Entscheidungsstichwort (Thema)
Beteiligung des Kommanditisten einer GmbH & Co.KG an der Komplementär-GmbH als Sonderbetriebsvermögen II; doppelstöckige GmbH & Co.KG
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer GmbH & Co. KG gehört grundsätzlich der Geschäftsanteil eines Kommanditisten an der Komplementär-GmbH zum Sonderbetriebsvermögen II des Kommanditisten, weil dieser Geschäftsanteil es dem Kommanditisten ermöglicht, über seine Stellung in der Komplementär-GmbH Einfluß auf die Geschäftsführung der GmbH & Co. KG auszuüben.
2. Bei einer doppelstöckigen GmbH & Co. KG wird die Stellung eines Kommanditisten der Untergesellschaft durch seine Beteiligung an der Komplementär-GmbH der Obergesellschaft nur dann verstärkt, wenn der betreffende Kommanditist in der Obergesellschaft einen beherrschenden Einfluß ausüben kann.
Orientierungssatz
1. Bei einer Personengesellschaft kann ein Gesellschafter einen beherrschenden Einfluß aufgrund seiner Beteiligung grundsätzlich nur dann ausüben, wenn für Gesellschafterbeschlüsse ein Stimmrechtsverhältnis vereinbart ist, das es dem betreffenden Gesellschafter ermöglicht, seine Mitgesellschafter zu überstimmen. Auf das Stimmrechtsverhältnis kommt es allerdings dann nicht an, wenn der an der Komplementär-GmbH der Obergesellschaft beteiligte Kommanditist der Untergesellschaft aufgrund seiner Beteiligung an der Komplementär-GmbH der Obergesellschaft alleiniger Geschäftsführer der Obergesellschaft ist.
2. Die Veräußerung einer zum Sondervermögen II eines Kommanditisten gehörenden Beteiligung an der Komplementär-GmbH kann nicht als Veräußerung eines Teils eines Mitunternehmeranteils angesehen werden; denn das Sonderbetriebsvermögen II für sich betrachtet ist weder ein Mitunternehmeranteil noch ein Teil eines solchen Anteils. Gewinne aus der Veräußerung des Sonderbetriebsvermögens können demzufolge nur dann tarifbegünstigt sein, wenn sie im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs oder eines Teilbetriebs der Personengesellschaft oder im Zusammenhang mit der Veräußerung oder Aufgabe eines Mitunternehmeranteils oder eines Teils davon anfallen.
3. Nichtig und damit völlig unwirksam sind nur solche Urteile und Beschlüsse, die nicht einmal den äußeren Tatbestand eines Gerichtsurteils bzw. Gerichtsbeschlusses verwirklichen. Eine unter Verletzung des rechtlichen Gehörs zustande gekommene Gerichtsentscheidung ist nicht nichtig.
4. Da es sich bei der Nichtzulassungsbeschwerde um ein selbständiges Rechtsmittel handelt, können Fehler, die in diesem Verfahren gemacht worden sind, nicht in dem Revisionsverfahren gegen das der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegende Urteil geltend gemacht werden. Ist der Beschluß, durch den die Revision gegen ein FG-Urteil aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde durch das FG zugelassen wird (Abhilfebescheid), unanfechtbar, ist der BFH als Revisionsgericht an die vom FG ausgesprochene Zulassung der Revision selbst dann gebunden, wenn der Beschluß fehlerhaft zustande gekommen sein sollte.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1, § 16 Abs. 1 Nr. 2, § 34 Abs. 2 Nr. 1; FGO § 119 Nr. 3, § 115 Abs. 3; BFHEntlG Art. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
FG Münster (Entscheidung vom 30.09.1986; Aktenzeichen VI 2741/82 F) |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war mit einer Einlage von 16 000 DM zu 80 v.H. Anteilseigner der M-GmbH. Die M-GmbH ihrerseits war persönlich haftende Gesellschafterin der M-KG. Kommanditisten der M-KG waren die Steuerberater S und H.
