Leitsatz (amtlich)
Ein Hundesportverein, der nach seiner Satzung u. a. die Körperertüchtigung und Leistungssteigerung von Hundeführer und Hund zum Ziele hat, fördert weder unmittelbar noch ausschließlich die körperliche Ertüchtigung des Volkes durch Leibesübungen und ist deshalb nicht von der Körperschaftsteuer befreit.
Normenkette
KStG § 4 Abs. 1 Nr. 6; StAnpG § 17
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein eingetragener Verein, fördert nach § 2 (Zweck) seiner Satzung vom 10. April 1972 den Hundesport und "dient der Körperertüchtigung und Leistungssteigerung von Hundeführer und Hund". Dieser Zweck soll erreicht werden durch die Unterweisung aller Mitglieder über Hundehaltung und Pflege sowie Seuchen- und Krankheitsbekämpfung, weiter durch Ausbildung von Schutz- und Gebrauchshunden, Katastrophen- und Rettungshunden, Wach- und Verkehrsbegleithunden sowie Fährtenhunden und durch die Abhaltung von Leistungsprüfungen und Wettkämpfen. Der Kläger ist Mitglied des Deutschen Sportverbandes für Gebrauchshundevereine e. V. (DSVG), seit Anfang 1976 auch außerordentliches Mitglied des Landessportbundes. Mitglied des Klägers können Personen vom 8. Lebensjahr ab werden (§ 3 der Satzung); die Mitgliedschaft setzt nicht das Halten eines Hundes voraus. Etwa 20 v. H. der Mitglieder haben keinen Hund. Der Kläger bildet nach den Ausbildungsrichtlinien des Verbandes für das Deutsche Hundewesen e. V. (VDH) seine Mitglieder zu Hundeführern und deren Hunde für die verschiedensten Verwendungszwecke aus - nicht jedoch für die Jagd und zur Führung von Blinden. In Leistungsprüfungen und Wettkämpfen können die Mitglieder das Hundeführersportabzeichen des VDH in verschiedenen Stufen erwerben. Im Streitjahr (1972) waren insgesamt 53 Hunde ausgebildet worden, davon 7 zu Wachhunden, 5 zu Rettungshunden, 22 zu Schutzhunden, 8 zu Fährtenhunden und 11 zu Verkehrsbegleithunden. Die ausgebildeten Hunde werden entsprechend ihrer Ausbildung eingesetzt, wobei der Einsatz im Privatbereich überwiegt. Während der Ausbildung eines Hundes, die in der Regel ein Jahr dauert, wird mindestens zweibis dreimal wöchentlich längere Zeit mit dem Hund "trainiert".
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) hatte dem Kläger widerruflich und auf 18 Monate befristet im Dezember 1966 bescheinigt, daß er "nach der eingereichten Satzung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dient und somit zu den in § 4 Abs. 1 Nr. 6 des Körperschaftsteuergesetzes bezeichneten Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen gehört". Das FA hatte diese vorläufige Freistellungsbescheinigung mit Verfügung vom 10. April 1974 "rückwirkend widerrufen", den Kläger zur Körperschaftsteuer herangezogen und die Steuer auf 0 DM festgesetzt.
Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos.
Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) den angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung auf und stellte den Kläger von der Körperschaftsteuer frei. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1976 S. 522 (EFG 1976, 522) veröffentlicht.
Mit seiner durch Beschluß vom 3. November 1976 I B 44/76 zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 4 Abs. 1 Nr. 6 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und des § 17 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG). Es meint, der Kläger diene weder ausschließlich noch unmittelbar gemeinnützigen Zwecken.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Kläger ist nicht gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG persönlich von der Körperschaftsteuer befreit. Er dient nach seiner Satzung und seiner tatsächlichen Geschäftsführung nicht ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken.
1. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG waren von der Körperschaftsteuer befreit Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dienten. Für diese Steuerbefreiung galten die §§ 17 bis 19 StAnpG und die Verordnung zur Durchführung der §§ 17 bis 19 des Steueranpassungsgesetzes (Gemeinnützigkeitsverordnung - GemV -) vom 24. Dezember 1953 (BGBl I 1953, 1592, BStBl I 1954, 6), zuletzt geändert durch Art. 5 des Steueränderungsgesetzes 1969 vom 18. August 1969 - StÄndG 1969 - (BGBl I 1969, 1211, BStBl I 1969, 477).
