Leitsatz (amtlich)
Die Steuerbefreiung gemäß § 29 Satz 1 Nr.2 UmwStG 1969 setzt voraus, daß das Vermögen eines Unternehmens als Ganzes, ein Betrieb, ein Teilbetrieb oder ein Mitunternehmeranteil bis zum Abschluß des Ersterwerbs der Gesellschaftsrechte (§ 2 Abs.1 Nr.1 KVStG 1972) zivilrechtlich auf die Kapitalgesellschaft im Sinne des KVStG übertragen wird.
Orientierungssatz
1. Der Begriff "Erwerb" i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 umfaßt nicht nur den derivativen, sondern ebenso den originären Erwerb. Er ist im gesellschaftsteuerrechtlichen Sinne zu verstehen und erfaßt auch die erstmalige Entstehung von Gesellschaftsrechten.
2. Das KVStG behandelt als Gegenleistung für den Ersterwerb von Gesellschaftsrechten nur den Teil der Einlage, der bis zur Gründung der Kapitalgesellschaft geleistet ist. Spätere Leistungen auf die Einlageverpflichtung sind "weitere Einzahlungen" i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 oder freiwillige Leistungen i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1972. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die spätere Leistung ein unverzichtbarer Teil der Einlageverpflichtung oder ob sie lediglich als Nebenverpflichtung aus dem Gesellschaftsvertrag begründet ist (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
KVStG 1972 § 2 Abs. 1 Nrn. 2, 1, § 5 Abs. 2 Nr. 3; UmwStG 1969 § 29 S. 1 Nr. 2; KVStG 1972 § 2 Abs. 1 Nr. 4
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die Rechtsnachfolgerin der T-KG in M. Die T-KG wurde durch Vertrag vom 1.Dezember 1972 rückwirkend zum 1.Oktober 1972 in der Weise gegründet, daß die Klägerin und B beschlossen, das Einzelunternehmen des B künftig in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG fortzuführen. Die Klägerin wurde mit einer Einlage von 50 000 DM persönlich haftende Gesellschafterin. B wurde Kommanditist. Hinsichtlich seiner Einlageverpflichtung ist im Gesellschaftsvertrag der KG folgendes vereinbart:
"B bringt in Anrechnung auf seine Einlage das Vermögen der bisherigen
Einzelfirma mit den bisherigen Buchwerten ein. Die zum Betriebsvermögen
der bisherigen Einzelfirma gehörenden Grundstücke werden zu Eigentum in
die Gesellschaft eingebracht. Das in den bisherigen Steuerbilanzen
aktivierte Gebäude M mit Außenanlagen sowie das dazu gehörende Grundstück
bleibt im Privateigentum des B."
Im Jahre 1974 übertrug B seine Kommanditanteile an der T-KG auf die Klägerin. Dadurch ging die T-KG als solche unter. Gleichzeitig verkaufte B seine Anteile an der Klägerin an einen Dritten.
Entgegen der in dem Gesellschaftsvertrag getroffenen Vereinbarung wurden die die wesentliche Grundlage des Einzelunternehmens bildenden Grundstücke nicht in das zivilrechtliche Eigentum der T-KG überführt. Vielmehr übertrug B die Grundstücke --ausgenommen das Grundstück M mit Außenanlagen, das nicht zu den wesentlichen Grundlagen des früheren Einzelunternehmens gehörte-- erst am 24.Juni 1974 im Zusammenhang mit dem damaligen Verkauf der Anteile an der Klägerin unmittelbar auf diese. B handelte dabei auch in Erfüllung eines am 28.April 1974 mit dem Dritten abgeschlossenen Kaufvertrags.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) versagte die Steuerfreiheit des Ersterwerbs von Gesellschaftsrechten gemäß § 29 Satz 1 Nr.2 des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen bei Änderung der Unternehmensform (UmwStG 1969) und setzte mit Bescheid vom 22.August 1978 eine Gesellschaftsteuer in Höhe von 814 800 DM fest.
Der Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 29 Satz 1 Nr.2 UmwStG 1969.
Das FA beantragt, das Urteil des Niedersächsischen FG vom 19.Januar 1983 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Das FG hat im Streitfall zutreffend einen gemäß § 2 Abs.1 Nr.1 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1972 steuerbaren Ersterwerb von Gesellschaftsrechten angenommen.
