Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Keine Erstattung der Grunderwerbsteuer, wenn ein veräußertes Grundstück dem Veräußerer vom Erwerber nur zurückaufgelassen, der Veräußerer aber im Grundbuch nicht wieder als Eigentümer eingetragen wird.
Normenkette
GrEStG § 17 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Das in Betracht kommende Grundstück, auf dem sich ein zu 81,2 v. H. kriegszerstörtes Wohngebäude befand, wurde unter anderem erworben:
I. durch die Bfin. auf Grund eines Kaufvertrages vom 13. April 1956 (= Vertrag I bzw. Erwerbsvorgang I); Veräußerer war der spätere Ehemann der Bfin. Als Kaufpreis wurden vereinbart: eine Barzahlung von 25.000 DM und die übernahme von Hypotheken, deren Valuta mit insgesamt 8.696,20 DM angenommen wurde. Das Finanzamt setzte die Grunderwerbsteuer zunächst nach einer Gegenleistung von 33.696,20 DM fest. Die Bfin. versicherte jedoch, daß sie innerhalb von fünf Jahren auf dem Grundstück einen Dauerwohnbau errichten werde; siehe dazu das Westberliner Gesetz über Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau und den Wiederaufbau von Trümmergrundstücken vom 7. Juli 1953 / 30. Mai 1956. Daraufhin ging das Finanzamt davon aus, daß § 1 Ziff. 2 des vorbezeichneten Gesetzes anwendbar sein werde und hob den Steuerbescheid einstweilen wieder auf. Am 22. Oktober 1956 wurde die Bfin. als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen;
II. durch den Kaufmann X. auf Grund des Vertrages vom 15. Januar 1957 (= Vertrag II bzw. Erwerbsvorgang II). Veräußerin war die Bfin. - X. verpflichtete sich zur Barzahlung von 10.000 DM und übernahm in Anrechnung auf den Kaufpreis die vorerwähnten Hypotheken, deren Valuta nunmehr mit 15.462,70 DM angenommen wurde, sowie die Hypothekengewinnabgabe von 4.978,34 DM. Das Grundstück sollte zum 15. Januar 1957 dem Erwerber übergeben werden. Mit diesem Tage sollten alle Nutzungen und Lasten auf den Erwerber übergehen. Alle bis zum 15. Januar 1957, dem Tage der übergabe des Grundstücks, entstandenen privaten und öffentlichen Lasten, Zinsen und dergleichen waren von der Bfin. zu zahlen. Das Finanzamt zog die Bfin. nunmehr wegen des Erwerbsvorgangs I durch Bescheid vom 28. Januar 1957 erneut zur Grunderwerbsteuer heran (ß 4 Abs. 1 Ziff. 1 c des angeführten Gesetzes). Bei der Feststellung der Besteuerungsgrundlage berücksichtigte es auch die Hypothekengewinnabgabe. Insgesamt wurde die Steuer nach einer Gegenleistung von 38.674,54 DM festgesetzt. Den von der Bfin. unter Hinweis auf die Ruineneigenschaft des Grundstücks beantragten Steuererlaß lehnte das Finanzamt durch Verfügung vom 15. März 1957 ab. X. wurde am 25. März 1957 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen;
III. durch Kaufvertrag vom 8. April 1957 (Vertrag III) erneut durch den Kaufmann X. Veräußerer war der Ehemann der Bfin. (Urkundenrolle Nr. 80/57 des Notars Dr. K.). Nach dem Vertrage III war das Grundstück zum 15. Januar 1957 übergeben worden. Von diesem Tage an waren alle Nutzungen und Lasten des Grundstücks auf den Erwerber übergegangen. Alle bis zum 15. Januar 1957, dem Tage der übergabe des Grundstücks, entstandenen privaten und öffentlichen Lasten, Zinsen und dergleichen waren von dem Verkäufer zu zahlen.