Die M-KG wiederum war persönlich haftende Gesellschafterin der VAB-KG. Deren Tätigkeit bestand in der Vermittlung von Vermögensanlagen. Als Kommanditisten waren an der VAB-KG 420 Personen, meist Rechtsanwälte und Steuerberater mit einer Einlage von je 10 000 DM beteiligt. Auch der Kläger war Kommanditist der VAB-KG. Er erhielt von der VAB-KG besondere Beratungshonorare. Am 21.Oktober 1972 beschlossen die Gesellschafter der VAB-KG die Auflösung der Gesellschaft.
Zum 31.Januar 1972 veräußerte der Kläger seinen Anteil an der M-GmbH für 320 000 DM an die VAB M-GmbH & Co. KG. Den entstandenen Gewinn behandelte der Kläger als nach §§ 17, 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) begünstigten Gewinn.
Nach einer Betriebsprüfung bei der VAB-KG sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) die Beteiligung des Klägers an der M-GmbH als Sonderbetriebsvermögen des Klägers bei der VAB-KG an. Als Folge davon wurden dem Kläger im Rahmen der Gewinnfeststellung der VAB-KG zugerechnet:
1971: die Gewinnausschüttung der M-GmbH an den Kläger und
1972: der Gewinn aus der Veräußerung des GmbH-Anteils ein schließlich der Zinsen auf den Kaufpreis.
Die Tarifvergünstigung nach § 34 EStG wurde nicht gewährt.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Mit der Revision macht der Kläger die Verletzung materiellen Rechts geltend.
Das FA vertritt die Ansicht, die Revision sei unzulässig, weil sie nicht wirksam zugelassen worden sei. Das Finanzgericht (FG) habe dem FA im Verfahren über die Zulassung der Revision das rechtliche Gehör versagt (§ 119 Nr.3 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Das FA habe keine Kenntnis vom Inhalt der Nichtzulassungsbeschwerde erhalten. Es habe keine Gelegenheit gehabt, sich dazu zu äußern. Es sei von dem Zulassungsbeschluß des FG überrascht worden. Hätte das FA von der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde erfahren, hätte es vorgetragen, daß weder grundsätzliche Bedeutung noch ein Verfahrensmangel vorliege. Es könne nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, daß dieses Vorbringen zu einer anderen Entscheidung des FG geführt hätte. Die dennoch erfolgte Zulassung der Revision sei infolge der Verletzung des rechtlichen Gehörs mit einem so schwerwiegenden Verfahrensmangel behaftet, daß sie unwirksam sei. Eine Bindung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei wegen offensichtlicher Gesetzwidrigkeit nicht gegeben.
Im übrigen hält das FA die Revision für unbegründet.
Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs.3 Nr.2 FGO).
1. Die Revision ist nicht unzulässig, weil das FA von der Nichtzulassungsbeschwerde keine Kenntnis erhalten hatte und ihm deshalb kein rechtliches Gehör gewährt worden ist.
a) Der Senat braucht keine Stellung dazu zu nehmen, ob die Nichtbekanntgabe einer Nichtzulassungsbeschwerde eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Beschwerdegegners ist; denn selbst wenn dies der Fall wäre, könnte dieser Verfahrensmangel nicht zur Nichtigkeit des die Revision zulassenden Beschlusses führen. Nichtig und damit völlig unwirksam sind nur solche Urteile (für Beschlüsse gilt das gleiche), die nicht einmal den äußeren Tatbestand eines Gerichtsurteils verwirklichen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2.Aufl., § 95 Anm.6). Daß ein Urteil oder ein Beschluß über die Zulassung der Revision nur fehlerhaft, aber nicht ―wie das FA meint― unwirksam ist, ergibt sich auch aus § 119 Nr.3 FGO. Nach dieser Vorschrift ist die Verletzung des rechtlichen Gehörs ein absoluter Revisionsgrund. Das schließt die Annahme der Nichtigkeit einer unter Verletzung des rechtlichen Gehörs zustande gekommenen Gerichtsentscheidung aus.
b) Da es sich bei der Nichtzulassungsbeschwerde um ein selbständiges Rechtsmittel handelt (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Anm.47), können Fehler, die in diesem Verfahren gemacht worden sind, nicht in dem Revisionsverfahren gegen das der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegende Urteil geltend gemacht werden.
