Leitsatz (amtlich)
Die Kosten des Austauschs einer wirtschaftlich verbrauchten Gasradiatorenheizung in einem Appartmenthaus gegen eine Gascirco-Heizung und die Kosten der Verkleidung der Außenwände dieses Hauses mit Eternitplatten sind Erhaltungsaufwand und als Werbungskosten sofort absetzbar.
Normenkette
EStG § 9
Tatbestand
Die Kläger, Revisionsbeklagten und Anschlußrevisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1972 zusammenveranlagt wurden. Der Kläger errichtete im Jahre 1955 ein Appartementhaus mit 67 Einzelwohnungen, das mit einer Gasradiatorenheizung ausgestattet war. Die Heizkörper (Radiatoren) waren mit eigener Gasinstallation, Brennern und Gaszählern versehen und verfügten über eine Frischluftzufuhr. Alle Wohnungen wiesen ferner Gasgeyser für die Warmwasserversorgung auf. Im Streitjahr 1972 war die Heizung nach der Feststellung des Finanzgerichts (FG) wirtschaftlich verbraucht. Der Kläger ersetzte sie durch eine Gascirco-Heizung, bei der Wasser in zentralen Geysern erhitzt und durch Rohrleitungen in die Radiatoren der Wohnungen geführt wird. Die alten Geyser für die Warmwasserversorgung waren ebenfalls verbraucht. Sie wurden entfernt und die Warmwasserversorgung durch die neu installierte Gascirco-Heizung bewirkt. Es entstanden Kosten von 90 920 DM.
Im Zuge dieser Maßnahmen ließ der Kläger auch die Außenwände herrichten. Er ließ sie mit Eternitplatten verkleiden. Die Aufwendungen betrugen im Jahre 1972 hierfür 55 765 DM.
Den Gesamtaufwand machte der Kläger für das Streitjahr 1972 als Erhaltungsaufwand geltend. Der Beklagte, Revisionskläger und Anschlußrevisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) beurteilte die Aufwendungen jedoch als Herstellungsaufwand. Im Einspruchsverfahren ließ das FA lediglich eine Absetzung für außerordentliche Abnutzung (AfaA) von 28 962 DM für die Beseitigung der verbrauchten Gasradiatorenheizung zu.
Die Klage hatte zum Teil Erfolg. Das FG hat die Kosten der Heizungsumstellung als Erhaltungsaufwand und damit in vollem Umfang als Werbungskosten i. S. des § 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zugelassen. Es verweist hierzu auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), insbesondere auf den Beschluß des Großen Senats vom 26. November 1973 GrS 5/71 (BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132), wonach Aufwendungen zur Erneuerung u. a. von Heizungsanlagen Instandhaltungsausgaben für das einheitliche Wirtschaftsgut "Gebäude" seien und sofort abgezogen werden könnten. Im Streitfall sei das Gebäude durch den Einbau der Gascirco-Heizung weder in seiner Substanz vermehrt noch wesentlich verbessert worden. Die Wirkung beider Heizungen sei vergleichbar. Der Einbau kostspieliger Einrichtungen, wie z. B. eines Heizkessels, sei nicht erforderlich gewesen.
Dagegen handele es sich bei den Aufwendungen für die Außenfrontverkleidung um Herstellungsaufwand, weil die Verkleidung mit Eternitplatten einen zusätzlichen Wärme- und Schallschutz bewirkt hätte. Es sei etwas Neues, Zusätzliches, Besseres geschaffen worden. Anders wäre nur zu entscheiden gewesen, wenn sich die Änderung auf das Verputzen der der alten Heizung dienenden Luftlöcher in den Außenwänden und einen Neuanstrich der Fassade beschränkt hätte.
Hiergegen haben das FA Revision und die Kläger Anschlußrevision eingelegt.
Das FA meint, daß die beiden Heizungssysteme verschieden seien, so daß der Einbau der Gascirco-Heizung etwas Neues, bisher nicht Vorhandenes geschaffen habe. Der bisherige Zustand sei wesentlich verändert worden, was eine wesentliche Erweiterung der Bausubstanz zur Folge habe. Das bisherige Rohrsystem habe durch ein anderes ersetzt werden müssen. Der Große Senat des BFH sehe in dem Beschluß GrS 5/71 die Aufwendungen für die Erneuerung von Gebäudeteilen zwar nur in Ausnahmefällen als Herstellungsaufwand an. Ein solcher Ausnahmefall liege aber vor, weil das Gebäude wesentlich verbessert und verändert sei.
