Leitsatz (amtlich)
1. Wird dem Steuerpflichtigen das Eigentum an einem Grundstück im Verlauf eines Umlegungsverfahrens entzogen, tritt eine Realisierung der im Buchwert des Grundstücks liegenden stillen Reserven dadurch allein nicht ein.
2. Erhält der Steuerpflichtige im Verlauf des Umlegungsverfahrens ein Ersatzgrundstück zugewiesen, so tritt dieses bei Wertgleichheit an die Stelle des entzogenen Grundstücks.
2. Ist das zugewiesene Grundstück dem entzogenen nicht wertgleich, so kann ein dem Steuerpflichtigen gezahlter Ausgleichsbetrag im Wege der Rücklage für Ersatzbeschaffung auf ein Ersatzwirtschaftsgut "Gebäude" übertragen werden, wenn eine Ersatzbeschaffung von Grund und Boden nicht möglich oder wirtschaftlich gesehen nicht sinnvoll ist.
Normenkette
EStG §§ 5, 6 Abs. 1 Nrn. 1-2
Tatbestand
Der Revisionskläger (Steuerpflichtiger) hatte auf dem Grundstück K. ein Gebäude unterhalten, das nach seiner Darstellung bis zur kriegsbedingten Zerstörung zu 28 v. H. eigenbetrieblich und zu 72 v. H. privat genutzt worden war. Nach der Zerstörung des Gebäudes errichtete der Steuerpflichtige auf dem 507 qm großen Grundstück für seine Apotheke einen Notbau. Grundstück und Gebäude wurden in der Bilanz ausgewiesen.
Die Einbeziehung des Grundstücks in ein Umlegungsverfahren führte im Jahre 1958 zum Verlust eines Teiles von 285 qm. Zum Ausgleich erhielt der Steuerpflichtige dafür 50 000 DM sowie 10 000 DM für den Abbruch des auf diesem Teil befindlichen Notbaues. Einen Betrag von 40 000 DM wies der Steuerpflichtige zum 31. Dezember 1958 der Rücklage für Ersatzbeschaffung zu. Im Jahre 1959 errichtete er auf dem ihm im Umlegungsverfahren zugewiesenen (hinteren) Teil des Grundstücks (von 222 qm) ein Wohn- und Geschäftshaus, das zu 28 v. H. eigenbetrieblichen Zwecken dient und in der Bilanz zum 31. Dezember 1959 nur noch mit diesem Teil ausgewiesen wird. Auf den betrieblich genutzten Teil (Baukostenanteil 116 640 DM) übertrug er die Rücklage für Ersatzbeschaffung mit 40 000 DM.
Der Revisionsbeklagte (das FA) sah den dem Steuerpflichtigen entzogenen Grundstücksteil mit einem (anteiligen) Buchwert von 11 240 DM als aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden an. Hinsichtlich des ihm verbliebenen Grundstücksteiles mit einem (anteiligen) Buchwert von 6 308 DM habe der Steuerpflichtige mit der Art der Verbuchung der Wiederaufbaukosten die Entnahme von 72 v. H. erklärt, der mit seinem Teilwert (28 717 DM) zu erfassen sei. Die Rücklage für Ersatzbeschaffung berechnete das FA wie folgt:
a) Grund und Boden
Entschädigung 50 000 DM
./. Buchwert 11 240 DM
Rücklage 38 760 DM
b Aufbau
Entschädigung 10 000 DM
./. Buchwert 1 DM
Rücklage 9 999 DM
Gesamtrücklage 48 759 DM
Da die Rücklage für Ersatzbeschaffung nur auf ein erworbenes Ersatzwirtschaftsgut übertragen werden könne, ließ das FA (zunächst) lediglich die Übertragung der Rücklage "Aufbau" in Höhe von 28 v. H. von 9 999 DM (2 800 DM) auf das neu errichtete Wohn- und Geschäftshaus zu. Den Rest von 7 199 DM sowie die Rücklage "Grund und Boden" löste es wegen fehlender Ersatzbeschaffung zugunsten des Gewinns auf.
