Leitsatz (amtlich)
Läßt ein Wohlfahrtsverband eine ihm genehmigte Lotterie von einem gewerblichen Lotterieunternehmen durchführen, ist Veranstalter der Verband. Der Lotterieunternehmer kann nicht Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 9 UStG 1951 in Anspruch nehmen.
Normenkette
UStG 1951 § 4 Nr. 9; RennwLottG §§ 17, 19
Tatbestand
Streitig ist, ob die Steuerpflichtige (Klägerin, Revisionsbeklagte) Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 9 UStG 1951 in Anspruch nehmen kann.
Die Steuerpflichtige, eine Lotteriegesellschaft, führte 1962 Losbrief-Geldlotterien für drei Wohlfahrtsverbände durch:
Der Polizeipräsident hatte die Lotterien gegenüber den drei Wohlfahrtsverbänden genehmigt; in den Genehmigungsbescheiden war vermerkt, daß gegen eine Beauftragung der Steuerpflichtigen mit der technischen Durchführung der Lotterien keine Bedenken erhoben würden. Nach den gleichlautend gefaßten Verträgen übertrugen die Verbände der Steuerpflichtigen die Durchführung der Lotterien. Die Steuerpflichtige hatte die Lose zu vertreiben. Die Verbände wurden von jeder Verpflichtung freigestellt. Die Steuerpflichtige trug sämtliche Unkosten. Die Abfassung und Ausgestaltung der Drucksachen war zwischen dem Verband und der Steuerpflichtigen abzustimmen. Das erzielte Geldaufkommen war zu 27 % als Gewinn auszuschütten, zu 16 2/3 % als Lotteriesteuer abzuführen, zu 25 % an den Verband weiterzuleiten und verblieb im übrigen (zu 31 1/3 %) der Steuerpflichtigen für "Löhne" und "Unkosten" (§ 6).
Das FA (Beklagter, Revisionskläger) versagte die begehrte Umsatzsteuerfreiheit nach § 4 Nr. 9 UStG 1951. Es war der Ansicht, daß die Steuerpflichtige nicht als Veranstalter der Lotterie angesehen werden könne; es behandelte die Steuerpflichtige als Agentin der Verbände und versteuerte die der Steuerpflichtigen verbliebenen 31 1/3 % der Loseinnahmen als Provisionen mit 4 v. H.
Die Sprungberufung (Klage) der Steuerpflichtigen hatte Erfolg. Das FG, dessen Urteil in Entscheidungen der FG 1967, 431 veröffentlicht ist, hat ausgeführt: Die Steuerpflichtige sei Veranstalter der Lotterien gewesen und habe sonach gemäß § 4 Nr. 9 UStG 1951, § 19 RennwLottG steuerfreie Umsätze erbracht. Sie sei den Spielern als Vertragspartner gegenübergetreten; das ergebe sich aus den Losaufdrucken. Sie habe die Gewinne ausgezahlt. Ein Auftreten im Namen der Verbände könne auch deswegen nicht angenomen werden, weil diese der Steuerpflichtigen keine Vollmacht erteilt hätten. Für die Veranstaltereigenschaft der Steuerpflichtigen spreche, daß die Höhe ihres Gewinns von ihrer Geschäftsführung abhängig gewesen sei, während die Verbände kein Risiko getragen hätten. Unerheblich sei, daß die Genehmigungen den Verbänden erteilt worden seien; Genehmigungsadressat und Veranstalter könnten verschiedene Personen sein.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Nach § 4 Nr. 9 UStG 1951 sind die Umsätze steuerfrei, die unter das RennwLottG fallen. Der Lotteriesteuer unterliegen im Inland veranstaltete öffentliche Lotterien (§ 17 Satz 1 RennwLottG). Schuldner der Lotteriesteuer ist der Veranstalter der Lotterie (§ 19 Abs. 1 Satz 1 RennwLottG). Zutreffend haben alle Beteiligten und das FG diesen Bestimmungen entnommen, daß nur der Veranstalter der Lotterie die Steuerfreiheit in Anspruch nehmen kann. Wer, ohne Veranstalter zu sein, mit dem Losbriefabsatz befaßt ist, erbringt Umsätze, von denen die Lotteriesteuer allgemein nicht erhoben wird, und die demgemäß nach § 36 UStDB 1951 steuerpflichtig sind.