Sie könnten nur in einem gegen den Zulassungsbeschluß durchgeführten Beschwerdeverfahren vorgebracht werden. Dies ist jedoch deshalb nicht möglich, weil der Beschluß, durch den die Revision gegen ein FG-Urteil aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde durch das FG zugelassen wird (Abhilfebescheid), unanfechtbar ist (BFH-Urteil vom 26.Juni 1969 VI R 125/68, BFHE 97, 103, BStBl II 1970, 7, m.w.N.). Demzufolge ist der Senat als Revisionsgericht an die vom FG durch Beschluß vom 14.Januar 1987 ausgesprochene Zulassung der Revision selbst dann gebunden, wenn der Beschluß fehlerhaft zustande gekommen sein sollte (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Anm.75).
2. Die Revision ist begründet.
a) Alle Beteiligten gehen zutreffend davon aus, daß nach ständiger Rechtsprechung des BFH bei einer Personengesellschaft solche im Eigentum eines Mitunternehmers stehenden Wirtschaftsgüter, die unmittelbar zur Begründung oder Stärkung der Beteiligung des Mitunternehmers an der Personengesellschaft eingesetzt werden sollen, zum Sonderbetriebsvermögen II gehören (Urteil vom 12.November 1985 VIII R 286/81, BFHE 145, 62, BStBl II 1986, 55, m.w.N.).
Zum Sonderbetriebsvermögen II gehören demzufolge bei einer GmbH & Co. KG grundsätzlich auch die Geschäftsanteile eines Kommanditisten an der Komplementär-GmbH; denn diese Anteile ermöglichen es dem Kommanditisten, über seine Stellung in der Komplementär-GmbH Einfluß auf die Geschäftsführung der GmbH & Co. KG auszuüben. Dadurch wird die Stellung des Kommanditisten, die ihm aufgrund seiner unmittelbaren Beteiligung an der KG zukommt, verstärkt.
Etwas anderes gilt nur für den hier nicht interessierenden Fall, daß die Komplementär-GmbH neben ihrer Geschäftsführertätigkeit für die KG noch eine Tätigkeit von nicht ganz untergeordneter Bedeutung ausübt (Urteil in BFHE 145, 62, BStBl II 1986, 55).
b) Die Stärkung der Beteiligung des Kommanditisten in einer GmbH & Co. KG im vorstehenden Sinn muß durch seine Beteiligung an der Komplementär-GmbH erfolgen. Der Kommanditist muß aufgrund seiner Stellung als Anteilseigner der geschäftsführenden GmbH die Möglichkeit haben, über diese Beteiligung auf die Geschäftsführung der KG einen besonderen Einfluß auszuüben und diese letztlich mitzubestimmen (BFH-Urteil vom 5.Dezember 1979 I R 184/76, BFHE 129, 169, BStBl II 1980, 119).
c) Diese Grundsätze gelten auch für die doppelstöckige GmbH & Co. KG. Allerdings ist hier zu beachten, daß der Kommanditist der Untergesellschaft aufgrund seiner Beteiligung an der Komplementär- GmbH der Obergesellschaft nicht unmittelbar, sondern nur über die Obergesellschaft auf die Geschäftsführung der Untergesellschaft einen besonderen Einfluß ausüben und diese Geschäftsführung letztlich mitbestimmen kann. Demzufolge gehen sowohl das FG als auch der BMF zutreffend davon aus, daß bei einer doppelstöckigen GmbH die Stellung eines Kommanditisten der Untergesellschaft durch seine Beteiligung an der Komplementär- GmbH der Obergesellschaft nur dann verstärkt wird, wenn der betreffende Kommanditist in der Obergesellschaft einen beherrschenden Einfluß ausüben kann, was eine beherrschende Stellung auch in der Komplementär-GmbH der Obergesellschaft voraussetzt.
d) Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um die Frage beantworten zu können, ob der Kläger in der M-KG (Obergesellschaft) einen beherrschenden Einfluß ausüben konnte.
Der Kläger hatte in der M-GmbH (Komplementär-GmbH der Obergesellschaft) aufgrund seiner 80 %igen Beteiligung einen beherrschenden Einfluß, weil bei einer GmbH Gesellschafterbeschlüsse nach § 47 Abs.1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) mit einfacher Mehrheit zustande kommen. Etwas anderes gilt nur ―was das FG noch prüfen muß―, wenn abweichende Vereinbarungen wirksam getroffen worden sind.