Dem Vertrage III ging folgendes voraus:
Am 8. April 1957 (das heißt an dem Tage, an dem der Vertrag III abgeschlossen wurde) erklärten die Bfin. und ihr Ehemann zu notariellem Protokoll (Nr. 55/1957 der Urkundenrolle des Notars Dr. V.), es habe sich nachträglich herausgestellt, daß die auf dem Grundstück lastenden Hypotheken höher valutierten, als im Vertrage I angenommen worden sei. Somit sei auch die Hypothekengewinnabgabe unrichtig errechnet worden. Infolge dieser Unrichtigkeiten sei der zwischen den Vertragsparteien vereinbarte Barpreis von 25.000 DM zu hoch angesetzt worden. Die Bfin. und ihr Ehemann erklärten, daß der Vertrag I "unwirksam" sei und "hiermit ausdrücklich aufgehoben werde"; der Ehemann verpflichtete sich, die empfangenen Leistungen an die Bfin. zurückzugewähren. Die Eheleute nahmen sodann die Rückauflassung vor.
Unter Bezugnahme auf die Aufhebung des Vertrages I und die damit verbundene Rückauflassung erklärten die Bfin. und X. am 8. April 1957 in einem weiteren Vertrage auch die Aufhebung des zwischen ihnen geschlossenen Vertrages II (Urkundenrolle Nr. 79/57 des Notars Dr. K.); gleichzeitig wurde zwischen X. und der Bfin. die Rückauflassung vorgenommen.
Eigentumsumschreibungen im Grundbuch fanden nicht statt, weil das Grundstück auf Grund des Vertrages II bereits auf den Namen des X. im Grundbuch eingetragen stand.
Der Rechtsstreit betrifft den Erwerbsvorgang I. Durch Schreiben vom 10. Mai 1957 beantragte die Bfin. die Aufhebung des Steuerbescheides vom 28. Januar 1957, da das der Veranlagung zugrunde liegende Erwerbsgeschäft (das heißt der Vertrag I) rückgängig gemacht worden sei. Diesen Antrag lehnte das Finanzamt durch Bescheid vom 28. Mai 1957 ab. Die Bfin. habe das Grundstück nach dem Erwerb weiterveräußert (Vertrag II); das hierdurch eingetretene wirtschaftliche Ergebnis sei durch die Vereinbarungen vom 8. April 1957 nicht berührt worden.
Die Bfin. macht geltend, die an den Kaufverträgen Beteiligten hätten zwecks Vermeidung eines Rechtsstreites eine vertragliche Regelung getroffen. Sie dürften deshalb nicht schlechtergestellt werden, als wenn sie die Bereinigung ihrer Rechtsbeziehungen unter Inanspruchnahme des Gerichts erstrebt hätten. Da der Ehemann der Bfin. in dem mit ihm abgeschlossenen Vertrag I die Valuta der Hypotheken zu niedrig angegeben habe und dadurch der zu leistende Barbetrag und damit der Gesamtkaufpreis zu hoch berechnet wurde, sei sie berechtigt gewesen, diesen Vertrag wegen Irrtums oder Täuschung anzufechten. Im Falle der Anfechtung hätte der Vertrag I von Anfang an als unwirksam angesehen werden müssen, zumal ihr Ehemann ausdrücklich die Garantie für die Valutierung übernommen habe. Der von den Beteiligten eingeschlagene Weg sei nach Lage der Dinge der einfachste gewesen, um die entstandenen Schwierigkeiten zu beseitigen. In ihm könne kein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts erblickt werden.
Demgegenüber ist das Finanzamt der Auffassung, daß der zwischen der Bfin. und ihrem Ehemann abgeschlossene Kaufvertrag nur rückgängig gemacht worden sei, um die Grunderwerbsteuer einzusparen. Der von den Vertragsparteien gewählte Weg sei ein ungewöhnlicher und stelle einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts dar (ß 6 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -). Der normale Weg sei gewesen, nachdem die Bfin. das Grundstück durch Vertrag II an X. weiterveräußert habe und X. als Eigentümer im Grundbuch eingetragen worden sei, den Vertrag I hinsichtlich der Höhe der Gegenleistung zu ändern. Zu einer Aufhebung des Vertrages II habe keine Veranlassung bestanden. X. habe der Vertragsaufhebung nur aus Gefälligkeit zugestimmt; denn für ihn sei es gleichgültig gewesen, von wem er das Grundstück endgültig erwarb.
Einspruch und Berufung wurden als unbegründet zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Auch die Rb. ist ohne Erfolg.
