Leitsatz (amtlich)
Die sogenannten Kautionsversicherungen (Bürgschafts- und Personenkautionsversicherungen) sind nach dem UStG 1951 steuerpflichtig.
Normenkette
UStG 1951 § 4 Nrn. 8-9; UStDB 1951 § 33; VersStG §§ 1, 2 Abs. 2; GG Art. 3
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) betreibt als Versicherungsunternehmen verschiedene Zweige der Kreditversicherung. In der Umsatzsteuererklärung für die Zeit vom 1. Januar bis 30, April 1964 bezeichnete sie den Betrag von … DM als ihren steuerpflichtigen Umsatz und gab dazu u. a. erläuternd an, daß aus dem Gesamtbetrag der vereinnahmten Entgelte von … DM neben anderen Beträgen Entgelte in Höhe von … DM gemäß § 4 Nr. 8 UStG 1951 außer Betracht zu bleiben hätten. Das Finanzamt (FA) erkannte davon lediglich Umsätze im Wert von … DM als steuerfrei an und setzte die Umsatzsteuerschuld mit Bescheid auf … DM – das ist gegenüber der Berechnung in der Steuererklärung … DM höher – fest. Insoweit hat die Steuerpflichtige den Bescheid angefochten und dazu ausgeführt: Bei den dem strittigen Steuerbetrag zugrunde liegenden Geschäften handele es sich um Kautionsversicherungen (Bürgschaftsversicherungen und Personenkautionsversicherungen) inländischer Versicherter. Diese Geschäfte seien aus den folgenden Gründen umsatzsteuerfrei: Sie würden vom Versicherungsteuergesetz (VersStG) erfaßt und fielen deshalb unter § 4 Nr. 9 UStG 1951. Die Kautionsversicherungen müßten ferner als Kreditgeschäfte beurteilt werden, da sie als Leistungselement zugunsten des Versicherungsnehmers die Kreditbereitschaft der Steuerpflichtigen im Bürgschaftsfall enthielten. Sie seien deshalb auch nach § 4 Nr. 8 UStG 1951 privilegiert. Zu diesem Ergebnis führe auch die weitere Überlegung, daß die im Rahmen des Versicherungsvertrags für den Gläubiger des Versicherungsnehmers abgegebene Bürgschaftserklärung ein „Aval” sei und „die Lieferung von Avalen” gemäß § 33 UStDB 1951 zu den Kreditgeschäften (§ 4 Nr. 8 UStG 1951) zu rechnen sei. Diese in der Durchführungsbestimmung allerdings nur für Bankgeschäfte getroffene Klarstellung sei nicht auf Bankgeschäfte beschränkt. Sie beweise, daß der „Avalkredit” nach der Vorstellung des Gesetzgebers zu den Kreditgewährungen im Sinne des § 4 Nr. 8 UStG 1951 gehöre. Außerdem habe die Finanzverwaltung die Bürgschaft von den Anlängen des Umsatzsteuerrechts an bis zum Jahre 1962 in Übereinstimmung mit der Rechtsüberzeugung aller betroffenen Personen als steuerfrei behandelt. Die Klageforderung sei deshalb auch aus einem Gewohnheitsrecht zu begründen. Schließlich könne die Versagung der Steuerfreiheit deshalb nicht Rechtens sein, weil sie den Banken, den großen Konkurrenten der Kautionsversicherer, praktisch im Rahmen der Pauschalbesteuerung nach § 68 UStDB 1951 gewährt werde (Art. 3 des Grundgesetzes GG).
Das Finanzgericht (FG) hat die Anfechtungsklage abgewiesen. Es hält § 4 Nr. 9 UStG 1951 nicht für anwendbar, weil Kautionsversicherungen nach der ausdrücklichen Regelung durch § 2 Abs. 2 VersStG von diesem Gesetz nicht erfaßt würden. § 4 Nr. 8 UStG 1951 schließt die Vorinstanz aus, weil nach ihrer Ansicht die Steuerpflichtige ihren Kunden in den Versicherungsverträgen die Bereitschaft zur Kreditgewährung ausdrücklich versagt habe. Aus § 33 UStDB 1951 leitet das FG keinen die Klage stützenden Gesichtspunkt ab, weil es unter Avalen ausschließlich Wechselbürgschaften versteht. Gewohnheitsrecht im Sinne der Klagebegründung kann nach Meinung der ersten Instanz nicht entstanden sein, da die frühere für die Steuerpflichtigen günstige und deshalb zur gerichtlichen Überprüfung keinen Anlaß bietende Verwaltungspraxis die für die Bildung von solchem Recht notwendige allgemeine Rechtsüberzeugung nicht habe schaffen können. Schließlich hat sich das FG auch nicht von dem auf den Gleichheitssatz gestützten Klagevorbringen überzeugen lassen. Es hält die von Banken gegen Provision übernommenen Bürgschaften im Pauschal- wie im Einzelbesteuerungsverfahren (hier abgesehen von den Avalen) für steuerpflichtig und beurteilt mit Rücksicht auf die dem Pauschalierungsverfahren anhaftenden Nachteile (Unausscheidbarkeit sonst steuerfreier Provisionsumsätze) den Vergleich zwischen den im Pauschalierungsverfahren im Bankgewerbe auf die Provisionen aus Bürgschaften treffenden Steuersatz (0,32 v. H.) und den bei der Steuerpflichtigen anfallenden Steuersatz (4 v. H.) für ungerechtfertigt.
Gegen dieses Urteil hat die Steuerpflichtige Revision eingelegt. Sie beanstandet verfahrensrechtlich, daß das FG in seinem Urteil näher bezeichnete, mit der Klage zur Anwendung des Gleichheitssatzes vorgetragene Umstände nicht gewürdigt habe und sieht darin auch einen Fehler der Überzeugungsbildung (§ 96 FGO). Sachlich-rechtlich rügt sie unter Ergänzung des Klagevorbringens die Abweichungen des FG von den Rechtsausführungen der Klagebegründung. Sie beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid aufzuheben.
