Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellungszeitraum bei mehreren, in einem Kalenderjahr endenden Wirtschaftsjahren; kein steuerfreier Sanierungsgewinn bei Schuldübernahme
Leitsatz (NV)
1. Die gewerblichen Einkünfte mehrerer, in einem Kalenderjahr endenden Wirtschaftsjahre sind auch dann in einem gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid zu erfassen, wenn der Feststellungszeitraum mehr als 12 Monate beträgt.
2. Ein Feststellungsbescheid wird nicht dadurch rechtswidrig, daß in ihm notwendige Feststellungen unterblieben sind, soweit er hierdurch nicht inhaltlich unbestimmt wird.
3. Ein während des Klageverfahrens ergangener Ergänzungsbescheid kann nicht gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden.
4. Die Übernahme betrieblicher Verbindlichkeiten durch den den notleidenden Betrieb übernehmenden Gläubiger führt mangels Schulderlaß zu keinem steuerfreien Sanierungsgewinn.
Normenkette
AO 1977 § 157 Abs. 2, § 179 Abs. 1, 3, § 180 Abs. 1 Nr. 2b; FGO § 68; EStG 1974 § 2 Abs. 4 Nr. 1, Abs. 5 S. 1, Abs. 6 Nr. 2 (EStG 1975 § 2 Abs. 2 Nr. 1, § 4a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2; KStG a.F. § 11 Nr. 4 (EStG 1977 § 3 Nr. 66)
Gründe
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war Inhaber des Einzelunternehmens M-Bürozentrum (Bürozentrum), das am 1. Juli 1972 aus der M-Büroorganisation OHG ausgegliedert worden war, deren Gesellschafter der Kläger und seine Ehefrau waren. Die Tätigkeit des Bürozentrums beschränkte sich im wesentlichen auf den Vertrieb von Büromöbeln und sonstigen Büroeinrichtungen der Firma V.
Infolge hoher Preisnachlässe kam es von Beginn an zu erheblichen Verlusten, die zu einer Überschuldung des Bürozentrums führten.Am 19. August 1974 vereinbarte der Kläger mit Vertretern der V die Übernahme des Bürozentrums durch V ab 20. August 1974 mit allen Aktiven und Passiven zum Zwecke der Weiterführung. Die Vermögensübersicht auf diesen Stichtag wies Aktiva von 1,4 Mio. DM und Passiva von 2,1 Mio. DM aus. In den Verbindlichkeiten waren Buch- und Wechselschulden des Klägers gegenüber V in Höhe von 1 227 000 DM enthalten. Forderungen des Bürozentrums an die OHG und die Ehefrau des Klägers über ca. 162 000 DM sollten im Wege der Entnahme, eine Darlehensschuld in Höhe von 422 000 DM im Wege der Einlage ausgebucht werden. Nach einem Aktenvermerk des steuerlichen Beraters des Klägers vom 21. August 1974 sollte in Höhe des sich ergebenden Unterkapitals ein Schulderlaß V gebucht werden. Zu dieser Frage hätte sich V nicht im einzelnen geäußert; sie sei aber bereits in diesem Sinne vorgeklärt gewesen.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 18. November 1974 übernahm V vom Kläger mit Wirkung vom 20. August 1974 das Bürozentrum mit allen Aktiva und Passiva laut Bilanz zum 19. August 1974, um es in der Rechtsform einer KG fortzuführen. Nach dem Vertrag sollten alle nicht in der Schlußbilanz enthaltenen Verbindlichkeiten des Bürozentrums gegenüber Drittgläubigern zu Lasten des Klägers gehen. Ein Firmenwert sollte außer Ansatz bleiben. Die Differenz zwischen Aktiva und Passiva wurde in der Eröffnungsbilanz der KG als Geschäftswert aktiviert.
