Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkünfteermittlung bei Ferienwohnungen (Folgeentscheidung zum Grundsatzurteil vom 6. November 2001 IX R 97/00, BStBl II 2002, 726, BFH/NV 2002, 413)
Leitsatz (NV)
- Hat der Steuerpflichtige schon beim Erwerb einer teils selbst genutzten, teils an wechselnde Feriengäste vermieteten Ferienimmobilie den späteren Verkauf ernsthaft in Betracht gezogen, so ist bei der Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht als Prognosezeitraum der kürzere Zeitraum der tatsächlichen Vermögensnutzung zugrunde zu legen.
- Hat der Steuerpflichtige die Vermietung an wechselnde Feriengäste hingegen mit Einkünfteerzielungsabsicht begonnen und sich erst später unter dem Eindruck der zwischenzeitlich erkannten Unwirtschaftlichkeit der Vermietungstätigkeit um den Verkauf bemüht, lässt dies den Prognosezeitraum von 30 Jahren unberührt.
Normenkette
EStG §§ 2, 9, 21 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
FG Münster (EFG 2001, 10) |
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden als Eheleute zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger hatte 1981 ein Einfamilienhaus errichten lassen und seitdem an wechselnde Feriengäste vermietet. Im September des Streitjahres (1993) verkaufte er das Haus. Für das Streitjahr erklärte er einen Werbungskostenüberschuss von 19 739 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) berücksichtigte nur einen Werbungskostenüberschuss von 1 306 DM. Das FA teilte die Aufwendungen für die Wohnung im Zeitraum 1. Januar bis 31. Oktober 1993 auf die Zeiten der Eigennutzung und der Fremdnutzung auf, wobei es die Leerstandszeiten der Selbstnutzung zurechnete. Die Fremdnutzung schätzte es aufgrund der erklärten Einnahmen anhand einer angenommenen Tagesmiete von 60 DM mit 53 Tagen. Der Kläger hatte die Vermietungstage trotz Aufforderung nicht angegeben.
Im Klageverfahren trug der Kläger vor, das Objekt sei allein als Kapitalanlage und zur Vermietung an Feriengäste, aber nicht zur Selbstnutzung bestimmt gewesen. Er habe jede Möglichkeit der Vermietung genutzt, über Bekannte und Verwandte, eine Hausverwaltung, den örtlichen Fremdenverkehrsverein und ein niederländisches Unternehmen. Eine Vermietung sei aufgrund der schlechten Lage nicht in größerem Umfang zustande gekommen. Deshalb habe er seit Jahren versucht, das Haus zu verkaufen. Er habe es nur jeweils zwischen dem zweiten Weihnachtsfeiertag und dem ersten Sonntag im Januar genutzt, um Gebäude und Außenanlagen zu überprüfen und Schäden beseitigen zu lassen. Im Streitjahr seien die Kläger an beiden Pfingsttagen in dem Haus gewesen, um sich von dessen ordnungsgemäßem Zustand zu überzeugen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage unter Berufung auf die Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Juni 1991 IX R 7/85 (BFHE 165, 67, BStBl II 1992, 24) und vom 30. Juli 1991 IX R 49/90 (BFHE 165, 92, BStBl II 1992, 27) ab (FG Münster, Urteil vom 21. Oktober 1999 14 K 5567/98 E, Entscheidungen der Finanzgerichte 2001, 10). Das FA habe die Einkünfte aus der Ferienwohnung zutreffend nur für die Zeit der Vermietung an Feriengäste ermittelt. Die übrigen Zeiträume, auch die Leerstandszeiten, seien nach der Rechtsprechung des BFH der Selbstnutzung zuzurechnen. Der ständigen Nutzungsmöglichkeit des Klägers stehe nicht entgegen, dass er Zugriff auf insgesamt drei Ferienimmobilien gehabt habe.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1993 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom … dahin zu ändern, dass der für die Wohnung in W geltend gemachte Werbungskostenüberschuss in voller Höhe berücksichtigt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Das FG hat die Einkünfte aus der Vermietung der Ferienimmobilie anhand der früheren Rechtsprechung des BFH ermittelt und bei der Aufteilung der Aufwendungen die Leerstandszeiten der Zeit der Selbstnutzung zugeschlagen. Diese Rechtsprechung hat der BFH inzwischen aufgegeben (BFH-Urteil vom 6. November 2001 IX R 97/00, BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726). Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen, weil seine Feststellungen für eine abschließende Entscheidung in der Revisionsinstanz nicht ausreichen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Nach den Grundsätzen des BFH-Urteils in BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726 ist zunächst zu prüfen, ob die Kläger die Ferienimmobilie ausschließlich an wechselnde Feriengäste vermietet und in der übrigen Zeit hierfür bereitgehalten haben. Ist dies der Fall, dann ist nach dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) davon auszugehen, dass sie beabsichtigt haben, letztlich einen Einnahmenüberschuss zu erzielen, selbst wenn sich über längere Zeiträume Werbungskostenüberschüsse ergeben. Dabei ist es unerheblich, ob sie die Ferienwohnung in Eigenregie vermietet oder mit der Vermietung einen Dritten beauftragt haben (vgl. BFH-Urteil in BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726, unter II.1.b). Auch die auf die Leerstandszeiten entfallenden Aufwendungen sind dann in vollem Umfang als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar.