Das FA verlangt die Zurückweisung der Revision. Die Revision ist nicht begründet.
Entscheidungsgründe
1. Die Verfahrensrüge greift nicht durch. Die Steuerpflichtige bezeichnet für den behaupteten Mangel Umstände, die bei richtiger Würdigung der Urteilsausführungen entweder nicht entscheidungserheblich sind oder überhaupt fehlen. Bei der Prüfung des Einwands, der Gleichheitssatz sei verletzt, hat das FG eingehend gewürdigt, daß Banken für ihre Kunden gegen Provision bürgen und diese Leistungen – wenn das Pauschalbesteuerungsverfahren nach § 68 UStDB 1951 gewählt wurde – auf andere Weise versteuern, als die Steuerpflichtige die Kautionsversicherungen. Das FG muß dabei von der mit der Klage vorgetragenen Tatsache ausgegangen sein, daß die Steuerpflichtige in Konkurrenz mit solchen Banken steht, weil anders die Prüfung des Gleichheitssatzes nicht veranlaßt gewesen wäre. Es ist daher ohne Bedeutung, daß das FG auf das Konkurrenzverhältnis nicht ausdrücklich hingewiesen hat. Im übrigen enthält das Urteil den von der Steuerpflichtigen vermißten Hinweis ausdrücklich in der Wiedergabe des Sachvortrags der Beteiligten. Aus dieser Wiedergabe ist auch ersichtlich, daß das FG den Vortrag der Steuerpflichtigen, bei den Konkurrenten handele es sich allein um Großbanken, berücksichtigt hat. Einer besonderen Würdigung dieser Tatsache bedurfte es nicht, da nach der Rechtsüberzeugung des FG die Verschiedenheit der Besteuerungssysteme zu keiner für die Steuerpflichtige nachteiligen Verschiedenheit in der steuerlichen Gesamtauswirkung führen kann. – Aus diesen Gesichtspunkten ist die Verfahrensrüge auch unbegründet, soweit sie sinngemäß auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs gestützt sein sollte.
2. Das FG hat zutreffend entschieden, daß Kautionsversicherungen nicht nach § 4 Nr. 9 UStG 1951 steuerfrei sind. Soweit hier einschlägig, stellt die in dieser Vorschrift enthaltene Regelung Umsätze, die unter das VersStG fallen, steuerfrei. Die strittigen Leistungen sind aus folgenden Gesichtspunkten keine derartigen Umsätze:
Nach § 1 VersStG ist der Entstehungsgrund für die Versicherungsteuer ein Zahlungsvorgang, der, wenn er auf Vertrag beruht, einen Versicherungsvertrag zur Voraussetzung hat. Zahlungen aufgrund anderer Verträge fallen also nicht unter das VersStG. Da § 2 Abs. 2 VersStG im Rahmen dieses Gesetzes allen Verträgen, durch die sich der Versicherer zur Sicherheitsleistung, insbesondere Bürgschaftsleistung verpflichtet, die Eigenschaft von Versicherungsverträgen abspricht, können Kautionsversicherungen keine Umsätze nach § 4 Nr. 9 UStG 1951 sein, also keine „Umsätze, die unter … das VersStG fallen”. Diese Rechtslage ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der genannten Vorschriften des Umsatz- und Versicherungsteuerrechts. Für eine Gesetzesauslegung ist kein Raum. Auch wenn die Vermutung der Steuerpflichtigen zutreffen sollte, der Gesetzgeber habe die Vorschrift des § 2 Abs. 2 VersStG in Verkennung der versicherungsrechtlichen Natur der Kautionsversicherungsverträge in das Gesetz eingefügt, so stünde gleichwohl fest, daß der Ausschluß der Kautionsversicherungen aus dem VersStG dem wirklichen Willen des Gesetzgebers entsprach. In solchen Fällen sind die Gerichte nicht befugt, sich über den Wortlaut des Gesetzes hinwegzusetzen, mag der Wille des Gesetzgebers auch auf unzureichenden Motiven beruhen (Art. 20 Abs. 3 GG).
Im Widerspruch zur Meinung der Steuerpflichtigen kann auch nicht von einer verdeckten Regelungslücke ausgegangen werden, die es den Gerichten möglich machen würde, zugunsten der Kautionsversicherungen vom Wortlaut des Gesetzes abzuweichen. Es gibt nämlich keine Anhaltspunkte für die Behauptung der Steuerpflichtigen, es habe bei der Verselbständigung des Versicherungsteuerrechts im VersStG vom 8. April 1922 (RGBl I 1922, 400) niemand die Möglichkeit einer nachteiligen Auswirkung des § 2 Abs. 2 VersStG auf den Kreis der bisher vom UStG befreiten Versicherungen erkannt. Vielmehr sprechen folgende Überlegungen für eine wohlbedachte Versagung der Umsatzsteuerbefreiung für Kautionsversicherungen:
Vor dem Inkrafttreten des VersStG waren im UStG 1919 nach § 2 Nr. 8 von der Besteuerung ausgenommen „Versicherungen im Sinne der Tarifnr. 12 des Reichsstempelgesetzes” vom 3. Juli 1913 (RGBl 544, 561). Unter dieser Tarifnummer waren die Befreiungen von der Reichsstempelsteuer in neun Nummern aufgeführt, als letzte Position „Versicherungen anderer als der zu A – D genannten Art”. Die Kautionsversicherung war im Reichsstempelgesetz (RStempG) nirgends genannt. Sie dürfte jedoch allgemein als steuerfrei gemäß § 9 der Tarifnr. 9 und deshalb auch als umsatzsteuerfrei gegolten haben.