Der Kläger ermittelte den Gewinn für das Bürozentrum nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr (1. Juli bis 30. Juni). In seiner Erklärung zur gesonderten Gewinnfeststellung für das Streitjahr (1974) gab der Kläger einen Verlust von 588 184 DM an, der sich aus den Fehlbeträgen für das Wirtschaftsjahr 1973/74 und für das Rumpfwirtschaftsjahr vom 1. Juli bis 19. August 1974 zusammensetzte. In Höhe des Wegfalls des negativen Kapitalkontos hielt der Kläger die Voraussetzungen eines steuerfreien Sanierungsgewinnes für gegeben.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -), der zunächst den Verlust gemäß der Erklärung vorläufig festgestellt hatte, vertrat nach einer Außenprüfung die Auffassung, daß in Höhe des negativen Eigenkapitals ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn entstanden sei und stellte in einem Änderungsbescheid vom 8. August 1978 ,,Einkünfte aus Gewerbebetrieb einschließlich Veräußerungsgewinne in Höhe von 81 918 DM" fest. In den Erläuterungen des Bescheides wurde auf das Ergebnis des Betriebsprüfungsberichtes hingewiesen und die Höhe des Veräußerungsgewinnes mit 670 102 DM angegeben.
Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage als unbegründet ab. Es vertrat hierbei die Auffassung, daß das FA zwar den Veräußerungsgewinn im verfügenden Teil des Bescheides hätte feststellen müssen, die unterbliebene Feststellung jedoch dem Inhalt des ergänzungsbedürftigen Bescheides nicht die erforderliche Bestimmtheit nehme.
Mit seiner vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 179 Abs. 1 i. V. m. § 180 Abs. 1 Nr. 2, § 181 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) und der Grundsätze zur steuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen. Er vertritt die Auffassung, daß die Einkünfte des Wirtschaftsjahres 1973/74 und des Rumpfwirtschaftsjahres vom 1. Juli bis 19. August 1974 nicht zusammen in einem Bescheid hätten festgestellt werden dürfen. Die Voraussetzungen für einen steuerfreien Sanierungsgewinn lägen vor, da der Gläubiger mit der Übernahme des Unternehmens einschließlich aller Aktiva und Passiva die Schulden erlassen und damit einen Zusammenbruch des sanierungsbedürftigen Unternehmens verhindert habe.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den angefochtenen Feststellungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahin zu ändern, daß für das Wirtschaftsjahr 1973/74 ein Verlust von 210 517,67 DM und für das Rumpfwirtschaftsjahr vom 1. Juli bis 19. August 1974 ein Verlust von 383 065,90 DM festgestellt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Das FA hat während des Revisionsverfahrens einen Ergänzungsbescheid zur gesonderten Gewinnfeststellung des Streitjahres erlassen und hierin die Höhe des Veräußerungsgewinns festgestellt. Der Kläger hat beantragt, den Ergänzungsbescheid gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
1. Das anhängige Revisionsverfahren wegen Gewinnfeststellung 1974 beschränkt sich auf den geänderten Feststellungsbescheid vom 8. August 1978. Der Kläger hat zwar den Antrag gestellt, den Ergänzungsbescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Dieser Bescheid hat den angefochtenen Feststellungsbescheid jedoch weder geändert noch ersetzt.
Nach § 179 Abs. 3 AO 1977 sind die in einem Feststellungsbescheid unterbliebenen notwendigen Feststellungen in einem Ergänzungsbescheid nachzuholen. Der Ergänzungsbescheid läßt den ergänzten Feststellungsbescheid unberührt, da durch ihn bereits getroffene Feststellungen weder geändert noch aufgehoben werden können (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 179 AO 1977 Anm. 121; Frotscher in Schwarz, Abgabenordnung, § 179 Anm. 16; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 179 AO 1977 Anm. 6; vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. April 1978 IV R 91/74, BFHE 125, 29, BStBl II 1978, 479). Das Ergänzungsverfahren ist ein selbständiges Verwaltungsverfahren (Söhn, a. a. O., Anm. 120); Einwendungen gegen den Ergänzungsbescheid sind in diesem Verfahren geltend zu machen.
