Leitsatz (amtlich)
Rechtfertigen die vom Finanzgericht festgestellten tatsächlichen Verhältnisse nicht den Schluß auf das Vorliegen eines wirtschaftlich einheitlichen Unternehmens, bei dem Anlage- und Umlaufsvermögen lediglich der Form nach auf zwei Unternehmen aufgeteilt sind, können eine unechte Betriebsaufspaltung und damit Gewerbesteuerpflicht des Vermieters oder Verpächters nicht angenommen werden.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob der Revisionskläger (Steuerpflichtiger) mit Einkünften aus der Vermietung eines Gebäudes der Gewerbesteuer unterliegt.
Der Steuerpflichtige war in den streitigen Erhebungszeiträumen (1954 bis 1957) mit 90 v. H. am Stammkapital einer Verlags-GmbH beteiligt, deren Geschäftsführer er zugleich war. Diese betrieb ihr Unternehmen in einem im Auftrage der Stadt D. errichteten und ihr mit Mietvertrag vom 4./6. Mai 1953 vermieteten Gebäude. Mit Vertrag vom 19. August 1954 vereinbarte der Steuerpflichtige mit der Stadt D. die käufliche Überlassung des Grundstücks an ihn, sobald die Stadt selbst Eigentümerin des Grundstücks geworden sein werde; gleichzeitig wurde vereinbart, daß der Steuerpflichtige mit Wirkung vom 1. Mai 1954 an Stelle der Stadt in den Mietvertrag zwischen dieser und der GmbH vom 4./6. Mai 1953 unter Übernahme sämtlicher Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag eintrete. Mit notariellem Vertrag vom 23. Oktober 1956 erwarb der Steuerpflichtige alsdann das Grundstück zum Kaufpreis von 276 967,15 DM. Der zwischen der Stadt und der GmbH geschlossene Mietvertrag, in den der Steuerpflichtige eingetreten war, blieb auch nach dem Erwerb des Grundstücks durch ihn unverändert bestehen. Die in dem Gebäude befindlichen Büro- und Setzmaschinen standen im Eigentum der GmbH.
Nachdem dieser Sachverhalt dem Revisionsbeklagten (dem FA) anläßlich einer beim Steuerpflichtigen im Jahre 1959 durchgeführten Betriebsprüfung in seinen Einzelheiten bekanntgeworden war, vertrat das FA unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH zur Betriebsaufspaltung (BFH-Urteil I 217/58 U vom 3. November 1959, BFH 70, 134, BStBl III 1960, 50) die Auffassung, daß die Einkünfte des Steuerpflichtigen aus der Vermietung als gewerbliche Einkünfte einzuordnen seien. Demgemäß setzte es für die streitigen Erhebungszeiträume erstmals einheitliche Gewerbesteuermeßbeträge gegen den Steuerpflichtigen fest. Die von ihm gemäß § 261 AO a. F. zum FG erhobene Sprungberufung blieb ohne Erfolg. Das FG führte aus:
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gehörten nach § 21 Abs. 3 EStG nur insoweit dieser Einkunftsart zu, als sie nicht einer anderen Einkunftsart zuzurechnen seien. Letzteres sei hier der Fall, da die Vermietung des Grundstücks an die GmbH nach der rechtlichen und tatsächlichen Gestaltung des Mietverhältnisses zu einer so engen Verflechtung der beiderseitigen wirtschaftlichen Interessen des Steuerpflichtigen und der GmbH führe, daß nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Beziehungen in der Vermietung steuerrechtlich eine gewerbliche Tätigkeit zu sehen sei. Wenngleich im Streitfall eine Betriebsaufspaltung im eigentlichen Sinne nicht vorliege, könne es hierauf gleichwohl nicht ankommen, da nach ständiger Rechtsprechung die Gewerbesteuerpflicht des Besitzunternehmens allein davon abhänge, daß es wesentliche Betriebsgrundlagen an die Betriebs-GmbH verpachte, wenn nach den Verhältnissen im jeweiligen Erhebungszeitraum eine enge wirtschaftliche Verflechtung beider Unternehmen bestehe (BFH-Urteile I 57/61 S vom 16. Januar 1962, BFH 74, 275, BStBl III 1962, 104; VI 169/65 vom 24. Februar 1967, BFH 88, 319, BStBl III 1967, 387, und IV R 261/66 vom 25. Juli 1968, BFH 93, 82, BStBl II 1968, 677).