Jedenfalls bei der Neuregelung des Versicherungsteuerrechts im Jahre 1922 sind – wie aus der Begründung zu dem ohne Änderung in das Gesetz eingegangenen Entwurf des § 2 Abs. 2 VersStG zu entnehmen ist (Verhandlungen des Reichstags 1. Wahlperiode 1920, Bd. 369, Anlage Nr. 2868 zu den Stenografischen Berichten) – Zweifel darüber aufgetaucht, ob die Kautionsversicherung überhaupt den Wesensmerkmalen einer Versicherung entspricht. Wegen dieses Zweifels sowie zur Gleichstellung mit der nicht versicherungsmäßig betriebenen geschäftsmäßigen Übernahme von Bürgschaftsleistungen gegen Entgelt durch andere Unternehmer, insbesondere Großbanken, hat der Gesetzgeber die Kautionsversicherungsverträge in § 2 Abs. 2 VersStG ausdrücklich als Nichtversicherungsverträge definiert.
Beruhte die Ausscheidung der Kautionsversicherungen aus dem Kreis der versicherungsteuerrechtlich erfaßten Versicherungen auf solchen Gründen, dann erscheint es nicht als zufällig, sondern muß als konsequent und vorbedacht beurteilt werden, daß der Gesetzgeber für die auf die Versicherungen bezogene Befreiungsvorschrift des Umsatzsteuerrechts einen Wortlaut wählte, der die Kautionsversicherung nicht berücksichtigt. Denn die umsatzsteuerrechtliche Befreiung wurde zu dem Zweck geschaffen, die Doppelbesteuerung zu vermeiden und, soweit Versicherungen von der Versicherungsteuer befreit waren, den Motiven dieser Befreiung auch durch das umsatzsteuerrechtliche Privileg zu dienen. Da bei der Kautionsversicherung weder eine Doppelbesteuerung noch ein Nachteil im Sinne der erwähnten Motive eintreten konnte, kann der Wortlaut der umsatzsteuerrechtlichen Befreiungsvorschrift nicht lückenhaft und nicht ergänzungsbedürftig sein. Lediglich die Tatsache, daß unter der Herrschaft der Tarifnr. 12 RStempG und der korrespondierenden umsatzsteuerrechtlichen Befreiungsvorschrift die Kautionsversicherung in der Verwaltungspraxis als steuerfrei behandelt wurde, kann nicht die Überzeugung schaffen, der Gesetzgeber des Jahres 1922 habe die umsatzsteuerrechtliche Befreiungsvorschrift für die Versicherungen lückenhaft formuliert. Dies gilt um so mehr aus dem vom FA in der mündlichen Verhandlung hervorgehobenen Gesichtspunkt, daß die durch die Einführung des VersStG notwendig gewordene Änderung der umsatzsteuerrechtlichen Befreiungsvorschrift für Versicherungsleistungen (§ 2 Nr. 8 UStG 1919) nicht in der gleichzeitig mit dem VersStG am 8. April 1922 erlassenen Novelle zur Abänderung des UStG (RGBl I 1922, 373), sondern in § 19 Abs. 2 VersStG getroffen wurde. Dieser enge Zusammenhang der Vorschriften verbietet schlechthin die richterliche Überzeugung, der Gesetzgeber habe die negativen Auswirkungen nicht gekannt und nicht gewollt, die § 2 Abs. 2 VersStG kraft der auf das VersStG Bezug nehmenden Neufassung des § 2 Nr. 8 UStG 1919 ausüben mußte.
Aus diesen Erwägungen hält es der Senat für unbedenklich, die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 9 UStG mit der Begründung abzulehnen, daß es sich bei Kautionsversicherungen um keine unter das VersStG fallenden Umsätze handelt.
3. Ohne Rechtsirrtum hat das FG auch die Anwendung des § 4 Nr. 8 UStG 1951 abgelehnt. Nach dieser Vorschrift sind u. a, steuerfrei die Kreditgewährungen. Im Gegensatz zur Auffassung der Steuerpflichtigen fallen aber die Kautionsversicherungen des vorliegenden Falles nicht unter diesen Begriff. Bei diesen Versicherungen handelt es sich entweder um Bürgschafts- oder um Personenkautionsversicherungen. In den Fällen der ersten Alternative begründete die Steuerpflichtige jeweils mit dem Versicherungsnehmer als dem Schuldner eines Dritten ein Vertragsverhältnis, das diesem Gläubiger in Form einer selbschuldnerischen Bürgschaft für die jeweiligen Verbindlichkeiten des Hauptschuldners zugute kam. Es ging dabei vor allem um Zoll-, Fracht-, Branntweinkaufgeld- und ähnliche Bürgschaften. In den Fällen der Personenkautionsversicherungen versprach die Steuerpflichtige ebenfalls aufgrund eines Vertrags für fremde Rechnung dem jeweils Versicherten, insbesondere alle Vermögensschäden zu decken, die ihm vom Versicherungsnehmer (Vertrauensperson des Versicherten) durch vorsätzliche oder fahrlässige Handlungen künftig zugefügt werden. Bei beiden Vertragsarten anerkannte der Versicherungsnehmer, daß im Haftungsfalle die gegen ihn entstehende Forderung des Versicherten auf die Steuerpflichtige übergehe, und zwar im Falle der Personenkautionsversicherung nach Maßgabe des § 67 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) und im Falle der Bürgschaftsversicherung unter Ausschluß etwaiger Einwendungen des Versicherungsnehmers gegen Grund, Höhe und Bestand der von der Steuerpflichtigen an den Versicherten gezahlten Forderungen.
