Leitsatz (amtlich)
Ein Steuerpflichtiger ist zur Bildung einer den steuerlichen Gewinn mindernden Rücklage nicht berechtigt, wenn er sein Schiff zunächst im eigenen Betrieb abwrackt und dann den Schrott veräußert.
Normenkette
EStG § 6b
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb als Eigner mehrerer Binnenschiffe ein Binnenschiffahrtsunternehmen und unterhielt daneben einen als Betrieb geführten Schiffsreparaturbetrieb. Im Streitjahr wrackte er zwei zu seinem Betriebsvermögen gehörende Motorschiffe - Baujahre 1887 und 1900, Buchwerte 4 und 2 DM - in seinem Reparaturbetrieb ab und veräußerte den verbliebenen Schrott für ingesamt 9 066,80 DM. Nach Löschung der beiden Schiffe im Schiffsregister erhielt der Kläger gemäß § 32 a des Binnenschiffahrtsgesetzes vom 8. Januar 1969 (BGBl I 1969, 65) Abwrackprämien von insgesamt 47 277 DM. In der Bilanz zum 31. Dezember 1970 bildete er aus den Nettobeträgen der Prämien und des Schrotterlöses nach Abzug der Buchwerte eine Rücklage nach § 6 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 51 652 DM.
Nach einer Betriebsprüfung kam der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) zu der Auffassung, der Kläger dürfe eine Rücklage nach § 6 b EStG nicht bilden, weil er nicht Schiffe, sondern Schrott veräußert habe, und erließ einen entsprechenden Einkommensteuerbescheid für 1970.
Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt und führte dazu im wesentlichen aus:
Der Kläger sei zur Inanspruchnahme der Begünstigung nach § 6 b EStG - hier Bildung einer den steuerlichen Gewinn mindernden Rücklage - berechtigt, weil es ebenso wie die Veräußerung eines Schiffes beurteilt werden müsse, wenn der Steueroflichtige sein Schiff im eigenen Betrieb abwracke und den Schrott veräußere. Im Streitfall habe der Kläger nicht durch die Verschrottung die beiden Schiffe als solche aus seinem Betriebsvermögen ausgeschieden und anschließend ein neu entstandenes Wirtschaftsgut Schrott veräußert. Es handele sich vielmehr um ein und dasselbe Wirtschaftsgut, das lediglich durch die Verschrottung zu Schiffsschrott geworden sei. Daß bei wirtschaftlicher Betrachtung zwischen Schiff und Schiffsschrott eine Identität bestehe, ergebe sich auch daraus, daß bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erlöses der Erlös des Schrotts dem Buchwert des Schiffs gegenübergestellt werde. Danach habe der Kläger die Schiffe in Gestalt des von ihnen nach der Abwrackung verbliebenen Schrotts veräußert und damit die Voraussetzungen des § 6 b Abs. 1 EStG erfüllt.
Dieses Ergebnis entspreche der gesetzgeberischen Absicht, die sowohl § 6 b EStG als auch der in den §§ 32 ff. des Binnenschiffahrtsgesetzes geregelten Abwrackaktion zugrunde liege. Zweck aller Vorschriften sei die Förderung der Erschließung von Finanzierungsquellen zur Durchführung der Rationalisierung. Dieser Zweck werde nicht erreicht, wenn bei Zahlung einer Abwrackprämie nicht auch die Begünstigung nach § 6 b EStG gewährt werde, unabhängig davon, ob im eigenen Betrieb abgewrackt oder erst nach Veräußerung des Schiffs abgewrackt werde.
Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung des § 6 b EStG und bringt dazu vor:
Unrichtig sei die Auffassung des FG, es sei ein und dasselbe Wirtschaftsgut veräußert worden. Durch die im eigenen Betrieb vorgenommene Verschrottung hätten sich die zum Anlagevermögen gehörenden Schiffe in zum Umlaufvermögen gehörenden Schrott umgewandelt. Unzutreffend sei eine Verquickung der Vorschriften des § 6 b EStG und des § 32 a des Binnenschiffahrtsgesetzes. Für die Gewährung von Abwrackprämien spielten steuerliche Gesichtspunkte keine Rolle.
Das FA beantragt Aufhebung der Vorentscheidung und Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung.
1. Der Kläger kann die Steuervergünstigung des § 6 b EStG nicht in Anspruch nehmen, weil er keine nach dieser Vorschrift begünstigte Veräußerung vorgenommen hat.
Nach § 6 b EStG - soweit für den Streitfall von Bedeutung - kann ein Steuerpflichtiger mit dem Gewinn aus der Veräußerung eines Schiffes, das bei der Veräußerung mindestens sechs Jahre zum Anlagevermögen gehört hat, eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage bilden. Es muß also ein zum Anlagevermögen gehörendes Schiff veräußert werden. Das ist nicht der Fall, wenn zunächst ein Schiff abgewrackt wird und dann die verbliebenen Einzelteile als Schrott veräußert werden, weil nicht ein Schiff, sondern etwas anderes, nämlich Schrott, veräußert wird und weil die Veräußerung von Schrott nicht einer Veräußerung des Wirtschaftsguts, aus dem er gewonnen wird, gleichgesetzt werden kann.
a) Daß ein Schiff und der bei der Abwrackung aus ihm gewonnene Schrott nicht - wie das FG meint - ein und dasselbe Wirtschaftsgut ist, ergibt sich aus der Auslegung der Vorschrift, für die der in ihr zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend ist, wie er sich aus dem Wortsinn der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den dieser hineingestellt ist.
