Leitsatz (amtlich)
Werden aus dem Betrieb eines Gästehauses während eines Zeitraums von acht oder mehr Jahren ausschließlich Verluste erzielt, so rechtfertigt dieser Umstand für sich allein nicht den Schluß, das auch in den Folgejahren Verluste erwirtschaftende Gästehaus werde ohne Gewinnerzielungsabsicht betrieben (vgl. BFH-Beschluß vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751 ).
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt seit 1967 in A bei Bad X ein Gästehaus mit drei Appartements, drei Doppel- und zwei Einzelzimmern. In den Jahren 1967 bis 1977 erzielte sie aus dem Betrieb des Gästehauses Einnahmen und Verluste in folgender Höhe:
Einnahmen Verluste
1967 11 201 DM 27 770 DM
1968 17 983 DM 20 884 DM
1969 21 156 DM 14 475 DM
1970 23 750 DM 14 091 DM
1971 27 560 DM 12 550 DM
1972 24 245 DM 12 217 DM
1973 22 403 DM 29 363 DM
1974 28 018 DM 17 526 DM
1975 33 573 DM 12 998 DM
1976 24 530 DM 23 981 DM
1977 29 588 DM 13 517 DM.
Die Klägerin machte die Verluste in ihren Einkommensteuererklärungen bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte die erklärten Verluste bis einschließlich 1974. Bei den Veranlagungen zur Einkommensteuer 1975 bis 1977 lehnte es das FA ab, weiterhin den Ausgleich der geltend gemachten Verluste mit den positiven Einkünften der Klägerin zuzulassen. Es vertrat die Ansicht, die Kapazität des Gästehauses reiche, gemessen an den laufenden Aufwendungen, nicht aus, um auf Dauer gesehen Gewinne zu erzielen. Wenn die Klägerin den Betrieb trotz der ständigen Verluste fortgeführt habe, so könne dafür nur die Absicht bestimmend gewesen sein, im Alter über eine Vermögensanlage zu verfügen.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Die Klägerin habe in den Jahren 1967 bis 1974 aus dem Betrieb des Gästehauses bei Aufwendungen in Höhe von insgesamt 325 192 DM nur Einnahmen von 176 316 DM erzielt. Dieses Geschäftsergebnis eines Zeitraums von acht Jahren mache deutlich, daß die Klägerin auch in der Folgezeit nicht damit habe rechnen können, aus dem Betrieb des Gästehauses Gewinne zu erzielen. Die Verluste der Jahre 1967 bis 1977 seien zum einen auf die schlechte Kapazitätsauslastung des Gästehauses von durchschnittlich 45 v. H. und zum anderen auf die zu niedrigen Preise zurückzuführen. Eine Änderung sei insoweit auch in Zukunft nicht zu erwarten. Die Klägerin habe wegen des Überangebots an Fremdenzimmern in A und Bad X ihre Preise erstmals im Jahr 1971 um 13,55 v. H. und dann noch einmal im Jahr 1975 um 6,92 v. H. anheben können. Eine Verbesserung der Geschäftsergebnisse sei auch nicht von einer Verminderung der Kosten zu erwarten. Nach den Ergebnissen der Jahre 1967 bis 1974 sei eher mit einem weiteren Anstieg der Kosten zu rechnen. Das FA habe deshalb zu Recht die Unterhaltung des Gästehauses ab 1975 als Liebhaberei behandelt.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 2 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und des § 1 Abs. 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV).
Das FG habe zu Unrecht eine Gewinnerzielungsabsicht der Klägerin verneint. Bei einer gewerblichen Tätigkeit, wie sie im Streitfall zu beurteilen sei, könne eine Gewinnerzielungsabsicht ohne weiteres unterstellt werden, weil ein anderes Motiv als das der Gewinnerzielung bei dem Betrieb eines Gästehauses nicht in Betracht komme.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die angefochtenen Einkommensteuerbescheide dahin zu ändern, daß die Verluste aus dem Betrieb des Gästehauses als negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb berücksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die bisherigen Feststellungen des FG erlauben nicht den Schluß, die Klägerin habe das Gästehaus in den Streitjahren ohne Gewinnerzielungsabsicht betrieben.