a) Unter Kreditgewährung im Sinne des § 4 Nr. 8 UStG 1951 wird allgemein die Ausstattung des Leistungsempfängers durch den Unternehmer mit Kapital im Sinne von flüssigen Mitteln verstanden, wobei sich der Empfänger zur Rückzahlung und außerdem zur Entrichtung von Zinsen und (oder) Entgelten ähnlicher Art verpflichten muß. Kreditgewährung ist also vereinfacht gesagt Geldleihe. Dagegen handelt es sich bei Bürgschaften aller Art im Verhältnis des Bürgen zum Schuldner um Kreditleihe. Die Begriffe Kreditgewährung und Kreditleihe bezeichnen verschiedenartige Leistungen, bei denen lediglich dadurch ein Sachzusammenhang besteht, daß die Bürgschaft die Kreditgewährung zu stützen hat, unter Umständen also eine Voraussetzung derselben sein kann: Für den Kredit im Sinne der Geldleihe ist es die Regel, daß dem Schuldner Kreditwürdigkeit eigen ist fehlt ihm dieses Merkmal, so kann er sich unter anderen Möglichkeiten um einen Bürgen bemühen, der ihn damit ausstattet, es ihm gewissermaßen „leiht”. Es ist verständlich, daß die entgeltliche Bürgschaft im Bankgewerbe wegen dieses Sachzusammenhangs zu den Kreditgeschäften gerechnet wird, zumal die Bürgschaften – worauf noch einzugehen sein wird – Kreditgeschäfte im Sinne von Geldgeschäften nach sich ziehen können. Dazu kommt außerdem, daß die Kreditleihe für die Banken ein ähnliches Risiko begründet wie die Geldleihe. Dies ist nach Überzeugung des Senats auch der Grund, weshalb die vom Steuerpflichtigen in der Revisionsbegründung zum Nachweis der Identität von Kreditgewährung und Kreditleihe herangezogenen Gesetzesstellen (§ 19 Abs. 2 b KStG in der Auslegung der KStR Abschn. 60 und BStBl I 1965, 303; § 19 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes über das Kreditwesen – KWG – die Besonderheit des § 89 Abs. 5 des Aktiengesetzes – AktG – kann hier außer Betracht bleiben) die Übernahme von Bürgschaften der Kreditgewährung gleichstellen. Dabei handelt es sich auch gar nicht um die Herstellung einer Begriffsidentität, sondern um eine Fiktion für die besonderen Zwecke der jeweiligen Regelung. Diese Auffassung wird insbesondere durch § 1 Abs. 1 Nrn. 2 und 8 KWG erhärtet, wo das Kreditgeschäft und das Garantiegeschäft (darunter die Bürgschaften) als verschiedene Bankgeschäfte gesondert aufgezählt sind.
Der dargelegte Sachzusammenhang zwischen Kreditgewährung und Bürgschaftsübernahme sowie das vergleichbare Risiko des Leistenden in jedem der beiden Umsatzarten sind keine Gesichtspunkte, die eine Gleichstellung der Bürgschaftsübernahme mit der nach § 4 Nr. 8 UStG 1951 privilegierten Kreditgewährung im Wege der Gesetzesauslegung ermöglichen. Denn nach den vorstehenden Erwägungen fehlt den beiden Geschäften der gleichartige Leistungsvorgang. Da die Umsatzsteuer an die Leistung anknüpft, kann die Frage, ob ein wirtschaftlicher Vorgang unter einen bestimmten gesetzlichen Leistungsbegriff – hier die Bürgschaftsübernahme unter das Tatbestandsmerkmal der Kreditgewährung – fällt, nur aus den Leistungselementen dieses Vorgangs beurteilt werden. Anders wäre es, wenn Kreditgewährung und Bürgschaftsübernahme als einheitliches Geschäft aufgefaßt werden könnten, bei dem der Bürgschaft eine untergeordnete Bedeutung zuzumessen wäre. Mit der Übernahme einer Bürgschaft ist aber, wie schon dargelegt, keine Geldleihe durch den Bürgen verbunden. Daß das Darlehen jeweils durch die Bürgschaftsübernahme bedingt ist, führt zu keiner Änderung des Leistungscharakters der Bürgschaft. Denn es handelt sich bei den beiden Leistungen stets um Umsätze verschiedener Unternehmer. Aus diesen Erwägungen kann die Bürgschaftsübernahme auch nicht aus dem Gesichtspunkt steuerfrei sein, daß die Besteuerung die Kreditgewährung versteuere, § 4 Nr. 8 UStG 1951 aber zu deren Verbilligung geschaffen sei. Denn ein vom Tatbestand des Gesetzes eindeutig nicht erfaßter Sachverhalt kann auch dann nicht die Rechtsfolgen des Gesetzes nach sich ziehen, wenn seine Subsumierung dem rechtspolitischen Ziel der Vorschrift entspräche (Art. 20 Abs. 3 GG).
b) Auch die Berücksichtigung des im Urteil des Reichsfinanzhofs (RFH) V 88/42 vom 22. Oktober 1943 (RStBl 1944, 133) aufgestellten Grundsatzes, der die entgeltlich geleistete Kreditbereitschaft des Unternehmers der Kreditgewährung im Sinne des § 4 Nr. 8 UStG 1951 gleichstellt, und auf den sich die Steuerpflichtige beruft, führt zu keiner anderen Entscheidung. Aus dem angefochtenen Urteil und den darin in Bezug genommenen, bei den Akten befindlichen Versicherungsverträgen ergeben sich keine Tatsachen, die die Anwendung dieses Grundsatzes rechtfertigen können. Nach dem „Rahmenvertrag” über die (Kredit-)Bürgschaftsversicherung ist die Steuerpflichtige nicht verpflichtet, dem Versicherungsnehmer im Versicherungsfalle (Schadensfalle) einen Kredit einzuräumen. Vielmehr ist dieser verpflichtet, „unbedingt dafür zu sorgen, daß der X aus der übernommenen Haftung nicht in Anspruch genommen wird”. Außerdem hat er im Falle der Verletzung dieser Pflichten, also im Schadensfalle, „die vom X gezahlten Beträge … unverzüglich nebst Kosten zurückzuerstatten”. Auch die „Allgemeinen Bedingungen” der Personenkautionsversicherung enthalten keine Kreditzusage für den Schadensfall. Bei beiden Versicherungsarten nimmt die Steuerpflichtige nach ausdrücklichen Hinweisen in den Verträgen im Bürgschafts- und Versicherungsfall auch den gesetzlichen Forderungsübergang gemäß § 774 BGB und § 67 VVG für sich in Anspruch.
