Leitsatz (amtlich)
§ 63 Nr. 3 KO schließt die Geltendmachung von Ansprüchen aus § 14 Abs. 3 UStG 1967 im Konkursverfahren über das Vermögen des Rechnungsausstellers nicht aus.
Normenkette
UStG 1967 § 14 Abs. 3; KO § 63 Nr. 3
Nachgehend
Tatbestand
Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist der Konkursverwalter über das Vermögen einer Kommanditgesellschaft (KG), welcher als persönlich haftender Gesellschafter eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und als Kommanditist der Kaufmann Z angehörten. Z war zugleich Mehrheitsgesellschafter der GmbH und deren Geschäftsführer. Außerdem betrieb er unter der Firma S ein Einzelunternehmen.
Anfang Mai 1971 gab eine Bank dem Kaufmann Z eine Kreditzusage über 5,3 Mio. DM unter Übernahme der Verpflichtung, das zugesagte Dahrlehen unter der Firma S zum Einkauf von Butter bei der KG zu verwenden. Z sollte über die Darlehensvaluta erst und nur verfügen können, wenn und soweit der Bank nachgewiesen war, daß die Butterlieferungen der KG an das unter der Firma S betriebene Unternehmen ausgeführt worden waren.
Auf Weisung des Z erteilte im Mai 1971 ein Angestellter der GmbH namens der KG der Firma S insgesamt 15 Rechnungen über Butterlieferungen zum Preise von 4 943 600 DM zuzüglich gesondert ausgewiesener Umsatzsteuern in Höhe von 271 898 DM (Gesamtrechnungsbetrag von 5 215 498 DM). Diese Rechnungen bewirkten zusammen mit anderen Unterlagen die Auszahlung der Dahrlehensvaluta durch die Bank.
Am 7. Juni und 21. Juni 1971 wurde zunächst über das Vermögen der KG, danach auch über dasjenige des Z das Konkursverfahren eröffnet. Aufgrund einer im Jahre 1972 durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) ergab sich, daß in Höhe eines Nettobetrages von 3 770 128 DM und einer darauf entfallenden Umsatzsteuer von 207 357,04 DM keine Butterlieferungen der KG an die Firma S ausgeführt worden waren.
Das FA hat dementsprechend den gesonderten Steuerausweis in Höhe dieses Betrages als einen von der ersten Alternative des § 14 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1967) erfaßten Vorgang beurteilt und den Betrag von 207 357,04 DM zur Konkurstabelle der KG nachgemeldet. Wegen Widerspruchs des Klägers als Konkursverwalter erließ das FA in Höhe des vorbezeichneten Betrages am 2. Oktober 1972 einen Feststellungsbescheid gemäß § 226 a der Reichsabgabenordnung.
Mit der Klage gegen diesen Bescheid hat der Kläger geltend gemacht, der auf § 14 Abs. 3 UStG 1967 gestützte Anspruch des FA sei wegen § 63 Nr. 3 der Konkursordnung (KO) nicht konkursfähig. Das Finanzgericht (FG) hat die auf Aufhebung des Feststellungsbescheides gerichtete Klage abgewiesen.