2. Der Feststellungsbescheid vom 8. August 1978 verstößt nicht gegen verfahrensrechtliche Vorschriften.
a) Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Bescheid nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil er keine - ausreichende - Feststellung dazu enthält, ob es sich bei den gesondert festgestellten Einkünften um begünstigte Einkünfte i. S. des § 34 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) handelt. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob er der insoweit übereinstimmenden Auffassung der Beteiligten und des FG, das FA habe über diese im Feststellungsverfahren zu entscheidende Frage (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Urteil vom 26. November 1975 I R 44/74, BFHE 117, 539, BStBl II 1976, 304, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen) im Bescheid vom 8. August 1978 keine Feststellung getroffen, folgen könnte. Denn ein Feststellungsbescheid wird nicht dadurch rechtswidrig, daß in ihm notwendige Feststellungen unterblieben sind, soweit er hierdurch nicht inhaltlich unbestimmt wird. Dies ergibt sich gerade aus der dem FA durch § 179 Abs. 3 AO 1977 eingeräumten Möglichkeit, das Feststellungsverfahren in mehreren selbständigen, sich ergänzenden Verwaltungsverfahren durchzuführen.
b) Das FA hat zu Recht die Einkünfte des Wirtschaftsjahres 1973/74 und des Rumpfwirtschaftsjahres vom 1. Juli bis 19. August 1974 im gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid für 1974 zusammengefaßt.
aa) Im Streitfall war eine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen des klägerischen Einzelunternehmens nach § 179 Abs. 1, § 180 Abs. 1 Nr. 2 b AO 1977 (für die ursprüngliche Feststellung nach § 6 Abs. 1 der Verordnung über die Zuständigkeit im Besteuerungsverfahren, RGBl I 1944, 11) durchzuführen. Die Vorschrift sagt nicht, für welchen Zeitraum die Besteuerungsgrundlagen festzustellen sind. Der Feststellungszeitraum ist daher bei Feststellungen, die Grundlagenbescheide für die Einkommensteuerfestsetzung darstellen, nach den einkommensteuerrechtlichen Vorschriften unter Beachtung von Sinn und Zweck des Feststellungsverfahrens zu bestimmen.
bb) Nach § 2 Abs. 1 EStG in der für den Streitfall maßgebenden Fassung vom 15. August 1974 - EStG 1974 - (BGBl I 1974, 1993) bemißt sich die Einkommensteuer nach dem Einkommen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat (vgl. nunmehr § 2 Abs. 7 EStG in der Fassung vom 5. September 1974 - EStG 1975 -, BGBl I 1974, 2165: Die Einkommensteuer ist eine Jahressteuer. Die Grundlagen für ihre Festsetzung sind jeweils für ein Kalenderjahr zu ermitteln). Nach § 25 Abs. 1 EStG ist das Kalenderjahr auch der Zeitraum, für den die Veranlagung durchzuführen ist.
Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und Gewerbebetrieb sind der Gewinn (§ 2 Abs. 4 Nr. 1 EStG 1974 bzw. § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG 1975), der nach dem Wirtschaftsjahr zu ermitteln ist (§ 2 Abs. 5 Satz 1 EStG 1974 bzw. § 4 a Abs. 1 Satz 1 EStG 1975). Weicht das Wirtschaftsjahr vom Kalenderjahr ab, so fallen Gewinnermittlungszeitraum und Veranlagungszeitraum auseinander. In diesem Fall gilt bei Gewerbetreibenden der Gewinn des Wirtschaftsjahres als in dem Kalenderjahr bezogen, in dem das Wirtschaftsjahr endet (§ 2 Abs. 6 Nr. 2 EStG 1974 bzw. § 4 a Abs. 2 Nr. 2 EStG 1975). Enden in einem Kalenderjahr (Veranlagungszeitraum) mehrere Wirtschaftsjahre, so ist als Gewinn aus Gewerbebetrieb dieses Jahres der zusammengefaßte Gewinn dieser Wirtschaftsjahre zu erfassen, auch wenn sich hierdurch ein Gewinnermittlungszeitraum von mehr als 12 Monaten ergibt (vgl. hierzu auch Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 4 a EStG Anm. 76; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 6. Aufl., § 4 a Anm. 6 b).