Auf den Einspruch des Steuerpflichtigen ließ das FA die Übertragung auch der Rücklage "Grund und Boden" zu 28 v. H. auf das Wohn- und Geschäftshaus zu. Die zum FG erhobene Klage führte hinsichtlich der Bewertung des als entnommen angesehenen Grundstücksteils zu einer geringfügigen Herabsetzung des Teilwerts (auf 28 041 DM) und damit zu einer anderweiten Festsetzung der Steuer, blieb jedoch im Grunde ohne Erfolg. Das FG führte aus:
Die ursprüngliche buchmäßige Behandlung des Grundstücks als Betriebsvermögen und die Bildung der Rücklage für Ersatzbeschaffung zum 31. Dezember 1958 seien nicht zu beanstanden. Der Steuerpflichtige habe aber ausweislich seiner Bilanzen zum 31. Dezember 1959 und 1960 einen Teil des Grundstücks mit 72 v. H. dem Betriebsvermögen zum 31. Dezember 1959 entnommen. In dem Ansatz der Aufbauten und des Grund und Bodens mit 28 v. H. sei die Erklärung zu sehen, den bisher zum Betriebsvermögen gehörenden privat genutzten Grundstücksteil in das Privatvermögen überführen zu wollen. Die Herausnahme dieses Grundstücksteiles aus der Bilanz stelle eine Entnahme im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG dar, die mit dem Teilwert des Wirtschaftsgutes im Zeitpunkt der Entnahme aus dem Betriebsvermögen anzusetzen sei (Urteil des BFH I 69/58 U vom 4. August 1959, BFH 69, 428, BStBl III 1959, 421). Insoweit sei die Rücklage für Ersatzbeschaffung zugunsten des laufenden Gewinns aufzulösen gewesen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des Steuerpflichtigen mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung und den ihr zugrunde liegenden Einkommensteuerbescheid aufzuheben. Zur Begründung läßt der Steuerpflichtige vortragen:
Was die Beurteilung des dem Steuerpflichtigen im Umlegungsverfahren zugeteilten Restgrundstücks betreffe, so liege eine Privatentnahme nicht vor. Das Eigentum des Steuerpflichtigen an dem früher seinem Betriebsvermögen zugehörenden Grundstück sei gemäß § 29 des Gesetzes über Maßnahmen zum Aufbau in den Gemeinden (Aufbaugesetz - AufbG -) vom 29. April 1952 (Sammlung des bereinigten Landesrechts Nordrhein-Westfalen 1945 bis 1956 S. 454) erloschen. Selbst als wirtschaftlicher Eigentümer sei er angesichts der Entziehung jeder Verfügungsmacht nicht mehr anzusprechen gewesen. Werde - wie im Streitfall - dem Steuerpflichtigen als Entschädigung für das von ihm in die Umlegungsmasse eingeworfene Grundstück zum Teil eine Barentschädigung, zum Teil der Rest seines eigenen Grundstücks zugewiesen, so lasse diese Zufälligkeit bereits erkennen, daß das zugeteilte Restgrundstück rechtlich sowohl als auch wirtschaftlich nicht mit dem ursprünglichen Grundstück identisch sei. Demgemäß bedürfe es für die Behandlung des dem Steuerpflichtigen neu zugeteilten Grundstücks der erneuten Zuweisung zum Betriebsvermögen.
