Leitsatz (amtlich)
Die tatsächliche Geschäftsführung kann auch dann noch auf die Erfüllung eines gemeinnützigen Zweckes gerichtet sein, wenn die Erfüllung längere Zeit durch außergewöhnliche, von der Körperschaft nicht zu beeinflussende Umstände verhindert wird.
Normenkette
KStG § 4 Abs. 1 Nr. 6; GemV § 15
Gründe
Der Rechtsstreit betrifft die Frage der Gemeinnützigkeit eines Spezialsportvereins, der sich wegen der Beschlagnahme seiner Anlagen nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die Streitjahre 1965 bis 1967 nur gelegentlich satzungsgemäß betätigen konnte, da sich ihm erst im Jahre 1969 die Möglichkeit der Benutzung einer entsprechenden Anlage in einer anderen Stadt der Bundesrepublik Deutschland eröffnete. Der BFH hob die Entscheidung des FG auf, das ebenso wie das FA nur die Frage eines Billigkeitserlasses gemäß § 131 Abs. 1 Satz 2 AO geprüft und ohne weitere Prüfung unterstellt hatte, es fehle an den gesetzlichen Voraussetzungen der Vorschrift des § 15 der Gemeinnützigkeitsverordnung (GemV). Der erkennende Senat hat dazu ausgeführt:
Die Vorinstanz hat das Fehlen der gesetzlichen Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit (§§ 2 Abs. 1 Satz 2 und 15 GemV) in Anlehnung an die vorangegangenen Verwaltungsentscheidungen zu Unrecht ohne weiteres unterstellt und sich auf die Prüfung der Steuererlaßfrage beschränkt (§ 131 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 AO; Nr. 9 der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 24. Dezember 1953, BStBl II 1954, 50). Dieses Vorgehen beruht möglicherweise auf einer fehlerhaften Auslegung des § 15 GemV.
a) Diese Vorschrift verlangt, daß die tatsächliche Geschäftsführung der Körperschaft auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwekke gerichtet sein muß. FA und FG sind bei der Prüfung dieser Voraussetzung offensichtlich von der Annahme ausgegangen, die Steuerbegünstigung hänge davon ab, daß sich die Körperschaft ohne Unterbrechung satzungsgemäß zu betätigen habe. Dieser Auslegung vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. Das Gesetz verlangt lediglich, daß die Geschäftsführung auf die Erfüllung der satzungsmäßigen Zwecke gerichtet sein muß, d. h. daß sich die Körperschaft nicht anderweitig betätigen und die Erreichung der steuerbegünstigten Ziele nicht endgültig aufgeben darf.
b) Ob der Wille zur Fortführung der steuerbegünstigten Tätigkeit vorhanden ist oder nicht, kann nur nach den objektiven Umständen des Einzelfalles beurteilt werden. Wird die entsprechende Betätigung eingestellt, so kann dies der weiteren Anerkennung der Körperschaft als gemeinnützig entgegenstehen. Ist jedoch erkennbar, daß die Unterbrechung auf außergewöhnliche Verhältnisse zurückzuführen ist und daß die Körperschaft ernstlich bestrebt und in der Lage ist, die Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen, so wird dies in der Regel nicht den Wegfall der steuerlichen Begünstigung zur Folge haben. Insoweit enthält Nr. 9 der gleichlautenden Ländererlasse vom 24. Dezember 1953 keine Billigkeitsrichtlinie, sondern eine Anweisung zur Durchführung des § 15 GemV. Sie ist insoweit zu eng gefaßt, als sie jede vorübergehende Untätigkeit der Körperschaft für schädlich hält.
c) Im Streitfall ist aus dem vom FG festgestellten Sachverhalt nicht zu erkennen, daß der Kläger seine auf die Verwirklichung des Satzungszwecks hinzielende Tätigkeit in den Streitjahren endgültig eingestellt hätte. Die gesetzlichen Vertreter scheinen vielmehr stets bemüht gewesen zu sein, einen Ausweg aus den kriegsbedingten Schwierigkeiten zu finden, was schließlich sogar zur Verlegung des Vereinssitzes geführt hat. Zutreffend hat die Vorinstanz dargelegt, daß die tatsächliche Geschäftsführung nicht auf den Ort des Vereinssitzes beschränkt ist.
Da das FG die Steuerfestsetzung nur unter dem erst in zweiter Linie rechtserheblichen Gesichtspunkt der Billigkeit geprüft hat und die tatsächlichen Feststellungen nicht ausreichen, um die Frage der Gemeinnützigkeit abschließend beurteilen zu können, war die Vorentscheidung auf die Revision des FA hin aufzuheben und der Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Fundstellen
BStBl II 1975, 458 |
BFHE 1975, 495 |