Die Bfin. wurde auf Grund der im Vertrag I erklärten Auflassung am 22. Oktober 1956 als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen. Damit kommt eine Erstattung oder Nichterhebung von Grunderwerbsteuer auf Grund des § 17 GrEStG nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 dieser Vorschrift erfüllt sind. Dort ist bestimmt:
"Erwirbt der Veräußerer das Eigentum an dem veräußerten Grundstück zurück, so wird auf Antrag sowohl die Steuer für den Rückerwerb als auch die Steuer für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang nicht erhoben oder erstattet,
wenn der Rückerwerb innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang stattfindet;
wenn das Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf übereignung begründen sollte, nichtig oder infolge einer Anfechtung als von Anfang an nichtig anzusehen ist;
wenn die Vertragsbedingungen des Rechtsgeschäfts, das den Anspruch auf übereignung begründet hat, nicht erfüllt werden und das Rechtsgeschäft deshalb auf Grund eines Rechtsanspruchs rückgängig gemacht wird."
Da die Vertragsaufhebung am 8. April 1957, also innerhalb von zwei Jahren nach dem 22. Oktober 1956 erklärt wurde, so kommt es darauf an, ob die Voraussetzung des § 17 Abs. 2 Ziff. 1 GrEStG vorliegt. Ob außerdem die Ziff. 2 und 3 des § 17 Abs. 2 GrEStG angewendet werden können, bedarf keiner ergänzenden Prüfung. Ist § 17 Abs. 2 Ziff. 1 GrEStG nicht anwendbar, so kommen die Ziff. 2 und 3 des § 17 Abs. 2, die außer dem Erfordernis des "Rückerwerbs" weitere Voraussetzungen aufstellen, noch weit weniger zum Zuge.
Die Vorschrift des § 17 Abs. 2 Ziff. 1 erfordert, daß der Veräußerer das Eigentum zurückerwirbt, das heißt, daß ein "Rückerwerb" des "Eigentums am Grundstück" stattfindet. Nach der Rechtsprechung des Senats ist ein solcher Rückerwerb erst eingetreten, wenn er durch Eintragung des Rückerwerbs im Grundbuch vollständig vollzogen wird (Urteil des Bundesfinanzhofs II 43/52 S vom 26. November 1952, BStBl 1953 III S. 16, Slg. Bd. 57 S. 41). Bei Kettengeschäften (das heißt in Fällen, in denen nicht nur der erste Erwerbsvorgang, sondern auch der zweite Erwerbsvorgang rückgängig gemacht wird) besteht an sich keine Veranlassung, die Steuerbefreiung des § 17 Abs. 2 nicht zu gewähren, wenn das Grundstückseigentum von dem zweiten Erwerber unmittelbar auf den ersten Veräußerer zurückübertragen wird. Siehe dazu das Urteil des Reichsfinanzhofs II A 21/28 vom 7. Februar 1928 (RStBl 1928 S. 103, Slg. Bd. 23 S. 7); Entsprechendes gilt auch, wenn die Kaufverträge aufgehoben werden und die Rückübertragung unmittelbar von dem zweiten Erwerber auf den ersten Veräußerer stattfindet. Vgl. das Urteil des Reichsfinanzhofs II A 599/31 vom 22. Dezember 1931 (RStBl 1932 S. 412, Slg. Bd. 30 S. 109). Im Streitfall ist jedoch der Rückerwerb durch den Ehemann der Bfin. tatsächlich nicht durchgeführt worden; denn es genügt nicht, um es zu wiederholen, daß eine Rückauflassung stattfindet; vielmehr ist erforderlich , daß der Rückerwerb im Grundbuch eingetragen wird. Insbesondere kann ein Rückerwerb im Sinne des § 17 Abs. 2 auch nicht darin erblickt werden, daß der Veräußerer innerhalb der Zweijahresfrist des § 17 Abs. 2 die wirtschaftliche Verfügungsmacht zurückerwirbt (siehe dazu das Urteil des Reichsfinanzhofs II A 593/31 vom 15. Dezember 1931, Steuer und Wirtschaft 1932 Nr. 291 = Mrozek-Kartei, GrEStG 1919/1927 § 23 Abs. 1 a Nr. 3, Rechtssprüche 23, 24). Die Voraussetzungen für einen Rückerwerb sind somit im Streitfall nicht erfüllt. Eine andere Beurteilung greift allerdings dann Platz, wenn ein dritter Erwerber (hier "D" genannt) das Grundstück von dem Ehemann der Bfin. erworben hätte und der Kaufmann X. zur Vermeidung von Formalitäten das Grundstück im Auftrag des Ehemanns der Bfin. unmittelbar auf D aufgelassen hätte und D nunmehr als Eigentümer im Grundbuch eingetragen wäre. Siehe dazu das Urteil des Reichsfinanzhofs II A 270/22 vom 12. Dezember 1922 (RStBl 1923 S. 139, Slg. Bd. 11 S. 73). Auch dieser Fall ist hier nicht gegeben.