Aus all dem folgt, daß die Steuerpflichtige und der Versicherungsnehmer mit den zur Bemessung der Umsatzsteuer herangezogenen Prämien (Entgelten) lediglich die gewährte Bürgschaft nicht aber eine Kreditbereitstellung durch die Steuerpflichtige abgegolten wissen wollte. Bei der Kreditbereitstellung gehen die Vertragsparteien davon aus, daß der Leistungsempfänger den Kredit in Anspruch nehmen werde und der Unternehmer zur Gewährung verpflichtet sei; den hier maßgeblichen Garantieverträgen dagegen liegt die Vorstellung zugrunde, daß kein Kredit nötig sein werde und für die Steuerpflichtige (Unternehmer) keine Pflicht zur Gewährung bestehe. Wenn der Versicherungsnehmer durch seine Prämie auch die Kosten deckt, die die Steuerpflichtige durch die Bereitstellung von Mitteln für die Fälle ihrer Inanspruchnahme entstehen, so zahlt er damit nicht für eine Kreditbereitstellung, sondern für einen Aufwand, den jeder Versicherer aus Vorsorge gegenüber dem eingegangenen Wagnis treffen muß. Der entscheidungserhebliche Leistungsaustausch umfaßt daher keine Kreditbereitstellung. Einen Leistungsaustausch mit Einschluß der Kreditbereitstellung könnte der Senat – was hier lediglich zur Information der Steuerpflichtigen dargelegt werden soll – in den strittigen Versicherungen auch dann nicht bejahen, wenn das neue tatsächliche Vorbringen in der Revisionsbegründung zu berücksichtigen wäre (vgl. § 118 Abs. 2 FGO), daß die Vertragsabwicklung „in der tatsächlichen Wirklichkeit” nach einem Versicherungsfall regelmäßig zur Kreditgewährung an den Versicherungsnehmer führt. Denn auch aus dieser „Wirklichkeit” kann nicht geschlossen werden, daß die Steuerpflichtige – entgegen der Bestimmung in den beiden Vertragsarten, daß nur schriftliche Abreden Geltung haben sollen – schon mit der Kautionsversicherung eine Kreditbereitschaft vereinbaren wollte. Vielmehr ist – was der Senat schon im Urteil V 246/54 U vom 20. Januar 1955 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 60 S. 216 – BFH 60, 216 –, BStBl III 1955, 82) ausgesprochen hat davon auszugehen, daß ein im Anschluß an den Versicherungsfall gewährter Kredit auf einem neuen kraft Gesetzes entstandenen (§§ 774 BGB, 67 VVG, beide in Verbindung mit § 412 BGB) oder neu vereinbarten Rechtsverhältnis mit dem Versicherungsnehmer beruht und einen gesonderten, allerdings steuerfreien Umsatz bildet.
c) Schließlich kann die Kautionsversicherung auch nicht nach der Regelung des § 33 UStDB 1951 unter das Privileg des § 4 Nr. 8 UStG 1951 fallen. Nach § 33 UStDB 1951 gehören „bei den Bankumsätzen” zu den steuerfreien Umsätzen u. a. „die Lieferungen von … Avalen, die ein Unternehmer im eigenen Namen ausführt”.
Der Hinweis der Steuerpflichtigen auf einen Aufsatz von Popitz im Preußischen Verwaltungsblatt Bd. 40–1918/19-S. 177 zu § 2 Nr. 2 UStG 1919 führt zu keiner anderen Auffassung. Wie Popitz geht auch der Senat davon aus, daß der Befreiungstatbestand, der als § 4 Nr. 8 in das UStG 1951 eingegangen ist und eine Reihe von typischen Bankgeschäften zusammenfaßt, auch für andere Unternehmen als Bankiers gilt; denn er enthält weder eine Beschränkung auf die Art des Unternehmens noch bezeichnet er diese Geschäfte ausdrücklich als Bankgeschäfte. Diese Auffassung kann aber nicht zur Folge haben, daß die zu diesem Gesetz ergangene Durchführungsbestimmung (§ 33 UStDB 1951) von jedem beliebigen Unternehmen in Anspruch genommen werden könnte, obwohl ihre Anwendung ausdrücklich auf Bankumsätze beschränkt ist.
Bei dieser Rechtsüberzeugung erübrigt sich eine Entscheidung zu der strittigen Frage, ob die Vorschrift mit dem Begriff des Avals überhaupt die Bürgschaftsleistung im Sinne des Streitgegenstandes ergreift oder ob sie lediglich Wechselbürgschaften privilegiert, indem sie das Wort Aval im Gegensatz zu dem im kaufmännischen Bereich weithin üblichen erweiterten Gebrauch (als jede Art von entgeltlicher Garantieleistung) in seiner ursprünglichen philologischen Bedeutung (als Wechselbürgschaft) versteht.
4. Der Senat ist überzeugt, daß die Freistellung der strittigen Umsätze auch nicht auf Grund Gewohnheitsrechts geboten ist.
Bei der Behandlung dieser Frage läßt es der Senat – ungeachtet der ablehnenden Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil II 28/58 U vom 18. Februar 1959 (BFH 68, 462, BStBl III 1959, 176) – dahingestellt sein, ob im Bereich steuerlicher Verhältnisse Gewohnheitsrecht überhaupt anerkannt werden kann. Denn jedenfalls läßt sich ein Gewohnheitsrecht mit dem von der Steuerpflichtigen behaupteten Inhalt nicht feststellen.