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Systematik des Umsatzsteuergesetzes 1967 und die Stellung des § 14 Abs. 3 i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG 1967 innerhalb des Systems des Umsatzsteuergesetzes 1967 zwängen zu einer einschränkenden Auslegung in dem Sinne, daß der Rechnungsaussteller nur dann aus § 14 Abs. 3 UStG 1967 in Anspruch genommen werden könne, wenn der durch die unzulässige Rechnungsbegebung geschaffene Gefährdungstatbestand zu einem Schaden (Schädigung des Steueraufkommens) führe. Würde man den Rechnungsaussteller aufgrund seiner Gefährdungshaftung auch dann haften lassen, wenn dem Steuergläubiger durch die Rechnungsbegebung kein Schaden zugefügt worden sei, so käme es zu einer dem Sicherungszweck des § 14 Abs. 3 UStG 1967 widersprechenden ungerechtfertigten Bereicherung des Steuergläubigers. Die Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG 1967 sei deshalb dahin auszulegen, daß mit der Vorverlegung des Entstehungszeitpunkts der Forderung aus § 14 Abs. 3 UStG 1967 auf den Zeitpunkt der Rechnungsbegebung dem Steuergläubiger die ihm an sich obliegende Beweislast für den Eintritt eines Schadens genommen sei, also eine widerlegbare Vermutung für den Schadenseintritt statuiere. Folge man dieser Auslegung, so sei die Forderung aus § 14 Abs. 3 UStG 1967 keine Strafe i. S. des § 63 Nr. 3 KO, sondern Schadensausgleich, der im vorliegenden Fall mangels Inanspruchnahme von Vorsteuerbeträgen durch den Rechnungsempfänger entfalle. Wenn man jedoch § 14 Abs. 3 UStG 1967 auch dann für anwendbar halte, wenn keine Beeinträchtigung des Steueraufkommens feststellbar sei, dann erhalte die Forderung aus § 14 Abs. 3 UStG 1967 den Charakter einer Strafe oder strafähnlichen Sanktion, die von § 63 Nr. 3 KO erfaßt werde. Denn ein Anspruch des Steuergläubigers aus § 14 Abs. 3 UStG 1967, der keinen Schaden voraussetze, enthalte in jedem Falle strafrechtliche Elemente. Demgemäß verbiete es der Zweck des § 63 Nr. 3 KO, im Ergebnis die Konkursgläubiger durch Berücksichtigung des Anspruchs aus § 14 Abs. 3 UStG 1967 als Konkursforderung dafür zu bestrafen, daß der Gemeinschuldner mißbräuchlich eine Rechnung begeben habe, obwohl an diesem Verhalten des Gemeinschuldners die Konkursgläubiger kein Verschulden treffe.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG und den Feststellungsbescheid vom 2. Oktober 1972 aufzuheben. Hilfsweise beantragt der Kläger, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur Prüfung der Frage, ob dem Fiskus ein Schaden entstanden ist, an das FG zurückzuverweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
1. Die KG hat, handelnd durch den Geschäftsführer Z der geschäftsführenden GmbH, der Firma S im Mai 1971 15 Rechnungen über Butterlieferungen erteilt und darin Rechnungsbeträge von 3 770 128 DM zuzüglich gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer von 207 357,04 DM aufgeführt, ohne insoweit die entsprechenden Butterlieferungen bewirkt zu haben. Dies erfüllt den Tatbestand der ersten Alternative des § 14 Abs. 3 UStG 1967.
Die demgemäß geschuldete Steuer in Höhe von insgesamt 207 357,04 DM ist im Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnungen, also im Laufe des Monats Mai 1971, entstanden (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG 1967). Die KG ist am 7. Juni 1971 in Konkurs gefallen. Es handelt sich mithin um eine von der KG geschuldete Steuer, die vor Eröffnung des Konkurses entstanden war. Solche Steuerforderungen sind vom FA gemäß §§ 12, 139 KO zur Konkurstabelle anzumelden. Das ist im vorliegenden Fall geschehen. Wegen des Entstehungszeitpunktes der angemeldeten Steuer wäre bei Konkursfähigkeit eine Bevorrechtigung nach § 61 Nr. 2 KO gegeben. Die Konkursfähigkeit wird jedoch vom Konkursverwalter unter Hinweis auf § 63 Nr. 3 KO bestritten.
