Leitsatz (amtlich)
Bade- oder Duschhauben, deren innerer Teil aus Kunststoffolie und deren äußerer Teil aus Geweben oder Gewirken besteht, gehören zur Tarifnr. 65.06 GZT.
Normenkette
GZT ATV 2 b; GZT ATV 3 a; GZT ATV 3 b; GZT Tarifnr. 65.05; GZT Tarifnr. 65.06
Tatbestand
Die Klägerin beantragte bei der Beklagten (Oberfinanzdirektion – OFD –) die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) über als Duschhauben bezeichnete Waren. Es handelt sich um der Kopfform angepaßte, haubenförmige Kopfbedeckungen, deren innerer Haubenteil aus einer Folie aus Kunststoff besteht. Der äußere Teil wird aus Stücken von Geweben bzw. Gewirken gebildet Am Rand der Hauben ist je nach Art der Artikel ein Gummiband von 5 bzw. 45 mm Breite eingezogen.
Die OFD erteilte am 15. April 1980 die vZTA und wies darin die Waren der Tarifnr. 65.05 des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zu („Hüte und andere Kopfbedeckungen …, gewirkt oder aus Stücken… von Geweben, Gewirken, Spitzen, Filz oder anderen Spinnstoffwaren hergestellt …”). Die Klägerin legte dagegen Einspruch ein, mit dem sie die Zuweisung der Waren zur Tarifnr. 65.06 GZT begehrte („andere Hüte und Kopfbedeckungen”). Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Die OFD führte im wesentlichen aus:
Die Waren gehörten als Kopfbedeckungen innerhalb des Kap. 65 GZT zu den Tarifnrn. 65.05 und 65.06. Da sie keiner dieser Tarifnummern unmittelbar zugeordnet werden könnten, seien sie nach den Grundsätzen der Allgemeinen Tarifierungsvorschriften (ATV) 3 zu tarifieren. Die ATV 3 a, wonach die Tarifnummer mit der genaueren Warenbezeichnung den Vorrang habe, könne nicht angewendet werden, da eine solche Tarifnummer nicht vorhanden sei. Nach der ATV 3 b habe die Tarifierung von aus verschiedenen Stoffen oder Bestandteilen zusammengesetzten Waren nach dem charakterbestimmenden Stoffen oder Bestandteil zu erfolgen, wenn dieser Stoff oder Bestandteil ermittelt werden könne.
Wertmäßig überwögen die Gewebe/Gewirkebestandteile gegenüber der Kunststoffolie; dies sei von der Klägerin auch nicht bestritten worden. Das äußere Erscheinungsbild werde ebenfalls eindeutig von diesen Bestandteilen geprägt. Sie verliehen den Duschhauben durch ihre Farbgebung und Musterung eine schmückende Wirkung. Daneben gestalteten sie durch die Art ihrer Verarbeitung auch die Form der Hauben, die bei den drei Musterstücken jeweils verschieden sei. Durch die Gewebe/Gewirke-Stücke würden die jeweils marktbestimmenden modischen Akzente gesetzt Diese Stücke seien auch für die eigentliche Verwendung der Duschhauben von nicht geringer Bedeutung. Sie gewährleisteten neben dem für die Tarifierung unmaßgeblichen Gummiband den Sitz und den Halt der Duschhauben während des Duschvorgangs. Erst die Verarbeitung mit diesen Bestandteilen ermöglichten es der sehr einfachen Kunststoffolie, ihrer eigentlichen Bedeutung als wasserabweisender Bestandteil des Ganzen gerecht zu werden. Der Kunststoffolie könnten neben ihrer Aufgabe, das Haar vor Nässe zu schützen, keine weiteren Merkmale zuerkannt werden, die in diesem Rahmen einer Würdigung wert wären.
Der Klägerin sei zuzustimmen, daß die Kunststoffolie der Bestandteil der Waren sei, der die eigentliche Verwendung als Duschhauben überhaupt erst ermögliche. Die Bedeutung eines Bestandteils hinsichtlich der Verwendung könne aber nicht unabhängig von den übrigen Beurteilungskriterien dieser Erzeugnisse gesehen werden. Bei der vorzunehmenden Würdigung aller bei den Duschhauben zu berücksichtigenden Merkmale komme man zu der Feststellung, daß die zweifelsfrei sehr wichtige Bedeutung der Kunststoffolie hinsichtlich der Verwendung des Gesamterzeugnisses übertroffen werde durch die Gesamtheit der von den Gewebe/Gewirke-Lagen ausgehenden Merkmale. Charakterbestimmend bestünden die Duschhauben also aus den Gewebe/Gewirke-Bestandteilen.
