäße substanzerhaltende Erneuerung hinausgehen (etwa durch Verwendung außergewöhnlich hochwertiger Materialien in erheblichem Umfang oder eine besondere bauliche Gestaltung) und dadurch der Gebrauchswert des Gebäudes gegenüber dem ursprünglichen Zustand deutlich erhöht und die Verbesserung damit insgesamt i.S. von § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB wesentlich wird (Senatsurteil in BFHE 177, 454 m.w.N.).
bb) Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen sind Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahmen, die über eine zeitgemäße substanzerhaltende Erneuerung nicht hinausgehen, grundsätzlich außer Betracht zu lassen. Soweit die dafür aufgewendeten Kosten abgrenzbar sind, sind sie als Erhaltungsaufwendungen abzuziehen. Hingegen sind diese Aufwendungen in die gebotene Gesamtwürdigung einzubeziehen, wenn sie mit den über eine zeitgemäße substanzerhaltende Erneuerung hinausgehenden Maßnahmen bautechnisch ineinandergreifen. Insoweit gelten die Grundsätze entsprechend, welche der BFH zur Beurteilung von Aufwendungen entwickelt hat, die für sich genommen teils Herstellungs-, teils Erhaltungsaufwendungen darstellen. Solche Aufwendungen für ein Bündel von Einzelmaßnahmen sind insgesamt als Herstellungskosten zu beurteilen, wenn die Arbeiten in engem räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen und in ihrer Gesamtheit eine einheitliche Baumaßnahme bilden (Senatsurteil vom 30. Juli 1991 IX R 67/90, BFHE 165, 250, 252, BStBl II 1992, 28; Beschluß vom 31. August 1994 IX B 44/94, BFH/NV 1995, 293). Ein sachlicher Zusammenhang in diesem Sinne liegt vor, wenn die einzelnen Baumaßnahmen --die sich auch über mehrere Jahre erstrecken können-- bautechnisch ineinandergreifen (vgl. BFH-Urteil vom 9. März 1962 I 192/61 U, BFHE 74, 523, BStBl III 1962, 195). Eine Aufteilung der Aufwendungen (ggf. durch Schätzung) ist geboten, soweit die Arbeiten ohne diesen Zusammenhang lediglich gleichzeitig vorgenommen worden sind (Senatsurteil in BFHE 177, 454 m.w.N.).
cc) Eine deutliche Steigerung des Gebrauchswerts, die zu einer wesentlichen Verbesserung i.S. von § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB führt, kann auch in einer deutlichen Verlängerung der tatsächlichen Gesamtnutzungsdauer eines Gebäudes aufgrund der streitigen Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten begründet sein. Die Gesamtnutzungsdauer verlängert sich allerdings nicht schon durch die zeitgemäße substanzerhaltende Erneuerung von Bestandteilen, deren gewöhnliche Nutzungsdauer von vornherein kürzer war als die tatsächliche Nutzungsdauer des gesamten Gebäudes. Aufwendungen, welche die tatsächliche Nutzungsdauer eines Gebäudes verlängern, sind in der Regel nur dann nachträgliche Herstellungskosten, wenn sie die Substanz, die im wesentlichen die Lebensdauer des Gebäudes bestimmt, verändern (vgl. BFH-Entscheidung vom 1. März 1960 I 188/59 U, BFHE 70, 530, BStBl III 1960, 198).
dd) Die Feststellung der tatsächlichen Voraussetzungen dafür, ob Einzelverbesserungen in ihrer Gesamtheit den Gebrauchswert des Gebäudes über die zeitgemäße Veränderung hinaus deutlich erhöhen, ob die strittigen Maßnahmen die Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes deutlich verlängern und ob die zu Herstellungskosten führenden Maßnahmen mit anderen Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die nicht über eine zeitgemäße, substanzerhaltende Erneuerung hinausgehen, bautechnisch ineinandergreifen, obliegt dem FG als Tatsacheninstanz. Seine Tatsachenwürdigung kann vom BFH als Revisionsgericht nur beschränkt überprüft werden (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Lassen sich für Instandhaltungs- und Modernisierungsaufwendungen die tatsächlichen Voraussetzungen einer wesentlichen Verbesserung i.S. von § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB nicht feststellen, so sind die Aufwendungen als Werbungskosten (Erhaltungsaufwendungen) nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sofort abziehbar.