Würden die Aufwendungen trotzdem als Erhaltungsaufwand anerkannt, so müsse zum mindesten die in der Einspruchsentscheidung zugelassene AfaA von 28 962 DM wegfallen, was das FG unbeachtet gelassen habe.
Das FA beantragt, das Urteil des FG Münster vom 20. Januar 1977 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die als Erhaltungsaufwand anerkannten Aufwendungen um die AfaA von 28 962 DM zu kürzen.
Die Kläger beantragen, die Revision des FA zurückzuweisen, jedoch die Kürzung um die AfaA zuzulassen.
Ihre Anschlußrevision begründen sie wie folgt: Der Aufwand für die Anbringung der Eternitplatten sei Erhaltungsaufwand, weil das Gebäude weder in seiner Substanz vermehrt noch in seinem Wesen verändert worden sei. Eine Verbesserung oder Wertsteigerung schließe die Anerkennung als Erhaltungsaufwand nicht aus (Hinweis auf das Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 28. September 1927 VI A 378/27, RStBl 1927, 230, und das Urteil des BFH vom 9. Juli 1953 IV 8/53 U, BFHE 57, 639, BStBl III 1953, 245). Die zusätzliche Wärme- und Schalldämmung sei übliche Modernisierung.
Die Kläger beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und die Aufwendungen für die Außenfrontverkleidung in voller Höhe als Werbungskosten zuzulassen.
Das FA beantragt, die Anschlußrevision der Kläger zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision des FA hat keinen Erfolg. Die Aufwendungen des Klägers für die Erneuerung der Heizungsanlage sind als Erhaltungsaufwand sofort abziehbare Werbungskosten.
Mit dem Problem, in welcher Weise die für die Erneuerung von Heizungsanlagen erforderlichen Aufwendungen steuerlich zu behandeln sind, hat sich der Senat in den Entscheidungen vom 9. November 1976 VIII R 27/75 (BFHE 121, 179, BStBl II 1977, 306), VIII R 28/76 (BFHE 121, 185, BStBl II 1977, 279) und vom 7. Dezember 1976 VIII R 42/75 (BFHE 121, 188, BStBl II 1977, 281) grundlegend auseinandergesetzt. Er hat auf den Beschluß des Großen Senats des BFH vom 22. August 1966 GrS 2/66 (BFHE 86, 792, BStBl III 1966, 672) verwiesen, wonach die Kosten der Erneuerung der im Gebäude enthaltenen Teile, Einrichtungen oder Anlagen grundsätzlich nur dann Herstellungsaufwand darstellen, wenn das Gebäude durch die Baumaßnahme wesentlich in seiner Substanz vermehrt, in seinem Wesen verändert oder - von der üblichen Modernisierung abgesehen - über seinen bisherigen Zustand hinaus verbessert wird. Der Senat hat ferner darauf hingewiesen, daß sich durch den Beschluß des Großen Senats GrS 5/71 die Grenzlinie zwischen nachträglichen Herstellungskosten und Erhaltungsaufwand zugunsten des Bereichs der Erhaltung (Instandhaltung und Instandsetzung) verschoben hat. Der Senat hat ausgesprochen, daß für die steuerliche Beurteilung der Aufwendungen nicht maßgebend ist, ob eine neue Anlage für sich betrachtet die gleiche Beschaffenheit aufweist, wie die bisherige, ob sie ebenso funktioniert oder dem technischen Fortschritt entsprechend modernisiert, etwa zur Erreichung eines höheren Bedienungskomforts auf eine neue Energiequelle umgestellt wird, solange die bisherige Funktion für das einheitliche Gebäude in vergleichbarer Weise erfüllt wird. Selbst wenn die Umstellungskosten die ursprünglichen Herstellungskosten im Werte übersteigen und die neue Anlage die Anbringung bisher nicht vorhandener Leitungen und Zusatzgeräte erfordert, handelt es sich in der Regel um Erhaltungsaufwand, wenn nicht das Gebäude durch die Erweiterung der Bausubstanz eine erhebliche Wesensveränderung oder eine deutliche Verbesserung des Zustandes über die übliche Modernisierung hinaus erfährt. Der Senat verbleibt bei diesen Grundsätzen.
