Erlass mit Übergangsregelung zur Anwendung dieser Entscheidung
Entscheidungsstichwort (Thema)
Schuldzinsen für darlehensfinanzierte Erhaltungsaufwendungen als nachträgliche Werbungskosten
Leitsatz (amtlich)
Zinsen für ein Darlehen, mit dem während der Geltung der sog. großen Übergangsregelung sofort abziehbare Werbungskosten (Erhaltungsaufwendungen) finanziert worden sind, sind auch nach dem Auslaufen der sog. großen Übergangsregelung als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar; es kommt nicht darauf an, ob ein etwaiger Veräußerungserlös zur Schuldentilgung ausgereicht hätte (gegen BMF-Schreiben vom 18. Juli 2001 IV C 3 -S 2211- 31/01, BStBl I 2001, 513).
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 1, § 21 Abs. 2, § 52 Abs. 21 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine Familie nutzen (erst teilweise und seit 1985 in vollem Umfang) ein der Ehefrau des Klägers gehörendes Zweifamilienhaus. Diese ermittelte die Einnahmen und Ausgaben aus dem (1963 errichteten) Haus bis zum Auslaufen der sog. großen Übergangsregelung gemäß § 52 Abs. 21 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der (u.a.) im Jahre 1998 gültigen Fassung (EStG a.F.) i.V.m. § 21 Abs. 2, § 21a Abs. 7 EStG a.F. durch Einnahme-Überschussrechnung.
Im Streitjahr 2000 machten der Kläger und seine Ehefrau Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Sie seien für Darlehen gezahlt worden, die in den Jahren 1986 bis 1998 zur Finanzierung von Erhaltungsaufwendungen aufgenommen worden seien. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte die Berücksichtigung ab. Der hiergegen gerichteten Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. Der Kläger habe im Rahmen des Einspruchsverfahrens nachgewiesen, dass die geltend gemachten Schuldzinsen auf Darlehen entfielen, die mit der Durchführung von Erhaltungsaufwendungen im Zusammenhang stünden. Die Schuldzinsen seien deshalb nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. September 1999 IX R 42/97 (BFHE 190, 165, BStBl II 2001, 528) als nachträgliche Werbungskosten abziehbar. Dies gelte auch für die Zeit nach dem Auslaufen der sog. großen Übergangsregelung. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1215 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG; § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG a.F.).
Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage als unbegründet abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass Zinsen für ein Darlehen zur Finanzierung von Erhaltungsaufwendungen während der Geltung der sog. großen Übergangsregelung auch nach deren Auslaufen als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen sind.
1. Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Dies gilt auch für Schuldzinsen, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG). Dies setzt voraus, dass sie für eine Verbindlichkeit geleistet worden sind, die durch die Einkünfteerzielung --hier aus Vermietung und Verpachtung-- veranlasst ist, z.B. weil mit dem Darlehen Aufwendungen tatsächlich finanziert worden sind, die während der Vermietungszeit als sofort abziehbare Werbungskosten zu beurteilen waren. Die Schuldzinsen sind dann nach Aufgabe der Vermietungstätigkeit als nachträgliche Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 Nr. 1 EStG i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar (BFH-Urteil in BFHE 190, 165, BStBl II 2001, 528). Führt ein Steuerpflichtiger während der Geltung der sog. großen Übergangsregelung an einer selbstgenutzten Wohnung Erhaltungsmaßnahmen durch, sind die dadurch entstehenden Erhaltungsaufwendungen im Jahr der Zahlung grundsätzlich als Werbungskosten zu berücksichtigen (BFH-Urteile vom 10. Oktober 2000 IX R 15/96, BFHE 193, 318, BStBl II 2001, 787, und vom 14. Oktober 2003 IX R 18/01, BFHE 203, 574, BStBl II 2004, 263). Es kommt nicht darauf an, ob zu diesem Zeitpunkt die sog. große Übergangsregelung noch gilt (Urteil in BFHE 203, 574, BStBl II 2004, 263; ebenso BFH-Urteil vom 13. Februar 2003 IV R 12/01, BFHE 201, 491, BStBl II 2003, 837, zur Altenteilerwohnung eines Landwirts).
2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das FG zutreffend die im Streitjahr gezahlten Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung beurteilt. Aus seinen mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) ist zu entnehmen, dass die den Zinsen zugrunde liegenden Darlehen in der Zeit vor dem Wegfall der sog. großen Übergangsregelung zur Finanzierung von Erhaltungsmaßnahmen (d.h. von als Werbungskosten sofort abziehbaren Aufwendungen) tatsächlich verwendet worden sind. Die hierauf entfallenden Darlehenszinsen sind ebenfalls sofort abziehbare Werbungskosten.
In diesem Zusammenhang ist unerheblich, ob die Erhaltungsaufwendungen --wie das FA geltend macht-- den Gebrauchswert des Gebäudes erhöht haben und auch der im Streitjahr nicht mehr steuerbaren privaten Wohnungsnutzung zugute gekommen sind; hierauf kommt es bei der auf den Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme abstellenden typisierenden Betrachtung nicht an (s. dazu BFH-Urteil in BFHE 193, 318, BStBl II 2001, 787).
Ebenso ist ohne Bedeutung, dass die Nutzungswertbesteuerung im Streitfall nicht --wie im Urteil in BFHE 203, 574, BStBl II 2004, 263-- durch eine Erklärung des Steuerpflichtigen vorzeitig endete, sondern wegen des Ablaufs der in § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG a.F. enthaltenen Übergangsfrist. Zweck der sog. großen Übergangsregelung ist, das Vertrauen der Inhaber von Wohnungen im eigenen Haus auf die bisherige Rechtslage zu schützen; sie sollen nicht übergangslos den für sie nachteiligen Folgen der Konsumgutlösung unterworfen werden (z.B. BFH-Urteil vom 22. April 1997 IX R 73/94, BFH/NV 1997, 653, m.w.N.). Weder dem Wortlaut des § 52 Abs. 21 EStG noch den Gesetzesmaterialien (BTDrucks 10/3633, S. 10, 11, 17, 18) ist zu entnehmen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers mit dem Ablauf der Übergangszeit von 12 Jahren auch die Möglichkeit des Abzugs von nachträglichen Werbungskosten entfallen sollte.
Es kommt auch nicht darauf an, ob ein bei einer Veräußerung des Objekts erzielbarer Erlös zur Tilgung der Darlehen ausgereicht hätte (ebenso z.B. Lehr, Deutsches Steuerrecht 2002, 349; Schell, Finanz-Rundschau 2004, 506, 512 f.; a.A. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 18. Juli 2001 IV C 3 -S 2211- 31/01, BStBl I 2001, 513; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 24. Aufl., § 9 Rz. 41). Der durch die tatsächliche Verwendung des Darlehens zur Finanzierung sofort abziehbarer Werbungskosten geschaffene Zusammenhang mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung bleibt auch nach Aufgabe der Vermietungstätigkeit bestehen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 190, 165, BStBl II 2001, 528).
Fundstellen
Haufe-Index 1455568 |
BFH/NV 2006, 187 |
BStBl II 2006, 407 |
BFHE 2006, 255 |
BFHE 211, 255 |
BB 2005, 2797 |
BB 2006, 307 |
DB 2006, 135 |
DStR 2005, 2166 |
DStRE 2006, 63 |
DStZ 2006, 4 |
HFR 2006, 163 |