2. Haben die Steuerpflichtigen die Ferienwohnung indes auch selbst genutzt oder haben sie sich vorbehalten, die Ferienwohnung auch selbst zu nutzen, sind die vorstehenden Grundsätze nicht anwendbar.
a) Kurzfristige Aufenthalte in der Ferienwohnung anlässlich eines Mieterwechsels (z.B. Endreinigung, Schlüsselübergabe) oder zur Erhaltung der Mietsache (z.B. Beseitigung von Schäden, die Mieter verursacht haben, Durchführen von Schönheitsreparaturen) sind keine Selbstnutzung. Findet jedoch eine Selbstnutzung statt, dienen Schönheitsreparaturen im Ergebnis sowohl der Selbstnutzung als auch der Vermietung; in einem solchen Fall sind die auf diese Zeiten entfallenden Aufwendungen ―wie bei den Leerstandszeiten (s. dazu nachfolgend unter II.2.b)― im zeitlichen Verhältnis der tatsächlichen Selbstnutzung zur tatsächlichen Vermietung aufzuteilen.
Ob eine Selbstnutzung vorliegt oder die Ferienwohnung ohne jegliche Selbstnutzung dauernd zur Vermietung angeboten und bereitgehalten worden ist, hat das FG nach seiner aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden. Die Steuerpflichtigen tragen insoweit die Feststellungslast (BFH-Urteil in BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726, unter II.1.b).
b) Werden Ferienwohnungen teilweise selbstgenutzt und teilweise vermietet, so sind als Werbungskosten nur die Aufwendungen zu berücksichtigen, die auf Zeiträume entfallen, in denen die Ferienwohnung an Feriengäste tatsächlich vermietet oder zur Vermietung angeboten und bereitgehalten worden ist, dagegen nicht die auf die Zeit der nicht steuerbaren Selbstnutzung entfallenden Aufwendungen.
aa) Zu berücksichtigen sind danach zunächst die ausschließlich auf die Vermietung entfallenden Werbungskosten, z.B. Reinigungskosten, Entgelte für die Aufnahme in das Gastgeberverzeichnis und Anschaffungs- und Reparaturkosten für Wirtschaftsgüter, die ausschließlich der Vermietung dienen.
bb) Bei den übrigen Aufwendungen, die sowohl durch die Selbstnutzung als auch durch die Vermietung veranlasst sind (z.B. Schuldzinsen, Haus- und Grundbesitzabgaben, Gebäude-AfA und Versicherungsbeiträge), ist eine Aufteilung auf die Zeit der Vermietung und auf die Zeit der Selbstnutzung nach dem Verhältnis der beiden Zeiträume zueinander geboten. Ist eine Selbstnutzung jederzeit möglich, sind die Leerstandszeiten im Wege der Schätzung entsprechend dem zeitlichen Verhältnis der tatsächlichen Selbstnutzung zur tatsächlichen Vermietung aufzuteilen (BFH-Urteil in BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726, unter II.1.e bb (2)).
In welchem Umfang die Steuerpflichtigen die Ferienwohnung tatsächlich selbst genutzt oder zur Vermietung angeboten und bereitgehalten haben, ist ebenfalls Sache der Tatsachen- und Beweiswürdigung durch das FG. Die Steuerpflichtigen tragen insoweit die Feststellungslast.