Danach waren gemeinnützig solche Zwecke, durch deren Erfüllung ausschließlich und unmittelbar die Allgemeinheit gefördert wurde (§ 17 Abs. 1 StAnpG). Anzunehmen war eine Förderung der Allgemeinheit dann, wenn die Tätigkeit dem allgemeinen Besten auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet nützte (§ 17 Abs. 2 StAnpG). Neben diesen gesetzlichen Begriffsbestimmungen waren zur Beurteilung und Bewertung in § 17 Abs. 3 StAnpG Beispielsfälle aufgeführt, in denen die Förderung der Allgemeinheit und damit grundsätzlich auch die Gemeinnützigkeit anzuerkennen waren. Als gemeinnützige Zwecke waren u. a. (Nr. 1) genannt "die Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege, der Jugendpflege und Jugendfürsorge sowie der körperlichen Ertüchtigung des Volkes durch Leibesübungen (Turnen, Spiel, Sport)".
2. Der Kläger fördert nicht unmittelbar die körperliche Ertüchtigung des Volkes durch Leibesübungen im Sinne der genannten Rechtsvorschriften. Die gegenteilige Auffassung des FG läßt sich nicht auf § 17 Abs. 1 bis 3 StAnpG stützen.
a) Ob - wie das FG meint - schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch der Hundesport unter den Begriff "Sport" fällt, erscheint zweifelhaft. Allein aus der Wortzusammensetzung "Hunde sport" kann nicht hergeleitet werden, daß die entsprechenden Tätigkeiten als Sport im Sinne des allgemeinen Sprachverständnisses gewertet werden können.
b) Wann "Sport" als gemeinnützig anzuerkennen ist, richtet sich nach dem steuerlichen Gemeinnützigkeitsrecht. Die gesetzliche Regelung enthält in § 17 Abs. 3 Nr. 1 StAnpG - unabhängig von den Bestimmungen in Abs. 2 - den Begriff "Sport" lediglich als eines der drei Klammerbeispiele. Danach ist das entscheidende Merkmal für die Gemeinnützigkeit nach dieser Vorschrift, was den Sport betrifft, die körperliche Ertüchtigung des Volkes durch Leibesübungen (so schon der Senat in seinem Urteil vom 23. Juli 1969 I R 168/66, BFHE 96, 108, BStBl II 1979, 67). Die dazu gegebenen drei Klammerbeispiele erläutern zwar dieses Merkmal, werden durch dieses aber zugleich inhaltlich eingeschränkt: Turnen, Spiel und Sport sollen nur dann als Förderung der Allgemeinheit anzuerkennen sein, wenn sie die körperliche Ertüchtigung des Volkes durch Leibesübungen fördern. In seiner Entscheidung I R 168/66 hat der Senat der Ertüchtigung durch Leibesübungen gleichgestellt, wenn Turnen, Spiel und Sport Merkmale aufweisen, die es rechtfertigen, sie steuerlich wie eine körperliche Ertüchtigung durch Leibesübungen zu behandeln.
c) Diese Voraussetzungen hat das FG zu Unrecht als gegeben angesehen. Die körperlichen Betätigungen der Hundeführer zählen nicht zu den Leibesübungen im Sinn des § 17 Abs. 3 StAnpG und sind diesen auch nicht gleichzustellen.
