Entscheidungsstichwort (Thema)
Saalvermietung durch Gemeinde; Vorsteuerabzug; Unternehmereigenschaft
Leitsatz (NV)
- Vermietet eine Gemeinde einen Saal für Empfänge, private Feiern wie z.B. Hochzeiten, Geburtstage und Jubiläen, kann sie die Vorsteuern aus der Renovierung des Saales nicht abziehen, wenn die Vermietung - was naheliegend ist - an Nichtunternehmer erfolgt.
- Ob die Gemeinde mit der Vermietungstätigkeit unternehmerisch tätig geworden ist, beurteilt sich nach § 2 Abs. 3 UStG i.V.m. Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG.
- Soweit es danach darauf ankommt, ob eine Behandlung der Gemeinde als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde, sind dazu vom FG konkrete Feststellungen zu treffen.
Normenkette
UStG 1980 § 2 Abs. 3, § 4 Nr. 12 Buchst. a, §§ 9, 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1; EWGRL 388/77 Art. 4 Abs. 5
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (EFG 2000, 455) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Gemeinde, erwarb 1980 von dem örtlichen Heimatverein unentgeltlich u.a. ein mit einer Burg bebautes Grundstück. Das Inventar wurde nicht mitübertragen. Der Heimatverein sollte berechtigt sein "im bisherigen und erweiterten Umfang die Gebäude und Grundstücke für seine derzeitigen satzungsmäßigen Zwecke …" zu nutzen, insbesondere für ständige Ausstellungen, für die Unterbringung seiner Sammlungen und sonstigen Bestände sowie für Veranstaltungen. Zweck des Heimatvereins ist im Wesentlichen die Pflege und Förderung ostfriesischen Kulturlebens und Brauchtums sowie die Pflege historischer Erinnerungen und die Erhaltung historisch oder kulturell wertvoller Baudenkmäler und Bauwerke.
In den Folgejahren (bis 1986) restaurierte die Klägerin die Burg mit einem Kostenaufwand von ca. 1,3 Mio. DM. Das Kellergeschoss dient im Wesentlichen Versorgungs- und Lagerzwecken. Das Erdgeschoss wird vornehmlich als Museum genutzt, in dem u.a. der Heimatverein seine Einrichtungsgegenstände ausstellt. Ferner befindet sich im Erdgeschoss ein Trauzimmer, in dem die Klägerin standesamtliche Trauungen durchführt. Im Obergeschoss liegt neben einer Teeküche und einem Leseraum ein 80,8 qm großer Saal. Diesen Saal vermietete die Klägerin nach einem bereits anlässlich der Restaurierungsarbeiten gefassten Konzept ab 1988 an Dritte für verschiedene Veranstaltungen. Soweit der Heimatverein den Saal nutzte, hatte er hierfür ebenfalls ein Entgelt zu entrichten. Aus der Saalvermietung erzielte die Klägerin 1988 Umsätze in Höhe von 4 560 DM und 1989 in Höhe von 5 415 DM, die sie der Besteuerung unterwarf. Eintrittsgelder für den Besuch der Burg wurden in den Streitjahren (1981 bis 1986) nicht erhoben.
Die Klägerin machte in ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre die im Rahmen der Restaurierung der Burg angefallenen Umsatzsteuern als Vorsteuerbeträge geltend, soweit sie ihrer Absicht nach mit der Saalvermietung im Zusammenhang standen (1981: 4 291 DM, 1982: 2 541 DM, 1983: 7 208 DM, 1984: 20 366 DM, 1985: 15 998 DM und 1986: 16 397 DM).
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) versagte den Vorsteuerabzug. Er ging (und geht) davon aus, dass die Klägerin mit der Vermietungstätigkeit keinen Betrieb gewerblicher Art unterhalten habe, diese Umsätze deshalb gemäß § 2 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes 1980 (UStG) nicht steuerbar seien, so dass ein Vorsteuerabzug ausscheide.
Das Finanzgericht (FG) gab der ―auch wegen weiterer Streitpunkte erhobenen― Klage insoweit teilweise statt. Es führte zur Begründung aus, die Klägerin sei hinsichtlich der Vermietung des Saales der Burg sowohl nach § 2 Abs. 3 UStG als auch nach Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) Unternehmer. Denn es ergäben sich größere Wettbewerbsverzerrungen, wenn die Vermietungstätigkeit der Klägerin ihrem nichtunternehmerischen Bereich zugeordnet würde. Mit der Vermietung des Saales für Empfänge, private Feiern wie z.B. Hochzeiten, Geburtstage und Jubiläen oder an Vereine und Verbände sei die Klägerin unmittelbar in Wettbewerb zu privaten Anbietern, wie z.B. Gastwirtschaften mit entsprechenden zweckbestimmten Sälen, getreten.