Der RFH hat als Veranstalter denjenigen angesehen, der die planmäßige Ausführung des gesamten Unternehmens selbst oder durch andere ins Werk setzt (Urteil II A 86/22 vom 6. Oktober 1922, RFH 10, 218). Der Umsatzsteuersenat des RFH hat diese Rechtsprechung für die Auslegung des § 4 Nr. 9 UStG 1934 übernommen (Urteile V A 393/36 vom 16. Oktober 1936, RFH 40, 152, RStBl 1936, 1165; V 348/37 vom 27. Januar 1939, RStBl 1939, 791). Der erkennende Senat hat sie in dem nicht veröffentlichten Urteil V 120/52 vom 23. März 1953 bestätigt. An ihr wird festgehalten.
Danach sind im vorliegenden Fall die Verbände - nicht die Steuerpflichtige - Veranstalter (vgl. schon RFH-Urteil V 348/37, a. a. O.). Die Verbände haben die Lotterien ins Werk gesetzt. Sie sind die geistigen Urheber der Lotterien. Die Lotterien begünstigten ihre satzungsmäßigen Zwecke. Sie haben durch die Einholung der Genehmigungen die Abhaltung der Lotterien ermöglicht. Die Genehmigungsverfahren, die auf der Verordnung über die Genehmigung öffentlicher Lotterien und Ausspielungen vom 6. März 1937 - Lotterieverordnung - (RGBl I 1937, 283) beruhen, sind auf ihre Verhältnisse und Belange abgestellt. Nach § 2 der Lotterieverordnung darf eine Lotterie nur genehmigt werden, wenn 1. für ihre Veranstaltung ein hinreichendes öffentliches Bedürfnis besteht, 2. der Ertrag Zwecken zugute kommt, die allgemeiner Billigung sicher sind, 3. ein angemessenes Verhältnis zwischen Ertrag, Gewinn und Unkosten gewahrt ist und 4. der Veranstalter genügend Gewähr für die ordnungsmäßige Durchführung der Lotterie sowie für die zweckentsprechende Verwendung ihres Ertrages bietet. Der Vollzugserlaß des Reichs- und Preußischen Ministers des Innern vom 8. März 1937 (Ministerialblatt des Reichs- und Preußischen Ministeriums des Innern 1937, 385, vgl. Abschn. II 1) ordnet an, die Genehmigung dürfe nur solchen Vereinen, Verbänden, Stiftungen und Körperschaften erteilt werden, die nach ihrer Zusammensetzung in den Persönlichkeiten ihrer Leiter und ihren bisherigen praktischen Leistungen sichere Gewähr für eine geordnete gemeinnützige Arbeitsweise bieten. Das öffentliche Bedürfnis, allgemein billigenswerte Zwecke, Gewährleistung einer zweckentsprechenden Ertragsverwendung und Gemeinnützigkeit können nur anhand von Darlegungen und Zusicherungen der Verbände bejaht werden. Die Genehmigungsbehörde muß bei der Prüfung, ob ein angemessenes Verhältnis zwischen Ertrag, Gewinn und Unkosten gewahrt ist, auf die Spiel- und Gewinnpläne der Verbände abstellen. Die Steuerpflichtige mag den Verbänden bei der Beschaffung der Genehmigungen behilflich sein und ihnen vorbereitende Arbeiten abnehmen. Sie hat jedoch keinen Einfluß auf die Entscheidung, ob eine Lotterie zu beantragen ist, und kann den Verbänden nicht die Verantwortung für die Richtigkeit der gemachten Angaben abnehmen. Die Steuerpflichtige räumt selbst ein, daß sie die Genehmigungen nicht erhalten hätte.
Nach dem Erlaß des Innenministeriums Baden-Württemberg III 4825/26 vom 16. September 1970, der im Einverständnis mit dem Finanzministerium Baden-Württemberg ergangen ist, soll unterschieden werden zwischen einem Veranstalter im lotterierechtlichen und im steuerrechtlichen Sinne; der Wohlfahrtsverband soll als Veranstalter im lotterierechtlichen Sinne und der die Lotterie durchführende gewerbliche Unternehmer als Veranstalter im steuerrechtlichen Sinne anzusehen sein. Der Senat vermag nicht anzuerkennen, daß es einen besonderen steuerrechtlichen Veranstalterbegriff gibt. Die Lotteriesteuer knüpft an einen eng umgrenzten Lebenssachverhalt, dem Veranstalten öffentlicher Lotterien und Ausspielungen, an. Der Lotteriesteuergesetzgeber hat bereits bekannte Begriffe des öffentlichen Rechts verwandt. Er hat diese Steuer überdies in einem Gesetz geregelt, das teilweise - hinsichtlich der Rennwetten - eine über das Steuerrecht hinausreichende öffentlichrechtliche Regelung enthält. Danach besteht keine Möglichkeit, den Begriff "Veranstalter" in § 19 Abs. 1 RennwLottG anders als lotterierechtlich auszulegen.