Hiernach kann den Klägern die Anerkennung der Aufwendungen für die Heizungsumstellung als sofort abziehbarer Erhaltungsaufwand nicht versagt werden. Das FG geht davon aus, daß der Kläger die vorhandene - wirtschaftlich verbrauchte - Gasradiatorenheizung durch eine in der Wirkung etwa vergleichbare Gascirco-Heizung ersetzt hat. Demgegenüber behauptete das FA, daß die neue Anlage die bisherige Funktion der alten Anlage für das Gebäude nicht in vergleichbarer Weise erfülle, weil die alte Heizung einer Ofenheizung ähnele, die neue Heizung dagegen eine Zentralheizung darstelle. Die Umstellung habe nicht vorwiegend der wirtschaftlichen Erneuerung der alten Heizungsanlage gedient. Wie oben ausgeführt, ist aber nicht darauf abzustellen, ob die neue Anlage für sich betrachtet die gleiche Beschaffenheit aufweist, wie die bisherige, ob sie ebenso funktioniert oder dem technischen Fortschritt entsprechend modernisiert wird, solange sie in vergleichbarer Weise die bisherige Funktion für das einheitliche Gebäude erfüllt. Nicht auf die Änderung des Heizungssystems, sondern auf die Änderung des Wesens des Hauses kommt es an. Daß aber der Umbau der Heizung, bei der wesentliche Teile der alten Heizung, wie die Radiatoren, beibehalten wurden, zu einer Änderung im Wesen des Hauses geführt haben soll, ist aus dem Vortrag des FA nicht erkennbar. Die tatsächliche Feststellung des FG, eine Veränderung im Wesen des Gebäudes sei offensichtlich nicht eingetreten, hat das FA nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen, so daß der Senat gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an die Feststellung des FG gebunden ist. Die Baumaßnahme des Klägers ist auch kein Ausnahmefall, wie das FG meint, sondern eine übliche Modernisierungsmaßnahme.
Entsprechend dem Vortrag beider Parteien ist aber der vom FG irrtümlich unbeachtete Abzug der AfaA von 28 962 DM zu unterlassen.
2. Die Anschlußrevision der Kläger hat dagegen Erfolg. Auch für die Eternitverkleidung gilt der Grundsatz, daß ihre Kosten Erhaltungsaufwand sind, wenn das Wesen des Hauses nicht nachhaltig verändert wird. Das FG hat seine Entscheidung darauf abgestellt, daß die Eternitverkleidung einen besseren Wärme- und Schallschutz gewährleiste und damit etwas Neues, Zusätzliches, Besseres geschaffen worden sei, das seiner Natur nach als Herstellungsaufwand zu beurteilen sei. Dem halten die Kläger mit Recht die Entscheidungen des RFH VI A 378/27 und des BFH IV 8/53 U entgegen, wonach eine Verbesserung oder Wertsteigerung die Anerkennung als Erhaltungsaufwand nicht ausschließe. Die übliche Funktion einer Wand ist der Schall- und Wärmeschutz, so daß das Haus weder wesentlich in seiner Substanz vermehrt, noch in seinem Wesen nachhaltig verändert oder über seinen bisherigen Zustand - von der üblichen Modernisierung abgesehen - verbessert wird, wenn dieser Schutz lediglich verstärkt wird. Dabei ist zu beachten, daß die neuere Rechtsprechung des BFH ein gesteigertes Bedürfnis der Substanzerhaltung und Modernisierung anerkennt (Beschluß GrS 5/71) und es damit dem Steuerpflichtigen erleichtert, wirtschaftlich zweckmäßige Entscheidungen zu treffen. Der Senat braucht nicht darüber zu entscheiden, ob die Abdeckung der Fassade mit kostspieligem Material, etwa mit Natursteinplatten, eine Einschränkung erforderlich macht. Jedenfalls verändert die Verkleidung der Fassade mit Eternitplatten noch nicht das Wesen des Hauses.
Fundstellen
BStBl II 1979, 435 |
BFHE 1979, 383 |