II. Nach diesen Maßstäben erweist sich das angefochtene Urteil als rechtsfehlerhaft.
1. Das FG hat zu den ausgeführten Arbeiten folgende tatsächliche Feststellungen getroffen: Im Keller, der erhebliche Nässeschäden aufwies, wurde eine hinterlüftete Vorsatzschale eingebaut. Der Fußboden wurde mit Keramikplatten belegt. Die Wände wurden neu verputzt und die Decken mit Holz vertäfelt. Die Türen wurden gegen Naturholztüren ausgetauscht, und die Heizungsanlage wurde auf Fernwärme umgestellt. Im Erdgeschoß, das ebenfalls Nässeschäden aufwies, wurde ein Raumteiler zwischen dem Windfang, dessen Decke gerissen war, und der Garderobe entfernt. Das Gäste-WC, die Küche und alle Fenster und Türen wurden erneuert, die Decken abgehängt und die Wände neu verputzt. Die Fußböden erhielten Textil- und Keramikbeläge. Das Obergeschoß zeigte wegen des undichten Daches und sonstiger Undichtigkeiten ebenfalls Nässeschäden. Dort wurden die Holzsparren, soweit schadhaft, ausgewechselt. Der Dachausbau wurde bis zum rechten Giebel vorgezogen, so daß der Wohnraum um rund 12 qm vergrößert werden konnte. Der Giebel wurde von außen neu verputzt und der Balkon neu plattiert. Im Schlafzimmer wurde eine schalldämmende Zwischenwand hergestellt. Der Innenausbau des Dachgeschosses wurde wie im Erdgeschoß erneuert. Ferner wurden schadhafte Zu- und Abflußleitungen sowie die Elektroinstallation, soweit sie schadhaft war, ausgetauscht.
2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das FG zwar in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise einen wirtschaftlichen Vollverschleiß des Gebäudes und damit eine Neuherstellung durch die Instandsetzung verneint, weil das Gebäude trotz seiner Schäden noch nutzbar war. Diese tatsächliche Würdigung war möglich und ist für den Senat bindend. Das FG ist auch zu Recht davon ausgegangen, daß die Aufwendungen für die Baumaßnahmen im Dachgeschoß, durch die die Wohnfläche vergrößert worden ist, Herstellungskosten sind. Insoweit handelt es sich um Erweiterungen i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB.
Das FG hat aber außer acht gelassen, daß im Kellergeschoß neben den nach dem Klageantrag als Herstellungskosten berücksichtigten Aufwendungen für die Funktionsänderung des Heizungskellers weitere Herstellungskosten für den Einbau der gemauerten Vorsatzschale angefallen sind. Auch wenn, wie das FG festgestellt hat, die Vorsatzschale nur der Außenisolierung gegen eindringende Feuchtigkeit und damit der Reparatur der undichten Kellerwand gedient hat, handelt es sich gleichwohl um eine Erweiterung i.S. von § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB, weil dem Gebäude ein zuvor nicht vorhandener Bestandteil hinzugefügt worden ist.
Das FG hat ferner mit unzureichender Begründung eine einheitliche Baumaßnahme verneint. Dem FG ist zwar darin zu folgen, daß Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen, soweit möglich, in Herstellungs- und Erhaltungsaufwendungen aufzuteilen sind. Es hat aber einen engen zeitlichen, räumlichen und sachlichen Zusammenhang der Bauarbeiten, der einer Aufteilung entgegenstehen würde, zu Unrecht allein mit der Erwägung ausgeschlossen, die Arbeiten seien nach Stockwerken räumlich eindeutig abgrenzbar gewesen. Ein solcher Zusammenhang kann auch zwischen in verschiedenen Stockwerken ausgeführten Arbeiten bestehen, wenn diese Arbeiten bautechnisch ineinandergreifen (vgl. BFH in BFHE 74, 523, BStBl III 1962, 195).
Außerdem hat das FG für eine wesentliche Verbesserung i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB zu Unrecht die Voraussetzung aufgestellt, daß dem Gebäude etwas funktional Neues hinzugefügt werden müsse. Es hat nicht geprüft, ob die Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen in ihrer Gesamtheit über die zeitgemäße substanzerhaltende Erneuerung hinaus den Gebrauchswert des mit Material aus Trümmergrundstücken ausgebauten Wohnhauses über seinen im Jahre 1947 gegebenen Zustand hinaus deutlich erhöht und die tatsächliche Nutzungsdauer deutlich verlängert haben.
III. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird aufzuklären haben, in welchem Zustand sich das Gebäude bei seinem Ausbau zum Wohnhaus 1947 befand, und nach den oben näher dargelegten Maßstäben zu prüfen haben, ob demgegenüber der Gebrauchswert deutlich erhöht worden ist. Ferner wird das FG feststellen müssen, ob und inwieweit die Herstellungsmaßnahmen im Dachgeschoß und im Keller mit den übrigen Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen bautechnisch ineinandergegriffen haben.
Fundstellen
BFH/NV 1995, 83 |
BStBl II 1996, 639 |
BFHE 178, 46 |
BFHE 1996, 46 |
BB 1995, 1946 (L) |
DB 1995, 1888 (LT) |
DStR 1995, 1666-1668 (KT) |
DStZ 1996, 180 (KT) |
HFR 1995, 638-639 (LT) |
StE 1995, 590 (K) |
StRK, AK/HK R.155 (LT) |
FR 1995, 856-857 (KT) |
Information StW 1995, 665-666 (KT) |
NJW 1995, 3207 |
NJW 1995, 3207-3208 (L) |
BuW 1995, 683 (K) |
BBK, Fach 17 1631 (21/1995) (KT) |
AktStR 1996, 118-119 (T) |