Zur Feststellung von Gewohnheitsrecht ist der Nachweis einer ständigen Übung und einer allgemeinen Rechtsüberzeugung erforderlich. Der Kreis, der von diesem Rechtswillen beherrscht sein muß, ist – was in der Revisionsbegründung unter Hinweis auf Enneccerus-Nipperdey, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, 1959, 1. Halbband S. 265, zutreffend zum Ausdruck gebracht wird – die Gemeinschaft, für die der Rechtssatz gelten soll, wobei es genügt, daß diejenigen den Rechtswillen manifestieren, die dazu Gelegenheit haben, die also die Regel angeht. Zu diesem Kreis gehören im vorliegenden Falle neben den Banken und Versicherungen, die Bürgschaften gegen Entgelt übernehmen sowie neben der Finanzverwaltung jedenfalls auch die Gerichte sowie anerkannte Autoren der einschlägigen Literatur (vgl. dazu den Aufsatz von Kruse „Über Gewohnheitsrecht” in der. Zeitschrift „Steuer und Wirtschaft” 1959 S. 210, 238 f. – StuW 1959, 210, 238 f. –). Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die von der Steuerpflichtigen aufgestellte und vom FA bestätigte Behauptung zutreffend ist, neben der Steuerpflichtigen seien bei sämtlichen deutschen Kreditversicherungsunternehmen seit der Einführung der Umsatzsteuer bis zum Jahre 1961 die Umsätze aus Kreditversicherungen steuerfrei geblieben, wenn sich ergibt, daß diese Übung keiner allgemeinen Rechtsüberzeugung in der hier näher umschriebenen Gemeinschaft entsprochen hat. Jedenfalls an dieser Rechtsüberzeugung fehlt es aber.
Popitz hat im Jahre 1921 in der zweiten Auflage seines Kommentars zum Umsatzsteuergesetz unter Anm. 6 zu § 2 Nr. 8 – offenbar in der Überzeugung, daß nach der damaligen Rechtslage (§ 97 des Reichsstempelgesetzes vom 3. Juli 1913 und Tarifnr. 12 in dessen Anhang – Reichsgesetzblatt 1913 S. 639 [RGBl 1913, 639]) von der Steuerbefreiung der Versicherungen auch die Kautionsversicherungen erfaßt seien – folgendes ausgeführt:
„Garantieverträge, die nicht in der Form von Versicherungen erfolgen, enthalten, wenn sie innerhalb gewerblicher Tätigkeit abgeschlossen sind, eine umsatzsteuerpflichtige Leistung desjenigen, der das Garantieversprechen gegen Entgelt gibt: So ist z. B. umsatzsteuerpflichtig, wer geschäftlich eine Bürgschaft gegen Entgelt übernimmt.”
Diese Auffassung wird durch die im Nachtragsband zur dritten Auflage (1930) S. 99 enthaltene Anmerkung, auf die sich die Revisionsbegründung bezieht, nicht revidiert. Denn hier wird lediglich als Zitat aus einem Aufsatz von Knof „Die Umsatzsteuer im Bankgeschäft” (1929) eine Zusammenstellung der steuerfreien und steuerpflichtigen Umsätze des Bankgewerbes wiedergegeben, in der „Provisionen auf Avale (Bürgschaften)” als steuerfrei aufgeführt sind. Diese Kommentarstelle besagt zu der hier behandelten Frage nicht mehr als der später erlassene § 26 UStDB 1934 (RGBl I, 947), der als § 33 auch in die UStDB 1951 eingegangen ist.
Durch Urteil V A 996/32 vom 17. November 1933 (RStBl 1934, 702) hat der RFH entschieden, daß die Übernahme einer Haftung durch eine Versicherungsgesellschaft keine Kreditgewährung sei.
In seinem Aufsatz „Die Umsatzsteuer im Bankgeschäft” (Bankarchiv 1936/37 S. 268, 270) führt der vorerwähnte Verfasser Knof, der „als Angehöriger der Buch- und Betriebsprüfungsstelle des RFM seit 1926 alle großen Banken gemäß § 162 Abs. 10 AO geprüft” hat (Popitz, a. a. O.), zur Auslegung des Begriffs „Aval” im Sinne des § 26 UStDB 1934 aus, er halte es für „zweifelhaft”, ob der eben erwähnte Grundsatz des RFH auch auf solche Bankbürgschaften anzuwenden sei, die nicht Avale im eigentlichen Sinne (Wechselbürgschaften) seien. Er kommt zu dem Ergebnis, die Entscheidung des RFH sei „zu eng”. Jedenfalls im Bankverkehr müßten, so meint er, Wechselbürgschaften und Bürgschaftserklärungen gleichermaßen zur Kreditgewährung gerechnet werden, weil sie als Aval- oder Bürgschafts-Kredite bezeichnet und wechselweise unter Aval- oder Bürgschaftskonten ausgewiesen würden.
Die Durchsicht der späteren Rechtsprechung und des, späteren Schrifttums ist wenig ergiebig. Immerhin haben das FG Bremen im Urteil II 57/54 vom 30. Juli 1954 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1954 S. 276 – EFG 1954, 276 –) sowie der BFH im Urteil V 246/54 U vom 20. Januar 1955 (a. a. O.) und die Kommentare von Plückebaum seit der 5. Aufl. (1953) – in Anm. 1 zu § 4 Nr. 8 und in Anm. 5 c zu § 4 Nr. 9 – sowie von Sölch-Ringleb seit der 6. Aufl. (1957) ausdrücklich die Auffassung vertreten, daß Bürgschaftserklärungen – mit Ausnahme der Wechselbürgschaft nach § 33 UStDB 1951 – keine Kreditgeschäfte und deshalb steuerpflichtig seien. Dieselbe Auffassung vertritt die gesamte spätere Kommentarliteratur zum UStG 1951, soweit sie auf diese Frage eingeht.
Diese Zusammenstellung widerlegt die Behauptung einer allgemeinen dauernden Rechtsüberzeugung im oben erläuternden Sinne. Dazu kommt, daß die Frage der Freistellung von Garantieverträgen im Bereich des Bankgewerbes kaum praktisch geworden sein kann, da – wie die Steuerpflichtige selbst ausführt – das Kautionsgeschäft in der Hauptsache von Großbanken betrieben wird, diese stets das Pauschalierungsverfahren nach § 68 UStDB 1951 gewählt und damit auch diese Provisionen zu versteuern hatten. Der Senat kann deshalb ein Gewohnheitsrecht, das die Befreiung der Umsätze aus Kautionsversicherungen rechtfertigt, nicht feststellen.