cc) Nach § 157 Abs. 2 AO 1977 bildet die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen, zu denen auch die Höhe des Gewinns aus Gewerbebetrieb rechnet, einen mit Rechtsbehelfen nicht selbständig anfechtbaren Teil des Steuerbescheides, soweit die Besteuerungsgrundlagen nicht gesondert festgestellt werden. Die Verselbständigung der Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ist nicht Selbstzweck, sondern hat dienende Funktion gegenüber der Steuerfestsetzung (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., § 179 AO 1977 Anm. 16). Fallen Wohnsitz und Betriebsort bei Einkünften aus Gewerbebetrieb auseinander, so ist dem Betriebs-FA wegen der räumlichen Nähe die Feststellung der Besteuerungsgrundlage gewerblicher Gewinn besser möglich als dem Wohnsitz-FA (vgl. amtliche Begründung zu § 161 des Entwurfs der Abgabenordnung 1974, BTDrucks VI/1982, S. 516). Der Zeitraum für die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen wird durch die Ausgliederung aus dem Steuerfestsetzungsverfahren nicht berührt. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb als unselbständige Besteuerungsgrundlagen eines Einkommensteuerbescheides nach § 157 Abs. 2 AO 1977 und die Einkünfte aus Gewerbebetrieb als gesondert festzustellende Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 b AO 1977 unterscheiden sich nur durch die gesonderte Feststellung, nicht jedoch hinsichtlich des Feststellungszeitraums (vgl. BFH-Urteil vom 19. Juli 1984 IV R 87/82, BFHE 142, 6, BStBl II 1985, 148 für die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft). Das Betriebs-FA hat deshalb den Gewinn für den Zeitraum festzustellen, der bei Ermittlung des Gewinns als unselbständige Besteuerungsgrundlage im Rahmen des Steuerfestsetzungsverfahrens maßgebend gewesen wäre.
dd) Diese Auffassung steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des IV. Senats des BFH, wonach Feststellungszeitraum für die gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb nicht das Kalenderjahr (Veranlagungszeitraum), sondern das Wirtschaftsjahr ist (vgl. Urteile vom 14. September 1978 IV R 49/74, BFHE 126, 262, BStBl II 1979, 159, und vom 27. September 1979 IV R 89/76, BFHE 129, 25, BStBl II 1980, 94), während bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft wegen der in § 4 a Abs. 2 Nr. 1 EStG 1975 vorgeschriebenen zeitanteiligen Umrechnung der Wirtschaftsjahrgewinne der im Kalenderjahr erzielte Gewinn gesondert festzustellen ist. Für die Einbeziehung aller im Kalenderjahr endenden Wirtschaftsjahre kommt es nicht darauf an, ob das Kalenderjahr oder das Wirtschaftsjahr maßgebender Feststellungszeitraum ist; diese Zusammenfassung beruht vielmehr ausschließlich auf der Fiktion des § 2 Abs. 6 Nr. 2 EStG 1974 (§ 4 a Abs. 2 Nr. 2 EStG 1975).
3. Zutreffend hat das FG entschieden, daß der bei der Veräußerung des Bürozentrums an die V entstandene Gewinn nicht als steuerfreier Sanierungsgewinn behandelt werden kann.
a) Seit dem Körperschaftsteuerreformgesetz (KStRG) vom 31. August 1976 (BGBl I 1976, 2597) ist in § 3 Nr. 66 EStG vorgesehen, daß Erhöhungen des Betriebsvermögens, die dadurch entstehen, daß Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden, steuerfrei sind. Eine gleichlautende Regelung enthielt zuvor § 11 Nr. 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in der bis zum Inkrafttreten des KStRG geltenden Fassung. Diese Regelung war entsprechend auch im Einkommensteuerrecht anzuwenden (vgl. BFH-Urteile vom 25. Oktober 1963 I 359/60 S, BFHE 78, 308, BStBl III 1964, 122, und vom 27. September 1968 VI R 41/66, BFHE 94, 186, BStBl II 1969, 102).