Zweck des Klägers ist der Hundesport; Mittel zur Erreichung dieses Zwecks ist u. a. und - wie auch ein Vorstandsmitglied des Klägers in der mündlichen Verhandlung darlegte - hauptsächlich (§ 2 Abs. 5 Nr. 2 der Satzung) die "Ausbildung" von Hunden. Diese sollen zu den in der Satzung im einzelnen aufgeführten Zwecken (z. B. Schutz- und Gebrauchshunden, Rettungshunden usw.) abgerichtet werden. Zum Erreichen dieses Zieles ist verständlicherweise häufiges Üben mit den Hunden über eine längere Zeit notwendig. Die erforderlichen Unterweisungen und Anleitungen können den Tieren nur von Menschen gegeben und auch nur von diesen durchgesetzt werden. Die Hundeführer haben zur entsprechenden Abrichtung des Hundes alles zu tun, um den Tieren die in den Ausbildungsrichtlinien und den Ordnungen über die Tauglichkeitsprüfungen vorgesehenen Fertigkeiten und Verhaltensweisen beizubringen. Dazu haben sie u. a. auch die körperlichen Anstrengungen auf sich zu nehmen, die zum Abrichten der Hunde im Hinblick auf die einzelnen Prüfungserfordernisse notwendig sind. Das Kriechen, Laufen und Springen der Hundeführer ist damit allein dem satzungsmäßigen Zweck untergeordnet, die Tiere abzurichten. Das gilt u. a. gleichermaßen für das Mitlaufen auf einer längeren Fremdfährte (Fährtenhunde), für das Begleiten eines Hundes bei dem 10 km langen Traben (Rettungshunde) und für das Überwinden von Hindernissen (ebenfalls Rettungshunde). Alle diese körperlichen Betätigungen dienen in ihrem eigentlichen Zweck ebensowenig wie die abschließenden Tauglichkeitsprüfungen der körperlichen Ertüchtigung der Hundeführer. Es sind vielmehr rein körperliche Anstrengungen, die ihrer Art und ihrem Umfang nach allein von den Übungen und Prüfungsaufgaben, die von den Tieren erfüllt werden sollen, sowie von der Gelehrigkeit, den natürlichen Fähigkeiten und dem Verhalten der abzurichtenden Hunde abhängig sind. Es mangelt daher insoweit an einer unmittelbaren planvollen, auf die körperliche Ertüchtigung von Menschen gerichteten Leistung oder Bewegung. Das Abrichten von Hunden ist kein Mittel, um in erster Linie Menschen körperlich zu ertüchtigen. Die körperlichen Anstrengungen der Hundeführer können deshalb weder als körperliche Ertüchtigung durch Leibesübungen noch als diesen gleichzustellende Handlungen gewertet werden.
Dabei kann nicht unberücksichtigt bleiben, daß von den im Streitjahr abgerichteten 53 Hunden nur 5 Rettungshunde und 8 Fährtenhunde waren, deren Abrichtung im Verhältnis zu dem anderer Hunde (z. B. Wach- und Schutzhunde) offenbar besondere körperliche Anstrengungen erforderte. Umfang und Ausmaß dieser Anstrengungen können daher nicht ohne weiteres auch den Anstrengungen beim Abrichten der anderen Hunde gleichgesetzt und allgemein der Beurteilung zugrunde gelegt werden.
d) Da schon die körperlichen Anstrengungen der Hundeführer weder als körperliche Ertüchtigung durch Leibesübungen noch als diesen gleichzustellende Handlungen gewertet werden können, brauchte der Senat nicht zu prüfen, ob der Kläger daneben und unabhängig davon den Sport möglicherweise durch das Training und die Leistungssteigerung der Hunde gefördert hat. Das FA weist dazu zutreffend darauf hin, daß nur Menschen Sport treiben können, das Abrichten von Tieren aber - für sich betrachtet - nicht als Sport angesehen werden kann.
e) Die Mitgliedschaft des Klägers im Landessportbund hat auf die Entscheidung über die Anerkennung der steuerlichen Gemeinnützigkeit des Klägers keinen Einfluß. Abgesehen davon, daß diese Mitgliedschaft erst seit 1976 besteht, kann daraus nichts zugunsten des Klägers hergeleitet werden. Die nach der Satzung des Landessportbundes auch für außerordentliche Mitglieder geforderte ausschließliche und unmittelbare Verfolgung gemeinnütziger Zwecke im Sinne der Gemeinnützigkeitsverordnung setzt gerade die Anerkennung der steuerlichen Gemeinnützigkeit der künftigen Mitglieder voraus. Das kommt klar darin zum Ausdruck, daß nach der Satzung dem schriftlichen Aufnahmeantrag "die Gemeinnützigkeitsbescheinigung" beizufügen ist.
3. Auch die weiteren vom Kläger verfolgten Zwecke, wie Unterweisung über Hundehaltung und -pflege sowie Seuchen- und Krankheitsbekämpfung, lassen die Anerkennung einer gemeinnützigen Betätigung des Klägers und damit eine persönliche Befreiung des Klägers von der Körperschaftsteuer nicht zu. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diese Zwecke für sich oder in ihrer Gesamtheit als die Allgemeinheit fördernd anzusehen sind. Da, wie dargelegt, eine Förderung der körperlichen Ertüchtigung durch Leibesübung bei der "Ausbildung" der Hunde nicht gegeben ist, entfällt die vom Gesetz geforderte ausschließliche Gemeinnützigkeit der vom Kläger verfolgten (mehreren) Zwecke.
4. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung darüber, ob die Mitglieder des Klägers als ein Personenkreis anzusehen sind, dessen Zahl "dauernd nur klein sein kann" (§ 17 Abs. 4 StAnpG).
Fundstellen
BStBl II 1979, 495 |
BFHE 1979, 356 |