Eine andere Frage ist es freilich, ob nicht die Erhebung der Umsatzsteuer im vorliegenden Falle unbillig ist (§ 131 Abs. 1 AO). Die seit den Anfängen des Umsatzsteuerrechts bis zum Jahre 1962 ununterbrochen geübte Praxis der Finanzverwaltung, für Kautionsversicherungen keine Umsatzsteuer zu erheben (so die übereinstimmenden Angaben der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung), muß die beteiligten Versicherungsunternehmen wie den Kreis ihrer Konkurrenten in ihren langfristigen Dispositionen auf dem Gebiet der entgeltlichen Garantieleistungen maßgeblich beeinflußt haben. Eine solche Lage im Bereich bedeutender Wirtschaftszweige ist auch rechtspolitisch beachtlich. Sie hat in § 4 Nr. 8 des Umsatzsteuergesetzes – Mehrwertsteuer – 1967 (UStG 1967) die Wirkung gezeitigt, daß die Umsätze der hier in Frage stehenden Art allgemein von der Umsatzsteuer freigestellt wurden. Es besteht deshalb die Möglichkeit, daß der Gesetzgeber, wenn er bereits im Jahre der Entstehung des strittigen Steueranspruchs (1964) Gelegenheit genommen hätte, die Frage der Steuerbefreiung für Garantieleistungen neu zu regeln, in seiner Regelung jedenfalls der bis zum Jahre 1962 geübten Praxis der Finanzverwaltung gefolgt wäre. Aus diesen Überlegungen könnte das Vorliegen einer sachlichen Härte und damit ein Anlaß zu einer Billigkeitsentscheidung zugunsten der Steuerpflichtigen gemäß § 131 Abs. 1 AO in Betracht zu ziehen sein. Der Senat ist jedoch nicht in der Lage, hierüber eine Entscheidung zu treffen, da das vorliegende Verfahren lediglich die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung betrifft, während § 131 AO den Erlaß festgesetzter Steuern zum Gegenstand hat und seine Anwendung in einem gesonderten Verwaltungsverfahren zu prüfen ist.
5. Auch die Berufung auf den Gleichheitssatz (Art. 3 GG) kann der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Zur Begründung der gegenteiligen Auffassung hat die Steuerpflichtige geltend gemacht: Die Großbanken als Konkurrenten des Kautionsversicherers ließen sich alle nach dem Pauschalierungssystem (§ 68 UStDB 1951) veranlagen. Dabei würden die Bürgschaftsprovisionen mit dem Steuersatz von 0,32 v. H. zur Berechnung der Steuer herangezogen. Die Höhe dieses Steuersatzes, der sowohl auf die im Regelverfahren heranziehbaren wie auf die in diesem Verfahren nicht heranziehbaren Provisionseinnahmen aus Bankumsätzen aller Art anzuwenden sei, beruhe auf einer zum Zwecke der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nach dem Regelverfahren und dem Pauschalierungsverfahren angestellten Untersuchung aller Bankumsätze. Bei dieser Untersuchung sei, wie aus der bei Popitz (a. a. O.) enthaltenen Zusammenstellung der steuerfreien Bankumsätze zu entnehmen sei, die Übernahme von Bürgschaften als steuerfrei behandelt worden. Dieser Umstand habe die Höhe des Satzes für die Pauschalbesteuerung beeinflußt. Es sei deshalb die Wettbewerbsneutralität der Umsatzsteuer verletzt, wenn nunmehr die Prämien für Kautionsversicherungen der Umsatzsteuer zu 4 v. H. unterworfen würden, ohne daß gleichzeitig der Steuersatz im Pauschalbesteuerungsverfahren der Banken auf den Prozentsatz angehoben werde, auf den er bei Berücksichtigung der Steuerpflicht von Bürgschaften von vornherein hätte festgelegt werden müssen.
Demgegenüber vertritt der Senat folgende Auffassung: Aus der erwähnten Zusammenstellung bei Popitz läßt sich nicht feststellen, ob bei der Ermittlung der Höhe des Steuersatzes, der im Rahmen der Pauschalbesteuerung nach dem Gleichheitsgebot und den Grundsätzen steuerlicher Gerechtigkeit im Verhältnis zum Steuersatz im Regelverfahren geboten ist, die Bankprovisionen für Bürgschaftserklärungen, insbesondere für die sogenannten Avalkredite (Bürgschaften jeder Art), überhaupt als steuerfrei kalkuliert wurden. Aber selbst wenn in der von der Revision behaupteten Weise gerechnet worden wäre, wäre der Gleichheitssatz mit der Besteuerung der Kautionsversicherungen gleichwohl nicht verletzt. Der Verordnungsgeber hat mit dem Steuersatz im Pauschalierungsverfahren, auch wenn die Anwendung einer an Vollkommenheit grenzenden Methode zur gerechten Ermittlung dieses Satzes unterstellt wird, nur eine grob angenäherte Gleichheit herbeiführen können. Er mußte z. B. in Kauf nehmen, daß die Berechnungsgrundlagen dieses Satzes im Laufe der Jahre seiner Gültigkeit erheblichen Schwankungen unterliegen: Die Banken konnten z. B. neue Arten an sich steuerbefreiter oder steuerpflichtiger Provisionsgeschäfte in ihre Tätigkeit einbeziehen oder sie konnten gewisse Dienste (wie etwa die Kontoführung), die zur Zeit der Berechnung des Steuersatzes provisionspflichtig waren, später provisionsfrei oder im umgekehrten Sinne erbringen.