Was die Behandlung der vom Steuerpflichtigen gebildeten Rücklage für Ersatzbeschaffung betreffe, so sei es unbillig, den Steuerpflichtigen - nach dem kriegsbedingten Verlust des ursprünglichen Gebäudes, nach Verhinderung der Errichtung eines entsprechenden Gebäudes durch Bauverbot, nach so erzwungener Errichtung eines Notbaues und nach Einbeziehung seines (alten) Grundstücks in das Umlegungsverfahren mit einer zwangsweisen Veräußerung eines Teils dieses Grundstücks weit unter dem Marktwert (zu der er sich nur entschlossen habe, um einem ihm sonst drohenden Bauverbot zu entgehen) - nunmehr mit einem buchtechnischen Gewinn zur Einkommensteuer heranzuziehen. Diesem Ergebnis einer zu formellen Auslegung des Begriffs "Wirtschaftsgut" könne nicht zugestimmt werden. Nach der vom Steuerpflichtigen geteilten Auffassung von Herrmann-Heuer (Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 68k zu § 4 EStG) und Littmann (Das Einkommensteuerrecht, 8. Aufl., Anm. 576 zu § 6) entscheide nicht das prozentuale Verhältnis des betrieblich und des privat genutzten Teiles des neu errichteten Hauses, sondern sei auf das Verhältnis zwischen dem nunmehr betrieblich genutzten Teil und dem früher ausschließlich betrieblich genutzten Grundstück abzustellen. Ergebe sich hiernach eine völlige Funktionsgleichheit, so sei die gebildete Rücklage zu 100 v. H. auf den neu errichteten betrieblichen Anteil des Wohn- und Geschäftshauses zu übertragen.
Sollte der Senat dem Steuerpflichtigen in dieser seiner Auffassung nicht folgen können, werde Anwendung des ermäßigten Steuersatzes aus § 34 EStG beantragt.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und des angefochtenen Bescheides in der Form der Einspruchsentscheidung.
1. Nach § 29 AufBG bewirkt die Bekanntmachung des festgestellten Umlegungsplanes und des Verteilungsverzeichnisses, daß (a) die nach dem Verteilungsplan zugewiesenen Grundstücke an die Stelle der im Bestandsverzeichnis aufgeführten Grundstücke treten, (b) das Eigentum an den zugewiesenen Grundstücken auf die neuen Eigentümer übergeht und das Eigentum an den alten Grundstücken erlischt, (c) nach Maßgabe des Verteilungsverzeichnisses die dinglichen Lasten der alten Grundstücke erlöschen und auf die zugewiesenen Grundstücke übergehen, (d) ..., (e) die Abfindungen und Ablösungen (§ 24 Buchstabe e und f AufbG) an die Stelle des Eigentums oder der sonstigen Rechte an den eingeworfenen Grundstücken treten. Bei allen diesen vom Umlegungsplan ausgehenden rechtlichen Wirkungen dinglicher und obligatorischer Art fehlt es an dem für den Begriff der Privatentnahme bestimmenden Tätigwerden des Steuerpflichtigen (BFH-Urteil IV 403/55 U vom 10. Oktober 1957, BFH 66, 1, BStBl III 1958, 1; IV 107/63 U vom 12. März 1964, BFH 97, 476, BStBl III 1964, 406) und damit an der entscheidenden Voraussetzung für die Bejahung einer durch dieses Tätigwerden ausgelösten Realisierung der in dem entnommenen Wirtschaftsgut steckenden stillen Reserven (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG; BFH-Urteil VI 19/63 U vom 7. Februar 1964, BFH 79, 264, BStBl III 1964, 328).
Demgemäß führt die Entziehung des Betriebsgrundstücks im Verlauf eines Umlegungsverfahrens zur Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung (Abschn. 35 EStR 1958), wenn die Entschädigung für das aus dem Betriebsvermögen ausgeschiedene Wirtschaftsgut gezahlt wird und das vom Steuerpflichtigen innerhalb angemessener Zeit angeschaffte Ersatzwirtschaftsgut wirtschaftlich die gleiche oder eine entsprechende Aufgabe wie das ausgeschiedene Wirtschaftsgut erfüllt (BFH-Urteil I 51/59 U vom 22. September 1959, BFH 72, 1, BStBl III 1961, 1).
Dem Steuerpflichtigen kann indes nicht darin gefolgt werden, daß das so bedingte zwangsweise Ausscheiden eines Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen auch dann ohne steuerrechtliche Folgen bleibe, wenn ein Ersatzwirtschaftsgut nicht angeschafft werde. Denn auch wenn man mit dem Steuerpflichtigen bejaht, daß das ihm an Stelle einer Barentschädigung zugewiesene Grundstück selbst dann nicht unmittelbar an die Stelle des eingeworfenen Grundstücks tritt, wenn es ein Teil des eingeworfenen Grundstücks ist, führt die Einbeziehung des Grundstücks in das Umlegungsverfahren doch nur insoweit zu einer Verneinung der Gewinnrealisierung, wie es (als Ersatzwirtschaftsgut) an die Stelle des eingeworfenen Grundstücks tritt.