Anders als bei einer GmbH werden jedoch bei einer Personengesellschaft (§ 709 des Bürgerlichen Gesetzbuches ―BGB―, § 119 Abs.1 des Handelsgesetzbuches ―HGB―, § 161 Abs.2 i.V.m. § 119 Abs.1 HGB) Gesellschafterbeschlüsse einstimmig gefaßt, sofern im Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt ist. Bei einer Personengesellschaft kann mithin ein Gesellschafter einen beherrschenden Einfluß aufgrund seiner Beteiligung grundsätzlich nur dann ausüben, wenn für Gesellschafterbeschlüsse ein Stimmrechtsverhältnis vereinbart ist, das es dem betreffenden Gesellschafter ermöglicht, seine Mitgesellschafter zu überstimmen. Das FG wird die insoweit bisher fehlenden tatsächlichen Feststellungen über das in der M-KG geltende Stimmrechtsverhältnis nachholen müssen, soweit sich nicht aus den Ausführungen unter e) etwas anderes ergibt.
e) Auf das Stimmrechtsverhältnis kommt es allerdings dann nicht an, wenn der an der Komplementär-GmbH der Obergesellschaft beteiligte Kommanditist der Untergesellschaft aufgrund seiner Beteiligung an der Komplementär-GmbH der Obergesellschaft alleiniger Geschäftsführer der Obergesellschaft ist; denn dann kann er infolge seiner Stellung als Geschäftsführer der Obergesellschaft, die er durch seine Beteiligung an deren Komplementär-GmbH erlangt hat, Einfluß auf die Geschäftsführung der Untergesellschaft ausüben, wodurch seine Stellung als Kommanditist gestärkt wird.
f) Entgegen der Auffassung des Klägers steht die hier vertretene Rechtsansicht nicht im Widerspruch zu dem BFH-Urteil in BFHE 145, 62, BStBl II 1986, 55. Im Streitfall wird das Problem des Durchgriffs durch eine Personengesellschaft nicht berührt.
3. Entgegen der Ansicht des Klägers hat das FG zu Recht die Annahme eines tarifbegünstigten Veräußerungsgewinns (Aufgabegewinns) abgelehnt. Der durch die Veräußerung der GmbH-Anteile erzielte Gewinn ist weder Teil eines Aufgabegewinns i.S. des § 16 Abs.3 EStG noch ein Gewinn aus der Veräußerung eines Teils eines Mitunternehmeranteils.
a) Als Teil eines Aufgabegewinns kann der aus der Veräußerung der GmbH-Anteile erzielte Gewinn nicht angesehen werden, da nach den Feststellungen des FG kein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Anteilsveräußerung im Januar 1972 und der Auflösung der VAB-KG, zu deren Betriebsvermögen die Anteile gehörten, besteht. Der Senat ist an diese Feststellungen gebunden, da keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben worden sind (§ 118 Abs.2 FGO).
b) Der Senat teilt die Auffassung des BMF, daß die Veräußerung einer zum Sonderbetriebsvermögen II gehörenden GmbH-Beteiligung nicht als Veräußerung eines Teils eines Mitunternehmeranteils angesehen werde; denn das Sonderbetriebsvermögen II für sich betrachtet ist weder ein Mitunternehmeranteil noch ein Teil eines solchen Anteils. Gewinne aus der Veräußerung des Sonderbetriebsvermögens können demzufolge nur dann tarifbegünstigt sein, wenn sie im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs oder eines Teilbetriebs der Personengesellschaft oder im Zusammenhang mit der Veräußerung oder Aufgabe eines Mitunternehmeranteils oder eines Teils davon anfallen.
Fundstellen
Haufe-Index 63190 |
BFH/NV 1991, 42 |
BStBl II 1991, 510 |
BFHE 164, 20 |
BFHE 1992, 20 |
BB 1991, 1158 |
BB 1991, 1158-1159 (LT) |
DB 1991, 1654-1655 (LT) |
DStR 1991, 772 (KT) |
HFR 1991, 531 (LT) |
StE 1991, 207 (K) |