Mit ihrer Klage beantragt die Klägerin, die vZTA aufzuheben und die Waren der Zolltarifnr. 65.06 zuzuweisen. Zur Begründung führt sie u. a. aus:
Die Hauben bestünden im wesentlichen aus einem Stück Kunststofffolie, das zu einer haubenförmigen Kopfbedeckung verarbeitet worden sei. Die Kunststoffhaube habe den Zweck, das Haar beim Baden oder Duschen vor Wasser zu schützen. Die verschiedenartigen Ausstattungen der Hauben mit Stoffen könnten die grundsätzliche Qualifikation dieser Waren als Hauben aus Kunststoff nicht verändern.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der vZTA und zur Verpflichtung der OFD entsprechend dem Klageantrag.
Die zu tarifierenden Waren bestehen aus verschiedenen Materialien, nämlich aus Kunststoff einerseits und aus Geweben bzw. Gewirken andererseits. Es liegen also zusammengesetzte Waren im Sinne der ATV 2 b letzter Satz vor, die nach den Grundsätzen der ATV 3 zu tarifieren sind.
Nach der ATV 3 a geht die Tarifnummer mit der genaueren Warenbezeichnung vor. Kommen jedoch für die Tarifierung von gemischten Waren zwei Tarifnummern in Betracht, von denen sich jede auf einen der Stoffe der Ware bezieht – so liegt der Fall hier –, so kann keine dieser Tarifnummern allein deshalb als genauer als die andere angesehen werden, weil sie die betreffende Ware genauer oder vollständiger beschreibt (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften – EuGH – vom 25. September 1975 Rs. 28/75, EuGHE 1975, 989). Eine Tarifierung nach der ATV 3 a scheidet im vorliegenden Fall daher aus.
Nach der ATV 3 b sind die Waren nach dem charakterbestimmenden Stoff oder Bestandteil zu tarifieren, wenn dieser Stoff oder Bestandteil ermittelt werden kann. Charakterbestimmend ist nach Auffassung des erkennenden Senats jeweils der Stoff oder Bestandteil aus Kunststoffen.
Es gibt keine allgemeingültige Methode, den charakterbestimmenden Stoff oder Bestandteil einer Ware zu bestimmen. Das Merkmal, das den Charakter einer Ware bestimmt, ist je nach der Art der Waren verschieden (vgl. die Erl NRZZ zur ATV 3 b, ErlZT zur ATV 3 Teil I Rdnr. 17).
Die streitbefangenen Waren gehören zu den Kopfbedeckungen der Tarifnr. 65.05 oder 65.06 GZT. Ihre besondere Eigenart unter den Kopfbedeckungen besteht darin, daß sie als Dusch- oder Badehauben Verwendung finden sollen. Für diese Zweckbestimmung entscheidend ist der innere Teil der Haube aus Kunststoff, der allein geeignet ist, das Haar vor Nässe zu schützen. Charakterbestimmend i. S. der ATV 3 b ist also nach der Überzeugung des Senats der Kunststoffbestandteil.
Die OFD stellt in ihrer Einspruchsentscheidung im wesentlichen auf den überwiegenden Wert der Gewebe/Gewirke-Stücke ab, auf deren maßgebenden Einfluß auf das äußere Erscheinungsbild und die Marktgängigkeit der Ware sowie darauf, daß insbesondere diese Stücke Sitz und Halt der Kopfbedeckungen gewährleisten. Es kann dahinstehen, ob diese tatsächlichen Annahmen zutreffen. Auch wenn das der Fall ist, sind die genannten Kriterien nicht charakterbestimmend. Sie sind sicherlich für den Markt wesentliche Merkmale insbesondere dann, wenn die streitbefangenen Waren verglichen werden mit anderen Arten von Dusch- bzw. Badehauben. Im vorliegenden Fall steht aber zur Entscheidung, was die Art von Kopfbedeckungen, die Gegenstand der vZTA ist, charakteristischerweise unterscheidet von anderen Kopfbedeckungen der unter die Tarifnr. 65.05 und 65.06 GZT fallenden Arten. Das ist im Hinblick auf den spezifischen Verwendungszweck als Dusch- oder Badehauben der Kunststoffbestandteil.
Die streitbefangenen Waren fallen daher unter die Tarifnr. 65.06 GZT. Die vZTA hat sie daher zu Unrecht einer anderen Tarifnummer zugewiesen. Sie war also – zusammen mit der gleichlautenden Einspruchsentscheidung der OFT) – aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 510428 |
BFHE 1981, 204 |