2. Wie der erkennende Senat mit Urteil I 18/65 vom 15. Januar 1969 (BFH 95, 92, BStBl II 1969, 310) entschieden hat, kommt im Falle des zwangsweisen Ausscheidens eines Wirtschaftsguts durch behördlichen Eingriff eine anteilige Übertragung der stillen Reserven auf ein Ersatzwirtschaftsgut nur dann in Betracht, wenn für die Beschaffung des Ersatzwirtschaftsguts weniger aufgewendet werden muß, als durch das Ausscheiden des bisherigen Wirtschaftsgutes erzielt wurde. Dieser Fall ist hier nicht gegeben.
Der Steuerpflichtige hat für die Entziehung eines Grundstücks von 507 qm ein Ersatzgrundstück von 222 qm zugewiesen sowie eine Ausgleichszahlung in Höhe von 50 000 DM, für den Abbruch eines Notbaues 10 000 DM erhalten. Während der Steuerpflichtige zum 31. Dezember 1958 eine Rücklage für Ersatzbeschaffung in Höhe von 40 000 DM gebildet hatte, hat das FA die Rücklage - getrennt nach Grund und Boden und Aufbau (Notbau) - auf insgesamt 48 759 DM errechnet. Nach der Bilanz zum 31. Dezember 1957 standen Grund und Boden (507 qm) mit 20 000 DM, der Notbau mit 1 DM zu Buch.
Geht man mit dem FA davon aus, daß lediglich 285 qm im Zuge des Umlegungsverfahrens "veräußert" worden sind, so ist die Berechnung der Rücklage durch das FA - getrennt nach Grund und Boden und Notbau - nicht zu beanstanden. Sie ist jedoch - entgegen der Auffassung des FA - in voller Höhe (von 48 759 DM) auf das Ersatzwirtschaftsgut zu übertragen, da der auf den eigenbetrieblich genutzten Teil des Wohn- und Geschäftschauses (als Ersatzwirtschaftsgut) entfallende Teil der Gesamtbaukosten die Höhe des Ausgleichsbetrages für das entzogene Grundstück und den Abbruch des Notbaues übersteigt und es - mit dem FA - gerechtfertigt erscheint, die beim Grund und Boden aufgedeckten stillen Reserven - angesichts der Unmöglichkeit ihrer Übertragung auf ein Ersatzwirtschaftsgut "Grund und Boden" - auf das Ersatzwirtschaftsgut "Gebäude" zu übertragen (so auch Abschn. 35 Abs. 3 EStR).
3. Da der Steuerpflichtige selbst eine Rücklage für Ersatzbeschaffung nur in Höhe von 40 000 DM gebildet hat, er zur Bildung einer solchen Rücklage in voller Höhe der erhaltenen 60 000 DM oder der vom FA ermittelten 48 759 DM jedoch nicht für verpflichtet gehalten werden kann (siehe auch Seithel, Rechts- und Wirtschaftspraxis, 14 Steuer-R. D Einkommensteuer II B 8 a, Einzelfragen ab 1964), ist dem Senat eine abschließende Entscheidung des Streitfalls nicht möglich. Es war deshalb die Aufhebung der Vorentscheidung und des angefochtenen Steuerbescheids (in Gestalt der Einspruchsentscheidung) - ohne Verletzung der Vorschrift des § 100 Abs. 2 FGO, BFH-Beschluß Gr. S. 3/68 vom 16. Dezember 1968 (BFH 94, 436, BStBl II 1969, 192) - geboten, um dem Steuerpflichtigen Gelegenheit zu geben, seine Bilanz gegebenenfalls im Einvernehmen mit dem FA im Sinne der von diesem errechneten Rücklage zu berichtigen.
Fundstellen
BStBl II 1971, 90 |
BFHE 1971, 377 |