Das angefochtene Urteil beruht auf der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur sog. Liebhaberei. Danach kommt es für die Abgrenzung zwischen einem Gewerbebetrieb und einer einkommensteuerrechtlich unbeachtlichen Tätigkeit entscheidend darauf an, ob der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen nachhaltig mit Gewinn arbeiten kann. Dauernde Verluste während eines Zeitraums von etwa acht oder mehr Jahren begründen nach der bisherigen Rechtsprechung die Vermutung, daß eine einkommensteuerrechtlich unbeachtliche Tätigkeit vorliegt, weil der geschlossene Verlustzeitraum einer solchen Anzahl von Jahren eine ausreichende Grundlage für die Prognose biete, daß der Betrieb bei gleichbleibender Form der Bewirtschaftung nicht geeignet sei, aus der Verlustzone herauszukommen und nachhaltig Gewinne zu erzielen (vgl. z. B. Urteile vom 29. Oktober 1981 IV R 138/78, BFHE 134, 339, BStBl II 1982, 381 , und vom 22. Juli 1982 IV R 74/79, BFHE 136, 459, BStBl II 1983, 2 ).
Diese Grundsätze hat der BFH durch Beschluß vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, 434 f., BStBl II 1984, 751 , 766) eingeschränkt. Der Große Senat hat unter C IV 3 c) seines Beschlusses ausgeführt, Gewinnerzielungsabsicht als Merkmal des gewerblichen Unternehmens i. S. des § 15 Nr. 1 Satz 1 EStG sei Streben nach Betriebsvermögensmehrung in Gestalt eines Totalgewinns. Aus objektiven Umständen müsse auf das Vorliegen oder Fehlen der Absicht geschlossen werden, wobei einzelne Umstände einen Anscheinsbeweis liefern könnten, der vom Steuerpflichtigen entkräftet werden könne. Eine längere Verlustperiode lasse für sich allein nicht den Schluß auf eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht zu. In derartigen Fällen müsse aus weiteren Beweisanzeichen der Schluß möglich sein, daß der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen ausübe (BFHE 141, 405, 436, BStBl II 1984, 751 , 767). Der Große Senat hat in diesem Zusammenhang auf das Urteil des erkennenden Senats vom 21. Oktober 1980 VIII R 81/79 (BFHE 132, 518, BStBl II 1981, 452 ) hingewiesen. In diesem Urteil, das zur Einkunftsart Vermietung und Verpachtung ergangen ist, hat der Senat dargelegt, eine Vermietungstätigkeit, die in der Vergangenheit nur zu Verlusten geführt habe, sei nicht schon dann als Liebhaberei zu beurteilen, wenn eine objektive betriebswirtschaftliche Beurteilung ergebe, daß das Unternehmen auf absehbare Zeit nicht zur Einkunftserzielung geeignet sei. Es müsse vielmehr geprüft werden, ob diese objektive Feststellung den Rückschluß auf ein Handeln des Steuerpflichtigen aus persönlichen Motiven zulasse.
Im Streitfall hat das FG festgestellt, daß die Klägerin seit 1967 ausschließlich Verluste aus dem Betrieb des Gästehauses erzielt hat und daß bei objektiver Beurteilung auch in den Streitjahren nicht mit einer Besserung der Ertragslage gerechnet werden konnte. Das FG hat aus diesen Feststellungen den Schluß gezogen, die Klägerin habe in den Streitjahren das Gästehaus ohne Gewinnerzielungsabsicht betrieben. Nach der neueren Rechtsprechung des BFH reichen die Feststellungen des FG über die Gewinnaussichten des Unternehmens nicht aus, um den Schluß auf das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht zu rechtfertigen. Vielmehr ist zu prüfen, ob aufgrund weiterer Beweisanzeichen die Feststellung möglich ist, daß die Klägerin das Gästehaus in den Streitjahren aus im Bereich ihrer Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen unterhalten hat.
Das FG hat hierzu keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, die dem Senat eine abschließende Entscheidung ermöglichen. Die Sache ist deshalb nach Aufhebung der Vorentscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 426147 |
BStBl II 1985, 455 |
BFHE 1985, 58 |
NJW 1985, 1576 |