Es braucht nicht geprüft zu werden, ob die Verbände ihr Recht zur Veranstaltung der Lotterie mit dem Abschluß der Bewirtschaftungsverträge an die Steuerpflichtige abgetreten haben. Der Senat vermag nicht der Auffassung der Steuerpflichtigen (ebenso Berger, Umsatzsteuer-Rundschau 1952, 44; Hübschmann-Grabower- Beck-v. Wallis, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 9 Anm. 30) zu folgen, das Recht auf Durchführung der Veranstaltung könne abgetreten werden. Grundsätzlich findet eine Rechtsnachfolge in öffentlich-rechtliche Befugnisse wegen ihres persönlichen Charakters nicht statt (Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts I, 9. Aufl., S. 185). Die Befugnis, eine Lotterie zu veranstalten, ist weitgehend personenbezogen (vgl. insbesondere § 2 Nr. 4 der Lotterieverordnung). Die Genehmigung setzt Zuverlässigkeit und bestimmte Eigenschaften des Veranstalters voraus. Beim Rechtsnachfolger wäre keine Gewähr für das Vorliegen dieser Erfordernisse gegeben. Die Zulässigkeit einer Abtretung würde lotteriesteuerrechtlich zur Folge haben, daß die Lotteriesteuerschuld erst im Zeitpunkt der Abtretung entsteht. Dem steht aber § 19 Abs. 1 Satz 2 RennwLottG entgegen, wonach die Steuerschuld mit der Genehmigung entsteht. Der Zusatz in den Genehmigungsbescheiden, gegen eine Beauftragung der Steuerpflichtigen mit der technischen Durchführung bestünden keine Bedenken, enthält nicht das Einverständnis der Genehmigungsbehörde zu einer Abtretung, sondern lediglich die Zusicherung, daß eine Heranziehung der Steuerpflichtigen als Hilfsperson keinen Widerruf der Genehmigung zur Folge haben werde.
Die Steuerpflichtige macht weiterhin geltend, sie sei wirtschaftliche Inhaberin der Genehmigung geworden. Sie kann auch mit diesem Vorbringen nicht gehört werden. Wird unterstellt, daß über § 11 Nr. 4 StAnpG hinausgehend außer einem wirtschaftlichen Eigentum an Sachen auch eine wirtschaftliche Inhaberschaft an Rechten und Befugnissen möglich ist, so muß doch vorausgesetzt werden, daß der rechtliche Eigentümer oder Inhaber dem wirtschaftlichen Eigentümer oder Inhaber seine Rechtsstellung einräumen kann. Wenn eine Rechtsstellung, wie im vorliegenden Fall die Befugnis zur Veranstaltung einer Lotterie, an die Person des Berechtigten gebunden ist, kann ein Dritter in diese Position weder rechtlich noch wirtschaftlich einrücken.
Das FG hat darauf abgestellt, wer den Losverkäufern als Veranstalter erscheinen mußte. Darauf kommt es nicht an. Veranstalter einer Lotterie ist derjenige, der eine Lotterie ins Werk setzt, gleichgültig ob seine Veranstaltereigenschaft nach außen hervortritt oder nicht. Dem RFH-Urteil II A 279/20 vom 24. September 1920 (RFH 3, 268) wird, soweit es entgegensteht, nicht gefolgt.
Das Vorbringen, das Hauptfinanzamt für Erbschaftsteuern und Verkehrsteuern habe die Steuerpflichtige teilweise wie einen Lotteriesteuerschuldner behandelt, ist neu und in der Revisionsinstanz nicht mehr zu beachten (§ 118 Abs. 2 FGO). Im übrigen bliebe eine unrichtige Behandlung bei der Lotteriesteuer ohne Einfluß auf die Beurteilung der Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 9 UStG 1951.
Die Sache ist entscheidungsreif. Es braucht nicht der Frage nachgegangen zu werden, ob die Steuerpflichtige die Lose im eigenen oder im fremden Namen vertrieben hat. Das FA hat die Steuerpflichtige als Agent behandelt und sie nur mit dem ihr verbliebenen Anteil von 31 1/3 % der Loseinnahmen umsatzsteuerpflichtig gemacht. Eine Überprüfung dieser Ansicht könnte nur zu einer im Steuerprozeß nicht zulässigen Verböserung führen und ist daher nicht geboten. Für die Frage, wer Veranstalter ist, ist das Auftreten nach außen, wie dargelegt, ohne Bedeutung. Demnach ist die Vorentscheidung aufzuheben, die Klage abzuweisen.
Fundstellen
BStBl II 1971, 193 |
BFHE 1971, 153 |