Ist nach der aus den Gesamtumständen des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des FG ―neben einer festgestellten Zeit tatsächlicher Fremdvermietung― eine Selbstnutzung gegeben, lässt sich aber deren Umfang nicht aufklären, ist im Wege einer typisierenden Schätzung davon auszugehen, dass die Leerstandszeiten der Ferienwohnung (einschließlich der vom Umfang her nicht feststellbaren Zeit der Selbstnutzung) zu gleichen Teilen durch das Vorhalten zur Selbstnutzung und das Bereithalten zur Vermietung entstanden und damit die hierauf entfallenden Aufwendungen zu je 50 v.H. der Selbstnutzung und der Vermietung zuzuordnen sind (BFH-Urteil in BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726, unter II.1.e bb (3), (4)).
c) Werden Ferienwohnungen teilweise selbstgenutzt und teilweise vermietet, ist diese Art der Nutzung der Immobilie schon für sich allein Beweisanzeichen für eine (auch) private, nicht mit der Erzielung von Einkünften zusammenhängende Veranlassung der Aufwendungen. Der Umstand, dass die Steuerpflichtigen die Ferienwohnung auch zur privaten Erholung nutzen oder vorhalten, lässt den Schluss zu, dass sie Werbungskostenüberschüsse auch aus privaten Motiven in Kauf nehmen. Deshalb ist in derartigen Fällen anhand einer auf 30 Jahre angelegten Prognose zu prüfen, ob der Steuerpflichtige die Ferienwohnung gleichwohl mit Überschusserzielungsabsicht vermietet hat. Dabei können die Verhältnisse der Vorjahre für die Beurteilung des Streitjahres wichtige Anhaltspunkte liefern (BFH-Urteil in BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726, unter II.1.c bis f). Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf das genannte Urteil.
3. Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil sie auf der durch das Urteil in BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726 überholten älteren Rechtsprechung beruht. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG muss den Sachverhalt anhand der vorstehenden Grundsätze insgesamt neu prüfen.
Sollte sich danach ergeben, dass die Kläger die Ferienimmobilie tatsächlich auch selbst genutzt haben, so müsste das FG die Aufwendungen aufteilen und die Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers prüfen. Dabei käme den Vorjahren seit 1981 besondere Bedeutung zu.
Der grundsätzlich zugrunde zu legende Prognosezeitraum von 30 Jahren wäre mit Rücksicht auf den Verkauf im Streitjahr nur dann entsprechend abzukürzen, wenn der Kläger schon beim Erwerb den späteren Verkauf ernsthaft in Betracht gezogen hätte (BFH-Urteil vom 6. November 2001 IX R 44/99, BFH/NV 2002, 773).
Hat der Kläger hingegen ―wie seinerzeit vor dem FG vorgetragen― erst in späteren Jahren wegen fehlender Ertragsaussichten versucht, das Haus zu verkaufen, ließe dies den Prognosezeitraum unberührt, denn dann hätte er damit lediglich auf die zwischenzeitlich erkannte Unwirtschaftlichkeit der Vermietungstätigkeit reagiert (vgl. BFH-Urteil vom 17. September 2002 IX R 63/01, juris-Nr. STRE200350052, zum Abdruck in BFH/NV vorgesehen). Wenn der Steuerpflichtige die Einkünfteerzielungsabsicht deshalb aufgibt, weil er das Scheitern seiner Investition erkannt hat und er sich aus der Investition zu lösen sucht, um die Höhe der vergeblich aufgewandten Kosten zu begrenzen, so bleiben vergeblich aufgewendete Werbungskosten abziehbar, solange er seine ursprünglich mit Einkünfteerzielungsabsicht begonnene Tätigkeit notgedrungen fortführt (vgl. BFH-Urteil vom 4. März 1997 IX R 29/93, BFHE 183, 75, BStBl II 1997, 610; BFH-Beschluss vom 5. November 2001 IX B 92/01, BFHE 197, 139, BStBl II 2002, 144).
Fundstellen
Haufe-Index 923929 |
BFH/NV 2003, 752 |
EStB 2003, 217 |
ZfIR 2003, 883 |