Gemäß § 2 Abs.1 Nr.1 KVStG 1972 unterliegt der Ersterwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft der Gesellschaftsteuer. Nach § 5 Abs.2 Nr.3 KVStG 1972 gelten als Kapitalgesellschaften auch Kommanditgesellschaften, zu deren persönlich haftenden Gesellschaftern eine der in § 5 Abs.1 oder Abs.2 Nrn.1 und 2 KVStG 1972 bezeichneten Gesellschaften gehört.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, die nicht mit Revisionsrügen angefochten wurden und deshalb den Senat binden (§ 118 Abs.2 FGO), entstand durch Gesellschaftsvertrag vom 1.Dezember 1972 erstmalig die T-KG dadurch, daß die Klägerin als persönlich haftende Gesellschafterin und B als Kommanditist beschlossen, das bisherige Einzelunternehmen des B gemeinschaftlich fortzuführen. Damit wurde die T-KG Kapitalgesellschaft i.S. des § 5 Abs.2 Nr.3 KVStG 1972. Die Gründung der T-KG löste bei dem Kommanditisten B den "Ersterwerb" von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft i.S. des § 2 Abs.1 Nr.1 KVStG 1972 aus (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6.März 1986 I R 389/83, BFHE 146, 531, BStBl II 1986, 758, 759, m.w.N.). Der Begriff "Erwerb" i.S. des § 2 Abs.1 Nr.1 KVStG 1972 umfaßt nicht nur den derivativen, sondern ebenso den originären Erwerb. Er ist im gesellschaftsteuerrechtlichen Sinne zu verstehen und erfaßt auch die erstmalige Entstehung von Gesellschaftsrechten.
2. Das FG hat jedoch zu Unrecht für den Streitfall die Steuerfreiheit des Erwerbs von Gesellschaftsrechten gemäß § 29 Satz 1 Nr.2 UmwStG 1969 bejaht.
a) Nach § 29 Satz 1 Nr.2 UmwStG 1969 sind nur Rechtsvorgänge i.S. des § 2 Abs.1 Nr.1 KVStG 1972 unter dort im einzelnen genannten Tatbestandsvoraussetzungen von der Gesellschaftsteuer befreit. Daraus folgt im Umkehrschluß, daß Rechtsvorgänge i.S. des § 2 Abs.1 Nrn.2 bis 6 KVStG nicht unter die Befreiungsvorschrift fallen. Würde deshalb die Übertragung der Grundstücke durch B auf die Klägerin als eine Leistung i.S. des § 2 Abs.1 Nrn.2, 3 oder 4 KVStG 1972 zu beurteilen sein, so würde sich die Steuerbefreiung nach § 29 Satz 1 Nr.2 UmwStG 1969 jedenfalls nicht auf die Übertragung der Grundstücke erstrecken.
§ 2 Abs.1 Nr.1 KVStG erfaßt als Besteuerungstatbestand den Ersterwerb von Gesellschaftsrechten. Gemäß § 8 Nr.1 KVStG 1972 wird die gemäß § 2 Abs.1 Nr.1 KVStG entstandene Gesellschaftsteuer vom Wert der Gegenleistung bzw. vom Wert der Gesellschaftsrechte berechnet. § 2 Abs.1 Nrn.2 bis 4 KVStG 1972 erfassen dagegen als Besteuerungstatbestände Leistungen, die erst während des Bestehens der Kapitalgesellschaft von einem Gesellschafter erbracht werden und im gesellschaftsteuerrechtlichen Sinne nicht mehr Gegenleistung für den Ersterwerb der Gesellschaftsrechte sind. Unter die Gegenleistung für den Ersterwerb von Gesellschaftsrechten im gesellschaftsrechtlichen Sinne fällt zwar nicht nur die im zeitlichen Zusammenhang mit der Gesellschaftsgründung tatsächlich vollzogene Einlage, sondern ebenso die Verpflichtung der Gesellschafter, weitere Einlagen zu einem späteren Zeitpunkt zu erbringen. Aus der Begründung zum KVStG vom 16.Oktober 1934 folgt jedoch (vgl. RStBl 1934, 1460, 1464), daß das KVStG dieser gesellschaftsrechtlichen Betrachungsweise des Begriffes der "Gegenleistung" nicht gefolgt ist. Statt dessen behandelt das KVStG als Gegenleistung für den Ersterwerb von Gesellschaftsrechten nur den Teil der Einlage, der bis zur Gründung der Kapitalgesellschaft geleistet ist. Spätere Leistungen auf die Einlageverpflichtung sind "weitere Einzahlungen" i.S. des § 2 Abs.1 Nr.2 KVStG 1972 oder freiwillige Leistungen i.S. des § 2 Abs.1 Nr.4 KVStG 1972. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die spätere Leistung ein unverzichtbarer Teil der Einlageverpflichtung oder ob sie lediglich als Nebenverpflichtung aus dem Gesellschaftsvertrag begründet ist. Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung diese für den Steuerpflichtigen in der Regel günstigere Auslegung als maßgebend angesehen (vgl. Urteile vom 2.Februar 1972 II R 10/67, BFHE 105, 290, BStBl II 1972, 578; vom 24.Juli 1972 II R 69/71, BFHE 107, 58, BStBl II 1972, 907). Der erkennende Senat sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.