Der in § 6 b EStG verwendete Begriff Schiff ist zwar mehrdeutig. Anerkannt ist jedoch, daß die Vorschrift Wasserfahrzeuge meint (vgl. Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 6 b EStG Anm. 33; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 12. Aufl., § 6 b EStG, Tz. 29 und 30). Dies ergibt sich auch daraus, daß die Vorschrift noch andere Wirtschaftsgüter aufführt, unter denen sich die neben den Wasserfahrzeugen erwähnten Gegenstände einordnen lassen.
Ob unter Schiff i. S. der Vorschrift nur die in Abschn. 41 a Abs. 5 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) aufgeführten Wasserfahrzeuge zu verstehen sind, kann hier offenbleiben. Selbst wenn man im Rahmen des möglichen Wortsinns unter einem Wasserfahrzeug jedes Fahrzeug versteht, das geeignet und bestimmt ist, auf dem Wasser zu schwimmen, dann fällt darunter nicht mehr das, was nach der Zerlegung eines solchen Fahrzeugs an Einzelteilen verbleibt und Schrott ist. Unter Schrott versteht der allgemeine Sprachgebrauch kein Wasserfahrzeug, sondern unbrauchbare metallische Gegenstände und Abfälle (vgl. Brockhaus Enzyklopädie, 17. Aufl., Stichwort "Schrott").
Besteht hiernach begrifflich ein Unterschied zwischen Schiff und Schrott, dann folgt daraus, daß kein Schiff veräußert worden sein kann, wenn Schrott veräußert wird. Im Hinblick auf eine unmittelbare Anwendung des § 6 b EStG bleibt dann nur die Frage, ob die Veräußerung von Schrott ein von der Vorschrift begünstigter Vorgang ist. Das ist nicht der Fall. § 6 b EStG begünstigt den Gewinn aus der Veräußerung nur solcher Wirtschaftsgüter, die zum Anlagevermögen gehören (§ 6 b Abs. 4 Nr. 2 EStG). Wie der Senat in seinem Urteil vom 26. November 1974 VIII R 61-62/73 (BFHE 114, 354, BStBl II 1975, 352) ausgeführt hat, rechnen zum Anlagevermögen nur die Wirtschaftsgüter, die dazu bestimmt sind, dem Betrieb auf Dauer zu dienen, wobei sich die Zweckbestimmung einmal aus der Sache selbst ergibt und zum andern vom Willen des Unternehmers ahbängt. In einem Schiffahrtsunternehmen ist der aus der Abwrackung eines Schiffes gewonnene Schrott nicht Anlagevermögen, sondern Umlaufvermögen, weil er zur Weiterveräußerung bestimmt ist.
b) Daß die Veräußerung von zum Umlaufvermögen gehörendem Schrott nicht ebenso behandelt werden kann wie die Veräußerung eines Schiffes, aus dessen Abwrackung der Schrott gewonnen wurde, folgt aus der Unzulässigkeit einer analogen oder rechtsfortbildenden Anwendung des § 6 b EStG. Der Senat hat in seinem Urteil VIII R 61-62/73 entschieden, daß eine analoge Anwendung oder eine Auslegung gegen den Wortlaut des § 6 b EStG für Fälle der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens nicht möglich ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die dort gegebene Begründung Bezug genommen.
An dieser Beurteilung können die Übelegungen der Vorinstanz zur Zahlung von Abwrackprämien nach dem Binnenschiffahrtsgesetz und deren mögliche steuerliche Behandlung nichts ändern. § 6 b EStG regelt nicht die steuerliche Behandlung von Abwrackprämien, sondern die steuerliche Begünstigung bestimmter Veräußerungen von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens. Daß sich bei unterschiedlicher Gestaltung von Veräußerungsvorgängen verschiedene Rechtsfolgen ergeben können, reicht allein für eine Rechtsfortbildung nicht aus, es muß vielmehr ein sinnwidriges und wirtschaftlich unvertretbares Ergebnis vorliegen. Das ist nicht der Fall, wenn die für die Abwrackung eines Schiffes im eigenen Betrieb gezahlte Prämie nicht in einer der Begünstigung des § 6 b EStG entsprechenden Weise behandelt werden kann, dies aber bei einer Veräußerung des Schiffs zur Abwrackung möglich wäre. Die unterschiedlichen Ergebnisse beruhen dann auf einer Entscheidung darüber, welche Maßnahme wirtschaftlich sinnvoller ist, ohne daß gesagt werden kann, daß die an die Entscheidung geknüpfte Rechtsfolge wirtschaftlich unvertretbar ist.
2. Die Vorentscheidung, die auf anderen Überlegungen beruht, ist danach aufzuheben. Der Senat kann selbst entscheiden und weist die Klage ab.
Fundstellen
Haufe-Index 73105 |
BStBl II 1979, 409 |
BFHE 1979, 370 |