Im Streitfalle stelle das Grundstück mit dem Gebäude die wesentliche Betriebsgrundlage der GmbH dar, an deren Stammkapital der Steuerpflichtige - andererseits Vermieter des Grundstücks - mit 90 v. H. beteiligt sei. Demgegenüber falle es nicht ins Gewicht, daß - wie der Steuerpflichtige geltend mache - die Verwaltungseinrichtungen, die technischen Voraussetzungen, die Verlagsrechte, Archive und sonstigen Unterlagen mindestens ebenso wichtig seien, um die Funktionen eines Verlages erfüllen zu können. Denn für alles dies sowie für die von ihr beschäftigten mehr als 100 Arbeitskräfte müsse die GmbH notwendigerweise über geeignete Räumlichkeiten verfügen, und diese habe der Steuerpflichtige ihr vermietet. Daß die GmbH ihren Betrieb auch in anderweit angemieteten Räumen hätte führen können, könne für die Entscheidung nicht berücksichtigt werden. Hinzu komme, daß nicht zuletzt die rechtliche Stellung des Steuerpflichtigen als Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH ihn in die Lage versetzt habe, vom 1. Mai 1954 ab in den bestehenden Mietvertrag einzutreten und schließlich das der GmbH dienende Grundstück nebst Gebäude von der Stadt D. käuflich zu erweben und an die GmbH zu vermieten. Die weitgehende wirtschaftliche Interessengleichheit zwischen dem Steuerpflichtigen und der GmbH ergebe sich auch daraus, daß diese - ohne nach dem Mietvertrag hierzu verpflichtet zu sein - in den Jahren 1957 und 1958 allein für Straßen- und Gartenanlagen rd. 30 000 DM, für das Setzereigebäude rd. 50 000 DM aufgewendet habe. Daß schließlich der Steuerpflichtige - etwa anstelle der GmbH - das Grundstück gekauft habe in der Absicht, auf diese Weise die Gewinne der GmbH zu beeinflussen bzw. auf sich zu verlagern, sei weder unterstellt worden noch spiele es für die rechtliche Beurteilung eine Rolle.
Endlich habe der Steuerpflichtige nichts vorgetragen, was das Gericht dazu veranlassen könnte, von der ständigen Rechtsprechung abzuweichen. Auch verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Rechtsprechung seien nicht gegeben (Beschlüsse des BVerfG 2 BvR 367/67 vom 1. August 1967, StRK, Einkommensteuergesetz, § 15 Nr. 1, Rechtsspruch 8, und 1 BvR 136/62 vom 14. Januar 1969, BStBl II 1969, 389).
Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des Steuerpflichtigen mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung und die einheitlichen Gewerbesteuermeßbescheide 1954 bis 1957 aufzuheben. Zu ihrer Begründung läßt der Steuerpflichtige vortragen:
Das FG habe bei seiner Beurteilung des Sachverhalts übersehen, daß der Mietvertrag, den die GmbH im Jahre 1953 geschlossen habe, auch nach Eintritt des Steuerpflichtigen in den Vertrag und nach Übergang des Eigentums am Grundstück auf ihn schon mangels Kündbarkeit unverändert fortbestanden habe, daß das Grundstück nicht auf die besonderen Bedürfnisse der GmbH zugeschnitten gewesen sei, daß diese solcher besonders auf ihren Betrieb abgestimmten Räume auch nicht bedurft habe und daß der Steuerpflichtige nicht kraft seiner Gesellschafterstellung habe in den Mietvertrag eintreten und das Grundstück erwerben können, da die Stadt die entsprechenden Angebote dem Steuerpflichtigen persönlich gemacht habe. Auch sei die GmbH damals finanziell nicht in der Lage gewesen, etwa selbst das Grundstück zu erwerben.
Das wirtschaftliche Interesse des Steuerpflichtigen habe allein in der Erzielung von Mieteinnahmen ohne Ansehen des Mieters bestanden, wie dadurch erwiesen sei, daß das Eigentum an dem Grundstück inzwischen in andere Hände übergegangen sei, ohne daß damit der GmbH eine wesentliche Betriebsgrundlage verlorengegangen noch die Möglichkeit der Einflußnahme des Steuerpflichtigen auf ihre Geschicke geringer geworden sei. Deshalb seien auch die vom FG erwähnten Bauarbeiten, die die GmbH am Gebäude habe ausführen lassen (Anpassung von Räumen an die Erfordernisse moderner Repräsentation, Verlegen sanitärer Einrichtungen, Versetzen von Wänden), für die Entscheidung ohne jede Bedeutung. Danach fehle es an den für die Annahme einer unechten Betriebsaufspaltung erforderlichen Voraussetzungen (BFH-Urteil I 76/64 vom 24. Januar 1968, BFH 91, 368, BStBl II 1968, 354).
Schließlich entspreche auch das Beteiligungsverhältnis des Steuerpflichtigen am Grundstück einerseits (100 v. H.) und an der GmbH andererseits (90 v. H.) nicht den Erfordernissen des BFH-Urteils I 231/63 vom 3. Dezember 1969 (BFH 97, 522, BStBl II 1970, 223).
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der angefochtenen Gewerbesteuermeßbescheide 1954 bis 1957.