b) Behandelt aber § 2 Abs.1 Nrn.1 und 2 KVStG 1972 Einlagen in eine Kapitalgesellschaft, die teils vor und teils nach Abschluß des Gründungsvorganges geleistet werden, als zwei selbständige Besteuerungstatbestände im gesellschaftsteuerrechtlichen Sinne und bezieht sich die Steuerbefreiung gemäß § 29 Satz 1 Nr.2 UmwStG 1969 nur auf den in § 2 Abs.1 Nr.1 KVStG 1972 angesprochenen Besteuerungstatbestand, so können der Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 29 Satz 1 Nr.2 UmwStG 1969 nur die Einlagen des B zugrunde gelegt werden, die bis zur Gründung der T-KG erbracht wurden, wobei der Streitfall keine näheren Ausführungen darüber erforderlich macht, wann der Gründungsvorgang bei einer GmbH & Co. KG als abgeschlossen angesehen werden kann. Jedenfalls sind Einlagen, die erst 18 Monate nach Aufnahme der gewerblichen Tätigkeit der GmbH & Co. KG geleistet werden, nach deren Gründung erbracht. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 29 Satz 1 Nr.2 UmwStG 1969 sind dagegen nur erfüllt, wenn als Gegenleistung für den Erwerb der Gesellschaftsrechte das Vermögen eines Unternehmens als Ganzes, ein Betrieb, ein Teilbetrieb oder ein Mitunternehmeranteil auf die Kapitalgesellschaft (hier: auf die KG) bis zu deren Gründung übertragen wird. Daraus folgt, daß die erst am 24.Juni 1974 vollzogene Übertragung der Grundstücke auf die Klägerin nicht gemäß § 29 Satz 1 Nr.2 UmwStG 1969 von der Gesellschaftsteuer befreit ist.
c) Die Befreiung von der Gesellschaftsteuer kann im Streitfall auch nicht für die bei Gründung der T-KG auf diese übertragenen Wirtschaftsgüter gewährt werden. Insoweit fehlt es an einer Übertragung des Vermögens eines Unternehmens als Ganzes, eines Betriebes, eines Teilbetriebes oder eines Mitunternehmeranteils auf eine Kapitalgesellschaft (§ 29 Satz 1 Nr.2 UmwStG 1969). Wie schon der II.Senat des BFH in seinem Urteil vom 8.Oktober 1975 II R 42/75 (BFHE 117, 295, BStBl II 1976, 120) entschieden hat, knüpft § 29 Satz 1 Nr.2 UmwStG 1969 nicht an eine Einbringung i.S. des § 22 UmwStG 1969 an. Vielmehr will die Vorschrift nur solche Leistungen von der Gesellschaftsteuer befreien, die gemäß § 2 Abs.1 Nr.1 KVStG 1972 steuerbar sind. Dies folgt einmal aus der unterschiedlichen Gesetzesformulierung in § 22 UmwStG 1969 einerseits und in § 29 Satz 1 Nr.2 UmwStG 1969 andererseits: Während in § 22 UmwStG 1969 von der "Einbringung" eines Betriebes, Teilbetriebes oder Mitunternehmeranteils die Rede ist, spricht § 29 Satz 1 Nr.2 UmwStG 1969 von einer "Übertragung" auf die Kapitalgesellschaft. Zum anderen ergibt sich dies aus der Rechtstatsache, daß § 2 Abs.1 Nr.1 KVStG 1972 --wie ausgeführt-- nur Leistungen bis zum Abschluß des Ersterwerbs der Gesellschaftsrechte erfaßt. Die bloße Überlassung eines Wirtschaftsgutes zur Nutzung durch die Kapitalgesellschaft ist eine Leistung, die zeitlich gesehen erst mit der Nutzungsüberlassung pro rata temporis und damit in der Regel erst nach Abschluß des Ersterwerbs der Gesellschaftsrechte erbracht wird. Aus der Unterscheidung zwischen Leistungen vor und nach Abschluß des Ersterwerbs der Gesellschaftsrechte folgt deshalb letztlich, daß unter der Übertragung des Vermögens eines Unternehmens als Ganzes, eines Betriebes oder eines Teilbetriebes auf eine Kapitalgesellschaft i.S. des § 29 Satz 1 Nr.2 UmwStG 1969 die zivilrechtliche Eigentumsübertragung des Vermögens eines Unternehmens als Ganzes bzw. der Wirtschaftsgüter zu verstehen ist, die die wesentliche Grundlage des Betriebes oder des Teilbetriebes bilden. Eine Nutzungsüberlassung reicht selbst dann nicht aus, wenn sie die Überlassung der wirtschaftlichen Werte der Wirtschaftsgüter mitumfaßt.
3. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Insoweit kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das FG hat keine Feststellungen zum Steuermaßstab getroffen. Diese Feststellungen nachzuholen ist Aufgabe des FG. Deshalb ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zwecks anderweitiger Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 61978 |
BStBl II 1987, 604 |
BFHE 150, 28 |
BFHE 1987, 28 |
BB 1987, 1591 |
BB 1987, 1591-1591 (S) |
DB 1987, 1922-1923 (ST) |
HFR 1987, 527-528 (ST) |
DStZ/E 1987, 271-271 (S) |
GmbH-Rdsch 1987, 499-499 (S) |
DVRdsch 1987, 170-170 (S) |