Indem die Klägerin die aus der Vermietung erzielten Umsätze der Umsatzsteuer unterworfen habe, habe sie auf die Steuerbefreiung dieser Umsätze nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG gemäß § 9 UStG verzichtet. Daraus folge, dass es sich bei den Entgelten aus der Vermietungstätigkeit um steuerpflichtige Umsätze handele und der Vorsteuerabzug nicht gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeschlossen sei.
Die geltend gemachten Vorsteuerbeträge seien aber nur teilweise abziehbar, wie sich aus dem Verhältnis der Nutzfläche des Saales zu der Gesamtnutzfläche der Burg ergebe.
Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 455 abgedruckt.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es macht u.a. geltend, das FG habe nicht ―wie erforderlich― nähere Feststellungen dazu getroffen, ob und inwieweit die Vermietungstätigkeit nach Art und Umfang ihrer Ausgestaltung den Bereich der Vermögensverwaltung verlassen und eine gewerbliche Prägung erfahren habe.
Selbst wenn die Vermietungstätigkeit der Klägerin den Bereich der Vermögensverwaltung verlassen hätte, wäre sie nur zu besteuern, wenn sie sich innerhalb der Gesamtbetätigung der Körperschaft wirtschaftlich herausheben würde und eine Tätigkeit von einigem Gewicht sei. Auch hierzu fehlten Feststellungen in dem angefochtenen Urteil.
Die vom FG angenommene Wettbewerbssituation liege nicht vor. Denn die zum Vergleich herangezogenen Gastwirtschaften mit Saalbetrieb nutzten die Saalvermietung im Zusammenhang mit ihren Restaurationsumsätzen und seien somit in einem anderen Bereich als die Klägerin tätig.
Schließlich fehlten Feststellungen dazu, ob ―wie vom FG angenommen― eine Behandlung der Klägerin als nicht Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.
Das FA beantragt sinngemäß, unter entsprechender Aufhebung des FG-Urteils die Umsatzsteuerfestsetzungen für 1981 bis 1986 dahin gehend zu ändern, dass die vom FG als abziehbar anerkannten Vorsteuern in Höhe von 1 869,25 DM für 1981, 1 107,19 DM für 1982, 3 139,96 DM für 1983, 8 871,48 DM für 1984, 6 968,88 DM für 1985 und 5 224,50 DM für 1986 nicht zum Abzug zugelassen werden.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil erlauben dem Senat nicht die Beurteilung, ob die Anerkennung des Vorsteuerabzugs durch das FG zutreffend ist.
1. Der Unternehmer kann die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG). Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG). Die Vermietung und die Verpachtung von Grundstücken ist gemäß § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfrei. Zwar kann der Unternehmer einen steuerfreien Vermietungsumsatz als steuerpflichtig behandeln. Dies gilt nach § 9 UStG aber nur, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird.
Das FG ist davon ausgegangen, dass die Klägerin wirksam auf die Steuerbefreiung ihrer Vermietungsumsätze gemäß § 9 UStG verzichtet hat. Feststellungen, dass ―wie erforderlich― diese Umsätze an andere Unternehmer für deren Unternehmen ausgeführt worden sind, fehlen jedoch. Die Ausführungen des FG, der Saal sei von der Klägerin für Empfänge, private Feiern wie z.B. Hochzeiten, Geburtstage und Jubiläen oder an Vereine und Verbände vermietet worden, sprechen vielmehr für Vermietung an Nichtunternehmer.
Das FG wird im zweiten Rechtsgang die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben.
2. Da im Streitfall nahe liegend ist, dass der Vorsteuerabzug (jedenfalls) gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeschlossen ist, sieht der Senat keine Veranlassung, abschließend zu der vom FG bejahten und vom FA mit der Revision verneinten Frage Stellung zunehmen, ob die Klägerin bei der Saalvermietung überhaupt als ―gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigter― Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG tätig geworden ist.
Die dafür maßgebenden Grundsätze sind in den Urteilen des Bundesfinanzhofs vom 25. Oktober 1989 V R 111/85 (BStBl II 1990, 868) und vom 11. Juni 1997 XI R 33/94 (BFHE 182, 454, BStBl II 1999, 418) dargelegt. Soweit es darauf ankommt, ob eine Behandlung der Klägerin als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen i.S. des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG führen würde, verweist der Senat hinsichtlich der für eine Wettbewerbssituation zu treffenden Feststellungen auf sein Urteil vom 30. März 2000 V R 30/99 (BFHE 191, 434).
Fundstellen
Haufe-Index 523157 |
BFH/NV 2001, 653 |
HFR 2001, 482 |