1. Wie im BFH-Urteil IV R 261/66 (a. a. O.) ausgeführt, finden die in ständiger Rechtsprechung für den Fall der echten wie auch der sogenannten unechten Betriebsaufspaltung entwickelten Rechtsgrundsätze auch dann Anwendung, wenn der Kapitalgesellschaft nicht eine aus den gleichen Gesellschaftern bestehende Besitz-Personengesellschaft, sondern eine einzelne natürliche Person als Vertragspartner eines Miet- oder Pachtverhältnisses gegenübersteht, wenn dieser Gesellschafter der Kapitalgesellschaft ist. Vorausestzung für die Annahme einer eigengewerblichen Tätigkeit dieses Gesellschafters durch die Vermietung oder Verpachtung ist jedoch, daß die der Kapitalgesellschaft miet- oder pachtweise überlassenen Wirtschaftsgüter (als die wesentlichen Grundlagen des Anlagevermögens des Verpächters) die notwendige Unterlage für den Betrieb der Kapitalgesellschaft darstellen und wirtschaftlich betrachtet Besitzunternehmen und Betriebsgesellschaft sich als ein einheitliches Unternehmen erweisen, bei dem "Anlagevermögen und umlaufendes Vermögen lediglich der Form nach" auf zwei Unternehmen aufgeteilt worden ist (BFH-Urteile I 217/58 U, a. a. O.; VI 169/65, a. a. O.; I 76/64, a. a. O.). Die Überlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen ist somit nur Vorausetzung für die Frage nach dem Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit von Besitzunternehmen und Betriebsgesellschaft. Ob diese wirtschaftliche Einheit gegeben ist, bedarf in jedem einzelnen Falle der Prüfung.
Im Streitfall war das vom Steuerpflichtigen der GmbH vermietete Grundstück bis zum Abschluß des notariellen Kaufvertrages vom 23. Oktober 1956 nicht einmal wirtschaftliches Eigentum des Steuerpflichtigen, wenn er auch nach dem Vertrag vom 19. August 1954 seit dem 1. Mai 1954 der GmbH gegenüber die Stellung des Vermieters einnahm. Es zählte somit bis zum 23. Oktober 1956 nicht zu seinem "Anlagevermögen". Ob das Grundstück eine notwendige Unterlage für den Betrieb der GmbH in dem Sinne darstellte, daß es "einen deutlichen Unterschied" ausmachte, ob es sich "im Eigenbesitz" befand oder "von fremden Eigentümern" gemietet war (BFH-Urteil I 201/64 vom 24. Juni 1969, BFH 97, 125, BStBl II 1970, 17), obwohl es weder auf die besonderen Bedürfnisse der Mieterin abgestimmt (wie im Falle der BFH-Urteile I 57/61 S, a. a. O., und IV R 261/66, a. a. O.) noch später an die GmbH verkauft worden war (wie im Fall des BFH-Urteils VI 169/65, a. a. O.), mag dahinstehen. Entgegen der Auffassung des FA sind die Verhältnisse des Streitfalles jedoch mit denen der Verpachtung eines Garagenhofes mit Tankstelle (Fall des BFH-Urteils I 217/58 U, a. a. O.) oder eines Hotelgrundstücks mit Gaststättenbetrieb (Fall des BFH-Urteils IV R 261/66, a. a. O.), dem der Verpächter seine ganze Arbeitskraft widmete, nicht vergleichbar. Denn - im Gegensatz zu den genannten Fällen - stellte der Betrieb des Unternehmens der GmbH nicht nur keine besonderen Anforderungen an die Gestaltung der von ihr angemieteten Räume; es machte auch offensichtlich keinen Unterschied, ob das Grundstück im Eigentum des Steuerpflichtigen oder eines Dritten stand, da die GmbH die Räume bereits vor Eintritt ihres Gesellschafters in den Mietvertrag, vor Übergang des Eigentums am Mietgrundstück auf ihn und auch noch nach erneutem Wechsel im Eigentum - Übergang des Eigentums am Mietgrundstück auf einen Dritten - innehatte, ohne daß durch den mehrfachen Eigentumswechsel sich auch nur das geringste im Betriebsablauf der GmbH änderte; es konnte aber vor allem das Vorliegen jener wirtschaftlichen Einheit nicht angenommen werden, die "Besitzunternehmen" und GmbH in Ansehung von Anlage- und Umlaufvermögen als "lediglich der Form nach" auf zwei Unternehmen aufgeteilt ausgewiesen hätte. Es fehlt somit nach den tatsächlichen Feststellungen des FG an den Grundlagen der von ihm aus ihnen gezogenen Schlußfolgerung.
2. Danach kam es, worauf das FG nicht eingegangen ist, nicht mehr entscheidend darauf an, daß am "Besitzunternehmen" und am Betriebsunternehmen nicht im wesentlichen die gleichen Personen beteiligt waren (BFH-Urteile I 231/63, a. a. O.; I R 108/66 vom 12. März 1970, BFH 98, 441, BStBl II 1970, 439), weil das Mietgrundstück seit dem 23. Oktober 1956 - zumindest wirtschaftlich - im alleinigen Eigentum des Steuerpflichtigen stand, dieser jedoch am Stammkapital der GmbH nur zu 90 v. H. beteiligt war. Der Senat konnte es dahinstehen lassen, ob es deshalb hier auch an der erforderlichen Identität zwischen den Beteiligten nach Person und Beteiligungsverhältnis fehlte, die allein die Annahme einer Betriebsaufspaltung - insbesondere einer unechten Betriebsaufspaltung - rechtfertigt.
Fundstellen
Haufe-Index 69285 |
BStBl II 1971, 61 |
BFHE 1971, 411 |