Diese und ähnliche Vorgänge mußten die bei der Einführung der Pauschalbesteuerung gegebene Ausgangslage des Wettbewerbsverhältnisses ebenso beeinflussen wie die spätere Besteuerung von bisher für steuerfrei erachteten „Bankumsätzen” bei Konkurrenten der Banken. Eine Mehrzahl von solchen Veränderungen konnte sich gegenseitig neutralisieren oder für die Konkurrenten günstig oder ungünstig kumulieren. In welcher Richtung und in welchem Verhältnis sich die Ausgangslage bis zum Zeitabschnitt der strittigen Umsätze verändert hat, ist kaum meßbar. Der Senat ist der Auffassung, daß der Verordnungsgeber beim Erlaß des § 68 UStDB 1951 solche künftigen, nach Wahrscheinlichkeitsgrundsätzen zum Ausgleich tendierenden Unsicherheiten für das Wettbewerbsverhältnis auf diesem verhältnismäßig engen Sektor des Umsatzsteuerrechts in Kauf nehmen konnte, ohne den Gleichheitssatz zu verletzen, weil bei den Banken das unabweisbare Bedürfnis gegeben war, die beschwerliche Auseinanderrechnung der steuerfreien und der steuerpflichtigen Umsätze zu vermeiden (Urteil des RFH V 8/42 vom 30. Januar 1942, RStBl 1942, 566).
Darüber hinaus ist der Senat aber der Überzeugung, daß auch der Nachweis, die seit dem Jahre 1962 in Anspruch genommene Umsatzsteuer aus den Kautionsversicherungen habe die Stellung der Versicherungsunternehmen im Wettbewerb mit den Großbanken in einer verfassungsrechtlich bedenklichen Weise verschlechtert, eine Entscheidung im Sinne des Klageantrags nicht zuließe. Denn der Gesetzgeber hat diesen Nachteil durch § 4 Nr. 8 des am 1. Januar 1968 in Kraft getretenen UStG 1967 wieder beseitigt. Nach den Grundsätzen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Verfassungsmäßigkeit des UStG 1951 1 BvR 320/70, 70/63 vom 20. Dezember 1966 (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 21 S. 12 – BVerfGE 21, 12 –) muß bei der Schwierigkeit der zu regelnden Materie die etwaige Ungleichheit, die nicht vom Gesetzgeber geschaffen, sondern durch die Änderung der Verhältnisse entstanden war, für den begrenzten Zeitraum ihres Bestehens (sechs Jahre) in Kauf genommen werden.
6. Schließlich kann der Senat der Revisionsbegründung auch insoweit nicht beipflichten, als dort das Vorhandensein einer Gesetzeslücke im Bereich des § 4 Nr. 8 UStG 1951 erörtert wird.
Die Steuerpflichtige führt aus: Der Senat habe durch seine Rechtsprechung (gemeint ist wohl das Urteil V 246/54 U vom 20. Januar 1955, BFH 60, 216, BStBl III 1955, 82) den Begriff der Kreditgewährung in § 4 Nr. 8 UStG 1951 zu weit eingeschränkt. Dadurch sei die Lücke entstanden oder in Erscheinung getreten. Es sei daher nach den Grundgedanken des Gesetzes zu prüfen, wie der Gesetzgeber die Umsatzsteuerpflicht der Bürgschaftsübernahme geregelt hätte, wenn er gewußt hätte, die Rechtsprechung werde gegen alle Verkehrsauffassung Bürgschaften nicht zu den Krediten zählen. Die Antwort auf diese Frage könne nicht zweifelhaft sein; Der Gesetzgeber habe im UStG 1967 selbst die Übernahme der Bürgschaften neben „sonstigen” Kreditgewährungen ausdrücklich für umsatzsteuerfrei erklärt.
Nach der bereits oben (Nr. 3) dargelegten Auffassung des Senats sind Bürgschaften Dienstleistungen, die sich wesentlich von der Kreditgewährung und den übrigen in § 4 Nr. 8 UStG 1951 genannten Bankgeschäften unterscheiden. Der Gesetzgeber hat in § 4 Nr. 8 UStG 1951 nicht alle Bankgeschäfte privilegieren wollen, sondern nur solche, „die ihrer Natur nach eine Umsatzsteuerbelastung nicht tragen können, ohne daß unerwünschte Umstellungen im Geld- und Zahlungsverkehr eintreten” (Hartmann-Metzenmacher, 5. Aufl., § 4 Nr. 8 E 2; vgl. auch E 3 und 44 f.). Aus diesen Gründen läßt sich nicht feststellen, daß § 4 Nr. 8 UStG 1951 eine Lücke enthält, d. h. „Folgen herbeiführt, die vom Gesetzgeber nicht erkannt oder bedacht sind und sonst (d. h. wenn er sie erkannt oder bedacht hätte) vernünftigerweise nicht in dieser Weise geordnet sein würden” (Enneccerus-Nipperdey, 1959, allgemeiner Teil, 1. Halbband S. 346). Eine solche Feststellung kann auch nicht aus der neuen Regelung in § 4 Nr. 8 UStG 1967 abgeleitet werden, wo nunmehr die „Übernahme … von Bürgschaften und ähnlichen Sicherheiten” neben den Kreditgewährungen und anderen Bankumsätzen privilegiert sind. Hier sind die Bürgschaften unter anderen, von der Kreditgewährung eindeutig verschiedenen Umsätzen aufgeführt. Der Gesetzgeber hat dabei nicht zum Ausdruck gebracht, daß die Bürgschaften als Kreditgewährungen in die Befreiungsvorschrift aufgenommen sind. Die Ausführungen im Kommentar von Eckhardt-Weiß, Tz. 96 f. zu § 4 Nr. 8 UStG 1967 die in dem oben wiedergegebenen Text keine Erweiterung des § 4 Nr. 8 UStG 1951, sondern die Klarstellung des früheren Rechtszustandes erkennen wollen, können den Senat nicht überzeugen. Sie sind durch die Erwägungen dieses Urteils widerlegt.
Nach allen diesen Gesichtspunkten kann die Revision keinen Erfolg haben. Sie war daher mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen