Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbanfall mit Vorerwerb (schenkweise Übertragung eines Gesellschaftsanteils unter Nießbrauchsvorbehalt)
Leitsatz (NV)
1. Auf eine Auflagenschenkung (hier: Schenkung eines Gesellschaftsanteils unter Nießbrauchsvorbehalt) sind die Regeln über eine gemischte Schenkung nicht anzuwenden.
2. Zur Schätzung des Wertes eines - geschenkten - Gesellschaftsanteils.
3. Hatte der Erblasser dem Erben bereits früher einen Gesellschaftsanteil unter Nießbrauchsvorbehalt geschenkt, so kann der Anfall der vom Erblasser nicht entnommenen Gewinne der ErbSt unterliegen.
Normenkette
ErbStG § 1 Abs. 1 Nrn. 1-2, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 25 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kl. ist Alleinerbe seiner am . . . 1978 verstorbenen Mutter (Erblasserin), die bis 1976 neben ihm persönlich haftende Gesellschafterin einer KG war. Ihren Gesellschaftsanteil hatte sie durch Vertrag vom 26. Juli 1976 ,,schenkungsweise" auf den Kl. übertragen, wobei sie sich den lebenslänglichen Nießbrauch ausbedungen hatte.
Bei der Festsetzung der ErbSt erfaßte das beklagte FA als angefallenen Nachlaß nur die nichtverbrauchten Gewinnanteile der Erblasserin in der Zeit von der Schenkung des Gesellschaftsanteils bis zu ihrem Tode unter Abzug der noch zu zahlenden persönlichen Steuern. In dem vorläufigen ErbSt-Bescheid setzte das FA demgemäß den Erbanfall mit . . . DM an und zog geschätzte Erbfallkosten in Höhe von . . . DM ab. Als Vorerwerb berücksichtigte es den Wert der Vorschenkung des Gesellschaftsanteils (ohne Abzug des ausbedungenen Nießbrauchs) in Höhe von . . . DM. Unter Abzug der auf den Vorerwerb entfallenden Steuer in Höhe von . . . DM verblieb eine ErbSt in Höhe von . . . DM.
Die SchenkSt auf den unentgeltlichen Erwerb des Gesellschaftsanteils hatte das FA durch vorläufigen SchenkSt-Bescheid, der durch rechtskräftige Abweisung der Klage unanfechtbar wurde, auf den genannten Betrag von . . . DM festgesetzt.Gegen den vorläufigen ErbSt-Bescheid hat der Kl. nach erfolglosem Einspruch Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, daß ein Erwerb von Todes wegen nicht vorliege. Da die Nießbrauchsbelastung beim lebzeitigen Erwerb des Gesellschaftsanteils nicht abgezogen worden sei, dürften ihm die von der Erblasserin nicht entnommenen Gewinne nicht zusätzlich als Erwerb von Todes wegen zugerechnet werden. Im übrigen dürfe die Vorschenkung nicht zum Ansatz kommen. Es läge allenfalls eine gemischte Schenkung vor, für die sich ein negativer Wert ergebe.
Während des finanzgerichtlichen Verfahrens hat das FA am 25. Juni 1982 einen endgültigen SchenkSt-Bescheid über . . . DM erlassen, der nach Zurückweisung des Einspruchs von dem Kl. nicht mehr angefochten wurde. Der Kl. hat lediglich beantragt, den Bescheid gemäß § 68 FGO in das anhängige finanzgerichtliche Verfahren wegen der ErbSt einzubeziehen. Am 30. September 1982 hat das FA sodann einen endgültigen ErbSt-Bescheid über . . . DM erlassen, der die Änderung des SchenkSt-Bescheides berücksichtigte. Dieser Bescheid ist auf Antrag des Kl. Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens geworden.
Das FG hat der Klage zum Teil stattgegeben und die ErbSt auf . . . DM herabgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Das FA habe die nicht entnommenen Gewinnanteile der Erblasserin zu Recht als Erwerb des Kl. von Todes wegen in Ansatz gebracht. Zu hoch angesetzt habe es jedoch den Steuerwert der Vorschenkung. Auch auf eine Auflagenschenkung, wie sie bei der Schenkung des Gesellschaftsanteils unter Vorbehalt des Nießbrauches vorliege, seien die vom BFH entwickelten Regeln über den Ansatz einer gemischten Schenkung anzuwenden. Hieraus ergebe sich, daß der Schenkung nur ein Steuerwert von . . . DM zukomme. Die ErbSt betrage danach vor Abzug der Steuer auf die Vorschenkung . . . DM. Als auf die Vorschenkung entfallend seien . . . DM abzugsfähig, so daß die ErbSt nur noch . . . DM betrage. Da der endgültige SchenkSt-Bescheid nicht Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens wegen der ErbSt habe werden können, sei eine Änderung des unanfechtbaren endgültigen SchenkSt-Bescheides über . . . DM nicht möglich.
Der Kl. und das FA haben Revision eingelegt. Der Antrag des Kl. geht dahin, den endgültigen ErbSt-Bescheid unter Aufhebung des angefochtenen Urteils aufzuheben und die ErbSt auf 0 DM festzusetzen. Er wendet sich nicht nur gegen den Ansatz der nicht entnommenen Gewinnanteile der späteren Erblasserin als Erwerb von Todes wegen, sondern auch dagegen, daß die Steuer auf die Vorschenkung nur in Höhe von . . . DM von der Steuer auf die gemäß § 14 ErbStG zusammengerechneten Erwerbe abgezogen worden sei. Außerdem bemängelt er, daß das FG den Ansatz der nicht entnommenen Gewinne der Höhe nach ohne eigene Prüfung übernommen habe.
Das FA erstrebt die volle Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist (im Ergebnis) begründet, die Revision des Kl. ist unbegründet.
1. Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens ist, darin ist dem FG zu folgen, allein der endgültige ErbSt-Bescheid. Der endgültige SchenkSt-Bescheid konnte deshalb nicht Verfahrensgegenstand werden, weil er nicht den durch Klage angefochtenen vorläufigen ErbSt-Bescheid änderte. In Betracht kommen könnte allenfalls eine Bindung an den unanfechtbaren SchenkSt-Bescheid bei der Beurteilung der Vorschenkung im Rahmen des endgültigen ErbSt-Bescheides, der Verfahrensgegenstand geworden ist. Die Frage einer Bindung an den unanfechtbaren SchenkSt-Bescheid braucht der Senat im vorliegenden Fall jedoch nicht zu klären. Auch wenn eine Bindung zu verneinen sein sollte, ergibt die Überprüfung des endgültigen ErbSt-Bescheides hinsichtlich der Vorschenkung, daß dieser frei von Rechtsfehlern ist.
2. Das FA hat die Übertragung des Gesellschaftsanteils der späteren Erblasserin auf den Kl. im Jahre 1976 zu Recht als Schenkung unter Vorbehalt des Nießbrauchs beurteilt (vgl. hierzu auch das durch Zurückweisung der Revision rechtskräftig gewordene Urteil des FG in dem Verfahren wegen des vorläufigen SchenkSt-Bescheides). Das bedeutet, daß der Erblasserin die Gewinnanteile bis zu ihrem Tode zustanden. Soweit sie nicht entnommen und auch nicht zur Zahlung persönlicher Steuern benötigt wurden, fielen sie als Teil des Nachlasses an den Kl. als Alleinerben der Erblasserin. Das FA hat die nicht entnommenen Gewinnanteile der Erblasserin deshalb zu Recht als Erwerb des Kl. angesetzt.