2. Die Gesetzesaussage, der Rechnungsaussteller schulde im Falle des qualifizierten, weil mißbräuchlichen Verstoßes gegen die steuerrechtliche Ordnungsvorschrift über den Steuerausweis (§ 14 Abs. 1 UStG 1967) den gesondert ausgewiesenen Steuerbetrag, soll den Gesetzesadressaten, also den Rechnungsaussteller, in erster Linie von solchem Tun abhalten. Versagt der präventive Zweck der Vorschrift, tritt zu Lasten des Fiskus eine Gefährdung des Steueraufkommens ein, weil der Rechnungsempfänger in den Stand versetzt wird, sich Vorsteuerbeträge unberechtigt auszahlen zu lassen. Aus diesem Grunde ist § 14 Abs. 3 UStG 1967 als Gefährdungstatbestand besonderer Art konstruiert; die durch die Rechnungsbegebung für den Steuergläubiger eingetretene Gefährdungslage begründet bereits die Steuerschuld. Diese Auslegung entspricht sowohl dem Gesetzeswortlaut als auch seiner Entstehungsgeschichte; allein die mißbräuchliche Rechnungsbegebung soll die Steuerforderung nach § 14 Abs. 3 - erste Alternative - UStG 1967 auslösen. Es kommt demgemäß für die Inanspruchnahme des Rechnungsausstellers nach der ersten Alternative des § 14 Abs. 3 UStG 1967 nicht darauf an, ob die durch die Rechnungsbegebung eingetretene Gefährdung des Steueraufkommens in dessen Beeinträchtigung umschlägt (vgl. Abschn. 4 der Gründe des Urteils vom 21. Februar 1980 V R 146/73, BFHE 129, 569, BStBl II 1980, 283). Dies wird auch - insbesondere in den Fällen des Zusammenwirkens von Rechnungsaussteller und Rechnungsempfänger - nicht immer ohne weiteres feststellbar sein, weil nicht übersehen werden kann, bei welchem FA der Rechnungsempfänger die erhaltene unrichtige Rechnung zum Zwecke der Erschleichung von Vorsteuerbeträgen verwendet. Auch kann bei einer Mehrheit von abgerechneten Leistungen, die aber teilweise nicht erbracht werden, nicht immer feststellbar sein, ob die geltend gemachten Vorsteuerbeträge mit erbrachten Leistungen in Zusammenhang stehen oder auf unberechtigte Inrechnungstellung von Steuer (wegen fehlender Leistungen) zurückgehen. Wegen dieser konkreten Gefährdungssituation für das Steueraufkommen ist der Entstehungszeitpunkt des Anspruchs aus § 14 Abs. 3 UStG 1967 auf den Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnung gelegt worden (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG 1967).
Der Kläger meint demgegenüber, die erste Alternative des § 14 Abs. 3 UStG 1967 wolle den Steuergläubiger lediglich vor Schaden bewahren; die Anwendung dieser Vorschrift werde gegenstandslos, falls eine Beeinträchtigung des Steueraufkommens durch unberechtigte Inanspruchnahme von Vorsteuerbeträgen nicht eingetreten oder durch Rückzahlung erlangter Vorsteuerbeträge beseitigt sei. Bei dieser Auslegung würde § 14 Abs. 3 - erste Alternative - UStG 1967 seine generalpräventive Wirkung verlieren. Im Fall der Kollusion, den die erste Alternative des § 14 Abs. 3 UStG 1967 in erster Linie abwehren will, würden die zur Beeinträchtigung des Steueraufkommens zusammenwirkenden Beteiligten kein Risiko eingehen; denn keiner von ihnen bräuchte im Ergebnis mehr an den Steuergläubiger zu zahlen, als er oder andere durch die unzulässige Rechnungsbegebung zu Lasten des Steuergläubigers erlangt haben. Die Vorschrift des § 14 Abs. 3 - erste Alternative - UStG 1967 wäre bei dieser von dem Kläger gewollten Auslegungsfolge in eine Art Ausfallhaftung des Rechnungsausstellers verändert und damit in ihrer Zielsetzung und in ihrem Anwendungsbereich entscheidend reduziert. Der nicht näher begründeten Auffassung des Klägers, das System des Umsatzsteuergesetzes und die systematische Stellung des § 14 Abs. 3 UStG 1967 innerhalb dieses Systems zwinge zu der Auslegung, daß diese Vorschrift nur dann eingreife, wenn dem Steuergläubiger durch die Rechnungsbegebung ein Schaden entstanden sei, vermag der Senat daher nicht beizutreten. Unter diesem Gesichtspunkt entfällt auch das vom Kläger vorgetragene Argument, die erste Alternative des § 14 Abs. 3 UStG 1967 führe bei einer anderen Auslegung als der von ihm vertretenen zu einer "ungerechtfertigten Bereicherung" des Steuergläubigers. Des weiteren ist damit auch dem Argument des Klägers die Grundlage entzogen, die Steuerschuld aus § 14 Abs. 3 UStG 1967 sei durch das Ausbleiben oder den Wegfall einer Beeinträchtigung des Steueraufkommens auflösend bedingt.