b) Der Begriff der Sanierung ist gesetzlich nicht festgelegt. Nach der Rechtsprechung sind unter einer Sanierung Maßnahmen zu verstehen, die geeignet sind, ein Unternehmen vor dem Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen (BFH-Urteil vom 22. April 1964 I 62/61 U, BFHE 79, 382, BStBl III 1964, 370, m. w. N.). Es muß eine bestimmte Maßnahme aller oder einzelner Gläubiger zugrundeliegen, die zwar an keine Form gebunden ist, sich aber im Wege eines allgemeinen Akkords, eines Vergleichs oder einzelner Vereinbarungen als ein Erlaß i. S. des § 397 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) darstellt (Urteil des erkennenden Senats vom 26. November 1980 I R 52/77, BFHE 132, 72, BStBl II 1981, 181). Die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns setzt hiernach im einzelnen den Erlaß von Schulden in Sanierungsabsicht, die Sanierungsbedürfigkeit des Unternehmens und die Sanierungseignung des Erlasses voraus. Fehlt nur eine dieser Voraussetzungen, ist das Vorliegen eines steuerfreien Sanierungsgewinns zu verneinen (BFH-Urteile vom 25. Februar 1972 VIII R 30/66, BFHE 105, 260, BStBl II 1972, 531, und in BFHE 132, 72, BStBl II 1981, 181).
c) Im Streitfall fehlt es bereits an einem Schulderlaß. Der Erlaß nach § 397 BGB ist ein Vertrag zwischen Gläubiger und Schuldner, durch den der Gläubiger auf seine Forderung verzichtet. Die Wirkung des Erlaßvertrags besteht in dem unmittelbaren Erlöschen der Forderung (Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 46. Aufl., § 397 Anm. 3). Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), hat V dem Kläger keine Schulden erlassen, sondern die betrieblichen Verbindlichkeiten im Rahmen der Betriebsveräußerung übernommen. Soweit in diesen Verbindlichkeiten Schulden des Klägers gegenüber V enthalten waren, ist das Schuldverhältnis durch Vereinigung von Forderung und Schuld in einer Person erloschen (sog. Konfusion; vgl. hierzu Heinrichs in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl., Vorb. 4 zu § 362). Ein Erlaß liegt hierin nicht (vgl. auch Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., § 3 EStG Anm. 450).
Zwar ist dem Kläger einzuräumen, daß durch die Übernahme der Schulden wirtschaftlich dasselbe Ergebnis erreicht werden kann wie durch deren Erlaß. Zur Sanierung eines notleidenden Unternehmens können seine Gläubiger generell in mannigfacher Weise beitragen. Steuerlich begünstigt ist nach dem Gesetz jedoch allein der Erlaß bestehender Ansprüche (BFH- Urteil vom 31. Januar 1985 IV R 149/82, BFHE 143, 267, BStBl II 1985, 365).
Auch im Hinblick auf den Aktenvermerk vom 21. August 1974, wonach die Verbindlichkeiten gegenüber V in Höhe des negativen Kapitals in der Schlußbilanz ausgebucht werden sollten, ergeben sich keine Anhaltspunkte für einen Schulderlaß. Nach den Feststellungen des FG wies die Schlußbilanz ein negatives Kapital von 675 502 DM aus. Im übrigen hätte ein Erlaß auch nicht durch buchungstechnische Vorgänge bewirkt werden können. Im Übernahmevertrag vom 18. November 1974 ist lediglich die Übernahme der gesamten Verbindlichkeiten, nicht jedoch deren teilweiser Erlaß vereinbart worden.
Fundstellen
Haufe-Index 61661 |
BFH/NV 1989, 141 |