Soweit der Kl. nunmehr geltend macht, es habe nur ein ,,Dispositionsnießbrauch" dergestalt vorgelegen, daß die Gewinnanteile, die von der späteren Erblasserin nicht entnommen werden würden, dem Kl. sofort und endgültig hätten zustehen sollen, liegt ein neuer Sachvortrag vor, der im Revisionsverfahren nicht zu beachten ist, es sei denn, daß eine begründete Verfahrensrüge vorliegt, was nicht der Fall ist. Im übrigen widerspricht dieser Vortrag dem Vortrag im finanzgerichtlichen Verfahren wegen des vorläufigen SchenkSt-Bescheides.
Soweit der Kl. mit seiner Revision Einwendungen gegen die Höhe des Ansatzes der nicht entnommenen Gewinne der Erblasserin geltend macht, liegt eine unzulässige Verfahrensrüge vor. Der Kl. hat nicht dargetan, warum für das FG Veranlassung bestand, die vom FA in seinen Bescheid eingesetzten Zahlen, die im finanzgerichtlichen Verfahren substantiiert nicht angegriffen wurden, nicht zu übernehmen, sondern vielmehr weitere Ermittlungen über die Höhe des nicht entnommenen Gewinns der Erblasserin anzustellen.
3. Nicht zu folgen vermag der Senat der Auffassung des FG, daß die Vorschenkung nach den Regeln über die Berechnung einer gemischten Schenkung zu beurteilen sei. Daß auf eine Auflagenschenkung, wie sie bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt anzunehmen ist, die Regeln über die gemischte Schenkung nicht anzuwenden sind, hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 21. Oktober 1981 II R 176/78 (BFHE 134, 357, 361, unter 2. a. E., BStBl II 1982, 83) ausgesprochen. Hieran hält er fest. Das bedeutet, daß das FA die Vorschenkung zu Recht ohne Berücksichtigung der Belastung durch den vorbehaltenen Nießbrauch (vgl. § 25 ErbStG 1974) angesetzt hat.
Es bestehen auch keine rechtlichen Bedenken dagegen, den Wert des geschenkten Gesellschaftsanteils mit . . . DM anzusetzen, wie sich dies aus dem endgültigen SchenkSt-Bescheid ergibt. Aus der Einspruchsentscheidung wegen des endgültigen SchenkSt-Bescheides, die der Kl. dem FG vorgelegt hat, ergibt sich, daß das FA zu dem genannten Wert dadurch gelangte, daß es den Anteil der Erblasserin an dem Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1976 schätzungsweise erhöhte, um zu dem Wert des Anteiles am Schenkungsstichtag (26. Juni 1976) zu gelangen, wobei es die Zuschätzung unter Berücksichtigung des zum 1. Januar 1977 gestiegenen Einheitswertes des Betriebsvermögens vornahm. Gegen diese Hinzuschätzung hat der Kl. keinerlei substantiierte Einwendungen erhoben. Insbesondere hat er keine konkreten Tatsachen vorgetragen, aus denen geschlossen werden könnte, daß der Anteil der Erblasserin am Einheitswert des Betriebsvermögens am Schenkungsstichtag niedriger war, als vom FA angesetzt.
4. Es bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, daß der Anfall der nicht entnommenen Gewinne der Erblasserin durch den Kl. der ErbSt unterliegt, obwohl die SchenkSt auf den geschenkten Gesellschaftsanteil ohne Berücksichtigung des vorbehaltenen Nießbrauchs zu berechnen war. Denn der Nichtabzug der Nießbrauchsbelastung bedeutet nicht etwa, daß die Schenkung so anzusehen sei, als sei eine Nießbrauchsbelastung nicht vereinbart worden und als ständen die Gewinnanteile sofort dem Kl. zu. Besteuert wurde vielmehr der Erwerb des mit einem Nießbrauch belasteten Gesellschaftsanteils, wobei an die Stelle des Abzugs der Nießbrauchsbelastung die Stundung der SchenkSt bis zum Tode der Erblasserin trat, auch wenn eine Stundung der SchenkSt deshalb nicht mehr in Betracht kam, weil die Erblasserin bei Festsetzung der SchenkSt bereits verstorben war.
Fundstellen
Haufe-Index 416381 |
BFH/NV 1990, 373 |