3. Die erste Alternative des § 14 Abs. 3 UStG 1967 begründet keine Strafe i. S. des § 63 Nr. 3 KO. Der Gesetzgeber hat die durch § 14 Abs. 3 UStG 1967 begründete Forderung des Steuergläubigers nicht nur als Steueranspruch bezeichnet, sondern auch als solchen gestaltet. Damit ist dem Umstand Rechnung getragen, daß die generalpräventive Zielsetzung des § 14 Abs. 3 UStG 1967 nur dann einen Sinn ergibt, wenn die Geltendmachung einer auf diese Vorschrift gestützten Forderung vom Nachweis eines Verschuldens des Rechnungsausstellers gelöst wird. § 14 Abs. 3 UStG 1967 stellt deshalb nach seiner Konzeption auf ein vorwerfbares Verhalten nicht ab und enthält somit keine Auferlegung eines Übels wegen begangenen Unrechts je nach Maßgabe der persönlichen Schuld (vgl. auch Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 20. März 1980 2 BvR 736/80, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Umsatzsteuergesetz 1967, § 14, Rechtsspruch 12, und vom 14. Juli 1981 1 BvR 575/80, Neue Juristische Wochenschrift 1981 S. 2457). Dieser wesensbestimmende Charakter bleibt einer Forderung aus § 14 Abs. 3 UStG 1967 unabhängig davon erhalten, ob ihre Durchsetzung dem Ausgleich einer bereits eingetretenen Beeinträchtigung des Steueraufkommens dient oder nicht. Bei einer anderen Beurteilung könnte nur im nachhinein unter Berücksichtigung der inzwischen eingetretenen tatsächlichen Verhältnisse entschieden werden, ob die Forderung aus § 14 Abs. 3 UStG 1967 Wiedergutmachungs- oder Sanktionscharakter hat. Demgegenüber ist der Charakter der in § 63 Nr. 3 KO aufgeführten Forderungen vorweg mit der Verhängung der Sanktion bestimmt.
Der Anspruch aus § 14 Abs. 3 UStG 1967 ist mithin nicht konstruiert als Ahndung vorwerfbaren Verhaltens (das die indirekte Belastung der Konkursgläubiger verbieten würde), sondern als ein auf das Vermögen des Rechnungsausstellers gerichteter Zugriff (vgl. auch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6. Mai 1981 VIII ZR 45/80, StRK, Umsatzsteuergesetz 1967, § 14, Rechtsspruch 17; Wertpapier-Mitteilungen 1981 S. 678; Betriebs-Berater 1981 S. 1053). Diese Konzeption des § 14 Abs. 3 UStG 1967 ist durch die nach Verkündung des Umsatzsteuergesetzes 1967 vorgenommene zweimalige Änderung des § 63 Nr. 3 KO (nämlich durch Art. 40 des Einführungsgesetzes zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 24. Mai 1968, BGBl I 1968, 503, 520, und durch Art. 102 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974, BGBl I 1974, 469, 562) nicht in Frage gestellt worden. Im Gegenteil ist anstelle eines weiten Geldstrafenbegriffs der Erstfassung der Konkursordnung eine enumerative Aufzählung von Sanktionen getreten, welche den Fall des § 14 Abs. 3 UStG 1967 nicht enthält.
Fundstellen
Haufe-Index 74191 |
BStBl II 1982, 229 |
BFHE 1982, 107 |