Im Streitfall sind auf Grund der Verträge vom 8. April 1957 Veränderungen im Eigentum nicht eingetreten. Es sind zwar Auflassungen vorgenommen worden; das Eigentum am Grundstück blieb aber unverändert auf Namen des Kaufmanns X. eingetragen. In einem solchen Fall ist die Steuervergünstigung des § 17 Abs. 2 Ziff. 1 GrEStG nicht anwendbar. Wäre die Rechtslage eine andere, wie die Bfin. meint, so wäre die Vergünstigung des § 17 Abs. 2 Ziff. 1 GrEStG bei Kettengeschäften stets auch dann anwendbar, wenn der erste Teilnehmer der Kette nach eingetragenem Eigentumsübergang auf den letzten Teilnehmer der Kette das Grundstück an den letzten Teilnehmer der Kette unter Aufhebung der Zwischengeschäfte erneut verkauft, Umschreibungen im Grundbuch aber nicht erneut vorgenommen werden. Daß eine solche Regelung nicht mit dem Sinn und Zweck des § 17 Abs. 2 Ziff. 1 GrEStG im Einklang steht, bedarf keiner Erörterung. § 17 GrEStG ist dazu bestimmt, Härten zu beseitigen, die sich daraus ergeben, daß nach allgemeinen verkehrsteuerlichen Grundsätzen die Steuer auch zu erheben ist, obwohl das einmal abgeschlossene Geschäft rückgängig gemacht oder die ursprünglich vereinbarten Entgelte herabgesetzt werden. Diese Vorschrift ist aber nicht dazu bestimmt, auch dann Platz zu greifen, wenn ein Eigentumsrückerwerb nicht stattfindet und Wirkungen des vorangegangenen Eigentumsübergangs aufrechterhalten bleiben. Durch die im § 17 Abs. 2 GrEStG vorgesehenen strengen Formalitäten wird bezweckt, Steuerumgehungen der bezeichneten Art auszuschließen. Ob im Einzelfall tatsächlich eine Steuerumgehung vorliegt, ist nicht entscheidend.
Ist aber im Streitfall § 17 Abs. 2 Ziff. 1 GrEStG wegen fehlenden Rückerwerbs nicht anwendbar, so erübrigt es sich, wie bereits ausgeführt wurde, Ausführungen darüber zu machen, ob die Voraussetzungen der Ziff. 2 oder 3 des § 17 Abs. 2 erfüllt sind; denn auch in diesen Fällen ist ein förmlicher Rückerwerb des Eigentums erforderlich. Insbesondere bedarf demnach auch nicht der Erörterung, ob der Vertrag I wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung zu Recht angefochten werden konnte oder angefochten wurde, sowie weiter, ob es genügt hätte, statt den Vertrag aufzuheben, änderungen über die Höhe der Gegenleistung zu vereinbaren sowie Erörterungen darüber anzustellen, ob eine Steuerumgehung im Sinne des § 6 Abs. 1 StAnpG vorliegt.
Daß die Steuerbefreiung des § 1 Ziff. 2 des oben erwähnten Gesetzes vom 7. Juli 1953/ 30. Mai 1956 nach Weiterveräußerung des Grundstücks nicht anwendbar ist, ist unbestritten.
Nach alledem war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 410124 |
BStBl III 1961, 538 |
BFHE 1962, 747 |
BFHE 73, 747 |